Gerok, Karl - Vom christlichen Hausstande – 8. Predigt am Feiertag Jakobi des Größeren.

Gerok, Karl - Vom christlichen Hausstande – 8. Predigt am Feiertag Jakobi des Größeren.

(1851.)

Matth. 20, 20-28
Da trat zu ihm die Mutter der Kinder Zebedäi mit ihren Söhnen, fiel vor ihm nieder und bat etwas von ihm. Und er sprach zu ihr: was willst du? Sie sprach zu ihm: lass diese meine zwei Söhne sitzen in deinem Reich, einen zu deiner Rechten, und den andern zu deiner Linken. Aber Jesus antwortete und sprach: ihr wisst nicht, was ihr bittet. Könnt ihr den Kelch trinken, den ich trinken werde, und euch taufen lassen mit der Taufe, da ich mit getauft werde? Sie sprachen zu ihm: so wohl. Und er sprach zu ihnen: meinen Kelch sollt ihr zwar trinken und mit der Taufe, da ich mit getauft werde, sollt ihr getauft werden; aber das Sitzen zu meiner Rechten und Linken zu geben, steht mir nicht zu, sondern denen es bereitet ist von meinem Vater. Da das die Zehen hörten, wurden sie unwillig über die zwei Brüder. Aber Jesus rief sie zu sich und sprach: ihr wisst, dass die weltlichen Fürsten herrschen, und die Oberherren haben Gewalt; so soll es nicht sein unter euch; sondern so Jemand will unter euch gewaltig sein, der sei euer Diener, und wer da will der Vornehmste sein, der sei euer Knecht. Gleichwie des Menschen Sohn ist nicht kommen, dass er ihm dienen lasse, sondern dass er diene und gebe sein Leben zu einer Erlösung für Viele.

Eine der lieblichsten und holdseligsten Erzählungen des Evangeliums ist gewiss die, wie die Mütter ihre Kindlein zu Jesu brachten, dass Er sie segnete, und wie der große Welteiland diese Kleinen auf Seinen Schoß nahm und sie herzte und segnete mit den liebreichen Worten: lasst die Kindlein zu mir kommen und wehrt ihnen nicht, denn solcher ist das Himmelreich. Schon manchem Vater- und Mutterherzen ist diese Geschichte zur Erbauung, zur Ermahnung, zum Troste geworden, wenn sie ihre kleinen Lieblinge zur Taufe trugen, oder zum ersten Mal beten lehrten, oder in die Schule brachten, oder ins Grab legten.

Aber nicht nur die Kleinen und Unmündigen gilt's zum Herrn zu tragen, auch die Heranwachsenden gilt's zum Herrn zu führen und für die Herangewachsenen zum Herrn zu beten. Noch ernstere Gedanken, noch größere Sorgen als der Tauftag hat der Konfirmationstag in seinem Gefolge. Kleine Kinder, kleine Sorgen, große Kinder, große Sorgen die Wahrheit dieses Sprüchleins hat vielleicht manches Vater- oder Mutterherz auch unter uns schon erfahren. Solchen Sorgen kommt denn die Geschichte unseres Textes gar bedeutungsvoll entgegen. Hier sehen wir auch eine Mutter, die ihre Kinder vor den Herrn stellt und bittend ihm befiehlt, nicht aber Taufkinder mehr, oder Schulkinder, sondern blühende Jünglinge, hohe Gestalten, eingesegnete Jünger, die Söhne Zebedäi, die Donnerskinder, den liebenswürdigen Johannes und seinen edlen Bruder, den ernsten Jakobus. Wir Alle können lernen aus dieser Geschichte, sei's, dass wir in der Mutter oder in den Söhnen uns zu spiegeln haben, und so sei denn nach Anleitung unseres Textes der Gegenstand unserer Betrachtung:

Eine Mutterbitte vor Christi Thron und was sie gewirkt hat. Wir fassen ins Auge

1) die Liebesbitte der Mutter;
2) die Gewissensfrage des Herrn;
3) die Laufbahn der Söhne.

Schenk uns, Herr, die Himmelsfreude, Dass dereinst am letzten Tag,
Nach so manchem Kampf und Leide Jedes fröhlich sprechen mag:
Sieh, o Vater, siehe hier Meine Lieben all mit mir,
Ihrer keines ist verloren, Alle für Dein Reich erkoren. Amen.

Hört, meine Lieben, eine Mutterbitte, dargebracht vor Christi Thron, und seht, was sie gewirkt hat. Lasst uns dabei ins Auge fassen:

1) die Liebesbitte der Mutter selbst.

„Da trat zu Ihm die Mutter der Kinder Zebedäi mit ihren Söhnen, fiel vor Ihm nieder und bat etwas von Ihm. Und er sprach zu ihr: was willst du? Sie sprach zu Ihm: lasse diese meine zwei Söhne sitzen in Deinem Reich, einen zu Deiner Rechten und den andern zu Deiner Linken.“ Es ist freilich manches auszusetzen an dieser Bitte, aber wir wollen darum nicht gleich mit wegwerfendem Tadel darüber herfallen und strenger fahren mit dieser Mutter als der Herr selber mit ihr gefahren. Diese Bitte hat auch ihre Lichtseite neben der Schattenseite, und nur die wollen wir vorerst jetzt ins Auge fassen.

Schon die Person der Mutter gibt uns ein gutes Vorurteil. Eine so treue Jüngerin, wie diese Salome, die von Galiläa aus den Herrn begleitete bis unter Sein Kreuz, die darf wohl auch eine große Bitte wagen; eine so ehrwürdige Mutter, wie die Mutter eines Jakobus und Johannes, darf sich wohl sehen lassen vor dem Herrn und vor uns; solch edle Pflanzen können nicht aufgewachsen sein aus einem schlechten Boden, sie machen dem Vater und der Mutter Ehre.

Jene römische Cornelia, die Mutter der Gracchen, wies einer Freundin, die mit ihren Perlen und Edelsteinen prahlte, ihre zwei wohlgeratenen Knaben, die eben aus der Schule kamen, und sprach: das sind meine Perlen, das ist mein Schmuck. Und wenn nun diese christliche Salome, die Mutter der Kinder Zebedäi, mit einigem Stolz hinblickte auf die zwei Söhne, die der Messias aufgenommen hatte unter Seine zwölf Erwählten, ja, die zum Kleeblatt Seiner drei Auserkorenen gehörten, dürfen wir's ihr nicht verzeihen? Wahrlich, jedem Vater und jeder Mutter hier möchten wir wünschen: zieht solche Kinder! und jedem Sohn und jeder Tochter hier möchten wir zurufen: werdet solche Kinder, werdet eures Vaters Stolz, werdet eurer Mutter Schmuck!

Und wenn nun die Mutter mit ihren Söhnen hintritt vor den Herrn, Ihm sie anbefiehlt, vor Ihm niederfällt in tiefer Verehrung und brünstigem Anliegen, um für sie zu bitten: ist das nicht ein schönes Bild, ist das nicht der rechte Weg? Jeder fromme Beter ist schön, jede Fürbitte der Liebe ist ehrwürdig, aber das Schönste und Ehrwürdigste, ein Anblick, der auch Engel rührt, das ist doch eine Mutter, betend für ihr Kind, betend über der Wiege ihres schlummernden Säuglings, oder betend am Bett ihres kranken Lieblings; betend für ein wohlgeratenes Kind: erhalte es, o Herr, bei dem Einen, dass es Deinen Namen fürchte; oder betend für einen verirrten Sohn: bring ihn zurück, mein Heiland, zu den Deinen, auf die rechte Straße. Als eine tiefbetrübte Mutter einst dem Bischof Ambrosius unter Tränen klagte über ihren reichbegabten, aber in Leichtsinn tief verirrten Sohn, um welchen sie schon so viel geweint und gebetet, und Alles vergebens, da antwortete ihr der fromme Bischof: ein Sohn, für den solche Muttertränen fließen und solche Muttergebete gen Himmel steigen, der kann nicht verloren gehen. Und er hatte Recht. Aus dem verlorenen Sohn ward der große, fromme, herrliche Bischof Augustin, und die edle Mutter, aus deren Tränensaat solch eine Freudenernte reifte, war die fromme Monika. Betet, ihr Eltern, betet besonders ihr Mütter ach! ihr müsst's ja oft auch anstatt des Vaters tun, der aufs Gebet nichts hält betet für eure Kinder; die gesunden und die kranken, die kleinen und die großen, die wohlgeratenen und die ungeratenen tragt täglich auf betendem Herzen. Vaterseufzer gehen nicht verloren, Muttertränen werden im Himmel gezählt. Und ihr, Kinder, bedenkt's, wie mancher stille Seufzer für euch zum Himmel steigt, wie manche heiße Träne heimlich um euch fließt, und seht zu, dass diese Gebete und Tränen einst nicht wider euch zeugen. Also Salome hält etwas auf ihre Söhne, das können wir ihr verzeihen. Salome bittet für ihre Söhne, das können wir nur loben. Und nun, was bittet sie?

„Und er sprach zu ihr: was willst du? Sie sprach zu ihm: lass diese meine zwei Söhne sitzen in Deinem Reich, einen zu Deiner Rechten und den andern zu Deiner Linken.“ Auch der Inhalt dieser Bitte ist nicht ganz zu verwerfen. Sie will doch etwas Gutes, etwas Schönes, etwas Großes für ihre Kinder, sie sollen groß werden in des Heilands Reich, sie sollen die Nächsten sein an Seinem Herzen. Und du, Mutter, du, Vater, was willst du für deine Kinder? Nehmen deine Wünsche auch so einen hohen Flug? haben deine Sorgen auch ein edles Ziel? Ach, ein Brautkranz für die Tochter, das liegt hundert Müttern mehr am Herzen als die Krone des ewigen Lebens; dem Sohn einen guten Platz in der Welt zu verschaffen, eine anständige Versorgung, ein schwunghaftes Geschäft, ein ehrenvolles Amt, eine reiche Frau, das ist tausend Vätern wichtiger als ein Platz im Himmelreich, ja als ein Platz zur Rechten oder Linken des Heilands. O schämt euch; wer sein Kind wahrhaft liebt, wem's nicht bloß ein Spiel seiner Eitelkeit ist, sondern ein heiliges, von Gott anvertrautes Pfand, der bete nicht zum himmlischen Vater: mach mein Kind schön, oder mach's reich, oder mach's berühmt, oder hilf ihm zu einer guten Partie, sondern der bitte: mach mein Kind fromm und gut, dann ist sein Glück gemacht, und wenn's auch keinen hohen Stand in der Welt, keinen glänzenden Platz auf Erden bekommt, gönne ihm ein Plätzlein nur an Deinem Herzen, lass mich's wiederfinden einst in Deinem Reich!

Was hilft den Kindern großes Geld, Ist nicht ihr Erbteil dort bestellt?
Wer treulich sie zum Heiland führt, Der hat am schönsten sie geziert!

Solches, meine Lieben, soll uns jene Mutter Salome lehren, wie sie samt ihren zwei Söhnen zu Jesu Füßen liegt mit ihrer Liebesbitte. Freilich in dieser Liebesbitte läuft noch manches Unklare und Unlautere, manches Menschliche und Fleischliche mitunter. Da rum lasst uns nun hören, was der Herr darüber sagt, lasst uns erwägen

2) die Gewissensfrage des Herrn.

„Aber Jesus antwortete und sprach: ihr wisst nicht, was ihr bittet. Könnt ihr den Kelch trinken, den ich trinken werde, und euch taufen lassen mit der Taufe, da ich mit getauft werde?“ Ihr wisst nicht, was ihr bittet, spricht Jesus zu Mutter und Söhnen. Wohl war's eine Bitte frommer Liebe, aber doch auch eine Regung mütterlicher Eitelkeit, die glänzen wollte, wenn nicht in der Welt, so doch im Reich Gottes glänzen mit ihren Kindern. Wohl war's ein hoher Glaube, dass sie sich dem verachteten Menschensohn zu Füßen warf, in der festen Überzeugung, Er, der nicht hatte, wo Er Sein Haupt hinlege, könne Ehrensitze austeilen in Seinem herrlichen Messiasreich; aber es lief doch auch etwas mitunter von fleischlichem Ehrgeiz, der über dem herrlichen Ziel den sauren Weg, über der Krone das Kreuz vergaß, das allein zur Krone führt. Darum die ernste Zurechtweisung des Herrn: ihr wisst nicht, was ihr bittet.“

„Ihr wisst nicht, was ihr bittet.“ Ach, wie oft gilt das auch von unsern Bitten für uns und die Unsrigen! Wie viel Torheit, Eitelkeit, Fleischessinn mischt sich ein in unsere Wünsche und Gebete! Wie oft ist's Gift, was wir mit heißem Händeringen herausbeten und herausbetteln wollen vom Vater im Himmel! Wie mancher Vater, der dieses oder jenes scheinbare Glück erzwungen und ertrotzt hat für sein Kind, hat nachher, nachdem er sein Kind unglücklich sah, mit Schmerzen erkannt: ich wusste nicht, was ich bat! Wie manche Mutter, die ihres kranken Lieblings Leben im Gebete Gott gleichsam abgetrotzt, hat nach Jahren mit Seufzen gesprochen: ich wusste nicht, was ich bat, wärst du damals gestorben, du wärst unschuldig gestorben, du wärest selig hinübergegangen; jetzt lebst du, aber du lebst mir zum Leid, dir zur Schmach. Ihr wisst nicht, was ihr bittet! Ach, das gilt ganz besonders allen Wünschen der Eitelkeit, der Hoffart, des Ehrgeizes. Reichtum, Glanz und Ehre wollt ihr für euch und die Euren? Aber vergesst nicht: je höher der Stand, je tiefer der Fall, je größer die Würde, je schwerer die Bürde, je größer die Habe, je größer die Sorge. Kennt ihr nicht die Erzählung von jenem heidnischen König Dionysius, den einst ein Gast beneidete um sein fürstliches Leben? Gut, sagte der Fürst, du sollst es einmal so haben wie ich: ließ ihm schöne Kleider antun, ließ ihn auf seinen Thron sitzen, ließ ihn an seiner Tafel speisen. Das behagt dem Gast trefflich; auf einmal, da er über sich schaut am Tisch, sieht er ein bloßes, scharfes, spitzes Schwert über seinem Haupt an einem Pferdehaar aufgehängt. Was bedeutet das? fragte er zitternd und erschrocken. Das bedeutet die Nachstellungen und Gefahren, denen ein Mächtiger und Reicher täglich und stündlich ausgesetzt ist, sagte ihm der König, iss du nur fort. Aber es schmeckte dem Gast kein Bissen mehr, er zog gerne wieder seinen groben Rock an und blieb mit Freuden im niedrigen Stande. So bleibe denn auch du gerne mit den Deinen in dem Stande, den dir Gott angewiesen, trachte nicht nach hohen Dingen, und wenn du etwas bitten willst im Irdischen für dich und deine Kinder, so bitte mit Salomo (Spr. 30, 8.): Armut und Reichtum gib mir nicht, lass mich aber mein bescheiden Teil dahinnehmen.

Aber wie? gibt es denn nicht einen hohen Stand, nach dem ein Jeder trachten darf und soll, den hohen Stand eines Jüngers Christi? Gibt's nicht einen Ehrgeiz, der erlaubt, ja schön ist für uns Alle, nämlich den, etwas zu sein im Reiche Gottes, etwas zu werden zum Lobe Seiner herrlichen Gnade? Ganz gewiss, das sind Kronen, von denen es gilt Jedem, dem Geringsten wie dem Höchsten: jetzt nach dem vorgesteckten Ziel. Aber auch Kronen, von denen es gilt: Niemand wird gekrönt, er kämpfe denn recht.

Da, meine Lieben, da tritt denn ein die Gewissensfrage, die der Herr an die zwei feurigen Donnerskinder richtet und an Alle, die Ihm nachfolgen wollen in die Herrlichkeit: „könnt ihr den Kelch trinken, den ich trinken werde, und euch taufen lassen mit der Taufe, da ich mit getauft werde?“ Zur Rechten und zur Linken des Heilands wollt ihr sein, ihr feurigen Jünglingsherzen? Wisst ihr, was ihr damit erbeten habt? Schmach und Schmerz, Leiden und den Tod. Das Kreuz, das ist der nächste Ehrenthron, auf den Er wird erhöht werden; zwei Missetäter wird man mit Ihm kreuzigen zu Seiner Rechten und zu Seiner Linken: wollt ihr mit ihnen tauschen? Der bittere Leidenskelch, das ist der Ehrenpokal, der Ihm eingeschenkt wird: wollt ihr da mithalten? Die Bluttaufe, wenn unter der Dornenkrone Sein Haupt bluten und am Kreuze Sein Herz verbluten wird, das ist seine königliche Salbung: wollt ihr mittun? Bei Ihm gibt's nicht Weltehre zu holen, sondern Weltschmach, nicht Hoffart, sondern Selbsterniedrigung, denn „gleichwie des Menschen Sohn ist nicht kommen, dass Er Ihm dienen lasse, sondern dass Er diene und gebe sein Leben zu einer Erlösung für Viele, so auch wer gewaltig sein will in Seinem Reich, der sei ein Diener, und wer da will der Vornehmste sein, der sei ein Knecht.“

Auch heute noch, Geliebte, ergeht an Jeden, der Christi Jünger sein will, die Gewissensfrage: „könnt ihr den Kelch trinken, den ich trinke, und euch taufen lassen mit der Taufe, da ich mit getauft werde?“ Gibt's auch keine Giftbecher mehr zu trinken und keine Bluttaufen durchzumachen in der Nachfolge Christi: der Leidenskelch wenigstens wird Keinem erspart und Trübsalstaufen bleiben in keinem Menschenleben aus. Gilt's auch nicht Alles durchzumachen im Dienste des Herrn: auf Alles gefasst sein wenigstens müssen die Seinen. Und je mehr Einer wirken will in Seinem Reich, je näher Einer dem Herrn zur Seite rückt im Geist, Sinn und Wandel, um so gewisser muss er auch ins Leiden Christi hinein, umso tiefer muss er hindurch durch Anfechtung und Schmach; das lest ihr in den Lebensläufen aller echten Diener Christi, von Jakobus und Johannes Zeiten bis auf diesen Tag; das findet ihr bestätigt immer an den Besten in Seinem Reich, ob sie draußen arbeiten bei den Heiden oder mitten in der Christenheit, bis auf diese Stunde; „ein Christ kann ohne Kreuz nicht sein.“ Darum prüft euch, ihr Lieben: könnt ihr den Kelch Christi trinken und euch taufen lassen mit Seiner Taufe? Könnt ihr für Ihn Alles hingeben und Ihm getreu bleiben bis in den Tod? Seid ihr gewappnet mit den ersten Tugenden eines Christen: Demut, Entsagung, Selbstverleugnung?

Hinab geht Christi Weg, Und du und dein Beginnen
Willst aus vermess'nem Stolz Bis an des Himmels Zinnen,
Steigst ungenügsam auf? Dein Heiland stieg herab,
Wer mit Ihm aufwärts will,
Muss erst mit ihm hinab!

Aber wer mit Ihm hinabsteigt, der darf auch aufwärts mit Ihm. Das sehen wir

3) an der Laufbahn der Söhne.

Sie sprachen zu Ihm: „Ja wohl.“ Ein kühnes Wort, dieses Ja wohl, an dem freilich Fleisch und Blut der jungen Donnerskinder, an dem ein unüberlegtes Selbstvertrauen auch noch sein Teil hatte. Ein vielsagendes Wort, dieses Ja wohl, von dem sie selber noch nicht verstanden, was sie damit versprachen. Aber wie man schon am ersten Brüllen den jungen Löwen, und am ersten Flügelschlage den künftigen Adler erkennt, so erkannte der Herzenskündiger in diesem raschen Ja wohl schon die Liebestreue Seines Johannes, den Märtyrersinn Seines Jakobus. Und darum spricht Er zum raschen menschlichen Ja Sein göttlich bestätigendes Amen. „Und er sprach zu ihnen: meinen Kelch sollt ihr trinken und mit der Taufe, da ich mit getauft werde, sollt ihr getauft werden.“ Wie ihr sprecht, so geschehe euch. Nicht als Drohung sei's euch kund getan, sondern als große, herrliche Verheißung. Nicht aus eigener Kraft sollt ihr's vollbringen, aber durch Gottes Gnade soll es euch gegeben werden, dass ihr trinkt von meinem Kelch und getauft werdet mit meiner Taufe, dass ihr in Wahrheit mir zur Seite stehen und gehen dürft als meine Kreuzträger und Leidensgenossen. Und so geschah's. Der Mutter Bitte, der Söhne Gelübde, des Herrn Segen trug edle Früchte im Leben und Leiden des herrlichen Brüderpaars. Als Johannes, der einzige Getreue von Allen, unter seines Meisters Kreuze stand, als er auf der öden Insel Patmos verbannt war um Jesu willen, und vielleicht, wie die Sage erzählt, den Giftbecher trank, der ihm nicht schaden durfte, da hat er auch getrunken aus dem Kelche seines Meisters, aus dem Kelche von Gethsemane. Und Jakobus, dessen Ehrentag wir heute feiern, der Frühvollendete, welcher der Ehre gewürdigt ward, der erste Märtyrer zu werden unter den Aposteln, als er dort zu Jerusalem auf Herodes Befehl unter dem Henkerschwert fiel, da ist er auch getauft worden mit der Taufe seines Herrn, mit der Bluttaufe von Golgatha. Nun war das Wort eingelöst, das sie dort so freudig gegeben, nun war der Mutter Bitte erfüllt, freilich anders als sie gedacht! Aber die Krone? aber das Sitzen zur Rechten und Linken? Nun, auch da gewiss sind sie nicht zu kurz gekommen. Zwar der Herr gibt ihnen dafür keine Bürgschaft und Verschreibung in die Hand. „Aber das Sitzen zu meiner Rechten und Linken zu geben, steht mir nicht zu, sondern denen es bereitet ist von meinem Vater.“ Nicht im Schauen, sondern im Glauben, nicht im Haben, sondern im Hoffen, nicht um Lohn, sondern aus Liebe soll der Christ hienieden sein Kreuz tragen, seinen Kampf kämpfen, seinen Lauf vollenden, und gewiss, diese Jünger selber, als sie durch den Geist Christi gereift, geläutert, ausgezeitigt waren, haben sich ihrer jugendlichen Hoffart geschämt; aber vergebens war darum ihre Arbeit nicht, fruchtlos war darum der Mutter Bitte nicht, die Krone haben sie doch erlangt, der Eine nach kurzem blutigem Kampf, der Andere nach langem treuem Lauf; und wenn sie auch nicht so, wie sie's einst gemeint, sitzen zur Rechten und zur Linken ihres Königs: hienieden am Himmel der Kirche leuchten sie unter den ersten Sternen und droben gewiss stehen sie unter den Nächsten am Throne.

Dem Adlerflug solcher Seelen schauen wir freilich nur in Demut und von ferne nach, aber der Herr gibt Jedem das Seine und auch heute noch erhört er fromme Mutterbitten und nimmt edle, junge Seelen gern in Seinen Dienst, die da mutig schwören wollen zu Seinem Kreuzpanier. So wie dort Salome ihre zwei herrlichen Söhne Ihm zur Verfügung stellte, so hat eine nicht gar lang entschlafene ehrwürdige Mutter in unserer Stadt, die Mutter Hofacker, auch zwei edle Söhne, auch zwei Donnerskinder mit hoher Mutterliebe und starkem Christensinn zum Dienste Christi gestellt, ihren Ludwig und ihren Wilhelm, jene gewaltigen Zeugen des Herrn an unserer hiesigen Gemeinde. Beide haben den Kelch ihres Meisters getrunken, Beide sind im Dienst ihres Herrn als Heldenstreiter gefallen, der Eine nach kurzem Kampf, der Andere nach längerem, und doch zu kurzem Lauf; Beide leben unter uns fort, wiewohl sie gestorben sind, Beide lehren uns, was man werden kann in der Kreuzschule Christi und in der Zucht Seines Heiligen Geistes. Wollen wir nicht auch etwas werden zum Lobe Seines herrlichen Namens und uns Ihm ergeben mit der Losung: Um einen ew'gen Kranz mein armes Leben ganz? Ja, wenn wir nur in der Kraft frommen Glaubens und treuer Liebe unser Kreuz tragen und unsern Kelch trinken und unser Christengelübde lösen, dann, o dann haben auch für uns treue Seelen nicht umsonst gebetet, dann wird auch uns droben ein seliges Plätzchen nicht fehlen, wie es recht ist für uns. Die Gaben sind verschieden, die Ämter mannigfaltig, und auch droben gibt's Stufen am Throne; darum kein Neid! Aber vergessen wird die ewige Liebe keinen ihrer treuen Knechte. Und wer hinabgeht mit dem Herrn, darf auch mit Ihm hinaufgehen. O dass wir dort einst selig wieder zusammenträfen, Jedes mit den Seinen:

Wo die Patriarchen wohnen, Die Propheten allzumal,
Wo auf ihren Ehrenthronen Sitzet der Zwölf Boten Zahl,
Wo in so viel tausend Jahren Alle Frommen hingefahren,
Wo dem Lamm, das uns versöhnt, Ewig Hallelujah tönt! Amen.

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