Frommel. Max - Ostermontag, zweite Predigt
Das ist der Kirche froher Siegesgesang an Ostern; davon es schon im Alten Testament weissagend hieß: „Man singt mit Freuden vom Sieg in den Hütten der Gerechten, die Rechte des Herrn behält den Sieg, die Rechte des Herrn ist erhöht, die Rechte des Herrn behält den Sieg,“ davon alle Osterlieder voll sind, wenn sie den Helden feiern, welcher der Schlange den Kopf zertreten hat, den Simson, welcher die Tore des Todes ausgehoben, den Löwen aus Juda, welcher für uns überwunden hat. So wollen auch wir heute einstimmen in den Triumphgesang der Christenheit: „Tod, wo ist dein Stachel? Hölle, wo ist dein Sieg? Gott sei Dank, der uns den Sieg gegeben hat durch unsern Herrn Jesum Christum.“ Wir wollen uns grüßten mit dem Ostergruß der Jünger: „Der Herr ist auferstanden; Er ist wahrhaftig auferstanden.“ Denn die Gottestat der Auferstehung Christi ist das Siegel auf die Gottestat der Erlösung am Kreuz, ist der Anbruch des neuen Lebens für die Menschheit, ist das Unterpfand des endlichen Sieges und des ewigen Lebens.
Aber das ist so lieblich und köstlich, wie in der Ostergeschichte neben dem Großartig-Machtvollen auch das Zarte seinen Platz findet, neben dem Sieg für die ganze Menschheit auch der Trost für den Einzelnen und neben dem Lobgesang der ganzen Kirche auch das Halleluja der mit Christo auferstandenen Seele. Dies zeigt uns das Begegnen des Herrn mit Petrus, sein Gang mit den Emmausjüngern, sein Gruß an Maria Magdalena, den wir heute miteinander betrachten wollen und welcher geschrieben steht:
Joh. 20, 11-18.
Maria aber stand vor dem Grabe, und weinte draußen. Als sie nun weinte, guckte sie in das Grab, und sieht zwei Engel in weißen Kleidern sitzen, einen zu den Häupten und den andern zu den Füßen, da sie den Leichnam Jesu hingelegt hatten. Und dieselben sprachen zu ihr: Weib, was weinst du? Sie spricht zu ihnen: Sie haben meinen Herrn weggenommen, und ich weiß nicht, wo sie ihn hingelegt haben. Und als sie das sagte, wandte sie sich zurück, und sieht Jesum stehen, und weiß nicht, dass es Jesus ist. Spricht Jesus zu ihr: Weib, was weinst du? Wen suchst du? Sie meint, es sei der Gärtner, und spricht zu ihm: Herr, hast du ihn weggetragen, so sage mir, wo hast du ihn hingelegt? so will ich ihn holen. Spricht Jesus zu ihr: Maria! Da wandte sie sich um, und spricht zu ihm: Rabbuni, das heißt: Meister! Spricht Jesus zu ihr: Rühre mich nicht an; denn ich bin noch nicht aufgefahren zu meinem Vater. Gehe aber hin zu meinen Brüdern, und sage ihnen: Ich fahre auf zu meinem Vater und zu eurem Vater, zu meinem Gott und zu eurem Gott. Maria Magdalena kommt, und verkündet den Jüngern: Ich habe den Herrn gesehen, und Solches hat er zu mir gesagt.
Die Auferstehung ist geschehen, die Welt ist erlöst, im Himmel ist Jubel unter den Engeln Gottes, in der Hölle ist Groll über die verlorene Sache, aber auf Erden vollzieht sich die Offenbarung des Auferstandenen ganz in der Stille und Schritt für Schritt an seinen Jüngern. Jesus, welcher am Kreuz unter der Arbeit der Welterlösung Zeit hatte für seine arme Mutter, Er hatte auch am Ostermorgen im Sabbat des Sieges in alle Ewigkeit Zeit für seine weinende Magdalena. Uns aber lasst lauschen der herrlichen Kunde, die zu uns redet von
Der Osterfreude einer suchenden Seele:
- Ihr schmerzliches Suchen,
- Ihr seliges Finden.
O Herr, der Du verheißen hast: Wo zwei oder drei versammelt sind in meinem Namen, da bin Ich mitten unter ihnen, wir bitten Dich: Kehre bei uns ein und mache dieses Haus zu Deinem Emmaus, da Du uns das Brot brichst und unsere Herzen brennend werden, wenn Du uns die Schrift öffnest, wenn Du uns grüßtest mit Deinem Ostergruße des Friedens und wir vor Dir anbeten in heiliger Osterfreude. Amen.
I.
Maria Magdalena steht vor dem offenen Grabe und weint ihre heißen Tränen. Jesus ist ihr gestorben und mit ihm Alles, ihr Sonne war untergegangen, und nun lag Alles in dem Schatten der dunkeln Nacht, ihr Heiland war tot, und nun erschien ihr die Welt wie ein großes, weites Grab. Sie hatte einst seine rettende Macht erfahren, als er sie frei machte von den Banden, womit ihre Seele gebunden war, sie hatte einst in Simons des Aussätzigen Haus in überwallender Dankbarkeit seine Füße gesalbt, und Er hatte von ihr das schöne Wort gesagt: „Ihr ist viel vergeben; denn sie hat viel geliebt.“ Sie wusste, was sie an Jesu hatte. Daher ihre Tränen, weil sie ihren Herrn verloren, der ihr Ein und Alles war. Warum hatte sie denn ihren Herrn verloren, dass sie klagt: Sie haben meinen Herrn weggetragen und ich weiß nicht, wo sie ihn hingelegt haben? Darum, dass sie das Wort von Ihm verloren hatte. Maria hätte nicht geweint, wenn sie sich an sein Wort gehangen hätte: „und am dritten Tage werde ich auferstehen.“ Sie hätte nicht geweint beim Anblick des leeren Grabes, sondern hätte darin das Unterpfand erblickt, dass sein Wort in Erfüllung gegangen sei.
Meine Lieben, das ist ein Wink für uns, wenn die Stunden über unsere Seele kommen, wo wir trauern, weil wir in trostloser Nacht sitzen. Gibt es doch Hiobsstunden, wenn die Wasser der Trübsal über dem Haupte zusammenschlagen und man in Gottes Lebensführung sich nicht mehr finden kann, Thomasstunden, wo man an Gottes Weltregierung irre wird und auf einsamen Wegen sich in Kummer verzehrt, Asaphstunden, wo man nahe daran ist, mit seinem Gott zu hadern, weil es dem Gottlosen so gut geht und Gottes Kinder in Not oder Schmach stecken, Stunden, in welchen es heißt: „Ich hätte schier gestrauchelt“, Stunden des Seufzers: „dass ich wäre wie zur Zeit meiner Jugend, da das Geheimnis Gottes über meiner Hütte war!“ Stunden der Tränen, da man vor ihrem Schleier das offene Grab nicht sieht, an dem man steht, und die Gestalt des Herrn nicht erkennen kann, der so nahe getreten ist. Aber wenn wir den Herrn verlieren, so ist das allemal die Ursache, dass wir das Wort aus seinem Munde vergessen haben. O, suche du nie den Lebendigen bei den Toten, suche deinen Frieden doch nie darin, dass du immer wieder deinen Schmerz, deinen Verlust aufwühlst, sondern komm und lausche dem Wort, behalte das Wort und bewege es in deinem Herzen, so sollst du erfahren, was David erfuhr: „Wenn dein Wort nicht wäre meines Herzens Trost gewesen, so wäre ich vergangen in meinem Elende.“ Das Wort der Verheißung aus Jesu Munde ist das Schweißtüchlein, damit wir unsere Tränen trocknen können, im Wort ist der Herr uns nahe und erquickt uns mit seinem seligen Frieden.
Maria sucht Jesum und wendet sich an die Engel, die als Hüter des Grabes saßen, wie die Cherubim an der Bundeslade. Aber sie vergafft sich nicht an ihrer schönen Gestalt und an dem Lichtglanz, der sie umgibt. Sie fragt sie auch nicht nach den Dingen der anderen Welt, sondern Jesum sucht sie und sonst nichts. Ihr ist der blutige Leichnam lieber als die zwei glänzenden Engel. Denn alle Kreaturen können einer Seele, die einmal aufgewacht ist in dem Verlangen nach der Ewigkeit, in dem Dürsten nach dem lebendigen Gott, kein Genüge geben. Und wer das erkannt hat, der lebt in der Welt wie Maria Magdalena im Ostergarten, er gebraucht Engel und alle Kreaturen nur, um nach Jesu zu fragen.
Als sie das in ihrer Wehklage vor den Engeln getan, wandte sie sich um und sieht Jesum stehen und weiß nicht, dass es Jesus ist, und er fragt sie: Weib, was weinst du? Wen suchst du? Sie meint, es sei der Gärtner, und spricht zu ihm: Herr, hast du ihn weggetragen, so sage mir, wo hast du ihn hingelegt? so will ich ihn holen. Sie erneut ihre Wehklage und wandelt sie in eine Frage an den Herrn selbst, der vor ihr steht, gerade wie die Frauen am Ostermorgen fragen: „Wer wälzt uns den Stein von des Grabes Tür?“ und der Stein war längst abgewälzt, und die Emmausjünger fragen traurig nach dem Gekreuzigten, und er wandelt an ihrer Seite. Aber sie ist in ihrem schmerzlichen Suchen weiter gekommen; vom leeren Grabe zu den Engeln, von den Engeln hinweg hat sie sich zum Herrn selbst gewandt und von Ihm Antwort begehrt mit der Frage: „Herr, hast du ihn weggetragen, so sage mir, wo hast du ihn hingelegt?“
Halten wir hier etwas inne und horchen hinein in das Zwiegespräch zwischen Gärtner und Blume. Denn Jesus ist in Wahrheit ihr himmlischer Gärtner, und Maria Magdalena ist seine Blume. Seine Kirche ist sein Garten, den er angelegt auf dem Acker voll Dorne und Disteln, der ihn so viel gekostet, und der nun seines Herzens Freude ist. Seine Blumen sind die erlösten. Seelen, Rosen zu Saron und Lilien im Tal, von Ihm gepflanzt, von Ihm begossen, von Ihm behütet vor Frost. Ihre Wurzeln sind in der Erde verborgen, das ist der Glaube im tiefstem Herzen, ihre Blüte ist die Liebe, die aus dem Glauben wächst, ihr Honig sind die Früchte des Geistes, die sie unter dem Sonnenschein der Gnade bringen. Der Blumen Freude ist der Besuch ihres Gärtners. Maria Magdalena ist ein Blümlein Heliotrop oder Sonnenwende, welche ihr Angesicht immer nach der Sonne streckt. Aber jetzt ist ihr Blumenkelch voll Tau der Tränen, und sie sucht ihre Sonne, die hinter Wolken verborgen ist. Der Gärtner fragt: Blume, was weinst du? wen suchst du? und die Blume antwortet: Sie haben meine Sonne weggetragen und ich will sie holen. So fragt noch heute die Seele, wenn sie die innere Armut fühlt, wenn die Gewissheit der Gnade wankt und das tiefe Schuldgefühl hervorbricht, oder in den Stunden der Anfechtung, wenn der Herr ihr seine Nähe entzieht und sie empfindet, was sie sein müsste, wenn sie Jesum nicht hätte oder seiner sich nicht getrösten dürfte. Da soll sie sich schließlich nur an Gott wenden mit der Frage: Herr, wo kann ich dich finden, dass ich wieder Frieden finde und froh werde?
II.
Wo nur die Seele sich geradezu an Ihn selbst wendet, Ihn anläuft, da soll sie nicht zu Schanden werden, da soll sie Antwort bekommen aus seinem eigenen Munde, da soll sich ihr schmerzliches Suchen wandeln in seliges Finden.
Der Auferstandene ruft sie bei ihrem Namen, zum Zeichen, dass Er sie kennt, mit dem alten süßen Ton erbarmender Liebe spricht Er zu ihr; „Maria!“ Da wendet sie sich um, sinkt anbetend vor ihm auf die Knie, breitet die Hände nach ihm aus und ruft, durchschauert an Leib und Seele, ihr kurzes, aber volltönendes Echo: „Rabbuni, mein Meister!“ Und es ward Abend, und es ward Morgen, der erste Tag, den Abend lang währt das Weinen, aber des Morgens die Freude. Mit dem Einen Wort, da Er sie beim Namen ruft, hat Er ihr gesagt: Das bist du, und das bin ich. Da hat Er erfüllt, was Er verheißt: „Ehe sie rufen, will ich antworten und sagen: Hier bin Ich, hier bin ich.“ Da sank der Nebel, und die Sonne strahlte hellglänzend in die perlenden Tautropfen der Blume, dass ihre Farben daraus wiederstrahlten. Als sie die Stimme vernahm: „Ich bin Joseph, euer Bruder,“ da rief sie: Das ist die Stimme meines Freundes.“
Maria
Mein Herze geht in Sprüngen
Und kann nicht traurig sein,
Ist voller Freud und Singen,
Sieht lauter Sonnenschein.
Die Sonne, die mir lachet,
Ist mein Herr Jesus Christ,
Das, was mich singen macht,
Ist, was im Himmel ist.
Rabbuni -, das ist das selige Zwiegespräch der Seele mit ihrem Herrn, der Blume mit ihrem Gärtner. Es bringt gewissermaßen den Spruch zur Darstellung: „Ich kenne die Meinen und bin bekannt den Meinen.“ Maria - das ist: „Fürchte dich nicht, Ich habe dich erlöst, Ich habe dich bei deinem Namen gerufen, du bist mein.“ Da tönt nach Art des Widerhalls das letzte Wort am stärksten zurück: „Rabbuni“ das ist: „Mein Freund ist mein, und ich bin sein, der unter den Rosen weidet.“ Nicht durch ein neues Wunder hat der Herr Maria von seiner Auferstehung überzeugt, sondern durch ein einziges, weites, tiefes Wort, das in ihrer innersten Seele wiederklang und dort die Erinnerung an alle früheren Worte und Werke des Herrn zurückrief, hat Er ihren Glauben aufgeweckt, und der Glaube hat ihre Augen aufgetan, dass sie bekannte: Rabbuni, mein Meister. Solch eine Wandlung hat Wort und Glaube in ihr bewirkt, dass, während sie eben noch an den Abgründen der Verzweiflung jammerte, sie jetzt an der Schwelle des Himmels ihr Lied im höheren Chor jauchzt. Als sie aber ihre Hände nach ihm ausbreitete, um seine Füße zu umfangen, die durchgrabenen Füße, die sie einst mit ihren Tränen genetzt, da spricht Er zu ihr: „Rühre mich nicht an, denn ich bin noch nicht aufgefahren zu meinem Vater,“ sie sollte wie Thomas von dem sehenden Glauben zu dem rechten seligen Stande kommen, welchen der Herr als den aller Christen bezeichnet: „Selig sind, die nicht sehen und doch glauben.“
Darum versagt er ihr die leibliche Berührung und redet ihr von seiner Auffahrt, die noch nicht geschehen sei. Dann aber, wenn Er thront zur Rechten des Vaters, dann soll das tägliche Anrühren im Glauben geschehen. Das war nun nicht nach Marias Gefühl und doch ihr zu Trost geredet, wie zum Trost aller Christen. Die Sonne will so hoch steigen, dass alle Blumen der ganzen Welt ihr Licht und Leben von ihr empfangen sollen, der Gärtner will solch einen Platz im Mittelpunkt einnehmen, dass Er mit allen Blumen das selige Zwiegespräch halten kann. Wie mag Solches zugehen? Christus, zur Rechten Gottes sitzend, stirbt hinfort nimmer, sondern lebt, und die Seinen sollen auch leben in Ihm. In der heiligen Taufe ruft er sein „Maria“, das heißt: Er ruft uns bei Namen, und unser Taufname ist stets ein solcher Mariaruf, da Er spricht: „Du bist mein!“ und wir antworten ihm mit unserem Glaubensbekenntnis, das in seinem ganzen großen Zusammenhang nichts anderes ist als ein vielstimmiges Rabbuni, sonderlich jenes: „Ich glaube, dass Jesus Christus sei mein Herr.“ In der Beichte weinen wir vor Ihm an unserem Sündengrabe, und in der Absolution spricht Er zu uns sein: Maria, dir sind deine Sünden vergeben, und mit dem Rabbuni im Herzen gehen wir voll Trostes vom Beichtstuhl. Ja, all unsere schönen Gottesdienste im Hause des Herrn, vom Kyrie und Gloria, vom Gebet und Wort des Herrn, von der Predigt bis zur Feier des Sakraments sind's nicht Versammlungen, da der erhöhte Herr mitten unter uns ist und da lautes, starkes Rufen erschallt: Maria - Rabbuni? Gerade im Sakrament des Altars da kommt der, welcher aufgefahren ist zu seinem Vater, hernieder zu seiner Gemeinde, welche vor Ihm feiert und Ihm entgegenruft: Gelobt sei, der da kommt im Namen des Herrn. Da gibt Er sich ihr anzurühren im Empfang seines Fleisches und Blutes unter Brot und Wein, so nahe als wir es ertragen können in dieser Wartezeit, bis dass Er kommt. Denn von seinem Volk des Glaubens gilt noch heute, was dort geschrieben steht: „Alles Volk begehrte Ihn anzurühren; denn es ging eine Kraft von Ihm aus und heilte sie alle.“
Und nun, meine Lieben, begehrt ihr auch Solches? Verlangt euer Herz nach wahrer Osterfreude, wie sie Maria erfuhr? Dann suche den lebendigen Christus nicht bei den Toten, such ihn in seinem Wort. Da tritt auch dir seine Gestalt nahe, da lässt Er dich seine Stimme hören, da ruft Er dich mit Namen und redet mit deinem Herzen. Meine Lieben, ohne das Wort Christi sind wir nur wie die trauernden Emmausjünger und die weinende Maria in dieser Welt. Und doch gehst du nicht oft hin ohne Wort deines Herrn, ohne Kirchgang, ohne Hausandacht, ohne Lesen der Schrift in deinem Kämmerlein? Ich habe eine Frage und Bitte an euch alle: Sagt an, wo soll denn Licht und Leben, Kraft und Freude von oben zu euch kommen und euch herausheben aus dem Staub der Erde, wenn nicht durch das Wort? Doch wahrlich nicht ans eurer eigenen Vernunft und Kraft, auch nicht aus eurem Beruf und Geschäft, darin ihr die ganze Woche mit dieser Erde zu tun habt! Seid doch nicht so hart gegen eure unsterbliche Seele und lasst sie nicht so verkümmern ohne Speise und Trank. Warum wollt ihr sterben, ihr vom Hause Israel? Und es ist doch Ostern, das Fest des Lebens, der Auferstehung aus dem Tode. Und du, der du das Wort Gott noch hörst und liest, ist es dir eine heilige Sorge, dass der Same nicht erstickt werde von den Dornen, seien es nun die Dornen irdischen Wohllebens, Reichtum, Vergnügen, Zerstreuung oder die Dornen irdischer Sorgen, und du so um deine Frucht kommst? Ach, meine Lieben, Hauptsache muss Hauptsache bleiben, und Nebensache muss Nebensache sein. Du wirst nicht zur Osterfreude kommen, wenn dir nicht das Eine, was not ist, Hauptsache bleibt, die Vergebung der Sünden, der Friede mit Gott, und das ewige Leben. Die Hand aufs Herz, ist das dir die Hauptsache deines Lebens, dein Erstes am Morgen und dein Letztes am Abend? Das war der Sinn Maria Magdalenas, ihr ging Jesus über Alles, weil sie in Ihm Vergebung ihrer Sünden gefunden und ohne Ihn nicht leben und nicht sterben konnte. Darum ist sie zur Osterfreude hindurchgedrungen, als sie ihren Herrn wiedergefunden und seiner Gnade froh ward.
Maria wäre gern im Ostergarten geblieben und hätte gern da Hütten gebaut, wie Petrus auf Tabor, aber der Herr verwehrt ihr, wie das leibliche Anrühren, so das Bleiben und spricht: „Gehe hin zu meinen Brüdern.“ Als Zeugin seiner Auferstehung soll sie die Botin seiner Himmelfahrt werden an seine Jünger. Ich fahre auf zu meinem Vater und zu eurem Vater, zu meinem Gott und zu eurem Gott.“ Denn durch Ihn ist Sein Vater nach der Gottheit auch unser Vater geworden, und Sein Gott nach der Menschheit auch unser Gott. Was von Natur sein ist, ist aus Gnaden unser. Da läuft sie eilends hin, kommt und verkündigt freudestrahlend den Jüngern: „Ich habe den Herrn gesehen, und Solches hat Er zu mir gesagt.“ Halleluja, Joseph lebt und ist ein Herr in Ägyptenland. Ihr Glaube an den Auferstandenen wird zum Bekennen an die Jünger nach der heiligen Regel: „Ich glaube, darum rede ich.“
Und wenn einst kommt die Stunde der Angst und der letzten Not, dann will der Herr seinen Kindern nicht versagen, sie beim Namen zu rufen, wie Er gerufen: Maria; und mit meinen erbleichenden Lippen will ich Ihm entgegenrufen: Jesus Rabbuni, Herr, nun lässt du deinen Diener in Frieden fahren. Und wenn ich erwache nach seinem Bilde im ewigen Ostergarten, da alle Gräber offen und alle Engel grüßten und alle Tränen trocknen, da wird die ganze Seligkeit ein ewiges Zwiegespräch sein: Maria Rabbuni, ein ewiges Grüßen des Gärtners und der Blumen froher Wiederhall. Amen.