Disselhoff, Julius - Die Geschichte König Sauls - Erste Predigt. Die erste Prüfung, die Gott mit seinem Knechte anstellt.
1 Sam. 9, 1-14.
„Ein Jegliches hat seine Zeit, und alles Vornehmen unter dem Himmel hat seine Stunde!“ Auch die schönen Feste des Herrn haben ihre Zeit. Sie liegen nun wieder hinter uns. „Aber dennoch in uns!“ entgegnet ihr mir. Wollte Gott, ihr redetet die Wahrheit! Dann wär's ihnen gelungen, wozu sie gesendet sind. Denn das eben ist der Wille Gottes, dass seine großen Taten zu unserer Erlösung, welche die Festzeit in besonderer Weise uns verkündigt, gleich als edle, lebendige Samenkörner in uns liegen, dass sie unter sich wurzeln, über sich wachsen, blühen und Frucht bringen sollen.
Frucht bringen! Ihr wisst, durch wie viele und große Gefahren der lebendige Keim hindurch muss von der ersten Stunde an, in welcher er in die Erde gesenkt wurde, bis an den Tag, wo er als reife Frucht eingescheuert wird. Ihr wisst auch, wie manches Samenkorn niemals keimt, wie mancher Keim niemals Knospen treibt, wie manche Knospe sich nie zur Blüte entfaltet, wie manche Blüte abfällt, ehe sie Frucht ansetzt, wie manche Frucht von einem bösen Wurm zerfressen wird. Das Alles wisst ihr. Aber wisst oder bedenkt ihr auch, dass der Same des göttlichen Wortes fast durch dreifach größere Gefahren hindurch muss? dass der abgefallenen Blüten, die vor kurzem noch euer Fuß in unsern Gärten in den Staub trat, nicht mehr sind, als derer, die durch Teufel, Welt und Fleisch von den Bäumen an dem schmalen Weg abgerissen und auf den breiten Weg hingestreut werden?
Was meint ihr, wenn dem Gärtner von irgendeinem erfahrenen Manne ein geheimes Mittel angeboten würde, wodurch er alle Samenkörner, Keime, Knospen, Blüten und Früchte vor dem Verderben bewahren könnte, würde er's nicht mit frohem Herzen und offener Hand ergreifen? Doch es gibt ja ein solches Mittel nicht! Aber was schadet's? Wenn's nur ein solches Mittel gäbe, durch welches der geistliche Same samt seinem Keim, seiner Knospe, Blüte und Frucht vor dem Untergang könnte bewahrt werden! Liebe Freunde! dieses Mittel gibt es. Gott lässt es durch meine Hand euch anbieten. Greife zu, wer Glaubenshände hat! Greift in die Geschichte König Sauls, die ich nach dem Maß der Erkenntnis, das Gott darreicht, in dieser festlosen Zeit euch vor Augen stellen werde. „Des Königs Saul??“ wiederholt ihr verwundert. „Wir wissen's wohl, Saul war eine schöne Knospe, er entfaltete sich auch zur Blüte, er setzte auch Frucht an - aber die Frucht ward faul, fiel ab, verdarb! Und den Mann gerade wählst du aus der ganzen Reihe der Gottesmänner, um uns zu lehren?“ Gerade den! liebe Gemeinde. Denn weil er so fröhlich blühte und so erquickliche Frucht versprach, können wir von ihm lernen, wie auch der Acker unseres Herzens lustig grünen möge. Und weil er dennoch keine reife Gottesfurcht geworden ist, so können wir in seiner Geschichte den verborgenen Schlupfwinkeln des menschlichen Herzens nachspüren, aus welchen der giftige Wurm gekrochen ist, der diese hoffnungsvolle Frucht zerstochen hat. Die schönen Anfänge Sauls sollen uns locken, die verborgenen Sünden im Fortgang uns warnen, sein Schreckensende uns mit Furcht und Zittern in unser eigen Herz greifen lehren. So vorbereitet, lasst uns mit dem Lichte des Heiligen Geistes an den verlesenen Abschnitt aus der Geschichte Sauls herantreten. Er erzählt uns:
Die erste Prüfung, die Gott mit seinem Knechte anstellt.
Sie erstreckt sich über zwei Hauptpunkte:
I. Ob er bei etlichen natürlichen Anlagen und Vorzügen, die Gott gegeben, in Demut und stillem Gehorsam die befohlene Arbeit tun werde?
II. Ob er bei der Nutzlosigkeit seiner Arbeit Hilfe beim Seher Gottes suche.
I.
Es war dazumal schwere Zeit im Volke Gottes. Die Philister, die alten Erbfeinde, waren, wiewohl von Samuel zurückgedrängt, wieder mächtig geworden und hatten ein hartes Joch auf Israel geworfen. Es war ein großes Jammern und Klagen im Lande, dass Gott in seiner Erbarmung es nicht länger anhören mochte. „Ich habe mein Volk angesehen, spricht er zu Samuel, und sein Geschrei ist vor mich gekommen!“ Des Herrn Aufsicht ist keine müßige. Er hatte den Mann schon erwählt, durch den er Israel erlösen wollte von der Philister Hand. Hört, was die Schrift sagt: „Es war aber ein Mann von Benjamin, mit Namen Kis.“ „Wie? denkst du, doch nicht in Benjamin etwa, dem geringsten unter den Stämmen Israels, wohnte der Auserwählte, der Retter des Volks? doch nicht im Hause Kis, dem kleinsten von allen Geschlechtern Benjamins?“ Was fragst du? Dort wohnte der Mann! Siehe dir dies Geschlecht näher an! Vielleicht, dass du dich dann nicht mehr also verwunderst über die Wahl Gottes! „Mit Namen Kis, ein weidlicher Mann. Der hatte einen Sohn mit Namen Saul, der war ein junger, feiner Mann, und war kein feinerer unter den Kindern Israels, eines Hauptes länger, denn alles Volk!“ Ei, sagst du nun, mit solchem Mann kann Gott etwas ausrichten im Streit wider die Philister! und bist wieder mit der Wahl zufrieden. Aber siehe du nicht an seine große Gestalt, denn vor Gott wägen große Leute weniger, denn nichts. Etwas Anderes ist es, was Gottes Herz zu dem feinen, jungen Manne geneigt hat. Er war eines Hauptes länger, denn alles Volk, und war doch in seinen Augen der kleinste in ganz Israel, wie du das hernachmals erfahren wirst. Gott aber wusste das vorher. Darum hat er ihn gefordert zu seinem Knecht, und hat also Saul seinen Namen mit Recht geführt, denn Saul heißt der Geforderte.
Du weißt, wo ein Herr einen jungen, feinen Mann vor sich fordert, macht er ihn doch nimmer zu seinem Knecht, er hätte ihn denn zuvor geprüft, ob er auch tauglich wär' zum Dienst, ob er sich auch schicken und bücken könnte und gehorchen dazu. Also stellt auch der allerhöchste Herr eine Prüfung an mit seinem Knecht Saul. Diese Prüfung ist zwar schon vor dreitausend Jahren geschehen; sitzen aber doch noch manche mitten darin, und dass ich's nur sogleich geradezu sage, sitzt noch Jedermann von uns drin, der Saul heißt. Sprichst du: „Wer heißt denn Saul von uns? ich nicht!“ Aber weißt du denn nicht, dass heuer die Philister, die alten Erbfeinde, wieder aufgestanden sind und eine große Verwüstung in Israel anrichten? Hast du noch nie gehört das Geschrei des armen Volkes, der gefangenen Leute, und die Tränen gesehen der Stillen im Lande? Die sind längst in das Gedächtnis vor Gott gekommen, und der geht nun auch schon seit Jahren umher unter den Stämmen und Geschlechtern, und wo er einen findet, der klein ist in seinen Augen, den fordert er vor sich, dass er ihn aussende zum Kampf. Nun sagt mir, wer von uns heißt denn nicht Saul? ich meine, wer von uns ist nicht vorgefordert von dem Allmächtigen, dass er ausziehe gegen die Feinde des Reichs? Es müsste denn Einer sein, der hohe Augen hätte, oder in der Ruhmredigkeit Verwandtschaft mit dem Philister Goliath, der wäre freilich nicht vorgefordert, auch nichts nütze für den heiligen Krieg. Denn die Musterung der Streiter Christi geschieht noch immer nach der alten Regel: „Das Unedle vor der Welt und das Verachtete hat Gott erwählt, und das da nichts ist, dass er zunichtemache, was etwas ist.“
Wer also vorgefordert ist von euch zum Dienst Gottes, der weiß nun, dass auch mit ihm eine Prüfung angestellt werden muss, und wird nun mit offenem Ohr lauschen, wie's dem Saul ergangen ist.
Wenn von irgendeinem Meister auf Erden eine Prüfung vorgenommen wird, so fehlt's nimmer an sonderlichen Vorbereitungen. Wie leitet denn der Meister in Israel seine Prüfungen ein? Höre, mein Lieber. „Es hatte aber Kis, der Vater Sauls, seine Eselinnen verloren.“ Sie hatten sich etwa von der Weide verlaufen, wie's damals nicht selten geschah, denn sie gingen, ohne Hirten und ohne Zaun, wohin sie wollten. Aber doch war's diesmal nicht von ungefähr geschehen. Der die Sperlinge zählt auf dem Dache, hatte auch bei den Eselinnen seine Hand im Spiele. Er ließ durch diesen Vorfall des gewöhnlichen Lebens den Vater in Verlegenheit und Not geraten, damit der Sohn auf die Probe gestellt, und es offenbar würde, was in seinem Herzen wohnte. „Suche die Eselinnen!“ gebot Kis seinem Sohne Saul. „Wie? ich der feine, junge Mann, kein feinerer in ganz Israel? - ich, eines Haupts länger, denn alles Volk? ich, stark, voller Mut, wie Einer, brauchbar zu allen größeren Dingen, ich soll die Eselinnen suchen? Fühle ich mich nicht zu besserer, bedeutungsvollerer Arbeit berufen? Habe ich nicht Gaben genug zu Taten, die meinem Volke nützlicher und nötiger sind? Könnt' ich nicht im Streit wider die Philister mir einen Namen machen und meinem Volke eine ewige Ehre erwerben? Darf ich denn meine gottgegebenen Anlagen hinter den Eselinnen umkommen lassen?“ Nicht ein solches Wort kommt über Sauls Lippe, nicht ein solcher Gedanke in Sauls Herz. „Suche die Eselinnen!“ „Und er ging!“ ging schweigend, freudig, demütig, gehorsam, treu an die Arbeit, die ihm befohlen war, von Ephraim nach Salisa und Saalim und Semini und Zuph, unermüdet, unverdrossen, ohne Murren, und war doch eine ruhmlose Arbeit, bei der kein größerer Ruhm zu gewinnen war als der der Treue im Geringsten. Aus solchen Leuten kann Gott etwas machen!
Wie werden wir wohl, wenn Gott uns vorfordert, in der Prüfung bestehen? Ich fürchte sehr, dass der willige, freudige Gehorsam, die stille Demut in der niedrigen Arbeit, die dir und mir befohlen ist, sich nicht bei uns finden. Zwar dass wir so viele Veranlassung hätten zu eitler Selbstüberhebung, zu hochfahrenden, selbstgefälligen Plänen für die Zukunft, wüsst' ich nicht zu sagen. Denn der feineren und größeren, der mit schöneren, vorteilhafteren, gewinnenderen Naturanlagen ausgestatteten Leute als wir sind, gibt's doch Legion, hier und dorten. Doch aber, wie flattern wir mit unsern Gedanken so hoch über andere, gewöhnliche Knechte und Mägde Gottes empor! wie berauschen die Einbildungen des aufgeblähten Herzens den stolzen Kopf! Ich bitte euch, bildet euch nicht ein, dass ich andre Leute meine, solche etwa, die im Heer der an Herzen und Ohr ganz Unbeschnittenen wohnen. Was gehen mich die an! Ich will ein Bild von denen malen, die sich zum Volke Gottes rechnen.
Was sind das für Gedanken, die aus leider zu vielen Herzen aufsteigen, wie böse Nebel aus der Erde? Sind's nicht solche wie sie mit ihren Anlagen, - die doch gering sind, mit ihrem Erlernten, was doch wenig ist, - glänzen würden! was sie wirken könnten unter den Menschen und was für einen Namen sich machen? Andere schämen sich wohl dessen, sind aber bis zur einfältigen Demut doch nicht hindurchgedrungen. Sie wollen gern des Herrn Knechte und Mägde sein, der armen Kirche helfen. Aber welche Meinungen haben sie dabei von sich! Bei meinem redlichen Willen, spricht das Herz, bei meinen Anlagen, bei dem, was ich gelernt und erfahren, wird und muss mir's gelingen! Welche Früchte meiner Arbeit wird man noch sehen! Wie werde ich die Menschen gewinnen, welchen Einfluss auf sie ausüben, den ich dann ganz zu Christi Füßen legen will!“ Doch genug. Lausche jeder nur mit einiger Aufmerksamkeit auf seine eigenen Gedanken. Ich bin gewiss, dass er solcher Stimmen mehr als zu viele hören wird.
Plötzlich tritt Gott dazwischen, nicht in ungewöhnlicher, auffallender Weise, sondern auf dem einfachen Wege der natürlichen Verhältnisse. Er befiehlt uns, nicht mit eigenem Munde, sondern durch die, welche das Recht zum Befehlen haben: Gehe hin; suche die Eselinnen! ich will sagen, er legt uns mitten in unsern hochfliegenden Hoffnungen eine gewöhnliche, geringe Arbeit auf, dabei nicht viel Ruhm zu erwerben ist, die Jeder tun könnte. Welche Unzufriedenheit, welches Murren, schleicht dann ins Herz und aus dem Herzen aufs Angesicht, und von dort auf die Lippen! Leistet einer im besten Fall auch äußerlich Gehorsam, wie groß ist doch innerlich der Ungehorsam! Wird die Arbeit getan, das Amt versehen, wie wenig ist das Herz bei der Sache, und wo keine Liebe ist, wie mag da Treue sein? Ist man mit der Zunge auch still, welches Seufzen, Widersprechen, Widerbellen doch innerlich! Die Arbeit wird einem zur unleidlichen Last. Das stolze Fleisch und Blut schürt das sündige Feuer und gibt ihm, immer mehr Nahrung. „Ich bin zu Besserem berufen! Ich kann nötigere, nützlichere Dinge tun! Meine Anlagen darf ich an diesem niedrigen, ruhmlosen Posten nicht verkümmern lassen. Ein Licht gehört nicht unter den Scheffel, sondern auf den Leuchter. Ich will ja nicht für mich arbeiten, ich begehre ja nur für Christum eine größere Arbeit, einen einflussreicheren Posten!“ Man mag nicht still halten, bis Gott spricht: „Es ist genug!“ man sehnt sich hinaus, immer ungestümer hinaus. Wehe! dieser eitle Eigenwille kleidet sich noch ins Gewand der Demut. „Ich tauge hier nicht! ich bin unbrauchbar; es wird aus mir nichts!“ Mit dieser Tünche will man entlaufen von seinem Posten, um auf den Höhen unter den grünen, schönen Bäumen umher zu schwärmen. Oder es heißt: „Ich fühle keine Freudigkeit mehr; das muss ich für des Herrn Willen halten, dass er von diesem Posten mich ablösen will!“ Dass sich Gott erbarm! Muss des Herrn Wille noch der Schafpelz sein, in dem der Wolf des Herrn Willen mit Füßen tritt? Woher das Alles bei solchen, die noch nicht unter die Philister gerechnet sein wollen? Aus dem Mangel an der Herzens-Demut, dem willigen Gehorsam, aus jenem hochstrebenden Sinn, der nicht Eselinnen suchen will, sondern große Taten tun, der's für Schande hält oder der Mühe unwert, im Kleinen treu zu sein, und der nicht anders treu sein will, denn nur sofort im Großen! „Trachtet nicht nach hohen Dingen, sondern haltet euch herunter zu den Niedrigen!“ bis ihr mit David sprechen lernt: „Herr, mein Herz ist nicht hoffärtig, und meine Augen sind nicht stolz und ich wandle nicht in großen Dingen, die mir zu hoch sind.“ Ps. 131.
„Gern in alles mich fügen, Mich der Stille still zu freun, Ohne Worte mit Vergnügen, Aller Knechte Knecht zu sein, Nie mit Gaben stolz zu prangen, Menschenruhm nicht zu verlangen,“
das müsse die Lust deines Herzens werden!
Gott gebraucht keine Mitregenten, sondern nur Diener und Dienerinnen. Ihr habt doch alle gelesen, was der Hauptmann zu Kapernaum spricht! „Ich bin ein Mensch, dazu der Obrigkeit untertan, und habe unter mir Kriegsknechte; noch wenn ich sage zu Einem: Gehe hin! so geht er; und zum andern: Komm her! so kommt er; und zu meinem Knecht: Tue das, so tut er's.“ Ist denn Gott, der Oberste unter den Königen auf Erden, weniger, als ein Mensch, dass er nicht die Macht hätte, seine Knechte und Mägde hinzusenden, wo er will, und ihnen zu gebieten, was er will? und spräche er gleich: „Gehe hin, suche die Eselinnen!“ Gehe, mein Freund, wenn du des Herrn Diener willst sein, ob du auch auf unbekannten Wegen wandeln müsstest! Saul hat sie nicht gescheut. Die Landschaften Salisa, Saalim; Zuph, durch die er ging, waren recht abgelegen. Uns sind sie sogar ganz unbekannt und kommen auch sonst nicht weiter in der Schrift vor. Lass es dir mit Saul gefallen:
Unbekannte Wege wandeln,
Wege, die sein Aug nur kennt,
Stille dulden, schweigend handeln,
Wo kein Menschenmund dich nennt
Unser Gott, der sich so hoch gesetzt hat, ist nun einmal ein Gott der Niederen und Stillen, die so gern im Schatten ruhen. Nach solchen Leuten sieht er sich um, die kann er gebrauchen. Nicht sage ich, dass solcher demütige, freudige, schweigende Gehorsam vollendet bei ihnen zu finden sein müsste; wohl aber tut die herzliche Willigkeit not, durch Leiden, durch Brechen des stolzen Eigenwillens solchen Gehorsam zu lernen.
II.
Aber wir müssen uns wieder nach Saul umsehen. Aus der ersten Prüfung ist er unvermerkt in die zweite gekommen.
Was meinst Du, mit welchem herrlichen Erfolge hat Gott die stille, demütige, treue Arbeit Sauls gesegnet? Lasst sehen! „Und er ging durch das Gebirge Ephraim und durch das Land Salisa und sie fanden sie nicht; sie gingen durch das Land Saalim, und sie waren nicht da; sie gingen durch das Land Jemini, und fanden sie nicht. Da sie aber kamen ins Land Zuph - waren sie auch nicht da. Siehe da! das treue Suchen ist nutzlos. Alle Demut, aller Gehorsam ist wie ganz vergeblich. Es ist, als ruhte kein Segen auf der Arbeit. Er ging von einer Landschaft zur andern, nirgend eine Spur. Er harrt aus, er sucht weiter ohne Murren. Er fängt von vorn an, er wendet sich hierhin und dorthin, er versucht's auf allerlei Weise. Alles umsonst. Endlich muss er verzagen, dass es je gelingen werde. „Komm, lass uns wieder heim gehen!“ spricht er zu dem Knaben.
Ist so Etwas euch auch schon widerfahren? Es war vielleicht bei euch einmal eine Zeit, wo die Arbeit, welche es auch war, rasch von statten ging, wo Alles, was ihr angrifft, gelang, wie Saul, der junge, feine Mann, eine solche Zeit wohl auch aufzuweisen hatte, wiewohl es nicht ausdrücklich erzählt wird. Plötzlich wird's anders. Der vordem im Rufe stand, dass er Vieles vermöchte, dem will nun nichts mehr gelingen. Er fängt's an; es missrät. Er fängt's von neuem an; es missrät nochmals. Er versucht alle Mittel, greift das Werk von jeder Seite an, gibt sich Mühe um Mühe - Alles umsonst. Ich weiß, es ist auch Mancher von euch, als sie hierher kam, so ergangen. Im Elternhause, unter den Gefreundeten und Bekannten galt man für etwas. Jetzt wird plötzlich alles Anders; man kann nichts recht machen - alles nutzlos, dass Einer schier verzagt und spricht: Es wird doch nichts!
Woher das? Ist das der Lohn treuer, stiller, demütiger, im fröhlichen Gehorsam getaner Arbeit? Lasst uns von Saul lernen, was Gott in solchen Zeiten mit Einem vorhat. Wie's nicht von ungefähr war, dass Kis Eselinnen von ihrer Weide sich verliefen, so war's auch nicht von ungefähr, dass Saul samt seinem Knaben trotz treuen Suchens sie nicht fand. Es kam von Dem her, welchem alle seine Werke bewusst sind von Anfang an. Der lenkte beide andere Wege, die Eselinnen hierhin, die Suchenden dorthin. Eben derselbe aber hatte dem Saul einen Knaben zugesellt. Als nun Saul bei seinem nutzlosen Suchen zu diesem sprach: „Komm, lass uns wieder heim gehen! mein Vater möchte von den Eselinnen lassen und für uns sorgen!“ sprach der Knabe zu ihm: „Siehe, es ist ein berühmter Mann Gottes in dieser Stadt; Alles, was er sagt, das geschieht. Nun lass uns dahin gehen; vielleicht sagt er uns unsern Weg, den wir gehen müssen, um nach so langem unnützen Suchen dennoch ans Ziel zu kommen.“ Saul wagte nicht; er hatte dem Manne nichts zu bringen, und wollte doch vor Gott nicht arm und leer erscheinen. Aber der Knabe ließ nicht nach mit Bitten: „Auf! zum Manne Gottes hin, zum Seher hin, dass er uns unsern Weg sage!“ Dabei hat es Gott so gefügt, dass jener noch ein Viertel eines silbernen Sekels bei sich hatte. Das machte dem Saul einiges Vertrauen. „Du hast wohl geredet; komm, lass uns gehen!“ Ihr merkt, dem Saul fehlte doch noch Manches vom rechten, tiefen Verständnis seines Gottes. Er kannte den Weg nicht, zu ihm zu kommen. Indes er ging. Da hatte Gott weiter gesorgt. Es schöpften etliche Dirnlein vor der Stadt Wasser. Die zeigten ihnen den Weg. Als sie zur Stadt kamen, siehe, da ging Samuel heraus ihnen entgegen. Da waren sie bei dem Manne Gottes, bei dem Seher, der die Wege wusste, die Gott die Menschen führt; denn Gott hatte es ihm offenbart. Fragst du noch: Warum war Sauls Arbeit vergeblich? Du siehst, er sollte den Seher finden, den Mann, erfahren in den Wegen Gottes; er sollte den Propheten, den Hörer göttlicher Rede, in seiner Arbeit um Rat fragen. Das vergebliche Suchen, der Knabe, der zuerst vom Seher sprach, die Dirnlein, die den Weg zeigten, alles musste dazu dienen, dass Saul Hilfe suchte in der Offenbarung Gottes.
Wenn's dir nun auch vorkommen will, dass dir Alles hier misslinge, dass du nichts seist, und du schon sagen willst zu deinem Herzen: „Komm, lass uns wieder heim gehen!“ da ruft dir auch wohl Einer zu: „Wohlan, zur Offenbarung, dass du die wunderlichen Wege erkennst, die Gott seine Heiligen führt!“ Warte nicht, bis Gott selbst dir in den Weg tritt, oder sein Engel; du möchtest vergeblich warten. Gott hat auch zu Saul nicht selbst geredet. Ein Knabe hat angefangen; wasserschöpfende Dirnlein haben den Weg gezeigt. Siehe! wie schlicht und einfach lässt Gott das Alles zugehen, wie ohne Aussehen und Geräusch. Der Gott der Niedrigen und Stillen wählt auch für seine Füße stille, niedrige, schattige Wege. Also sei achtsam, auch auf die unscheinbaren Wegweiser, die dich aus deiner vergeblichen Arbeit zu Ihm hinweisen, ohne den wir nichts tun können, der dir aber aufs klarste deinen Weg zu zeigen vermag, den du in seiner Nachfolge, seinem Dienst wandeln sollst. Scheue dich nicht, arm und mit leeren Händen zu ihm zu gehen. Er verkauft seinen Rat nicht, noch weniger als Samuel; er gibt alles umsonst und ohne Geld. Kommst du zu ihm, so wirst du erleben, was mancher vor dir erlebt hat, und der nachher bekannte: „Als ich mich vergeblich abmühte, ist's mir hier erst, wie Schuppen, von den Augen gefallen. Da hab' ich erst erkannt, was mir noch fehlte, und was mir doch so not tat.“
Nichts Anderes hat dein Gott auch mit dir vor, wenn er sich unsichtbar dir in den Weg stellt, dass du nicht voran kannst. Du sollst hier erst etwas Anderes, Neues finden. Darum muss das Gebäude, das du in dir aufgebaut hattest, erst ganz zusammenstürzen. Wahrlich, wäre die Ratlosigkeit bei Saul nicht so groß gewesen, er wäre nicht zum Seher gegangen. Nähme Gott manche Seele hier nicht so ernstlich mit, demütigte er sie nicht so gründlich, zerschlüg er sie nicht ohne Schonung in nichts, sie würde wenig Lust bekommen, selbstgewählte Wege, die Fleisch und Blut so lieblich dünken, zu verlassen, und die Wege zu wandeln, welche Gott ihr vorzeichnet. Noch einen Rat nimm von mir an. Säume nicht, zu dem Lichte der Welt zu eilen, bis du Monate und Jahre lang dich zerarbeitet hast in der Menge deiner Wege; sondern flugs zu ihm, ehe du noch hierhin und dorthin läufst und von einem Ende zum andern rennst und deine Wege verwirrst und deine Kraft vergeblich und unnütz zubringst. Der Rat kann dir viele saure Tage ersparen.
Saul ist nun bei Samuel. Dort ist für ihn gut sein, denn wir wissen, was Gott ihm daselbst bereitet hat. Darum lassen wir ihn ruhig dort und sind unbesorgt um ihn, wie sehr beklommen es ihm selbst auch ums Herz sein mag. Und ist Einer zerschlagen, verzagt er an seinen eigenen Kräften, sind die Luftschlösser seiner eitlen Hoffnungen und stolzen Einbildungen, die glänzenden Bilder seiner selbstgefälligen Phantasie zertrümmert, und streckt er nun nach göttlicher Rede und Offenbarung sein Herz aus: er bleibe still und getrost und harre mutig aus, sollte gleich die Zukunft noch schwer vor ihm stehen; denn sein Herr hat etwas für ihn bereitet, was seine Ahnungen übersteigt. Aber was das sei, darf ich noch nicht sagen. Wendet aber mit mir euren Blick noch einmal rückwärts: Die erste Prüfung, die Gott mit seinen Knechten vornimmt, liegt vor euren Augen. Viele sind in dieser ersten Prüfung schon zu Schanden geworden. Wenn Gott sie auf die Probe stellte, ob sie still und schweigend unbekannte Wege wandeln und niedrige Dienste für ihn tun könnten, so sind sie betrübt und gar murrend davon gegangen. Oder wenn Gott in ihrem fruchtlosen Hin- und Herlaufen seine Hand ihnen bot, damit er sie zu sich lockte und zurecht brächte, so sind sie nicht gefolgt, weil die Lockstimme ihnen zu gering dünkte.
Wer aber, wie Saul, durch Gottes eigene Kraft in dieser seiner ersten Prüfung nicht ganz zu Schanden geworden ist, der denke mit großem Ernste an das Ende Sauls und merke, was geschrieben steht: „Halte, was du hast, dass Niemand deine Krone nehme!“ Amen.