Kähler, Carl Nikolaus - Moses in Christo - II. Warum wir von Natur aus so unselig sind.
Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserm Vater, und dem Herrn Jesu Christo. Amen.
Was ist für uns Menschen das höchste Gut? ich meine, das Gut, das über alle andere Güter geht und dem sie nur als Mittel dienen sollen. Es hat zu keiner Zeit an Menschen gefehlt, die nach dem höchsten Gut geforscht haben mit Fleiß. Aber wie verschieden sind ihre Meinungen! Varro, der 100 Jahre vor Christo lebte, zählt schon zu seiner Zeit 288 verschiedene Meinungen über das höchste Gut. Ist man nach jener Zeit sich einig geworden? Nein, die Menschen sind sich uneinig bis auf den heutigen Tag. Der eine nennt uns dies, der andere das als das Höchste, wonach wir trachten sollen; einige suchen es in dieser, andere in einer andern Welt, noch andere in Beiden zugleich. Sie sind wie jene Leute, die den Turm zu Babel bauten: wenn der eine Kalk wollte, so nahm der andere Steine; wenn der eine baute, so riss der andere wieder um. Je länger sie arbeiten, desto größer wird die Verwirrung. Wem sollen wir folgen? Wir hören sie alle an, aber wir folgen ihnen nur, soweit sie Christo folgen. Von Christo lassen wir uns das höchste Gut nennen, von Christo den Weg dahin zeigen. Warum glauben wir denn ihm mehr als allen andern? Was er sagt, liebe Christen, das ist keine Stubengelehrsamkeit, sondern ein von ihm Erfahrenes, Gesehenes, Erlebtes. Er redet nicht nur die Wahrheit, sondern er ist die Wahrheit selbst, nach seiner Person, denn in ihm wohnt die Fülle der Gottheit; nach seinem Werk, denn sein Kreuz ist unser Leben; nach seinem Wort, denn sein Evangelium ist eine Kraft selig zu machen alle die daran glauben. Christus nennt uns als das höchste Gut die Seligkeit. Joh. 3: Gott hat seinen Sohn gesandt, dass die Welt durch ihn selig werde. Nun, so sei uns denn auch die Seligkeit das höchste Gut. Wir bedürfen ihrer alle, denn wir sind nicht selig von Natur. Es ist nichts unseligeres, unruhigeres, missvergnügteres, unzufriedeneres unter der Sonne als ein Mensch, der nach seiner Natur lebt und sich von Christo noch nicht hat selig machen lassen, daher der Heiland so oft ein Wehe ausruft über die Menschen: Wehe euch Reichen! Wehe euch, die ihr voll seid! Wehe euch, die ihr lacht! Dieses Wehe betrifft nicht nur die Zukunft, sondern auch die Gegenwart des Sünders: er ist nicht selig und er wird es nicht. Hören wir darüber das Wort Röm. 7. 18, 25.
Wir haben die Bergrede Christi verlassen auf immer? Nein, liebe Christen, wir kommen bald wieder in sie hinein. Das verlesene Wort Pauli ist anzusehen als eine Einleitung in die Seligpreisungen. Paulus nennt sich einen unseligen Menschen sind wir das nicht alle? Ja, nach unserem natürlichen Zustande sind wir alle unselig. Warum? Das soll die Frage sein, die wir heute beantworten.
Warum wir von Natur so unselig sind.
Es rührt daher: 1. dass wir geschieden sind von Gott, 2. dass wir der Sünde dienen; 3. dass uns Gott richtet; 4. dass die Welt uns ängstigt; 5. dass wir uns selbst nicht helfen können.
1.
Als der Römer Julius Cäsar einst durch eine Stadt zog und sah, wie die Weiber unter ihren Häusern und Fenstern saßen und mit ihren Hunden, Katzen und Papageien spielten, sagte er: In dieser Stadt haben gewiss die Weiher keine Kinder. Was sollen nun wir sagen, wenn wir Durch die Städte, Flecken und Dörfer der Welt ziehen und sehen, was die Menschen dem größten Teile nach vornehmen, arbeiten, lieben, worüber sie sich freuen, womit sie ihre Zeit vertreiben? wenn wir sehen, dass sie teils mit so nichtigen, teils mit so sündlichen Dingen umgehen, und dass nichts in der Welt so schlecht ist, es sei ein Hund, ein Pferd, ein Kleid, ein Stück Blech, das man Silber und Gold nennt, worauf nicht der Mensch mit seinen törichten Lüsten fällt und hängt sein Herz daran - was sollen wir sagen? Wir müssen sagen: die Leute haben gewiss keinen Gott. Und so ist es. Der natürliche Mensch hat keinen Gott. Wir sind geschieden von Gott, und daher rührt es, dass wir von Natur so unselig sind. Wie sollten wir glücklich, zufrieden, selig sein können ohne Gott? Ein Wurm fühlt sich wohl, wenn er im Erdboden sein kann, denn die Erde ist sein Element. Ein Fisch freut sich, wenn er im Wasser schwimmen kann, denn das Wasser ist sein Element. Ein Vogel singt sein Lied, wenn er frei sich in der Luft bewegt, denn die Luft ist sein Element. Unsere Seele aber ist nur selig, wenn sie in Gott ruht. Wie wohl ist mir, o Freund der Seelen, wenn ich in deiner Liebe ruh'! Ach Christen, wie ganz anders ständ es um unsere Ruhe, um unsere Heiterkeit, um unsern Frieden, wenn wir mit Asaph Gott hätten und fragten nichts nach Himmel und Erde; wenn wir mit David daran unsere liebste Freude hätten, dass wir uns an Gott hielten; wenn wir mit unserm Erlöser sagen könnten: Wir und der Vater sind eins! Aber solange wir noch nicht versöhnt sind, so lange sind wir Feinde Gottes, Röm. 5: Welche Kluft ist befestigt zwischen Gott und dem natürlichen Menschen! Bei vielen ist sie so groß, dass sie nicht einmal an einen Gott glauben, sondern den lebendigen Gott verwandeln in das vergängliche Bild eines Götzen. Viele glauben zwar an einen Gott, aber sie kehren sich nicht an ihn, sie lieben und fürchten ihn nicht, sie vertrauen und gehorchen ihm nicht. Es ist eine große Kluft befestigt zwischen ihm und ihnen; er ist in der Höhe, sie sind in der Tiefe; er ist heilig, sie sind unheilig; er ist gerecht, sie sind ungerecht; er ist weise, sie sind töricht. Kein Wunder, dass sie so unselig sind in ihrem Herzen, dass sie so missvergnügt sind wie der verlorene Sohn, der die Säue hütete, und wie Nebukadnezar, der unter den Tieren auf dem Felde war. Denn die Seele, wie weit sie sich auch scheidet von Gott, behält doch immer ein dunkles und heimliches Gefühl von ihrem Ursprung aus Gott. Ihr bleibt die Ahndung, dass es einmal anders müsse gewesen sein, als es jetzt ist, und dass ihr das Paradies verloren gegangen sei. Dies Gefühl, diese Ahndung erfüllt sie mit Unlust und Unruhe. Sie schwärmt mit ihren Gedanken, ihren Gefühlen und Neigungen umher in der Welt, ergreift bald dieses, bald jenes und spricht: daran will ich mir genügen lassen. Aber bald genügt es ihr nicht mehr; sie flattert weiter und spricht: Bring her, bring her, (Sprich. 30): sie durchwandelt dürre Stätte, sucht Ruhe und findet sie nicht. Dass wir von Natur so unselig sind, rührt daher, dass wir von Gott geschieden sind.
2.
Wir haben das wahre Element verlassen und sind in ein fremdes gekommen, darin wir keinen Frieden finden, wie der Fisch, der aus dem Wasser an den Strand geworfen wird. Dies fremde Element ist die Sünde. Dass wir so unselig sind von Natur, rührt zweitens daher, dass wir der Sünde dienen. Was sagt Paulus in unserm Text? Das Gute das ich will, das tue ich nicht, sondern das Böse, das ich nicht will, das tue ich. Ich habe ein Gesetz in meinen Gliedern, das da widerstreitet dem Gesetz in meinem Gemüt und nimmt mich gefangen in der Sünde Gesetz. Der Apostel führt dich hinein in dein Herz. Ach, wie übel ist das zugerichtet von der Sünde! darin liegen, wie in einem Schlangennest, die Eier allerhand sündlicher Gedanken und Begierden, des Zorns, des Hasses, des Neides, des Ehr- und Geldgeizes. Wo Liebe zu Gott sein sollte, da ist Liebe zur Welt; wo kindliche Furcht das Regiment haben sollte, da regiert die zügellose Lust; wo man stilles Vertrauen finden sollte, da findet man ein unruhiges Misstrauen, Zagen und Zweifeln. Ist es ein Wunder, dass wir dabei uns unselig fühlen? So manche Sünde, so manche Natter, die uns sticht und verwundet. Betrachten wir nur die, welche Sklaven sind ihrer Lust. Kaum haben sie die eine Lust befriedigt, so kommt schon eine zweite, die sie reizt und lockt, und je öfter sie die Lust sättigen, desto unersättlicher wird sie und desto schwerer die Kette, woran sie ihre Knechte legt. Dazu kommt, dass die bösen Lüste unter sich selbst in Feindschaft leben, und unser Herz ist das Feld, worauf sie sich bekämpfen. Du möchtest der Wollust dienen: da kommt der Ehrgeiz und zeigt dir die Schande, in die du dich stürzt. Du möchtest dir Güter und Schätze sammeln: da kommt die Eitelkeit und fordert Aufwand für Kleider, Möbeln und andere Sachen. Du möchtest einem Menschen, der dir nicht lieb ist, entgegentreten und ihm die Spitze bieten: da kommt der Eigennutz und spricht: Bücke dich. So stehst du allezeit mit deinem Herzen zwischen Tür und Angel, wirst von der einen Lust nach der rechten, von der andern Lust nach der linken Seite gezogen: welch eine Pein ist das für dich! Wundere dich also nicht, dass wir von Natur so unselig sind. Wir sind es, weil wir der Sünde dienen.
3
Könnte der Sünder ganz loskommen von Gott und die Natur einer Pflanze annehmen, dann hörte zuletzt die Unruhe auf. Aber das kann er nicht. Wenn wir auch wollten ganz und gar von Gott lassen, so lässt Gott doch nicht von uns. Er ist immer hinter uns her mit seinem Licht, mit seinem Wort, mit seinem Gericht, und dass uns Gott richtet, ist der dritte Grund, warum wir von Natur so unselig sind. Welcher Sünder sollte die Menschheit so ganz und gar ausziehen können, dass er von dem Menschen auch gar nichts mehr in und an sich behielte als die äußere Gestalt? Wie weit er auch gehe, wie tief er auch sinke: es bleibt doch immer noch etwas von dem Licht, das Gott in ihm angezündet hat. Der Unterschied zwischen Gut und Böse, zwischen Tugend und Laster, ganz kann er ihn nicht in seinem Bewusstsein vertilgen und gerade dies vermehrt seine innere Pein. Denn nun hört er zu Zeiten eine Stimme, die zu ihm sagt: es ist doch nicht recht, dass ein vernünftiger Mensch ist wie ein Tier. Bist du nicht ein elender, ein geplagter Mensch bei diesem Leben, das du führst? Er hört eine andere Stimme, die Gewissens Stimme, welche ihm Vorwürfe macht. Wie schändlich, spricht sie, dass du so handelst! Meinst du, wenn du so fortfährst, dass es gut mit dir gehen könne? Er hört eine andere Stimme, die von außen zu ihm kommt. Denn der Sünder mache es wie er will, so kann er doch nicht den Anblick derer vermeiden, die besser und glücklicher sind als er. Er hört, wie sie so ganz anders denken und urteilen als er, und wenn er ihnen auch widerspricht, so muss doch das Herz ihnen in etwas Recht geben. Er sieht, wie sie einen ganz andern Weg gehen und wie sie bei ihrer Demut, ihrer Sanftmut, ihrem Glauben, ihrer Barmherzigkeit, ihrer Herzens-Reinheit viel ruhiger und glücklicher sind als er. Er sieht die Kirche, den Altar, hört den Gesang der Gemeine, und kann es nicht immer vermeiden, Wahrheiten zu hören, die ihn anklagen. O, was leidet unter solchem inneren und äußeren Gericht Gottes mancher Mensch für heimliche Vorwürfe! Sein Herz ist wie ein ungestümes Meer, das nicht stille sein kann und dessen Wellen Unflat auswerfen, Jes. 57, Es ist unmöglich, dass auf dem Dornstrauch eines solchen natürlichen Herzens die süße Frucht der Zufriedenheit wachse. Das Herz eines Sünders ist wie ein Widder, der keine Weide findet und matt vor dem Treiber hergeht.
4.
Oder wäre es vielleicht möglich, dass wir für den inneren Frieden, der uns fehlt, einen Ersatz finden könnten in der Welt? Christus sagt: In der Welt habt ihr Angst. Die Welt ängstigt uns - der 4te Grund, warum wir von Natur so unselig sind. Begleite doch einen Menschen von seinem ersten Schritt, den er ins Leben, bis zu seinem letzten, den er aus dem Leben tut: wie manche Plagen findest du nicht, mit denen er zu kämpfen hat! Er schreit, wenn er geboren wird, und seufzt und stöhnt, wenn er stirbt. Wie viel Mühe kostet seine Erziehung, solange er ein Kind ist! Wie sauer muss er es sich werden lassen und durch wie viele, viele böse Stunden gehts, bevor er in die Schranken seines Berufs tritt! Ist er endlich geworden, warum er vielleicht 20, 30 Jahre gearbeitet hat: was findet er nun? Zerstörte Hoffnungen in Menge. Ihm kam die Zukunft, da er sie in der Ferne sah, weit schöner vor, als er sie in der Nähe findet. Sie gleicht dem Monde, der von Weitem die Gestalt einer glänzenden Kugel hat; aber in der Nähe ist er ein dunkler Körper. Wie viel Kampf finden wir auf dem Wege unseres Berufs! Bald ist es ein Kampf mit Sorgen der Nahrung und des Fortkommens, die uns ängstigen; bald ein Kampf mit den Menschen, wovon immer einer des andern Teufel ist; bald ein Kampf mit den Elementen, wo bald der Sturm tobt, bald die Flamme wütet, bald die Woge brauset, bald der Boden widerspenstig ist. Dann wiederum ist es die zerbrechliche Hütte des Leibes, in der wir Schmerz und Krankheit erleiden müssen, sie will über uns zusammenbrechen und wenn sie endlich zusammenkracht, so werden wir unter ihren Trümmern begraben. Geh' alle Verhältnisse deines Lebens durch: kannst du die Trübsale zählen, die dich darin treffen? Wie viel hast du als Vater, als Mutter zu dulden! wie viel als Gatte, als Gattin! wie viel als Bruder, als Schwester! wie viel als Bürger, als Untertan! Es ist ein elend, jämmerlich Ding um aller Menschen Leben von Mutterleibe an bis sie in die Erde begraben werden. Da ist immer Sorge, Furcht, Hoffnung und zuletzt der Tod (Sir. 40). Wenn du nun zu dieser Angst, die wir haben in der Welt, das alles hinzunimmst, wovon oben geredet worden: die Trennung, darin wir mit Gott leben, die Sünde, der wir dienen, das Gericht Gottes, dem wir unterworfen sind: wird es dir dann nicht deutlich, warum wir so unselig sind?
5.
Dazu kommt nun endlich noch unser Unvermögen, nämlich: dass wir uns selbst nicht helfen können. Solange Christus nicht mächtig in uns ist: ach, wie schwach sind wir da im Kampfe mit der Welt und mit der Sünde! Vermag der natürliche Mensch die Trübsal zu tragen, die ihm auf die Schulter gelegt wird? Ich frage dich und du magst antworten nach der Erfahrung, die du an Dir und Andern gemacht hast. Die Erfahrung spricht: das menschliche Herz ist ein trotzig und verzagt Ding. Wie seufzet der Mensch, wie jammert, wie klagt er, wenn Trübsale über ihn kommen! Seine Rede verstummt, sein Angesicht wird traurig, sein Mut schrumpft zusammen, wie eine Pflanze im Winter. Entweder dies, oder er geht zu Trotz und Empörung über. Er fängt heimlich an, die Stunde seiner Geburt zu verfluchen, er verwünscht das Leben, wo er keine Freude finde, er wirft zornige Blicke auf Gott und hadert mit ihm wegen seines Schicksals. Die Sünde bindet ihm Hände und Füße, dass er sich nicht zu helfen weiß in der Trübsal. Warum kämpft er denn die Sünde nicht nieder? Er kann nicht. Betrachte ihn doch nur in seinem Kampfe mit der bösen Lust. Da hört er zwar die Stimme, die zu ihm sagt: Schüttele das Joch ab, und er sieht wohl ein, dass dies geschehen sollte, er wünscht wohl, dass es anders mit ihm werden möchte. Er nimmt sich daher vor, sich loszureißen von der bösen Lust, die ihn reizt. Er flucht ihr und weist sie von sich weg. Aber einige Zeit darnach, wenn sie wieder kommt, ist sie stärker als zuvor und reißt mit Gewalt die Tür seines Herzens auf. Er hat nicht mehr Gewalt über seine Gedanken, über seine Neigungen, sie fangen an zu brennen und verzehren aufs Neue den Frieden seines Herzens. Obwohl er die Hölle vor Augen hat, in die er sich stürzt; obwohl er weiß, dass die kurze Lust einen langen Schmerz gebiert, so kann er sich gleichwohl nicht losmachen von der Sünde. Dies Unvermögen macht ihn bald betrübt, bald desperat. Weil er wider Gott ist, meint er, Gott sei auch wider ihn, und das beunruhigt ihn und peinigt seinen Geist. Wie will das werden? Soll er seinen Unmut mit neuen Lüsten vertreiben? Er tut es, aber er bereitet sich neue Qual. Soll er sich in sein Schicksal ergeben? Ja, die lange Gewohnheit löscht mehr und mehr das Licht in ihm aus, stumpft mehr und mehr das Gewissen in ihm ab. Auch sieht er, dass Andere ebenso tun wie er. Er überredet sich, es müsse so sein. Wer in einer Mühle erzogen ist, dem macht das Klappern derselben zuletzt keine Unruhe mehr, er kann da bei essen, schlafen, denken. So meint auch der natürliche Mensch, der unter Sünden geboren und erzogen ist, die Sünde gehöre mit zum Wesen des Menschen. Er beruhigt sich und folgt dem großen Strom. Wohl versucht er mitunter, sich loszumachen; aber wenn es ihm nicht gelingen will, so folgt er der Spur der Welt. Kann denn die Welt durch ihre Güter und Freuden, die sie hat, ihn glücklich machen? Nein, je mehr er findet, desto mehr sucht er. Er hängt sich bald an dies, bald an das, geht bald dahin, bald dorthin, aber Ruhe findet er nirgends, weil seine Seele heimlich nach Gott verlangt. Er ist wie ein kleines Kind: wenn es unruhig ist und schreit, so kommt statt der Mutter die Wärterin, schwirret und klappert ihm etwas vor, dadurch es sich eine Zeitlang beruhigen lässt, seines Leides vergisst und lächelt. Aber ehe man sichs versteht, ist es dieser Freude überdrüssig und fängt aufs Neue zu weinen an. Was für ein Kind die Wärterin ist mit dem Schlüssel, das ist für die Seele, die Welt mit ihrer Lust. Das äußerliche Gaukelwerk der Welt kann nicht den Durst der Seele stillen, wo nicht die Gnade kommt, wie eine Mutter zu dem Kinde, und ihm ihre Brust reicht. Wie könntest du dich nun wundern, dass wir von Natur so unselig sind? Das macht die Trennung, die Sünde, das Gericht, die Angst, das Unvermögen. Nun frage ich: Wie steht es um dich? Trägst du auch noch das unruhige Herz in dir? ist noch die Kluft zwischen dir und Gott? dienst du noch der Sünde? schilt dich noch deine Vernunft? stäupt dich dein Gewissen? plagt dich die Welt? liegst du in den Ketten? Und wenn das ist: willst du vollends zur Hölle fahren? willst du den nagenden Wurm ewig behalten? nie deines Lebens froh werden? dein Joch forttragen, bis du im Tode darunter erliegst? Ach, so übel wirst du es ja nicht mit dir selber meinen. Hörst du nicht Jemanden rufen? Christus ruft dich. Es jammert ihn, dass du so unselig bist. O lieber Mensch, sagt er, ich weiß es wohl und du weißt es auch, dass ein Verlangen in dir ist nach einem ewigen Gut. Alles, worauf du bisher herumgeflattert bist, hat deine Sehnsucht nicht stillen können. Aber siehe, ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben. Komm zu mir, so sollst du Ruhe finden für deine Seele. Wie wohl wird dir sein! So wohl wie einem Fisch, der wieder ins Wasser kommt; wie einem Vogel, der wieder in die Luft, wie einem Hirsch, der in den Wald, wie einem Baum, der ins Erdreich, wie einem Kinde, das zu seiner Mutter kommt. Kommt her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid, ich will euch erquicken.