Gess, Wolfgang Friedrich - Bibelstunden über den Brief des Apostels Paulus an die Römer - Sechster Abschnitt - Geschenksweise den Sünder gerechtzusprechen, durch Gnade, ist der gottgefällige Weg, weil dann alles Rühmen des Menschen ausgeschlossen ist 3, 27. 28.
1.
27. Wo bleibt nun das Rühmen? Ausgeschlossen ist es worden. Durch welcherlei Gesetz? Der Werke? Nein, sondern durch das Gesetz des Glaubens. 28. So halten wir nun, dass durch den Glauben gerecht gesprochen werde der Mensch, ohne Werke des Gesetzes.
„Und werden gerecht gesprochen geschenksweise durch seine Gnade“, haben wir in Vers 24 gelesen. Und in 22 „Gerechtigkeit aber aus Gott, mittels Glaubens, zu Allen hin und über Alle her welche glauben.“ Und in 21 „ohne Gesetz ist Gerechtigkeit Gottes ans Licht gestellt worden.“
Für dieses „geschenksweise“, „mittels Glaubens“, „ohne Gesetz“ führt nun Paulus von 3, 27 bis 4, 16 Beweis um Beweis. Die Beweise sind verschiedener Art. Um der Deutlichkeit willen werde ich jeder Art einen besonderen Abschnitt widmen. Aus der Aufschrift des 6., 7., 8., 9. Abschnitts ist die Eigentümlichkeit des jedesmaligen Beweises zu ersehen.
2.
„Wo bleibt nun das Rühmen?“ beginnt der Apostel in Vers 27. „!Nun“, das heißt: nachdem Gott Jesum Christum in die Mitte gestellt als Sühnmittel durch sein Blut… auf dass er gerecht spreche den der aus dem Glauben an Jesum ist. Man dürfte sagen, das Rühmen der Menschen sei durch den Tod des Herrn Jesu schon insofern für immer ausgeschlossen worden, als die Ungerechtigkeit menschlicher Ankläger und Richter es gewesen ist die ihn ans Kreuz gebracht hat. Dass der einzige Mensch, welcher in wandelloser Gerechtigkeit sein Leben geführt hat, durch Menschen als ein Verbrecher aus der Mitte der Menschheit ist verstoßen worden, bleibt ein unvertilgbarer Flecken unseres Geschlechts. Von Paulus aber ist es noch anders gemeint, wenn er auf die Frage „wo bleibt nun das Rühmen?“ zur Antwort gibt: ausgeschlossen ist es worden. Der Tod Jesu, von Seiten der Menschen eine Untat, war von Seiten Gottes und Jesu eine Gnadentat. Die Loskaufung der Menschen von dem Gericht ist in Christi Tod vollbracht. Wer darf sich seiner Befreiung vom Gericht rühmen, wenn sie ihm geworden ist durch Loskaufung mittels des Blutes dessen, der mit ihm Erbarmen hatte? Im Namen Gottes über die ruhmredigen Menschen triumphierend fährt der Apostel zu fragen fort: durch welches Gesetz? das der Werke? Nein, antwortet er, sondern durch das Gesetz des Glaubens. Und so durchdrungen ist sein Geist von der Anschauung, Gott allein und dem Sohne Gottes gebühre der Ruhm, dass ihm das Ausgeschlossensein alles menschlichens Rühmens durch den Glaubensweg zum Beweise wird, dieser Weg und dieser allein sei der gottgeordnete zu der Sünder Gerechtsprechung. Daher er in 28 beifügt, „so halten wir nun, dass durch Glauben gerecht gesprochen werde der Mensch ohne Werke des Gesetzes.“
3.
Bei Vers 27 mag der Leser fragen, ob es denn auch ein Gesetz des Glaubens gebe? Darauf ist zu antworten, dass es mit dem Gesetze des Glaubens allerdings eine andere Bewandtnis hat als mit dem der Werke. Das Gesetz der Werke sagte: tue das, leiste das, so wirst du leben. Dagegen sagt das Gesetz des Glaubens: leisten kannst du Nichts; nimm nur meine Gnade hin, so wirst du leben. Aber dieses Hinnehmen der Gnade mit der Glaubenshand muss allerdings geschehen, sonst kann der Mensch nicht zum Leben eingehen. Gott hält seine Ordnung ein. Auch ist dieses Hinnehmen nicht so leicht als der Unverstand denkt. Das Glauben muss in Überwindung des Unglaubens geschehen. Das Hinnehmen der Gnade und Bauen auf sie geht dem natürlichen Menschen wider die Art. Der natürliche Mensch ist voll Misstrauens; das muss er lassen. Er muss mit seinem kleinen Herzen Gott die Großherzigkeit des Gnädigseins zutrauen; das wird ihm schwer. Und der natürliche Mensch möchte so gerne die Genugtuung haben, das ewige Leben sich selbst zu verdanken; darauf zu verzichten geht ihm sauer ein. Sofern es nun keinen Weg zum Leben für den Sünder gibt, es sei denn, dass er in Überwindung des Misstrauens und in Verzichtleisten auf das Rühmen die Gnade mit seiner Glaubenshand erfasse, ist allerdings von einem Gesetze des Glaubens zu reden.
4.
Luthers Übersetzung des Verses 28 hat zu vielem Schelten gegen ihn Anlass gegeben, weil er vor die Worte „durch den Glauben“ eingefügt hat das Wort „allein“. Das sei eine Verfälschung der Schrift, haben seine Feinde gesagt. Es ist wahr: im Grundtext steht dieses „allein“ nicht. Ich habe oben die wörtliche Übersetzung des paulinischen Textes gegeben. Aber Luther hat seine Beifügung sehr wohl zu rechtfertigen gewusst. Er weist darauf hin, dass Paulus sagt, „ohne des Gesetzes Werke“ geschehe die Gerechtsprechung. Wo man aber alle Werke so rein abschneidet, da muss ja die Meinung sein, dass allein der Glaube gerecht mache. Und wer deutlich und dürr von solchem Abschneiden der Werke reden will, der muss sagen: allein der Glaube und nicht die Werke machen uns gerecht. Das zwingt die Sache selbst neben der (deutschen) Sprache Art. Mücken durchseigen ist immer ein übles Geschäft; dieses Mal aber war auch die Mücke nicht da.
5.
Jener reiche Jüngling welcher Jesum fragt „guter Meister, was soll ich tun damit ich das ewige Leben ererbe?“ und auf das Halten der Gebote verwiesen wird, hat Jesu zur Antwort gegeben: „Meister das alles habe ich gehalten von meiner Jugend auf, was fehlt mir noch?“1) Er ist hierdurch eine lebendige Bewährung von Pauli Wort, durch das Gesetz der Werke sei das Rühmen nicht ausgeschlossen. Denn mit den Worten „das habe ich Alles gehalten von meiner Jugend auf,“ hat er sich hoch gerühmt. Desgleichen durch seine Frage „was fehlt mir noch?“ Und er war doch aufrichtigen Gemüts. Sonst würde es nicht von Jesus heißen „er sah ihn an und liebte ihn“2) Gerade nach seiner Antwort hat ihn Jesus mit diesem Blick der Liebe angesehen. Unter dem Gesetz der Werke, das will sagen, bei Menschen, welche durch das Gesetz selbst darauf angewiesen waren, durch ihre Leistungen das ewige Leben zu ererben, lag die Meinung gar nahe, man könne den Geboten Gottes in gebührender Weise nachkommen. Und weil der natürliche Mensch damals so oberflächlich und eigenliebig war wie jetzt, auch die andere Meinung, man sei ihnen nachgekommen. Bei jenem Pharisäer welchen Jesus in Luc. 18, 11 zeichnet „der Pharisäer stand und betete bei sich selbst also: usw.“, tritt der Selbstruhm in widerlichem Hochmut auf. Solcher Pharisäer gab es zu Jesu Zeiten viele. Eben dieser Hochmut empörte sie so über den Prediger, welcher die Armut am Geist für die Grundbedingung des Seligwerdens erklärte. Aber ob das Rühmen in grober oder feiner Form aus dem Boden des Gesetzes der Werke hervorsprosst, in irgendeiner Gestalt sprosst es sicher daraus empor.
6.
Bewährt sich nun auch das entgegengesetzte Wort des Apostels, durch das Gesetz des Glaubens sei das Rühmen ausgeschlossen, an Allen, die sich stellen unter des Glaubens Gesetz? Man hört so oft die Anklage auf geistlichen Stolz gegen die welche sich um die Fahne des Glaubens sammeln. Nicht selten ist diese Anklage unverständig, entspringt nur aus dem Ärger darüber, dass es Leute gibt, welche nicht von dem Worte weichen, der Weg zum Leben sei schmal, der zur Verdammnis breit, dort seien Wenige, hier Viele zu finden. Und dieses Wort ist doch von Christus selber gesprochen. Aber beruht jene Anklage immer nur auf Unverstand? Gibt es nicht solche Gläubige, welche wirklich etwas von dem in sich tragen - der Pharisäer stand und betete bei sich selbst also: „ich danke dir Gott“ usw.? Diese Frage ist ernst. Der Apostel sagt ja, durch das Gesetz des Glaubens sei das Rühmen ausgeschlossen. Und dieses Ausgeschlossensein des Rühmens durch das Gesetz des Glaubens erscheint ihm als ein so wichtiger, so gottgewollter Fortschritt in der Entwicklung der Menschheit, dass er den Glaubensweg, weil durch ihn dieser Fortschritt zu Stande gebracht werde, als den einzigen Weg zur Gerechtigkeit proklamiert (Vers 28). Wie nun, wenn bei Fahnenträgern des Glaubens das Rühmen doch wieder zu hören, wenigstens in den Augen zu lesen ist? Muss man nicht urteilen, dass sie nur Worte machen, nicht aber lebendig stehen in der Erfahrung des Heils? Oder standen sie früher darin, haben aber den Rost an ihre Herzensverfassung sich ansetzen lassen? In Zeiten eifrigen Kampfes zwischen Glauben und Unglauben und unsere Zeit ist von dieser Art - geschieht es Manchem leicht, dass er sich täuscht, als ob die heiligen göttlichen Realitäten, von denen er die Führer hat reden hören, von ihm selbst schon erlebt worden wären, während er in Wahrheit bis jetzt nur die Worte und nicht die göttliche Kraft besitzt.
7.
Heutzutage gibt es Viele, welche gar nicht in Versuchung stehen, ihres inneren Menschen Gerechtigkeit zu rühmen. Gerechtigkeit, vollends vor Gott gültige, aus Gott kommende, hat in ihren Augen keine Bedeutung, weil sie ohne Gott durch die Welt hingehen. Umso mehr rühmen sie sich ihres Verstandes, ihrer Geschicklichkeit, Berufstreue, Vornehmheit, Wohlhabenheit rc. Kommt solches Rühmen des Fleisches auch noch bei Bekennern des Glaubens vor? O, es fehlt auch unter ihnen nicht an Leuten, von denen, wer sie näher kennt, so ziemlich zum Voraus wissen kann, wovon sie beim Zusammentreffen reden werden. Von dem und dem, dessen sie gedenken, sich rühmen zu können. Wie vieles unausgesprochene Rühmen muss aber der Herzenskündiger bei denen sehen, welche seinen Namen bekennen! Das ist sehr beschämend für uns. Wenn ein Mensch, der Gott, den Heiland, die Ewigkeit, das höchste Gut nicht kennt, in der Beschränktheit seines Gesichtskreises sein Gold, seinen Verstand und dergleichen für so wichtig hält, dass er das Rühmen nicht unterlassen kann, so ist das natürlich; einem Christen aber, welchem das höchste Gut, das allein wahrhaftige, offenbar geworden, sollten seine vergänglichen Güter nicht mehr so sehr imponieren, dass er sie müsste den Leuten oder sich selbst unter die Augen rücken. Was hast du das du nicht empfangen hättest, fragt der Apostel? Und wieder: weißt du nicht, dass dich Gottes Güte will zur Buße leiten? Hauptsächlich aber: wäre es dir wirklich in die Mitte deines Herzens brennend hineingeschrieben, deine Gerechtigkeit, deshalb deine Rettung für die Ewigkeit, beruhe einzig auf Gnade, könntest du dann von zeitlichen Gütern noch viel Wesens machen? Fällt alles Rühmen hinweg in Bezug auf das Eine was dir ewig bleibt, kannst du dann im Rühmen verharren in Bezug auf das, was du heute hast und morgen nicht mehr hast? Frage dich also, ob du wirklich aus dem Gesetz der Werke in das des Glaubens gekommen seiest? Denn das Gesetz des Glaubens schließt das Rühmen aus.
8.
„So halten wir nun, dass durch den Glauben gerecht gesprochen werde der Mensch, ohne Werke des Gesetzes“ Vers 28.
Aber das Wort Jesu in Lukas 10, 28? Ein Gesetzesgelehrter fragte ihn „was muss ich tun, das ewige Leben zu ererben ?“ Der Herr tut die Gegenfrage: was steht im Gesetz geschrieben, wie liest du? Darauf Jener: du sollst lieben den Herrn deinen Gott von ganzem Herzen. . . . und deinen Nächsten wie dich selbst. Und nun Jesus: du hast recht geantwortet, tue das, so wirst du leben. Hier sagt doch der Heiland selbst, das Tun der Gesetzeswerke führe zum Leben, wie darf nun sein Apostel sagen, der Mensch werde ohne Werke des Gesetzes gerecht gesprochen? - Der Gesetzesgelehrte warf jetzt die neue Frage auf: ja, wer ist denn mein Nächster? Er tut, als läge im Gesetz hierüber eine Unklarheit, weil er verdecken will, dass er gefragt hat um etwas das sich von selbst verstand. Da erzählt ihm dann Jesus des barmherzigen Samariters Tun, an dem, welcher unter die Mörder gefallen war, damit der Mann einsehen soll, wen das Gesetz meine unter dem Nächsten, den man lieben soll. Und als er zugestanden hat: „der die Barmherzigkeit an dem Verunglückten getan“ sei sein Nächster gewesen, schließt Jesus das Gespräch mit dem Worte: „so gehe hin auch du und tue desgleichen“ (V. 37); entlässt ihn also mit einer abermaligen Verweisung auf das Tun. Darum noch einmal: wie darf der Apostel sagen, ohne des Gesetzes Werte, durch den Glauben, werde der Mensch gerecht gesprochen, während Jesus einmal um das andere auf das Tun verweist?
9.
Auch dem reichen Jüngling hat der Herr Jesus auf die Frage „was muss ich tun, dass ich das ewige Leben ererbe?“ erwidert „Du weißt ja die Gebote“ Marc. 10, 19. Gleichwohl kann uns, was er aus Anlass dieses Jünglings geredet hat, zeigen, dass Pauli Wort in Römer 3, 28 die richtige Auslegung ist von Jesu Sinn. Auf des Jünglings Versicherung, die Gebote gehalten zu haben von Jugend an, antwortet Jesus mit der Zumutung, seine Habe den Armen zu geben und ihm nachzufolgen. Das war der Abschluss zwischen Jesu und dem Jüngling, denn dieser ging jetzt betrübt hinweg. Gegen seine Jünger aber spricht sich Jesus noch weiter aus. Den reichen Menschen (V. 23-25), ja den Menschen überhaupt (V. 27), sei es unmöglich, selig zu werden, nur bei Gott, bei dem alle Dinge möglich seien, sei der Menschen Seligwerden möglich. Warum anders bei den Menschen nicht möglich, als weil sie nicht im Stande sind, ihre Herzen von dem Vertrauen auf den Reichtum, überhaupt von der Sündigkeit zu lösen und Gottes Gebote zu tun? Gott von allen Kräften zu lieben und den Nächsten zu lieben wie sich selbst wäre freilich der Eingang zum ewigen Leben, ja das ewige Leben schon selbst. Aber das eben ist unsere Sündigkeit dass es uns an diesem Lieben fehlt. Wie ein Vater mit seinem Söhnlein redet, das sich seiner hohen Kunst rühmt - so tu' es einmal, sagt der Vater, damit das Söhnlein seiner Schwachheit inne werde, - so hat der Herr Jesus mit diesen Männern reden müssen: du kennst ja die Gebote, so halte sie; du willst ja wissen was dir, dem Vollbringer aller Gebote, noch fehlt, so gib deine Habe weg. Das sollte sie zur geistlichen Armut führen. Und wie wird Gott unser Seligsein ermöglichen? Indem er uns, die wir zur Vollbringung des Gesetzes durch die Sündigkeit untüchtig sind, Gerechtigkeit schenkt, jene Gerechtigkeit aus Gott, von welcher Paulus sagt, sie werde im Evangelium geoffenbart aus Glauben heraus. Was hat der Herr zu jener Sünderin gesagt? du hast nun einmal das Gegenteil von Gottes Geboten getan, also kannst du nicht zum Leben eingehen? Nein. Oder: eine Probe soll dir noch gestattet sein, ob du künftighin die Gebote halten und also zum Leben eingehen werdest? Nein. Er hat gesagt: dein Glaube hat dir geholfen, gehe hin in den Frieden! Lukas 7, 50. Und was für Gesetzeswerke hatte der Schächer getan, zu welchem Jesus spricht: heute noch wirst du mit mir im Paradiese sein? Wir sehen: Von dem Herrn Jesu selbst hat Paulus gelernt was er in 3, 28 sagt.
10.
Unter den Lesern dieser Zeilen befinden sich vielleicht Solche, welchen es ein großes Anliegen ist, die Ihrigen, die dem Reiche Gottes noch ferne sind, in dasselbe zu führen. Aber bisher hat es ihnen damit nicht gelingen wollen. So wird ihr Verlangen, dass es doch endlich gelinge, desto größer. Vielleicht stürmt ihr nun mit euren Beweisführungen und Ermahnungen ungeduldig auf die Seelen ein. Habt ihr diese Geschichte von Jesu und dem reichen Jüngling schon überdacht? Wie ihr die Eurigen lieb habt, so heißt es. von Jesu, er habe den Jüngling liebend angeblickt. Aber hat ihn Jesus bestürmt? hat er ihn zur Erkenntnis nötigen wollen? Jesus hat ihm gesagt, er kenne ja die Gebote, so solle er sie halten. So hat Jesus versucht, den Jüngling in ernstes Ringen um den Gehorsam gegen das heilige Gesetz zu führen. Als der Jüngling versichert, die Gebote gehalten zu haben von seiner Jugend auf, so macht Jesus noch den zweiten Versuch mit ihm, das Geknechtetsein seines Herzens durch den Mammon, damit die Ferne seines Herzens von Gott, ihm darzutun. Dann aber lässt er den Jüngling ziehen. Erzwingen kann selbst Jesus seine Bekehrung nicht.
Die Pflanzen brauchen ihre Zeit zum Reifen. Die Menschenherzen verzögern ihr Heranreifen noch durch eigene Schuld. Die göttliche Erziehung aber schont unsre Freiheit. Der Herr Jesus ist kein Methodist gewesen; halte auch du dich von methodistischem Einstürmen auf die Seelen ferne! Es geschieht gar leicht, dass man dadurch mehr verderbt als gewinnt. Wenn die, welche du bekehren willst, selbstständige Naturen sind, welche ihre Freiheit respektiert wissen wollen, wird das Ergebnis deines Stürmens wahrscheinlich dieses sein, dass sie dir nur um so ferner treten. Und vielleicht nicht dir allein, sondern auch dem Evangelium. Gewiss ist es dem Herrn schwer um das Herz geworden, als der Jüngling, auch der Gesetzesgelehrte, von dannen zog. Was wird nun aus diesen Seelen werden? Jesus wusste, wie kurz die Zeit seines Wirkens sei. Aber nicht einmal seine Zwölfe reiften in solcher Weise heran, dass sie bei seinem Scheiden für tüchtige Sendboten gelten konnten. Ihr Verständnis war so unvollkommen, dass Jesus noch Vieles ihnen nicht sagen konnte Joh. 16, 12. Ihre Eigenliebe war noch so stark, dass er das Abschiedsmahl mit der Schlichtung eines Streits beginnen musste Luk. 22, 24 ff. Ihre Furchtsamkeit noch so groß, dass sie bei seiner Gefangennehmung Alle flohen. Das gehörte mit zu dem Kreuz das der Vater ihm auferlegte. Der Erfolg seiner Arbeit blieb eine Glaubenssache. Ein Glaubenswort war es, als er sprach: wenn ich erhöht sein werde von der Erde, will ich sie Alle zu mir ziehen.“3)