Bender, Ferdinand - Geschichte der Waldenser - Fünftes Kapitel. Die Waldenser in Spanien.
„Sie werden euch in den Bann tun. Es kommt die Zeit, dass, wer euch tötet, wird meinen, er tue Gott einen Dienst daran.“ Joh. 16, 2.
Die erste Kunde von dem Vorhandensein und der Verbreitung unserer Talleute in Hispanien gibt uns ein Edikt, welches König Alphons II. von Aragonien in dem Jahre 1192 gegen dieselben last erließ1). Es lautet also:
„Dieweil uns Gott über sein Volk gesetzt hat, so ist es Recht und in der Ordnung, dass wir nach unsern Kräften für sein Heil und seine Sicherheit unausgesetzt Sorge tragen. Indem wir daher unsern Vorfahren nachahmen wollen und den Satzungen des kanonischen Rechtes Folge leisten, welche die vom Angesichte Gottes und aller Katholiken verworfenen Keber an allen Orten zu verurteilen und zu verfolgen befehlen: so gebieten wir hiermit, dass die Waldenser d. h. die Insabbatater, die sich mit einem anderen Namen Arme von Lyon nennen, und alle sonstigen zahllosen Ketzer, als Feinde des Kreuzes Christi und als Übertreter der christlichen Religion, als unsere und des Staates öffentliche Feinde, aus unserm ganzen Reiche und unserer Herrschaft wegziehen und fliehen sollen. Wer sich also von diesem Tage an und in der Folge unterfangen sollte, gedachte Waldenser oder Insabbatater2) und andere Ketzer, welches Bekenntnisses sie auch sein mögen, in sein Haus aufzunehmen, oder ihre abscheuliche Predigt an irgend einem Orte anzuhören, oder ihnen Speise oder sonst eine Wohltat zu reichen, der zieht sich den Zorn des allmächtigen Gottes und unsern eigenen Unwillen zu; seine Güter sollen, ohne alle Einrede, eingezogen und er selbst als Majestätsverbrecher bestraft werden. Wir befehlen, dass dieses unser Edikt und unsere für immer geltende Anordnung in allen Städten, Festungen und Dörfern unseres Königreichs und in allen Landen unserer Macht an den Sonntagen von den Bischöfen vorgelesen und von den Kirchenvorständen, von den Vikarien, Amtleuten, Justizbeamten, Merinen und Zafalmerinen (Oberrichtern und Unterrichtern) und allen Leuten beobachtet werden, und die vorbemerkte Strafe den Übertretern angetan werden solle. Auch ist zu bemerken: wenn eine adelige oder unadelige Person etliche von den oft genannten Frevlern (nachdem es bekannt ist, dass sie von unserm Edikt bereits seit dreien Tagen Kenntnis erhalten) irgendwo in unserem Reiche antreffen sollte, welche sich nicht schnell davonmachen, sondern hartnäckig in ihren Wohnungen bleiben, oder hin und her wandeln, so soll alles Böse, alle Schande und Belästigung, welche sie ihnen (den Ketzern) bloß mit Ausnahme tödlicher Verletzung oder körperlicher Verstümmelung - antut, vor unsern Augen angenehm erscheinen, und dieselbe Person keine Strafe zu befürchten haben, vielmehr unserer Gnade gewiss sein. Übrigens geben wir jenen Verbrechern (sollte es auch gewissermaßen gegen Recht und gesunde Vernunft zu streiten scheinen) bis zum morgenden Tage aller Heiligen Aufschub, unser Land zu verlassen oder wenigstens damit anzufangen; widrigenfalls sie hernach ausgeplündert, geprügelt, gehauen und sonst übel behandelt werden müssten.“
Mit diesem Edikte wurden zugleich die Verordnungen in Kraft gesetzt, welche das unter dem Vorsitz des Papstes Lucius III. und des Kaisers Friedrich Barbarossa zu Verona gehaltene Konzil gegen die Ketzer gegeben hatte.
Wie sein Vater erließ auch Peter II. ein mit dessen Edikt fast wörtlich übereinstimmendes Gesetz gegen die Ketzer, unter welchen ebenfalls die Waldenser oder Sabbatater hervorgehoben werden. Trotz dieser äußerst strengen Anordnungen scheint sich aber die Waldensergemeinde in Spanien immer weiter (selbst bis nach Sevilla) verbreitet, und ihre Lehre in dem Leben des Volkes immer tiefer Wurzel geschlagen zu haben. Unter dem Sohne Peters, Ja tob I., ordnete Papst Gregor IX. ein Inquisitionstribunal an und befahl dem Erzbischof Esparrago von Tarragona samt seinen Suffraganen, die Ketzer selbst aufzuspüren, oder durch Dominikaner aufspüren zu lassen. Viele der Verfolgten flohen in die Täler des benachbarten Kastiliens. Aber auch dort fanden sie keine Ruhe. Sie wurden entdeckt, und der Bischof von Palencia, Don Tello, ließ sie in das Gefängnis werfen. Man fragte bei dem Papste über Er das gegen die Gefangenen einzuschlagende Verfahren an, und dieser gebot, die Reumütigen, welche ihre Irrtümer abschwören würden, in den Schoß der Kirche wieder aufzunehmen, die Halsstarrigen aber zu bestrafen. Alle Angeklagten beharrten unerschütterlich bei ihrem Glauben, und wurden zum Feuertode verurteilt. Es wird verzählt, König Ferdinand der Heilige habe selbst Holz herbeigetragen, und mit eigener Hand den Scheiterhaufen angezündet.
Das in Anwesenheit des päpstlichen Inquisitors, Raymund von Bennaforte, zu Tarragona in Catalonien, im Jahre 1242 gehaltene Konzil gab nähere Bestimmungen über das gegen die Ketzer, ihre Anhänger und Hehler einzuhaltende Gerichtsverfahren. Als Ketzer bezeichnet das Konzil Solche, „die in ihren Irrtümern beharren, von welcher Art die Insabbatater sind, die da behaupten, in gewissen Fällen dürfe man nicht schwören, der geistlichen und weltlichen Obrigkeit nicht gehorchen, keine körperlichen Bestrafungen verhängen u. dergl.“ Verdächtige werden diejenigen genannt, „die eine Predigt der Insabbatater anhören, mit ihnen im Gebet die Knie beugen, ihnen einen Kuss (den Bruderkuss) geben, oder glauben, die Insabbatater seien gute Menschen usw.“
Beharrliche Ketzer sind dem weltlichen Arme zu übergeben; vollkommene Ketzer, welche sich bekehren wollen, sollen nach vorangegangener Absolution und Abschwörung zu ewigem Gefängnis verurteilt werden. Diejenigen, welche an die Irrtümer der Ketzer glauben, haben feierliche Buße zu tun.
Papst Innocenz IV. übertrug auch für Spanien den Dominikanern die Handhabung der Inquisition. In einem Breve vom 20. Oktober 1248 schreibt er an den obengenannten Raymund von Pennaforte: „da die Dominikaner gleichsam von der Vorsehung ihm zu Gehilfen in Ausrottung der Ketzerei gegeben worden seien und er ihre Tätigkeit als sehr zweckmäßig kennen gelernt habe, so sei er entschlossen, ihnen dieses Geschäft insbesondere zu übertragen. Darum befehle er nun Raymund, in den zur Kirchenprovinz Narbonne gehörigen Teilen Aragoniens einige Dominikaner als Inquisitoren aufzustellen, und ihnen jene Statuten zu geben, welche schon Gregor (IX.) erlassen und er selbst bestätigt habe.“
Von nun an hören wir nichts mehr von Waldensern oder Insabbatatern in Spanien. Sie erlagen wohl den fortgesetzten Verfolgungen der Glaubensgerichte.