Schlatter, Adolf - Einleitung in die Bibel - Sacharja.

Schlatter, Adolf - Einleitung in die Bibel - Sacharja.

Sacharja hat Haggai in seiner Mahnung unterstützt; aber sein Wort hat einen umfassenderen, reicheren Inhalt. Dasselbe ist im ersten Teil des Buchs, K. 1-8, enthalten.

Die Weissagungen Sacharia's aus der Zeit des Tempelbaus. 1-8.

Den ersten Spruch hat Sacharja nach den beiden ersten Ansprachen Haggai's, aber noch vor dem Beginn des eigentlichen Bau's gesprochen. Derselbe ist eine

Bußmahnung. 1,1-6.

Er fordert die Umkehr zu Gott und erinnert warnend an das Beispiel der Väter, die durch die frühern Propheten umsonst zur Umkehr ermahnt worden sind, bis ihnen das Eintreffen des prophetischen Worts die Augen öffnete. Jetzt, wo aufs neue Prophetenstimmen zum Volke reden, gilt es eine andre Bahn einzuschlagen, als die Väter thaten.

Die Verheißungen, die er dem Volke geben darf, empfing der Prophet in einer Reihe von

Gesichten, 1,7-6,15.

die er, wie es scheint, nacheinander in einer Nacht gesehen hat, wobei ihm ein Engel die im Gesicht hervortretenden Figuren erklärt.

Gottes unsichtbare Wächter und Boten, die über die Erde reiten, melden, daß noch alles stille ist. Dennoch soll der Prophet verkündigen, daß Gottes Eifer für die heilige Stadt und sein Zorn über die Völker, die sie zerstört haben, sich kundthun wird. Der Tempel und die Stadt werden nun wieder gebaut und die Erwählung Zions besteht in ungeschmälerter Kraft. 1,7-17.

Die vier Hörner, die Israel zerstreut haben, zeigen sich, aber auch vier Schmiede, die sie umstoßen. 1,18-21.

Darauf erscheint ein Mann mit der Meßschnur, der Jerusalems Länge und Breite mißt. Die Menge des Volks ist zu groß für ihre Mauern, und hat doch volle Sicherheit, weil der Herr eine feurige Mauer um sie her ist. Der Prophet ruft die herbei, die in Babylon weilen. Denn die Völker werden gerichtet und Jerusalem wird zur herrlichen Wohnung Gottes. 2,1-13.

Im vierten Gesicht wird der Hohepriester Josua, nachdem der Engel seinen Verkläger schweigen hieß, von seinen unreinen Gewändern befreit und mit reinen priesterlichen Kleidern angethan. Nun ist der Dienst der Priester Gott wieder wohlgefällig und sie sind zugleich die Vorzeichen des Verheißenen1), welcher der rechte Priester in Kraft und Wahrheit für die Gemeinde sein wird. 3.

Nun sieht Sacharja einen goldenen Leuchter mit sieben Lampen, daneben zwei Oelbäume. Der Leuchter ist die heilige Gemeinde, und sagt ihr, daß ihre Kraft und Würde allein im Geiste Gottes steht. Die beiden Oelbäume sind die von Gott gesalbten, Serubabel und Josua, der Fürst und der Priester, beide von Gott zu seinem Dienst geweiht. Darum wird der Tempelbau gelingen und ist vor Gott ein großes Werk. 4.

Eine große Schrift fliegt dahin, mit Gottes Fluch beschrieben, der die Diebe und Meineidigen dahinrafft. Und in einem Kornmaß sitzt die Bosheit in Gestalt eines Weibs und wird nach Babylonien geschafft. Dort hat sie ihre Heimat und Wohnung, Jerusalem dagegen wird von ihr gereinigt und befreit. 5.

Die vier Winde, die Boten des göttlichen Gerichts, erscheinen in der Gestalt von vier mit Rossen bespannten Wagen. Zwei derselben fahren dem Norden, dem Sitz der Weltmacht, zu und schaffen dort dem Zorne Gottes Ruh. 6,1-8.

Das letzte Wort in dieser Gruppe gilt dem Hohepriester Josua. Sacharja setzt ihm eine Krone auf, angefertigt aus Gold, das heimkehrende Juden für den Tempel brachten. So ist er das Bild des Kommenden, der Priester und König mit einander sein wird, und zum Gedächtnis dieser Krönung wird die Krone im Tempel aufbewahrt. 6,9-15.

Die Unterweisung über die Fasttage. 7 u. 8.

Zwei Jahre später, im vierten Jahre des Darius, hat Sacharja nochmals als Prophet gesprochen, als die Leute von Bethel im Tempel anfragten, wie es mit den Fasttagen zu halten sei, in denen das Gedächtnis der Zerstörung Jerusalems jährlich erneuert wurde.2) Der Bau des Tempels schritt rüstig voran, die Gemeinde richtete sich wieder auf und die Gnadenzeit schien angebrochen. War es noch recht, um den Fall Jerusalems zu trauern wie bisher?

Sacharia stellt zunächst den Wert solchen Fastens ins Licht. Sie erweisen damit nicht. Gott einen Dienst. Was Gott verlangt, ist, daß sie gegen einander gütig und gerecht handeln. Weil sie hierin den Propheten ungehorsam waren, kamen die Väter um. Nun aber macht der Herr Jerusalem wieder zu seiner Wohnung, sammelt das Volk, erfüllt die Verheißung Haggai's, daß von der Gründung des Tempels an Gottes Segen über sie komme, verwandelt die Fasttage in Freudentage, und bringt auch die Völker zu seiner Erkenntnis und Anbetung.

So verpflanzt Sacharja die Weissagung der ältern Propheten mit ihren großen Hoffnungen ins neue Jerusalem. Er erklärt, daß dieselben ihre Bedeutung und Gültigkeit nicht verloren haben, obgleich, seit sie zum erstenmale ausgesprochen worden sind, alle Verhältnisse, die weltgeschichtlichen wie diejenigen Jerusalems, sich überaus verändert haben, und obgleich die Anfänge des neuen Jerusalem so dürftig und unscheinbar gewesen sind, und die Befreiung von Babel nicht schon die völlige Erneuerung und Verherrlichung Israels und der ganzen Welt geworden ist, wie es nach den prophetischen Worten scheinen konnte. Dennoch hat Israel die Verheißungen mit fester Zuversicht zu bewahren, und auf große herrliche Offenbarungen Gottes in seiner Mitte zu hoffen. Es darf am Kommen des Verheißenen nicht zweifeln, noch an der Herstellung einer reinen Gemeinde, aus der alle Bosheit entfernt ist, und am Gericht über alle Heiden, und hat daran festzuhalten, daß Gottes Erkenntnis noch alle Völker umfassen und mit ihm im Tempel feines Gottes vereinigen wird. Alle diese großen Ziele hält Sacharja auch dem neuen Jerusalem vor und weist es an, in Geduld eine wartende Gemeinde zu sein.

Auf diese zweifellos von Sacharja niedergeschriebenen Reden folgen in Kapitel 9-11 und 12-14 zwei Weissagungen von ungewisser Herkunft.

Israels künftige Herrlichkeit und Ephraims Zerrüttung. 9-11.

Wie wirs bei den ältern Propheten öfter finden, wird zunächst den Nachbarvölkern, die Israel beständig schädigten, der syrischen Landschaft Hadrach und Damaskus, Tyrus und Sidon, und besonders den Philisterstädten die Erniedrigung angesagt, während der Herr bei Jerusalem Wache hält und ihm Sicherheit verschafft. 9, 1-8.

Denn Jerusalem erhält einen König in Gottes Namen, der in seinem Anfang zwar arm und niedrig ist, aber zum wahren Friedensfürsten wird. 9, 9. 10.

Dann werden Ephraim und Juda beide von Gott mit uns überwindlicher Siegesmacht gestärkt und triumphieren über alle Feinde. 9, 11-17.

In der Dürre, die das Land jetzt plagt, ist die Hilfe allein beim Herrn zu suchen. Götzenbilder und Wahrsager helfen nichts. Aber sofort wendet sich das Wort wieder verheißend der Zukunft zu. Sieghafte Stärke und Übermacht über die Feinde wird beiden Teilen Israels verliehen, und Sammlung seiner Gefangenen und Erniedrigung der großen Weltmächte, Assur und Ägypten, durch Gottes wunderbare That, da das Volk draußen in der Zerstreuung den Herrn finden und sich zu ihm bekehren wird. 10,1-12.

Der letzte Spruch schaut in die Notzeit hinein, die dieser Zukunft vorangeht. Bis hinauf zu den Höhen des Libanon dringt die Verwüstung des Landes. Israel ist eine zur Schlachtung bestimmte Herde; Gott gibt sie ohne Schonung dahin. Über sie übertrug er dem Propheten das Hirtenamt. Er nahm sich hiezu zwei Stäbe. „Lieblichkeit“ hieß er den einen, „Verbindung“ den andern. Jener sagt, daß es dem Volke wohlgehen soll, wenn es sich von ihm leiten läßt; dieser, daß sich Ephraim und Juda brüderlich wieder aneinander anschließen sollen.3) Drei böse Hirten schafft er in einem Monat weg. Aber die Herde will sich nicht leiten lassen, und er muß sie ihrem traurigen Geschick überlassen. Da nun die Völker über sie hereinbrechen, sollten sie erkennen, was sie ihm verdanken, aber sie lohnen ihn mit einem erbärmlichen Lohn. Da zerbricht er auch den andern Stab und zerreißt das Band zwischen Juda und Ephraim. 11,1-14.

Hierauf soll der Prophet das Aufkommen eines bösen Hirten darstellen, der die Herde versäumt und nur seinen Vorteil sucht. Auf ihn wird Gottes Fluch geworfen. 11,15-17.

In Sacharja's Leben und Zeit haben diese Worte und Thaten keinen Raum. Da gab es nicht mehr neben einander ein Ephraim und ein Juda, das man verbinden oder trennen konnte. Da war auch die Gemeinde nicht mehr eine Herde von Schlachtschafen. Da gab es keine bösen Hirten, die durch das prophetische Strafwort weggerafft werden mußten, gab es auch kein Assur mehr und der Stab Ägyptens war nicht mehr zu fürchten. Das Volk wohnte nicht mehr bis an den Libanon hin; drum war auch ein Brand auf demselben nicht mehr das größte Schreckenszeichen Auch konnten die Syrer von Hadrach und Damaskus und die Nachbarn alle nichts mehr gegen Israel unternehmen, da alle Gewalt damals in den Händen der persischen Beamten lag. Die prophetischen Worte beziehen sich beständig auf die ältern Verhältnisse im Land.4)

Es ist auch nicht möglich, diese Worte ausschließlich und vollständig in die Zukunft zu übertragen, so daß Sacharja etwa von einem kommenden Boten Gottes spräche. Der Prophet beschreibt, was er nach Gottes Auftrag gethan hat und wie es ihm dabei ergangen ist. Da behalten die Worte nur dann ihren natürlichen Sinn, wenn wir sie als den Spruch eines ältern Propheten fassen.

Er wird in der Zeit Hosea's gelebt haben. Damals war die Zeit noch nahe, wo Israel mit seinen Nachbarn in hartem Streite lag und sich für seine Existenz wehren mußte. Darum verheißt ihm der Prophet dereinst sieghafte Überlegenheit über alle seine Feinde. Damals bedrohte es Assur und die Zerstreuung des Volkes stand bevor, und Blut und Mord erfüllte das Land, so daß das Volk in der That Schlachtschafen glich, und böse Hirten gabs viele, auf die der Prophet sein Fluchwort werfen mußte. Damals konnte mans versuchen, Ephraim dadurch zu retten, daß man es mit Juda verband, und damals riß in der That das Bruderband zwischen beiden Hälften des Volkes vollends entzwei. Israel verheerte Juda und wollte das Davidshaus vernichten, und Ahas rief Tiglath Pileser über Israel herbei.

Wieder von besonderer Art ist der Spruch über

Jerusalems künftige Erhabenheit und tiefe Buße. 12-14.

Zuerst wird uns Jerusalem von den Völkern umringt und bekämpft gezeigt. Aber sie holen sich an Gottes Stadt den Untergang. Zuerst werden die kleineren Orte Juda's mit Heldenkraft begabt, damit sich Jerusalem und das Davidshaus nicht überhebe. Dann folgt auch dieses in sieghafter Stärke in den Streit. 12,1-8.

Reden dieses Siegesbild tritt die Verkündigung tiefer reuevoller Trauer, die über Jerusalem kommen muß. Denn sie haben einen Mann erstochen, in dessen Person sie gegen Gott selbst die Waffe erhoben. Darum folgt über dessen Tod ein Schmerz und eine Klage, die größer ist als jeder andere Schmerz. 12,9-14.

Dann wird Jerusalem von aller Unreinigkeit und Sünde gewaschen und das durch lügenhafte Männer entweihte Prophetentum hört gänzlich auf. 13,1-6.

Jerusalem wird zuerst gedemütigt. Der Hirte, den Gott ihm gesetzt hat, wird erschlagen, das Volk bis auf einen Rest herunter gebracht, dieser aber zum Herrn bekehrt. Jerusalem erleidet alle Schrecknisse einer eroberten Stadt, geht aber nicht völlig unter. 13,7-14,2.

Dann kommt die große Rettung. Der Herr erscheint auf dem Ölberg, schafft dort dem Volk wunderbar einen Ausweg zur Flucht. Jerusalem wird erneuert zu herrlicher Reinheit. Lebendige Wasser strömen von ihm nach Osten und Westen über's Land. Die Völker, die es bestreiten, verwesen und reiben sich selber auf, und wer von ihnen übrig bleibt, betet den Herrn an und kommt jährlich nach Jerusalem zum Laubhüttenfest, und dieses ist ganz geheiligt bis zum letzten Kochtopf hinab. 14, 3-21.

Ein Datum für diese Sprüche anzugeben ist noch schwieriger als beim mittlern Teil des Buchs.5) Es ist bei ihnen die Möglichkeit größer, daß sie in der Zeit Sacharja's, wenn auch schwerlich von ihm selbst geschrieben sind. Dann hat der Prophet im Blick auf die älteren Weissagungen das, was Jerusalem noch zu erwarten hat, in seinen Hauptzügen zusammengestellt. Es kommt neue Verschuldung; den Knecht Gottes, den ihm der Herr senden wird, wird es töten. Darum kommt auch neue Bedrängnis und Zerstörung durch die Völker, aber auch die Buße und Umkehr zu Gott und die große Befreiung aus den Händen der Heiden. Doch weist manches, z. B. das Strafwort wegen der Götzenbilder, der Makel der unreinen lügenhaften Prophetie , das Wort über den Stolz des Davidshauses und der Bewohner Jerusalems, um deswillen Gott auch die kleineren Orte Juda's und die Stammeshäupter ehren wird, die Erinnerung an das Erdbeben unter Usia als an den größten Schrecken, den das Volk je erlebt hat u. s. w. auf das alte Jerusalem. Wir werden einen prophetischen Spruch vor uns haben, der in Jeremia's Zeit geredet ward.6)

1)
Zemach, „Sproß, Gewächs“ heißt ihn der Prophet nach Jer. 23,5. 33,15.
2)
Es waren deren 4: für den Beginn der Belagerung, die Erstürmung der Stadt, den Brand des Tempels und die Ermordung Gedalja's.
3)
Der Name des zweiten Stabes wird V. 14 erklärt.
4)
Es trifft auch hier mit der besonderen Art des Inhalts deutlich die Eigentümlichkeit der Sprache zusammen. Sacharja redet ganz ähnlich wie die beiden andern nachexilischen Propheten sehr ruhig und verständig. Eine nüchterne Überlegung entfernt von der Sprache jeden unnötigen Schmuck. Die späteren Kapitel sind dagegen warm, bilderreich, von starken Herzbewegungen durchströmt, liedartig, wie wir's bei den älteren Propheten finden.
5)
Von diesem unterscheidet sich die letzte Weissagung dadurch, daß sie nur noch von Jerusalem und nicht mehr von Ephraim redet. Als Beispiel großer Trauer wird 12,11 diejenige von Hadad Rimmon erwähnt. Das ist ein Ort in der Nähe Megiddo's. Es scheint auf die Trauer um Josia's Tod hingewiesen zu sein. Ist diese Auffassung der Worte richtig, so ist der Spruch nicht vor Jeremia's Zeit gesprochen, also jedenfalls nicht von dem Propheten, der als guter Hirte Ephraim leiten wollte.
6)
Wie es gekommen ist, daß die beiden Schlußabschnitte mit Sacharja's Buch verbunden worden sind, darüber lassen sich nur Vermutungen geben. Beide Abschnitte haben ihren besonderen Titel, nur ohne Nennung eines Namens. 9,1 ist überschrieben: „eine Weissagung“, 12,1: „eine Weissagung, ein Wort des Herrn über Israel“. Das kann auf den Gedanken bringen, daß beide Stücke zuerst selbständig am Schluß der kleinen Propheten stunden und mit dem Buche Sacharja's erst verbunden wurden, als der letzte, Maleachi, noch dazu kam. Andere dachten, es könnte Gleichheit des Namens die Verbindung der Sprüche herbeigeführt haben. Wir finden nämlich noch einen Sacharja, Sohn Jeberechjas in Jerusalem, der unter Ahas neben dem Priester Uria ein angesehener Mann gewesen ist und von Jesaja als Zeuge für sein Wort beigezogen wurde, Jesaja 8, 2. Vielleicht hat er früher in Ephraim als Prophet das Hirtenamt zu verwalten sich bemüht. Wer vorzieht, Kp. 12-14 ins Exil zu verlegen, wird annehmen, daß dieser spätere Prophet den älteren Spruch aufgenommen und mit seinen eigenen Worten dem Buch Sacharja's angeschlossen habe, um damit das Zukunftsbild Sacharja's zu vervollständigen. Doch die letztere Vermutung hat wenig Wahrscheinlichkeit.
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