Rieger, Carl Heinrich - Kurze Betrachtungen über die Psalmen – Der 96. Psalm.
1. Singt dem HErrn ein neues Lied; singt dem HErrn alle Welt; 2. Singt dem HErrn, und lobt seinen Namen; predigt einen Tag am andern sein Heil; 3. Erzählt unter den Heiden seine Ehre, unter allen Völkern seine Wunder. 4. Denn der HErr ist groß und hoch zu loben, wunderbar über alle Götter. 5. Denn alle Götter der Völker sind Götzen; aber der HErr hat den Himmel gemacht. 6. Es steht herrlich und prächtig vor ihm, und geht gewaltig und löblich zu in seinem Heiligtum. 7. Ihr Völker, bringt her dem HErrn, bringt her dem HErrn Ehre und Macht, 8. Bringt her dem HErrn die Ehre seinem Namen, bringt Geschenke, und kommt in seine Vorhöfe, 9. Betet an den HErrn im heiligen Schmuck; es fürchte ihn alle Welt. 16. Sagt unter den Heiden, dass der HErr König sei, und habe sein Reich, so weit die Welt ist, bereitet, dass es bleiben soll, und richtet die Völker recht. 11. Himmel freue dich, und Erde sei fröhlich; das Meer brause, und was darinnen ist; 12. Das Feld sei fröhlich, und alles, was darauf ist; und lasst rühmen alle Bäume im Wald, 13. Vor dem HErrn, denn er kommt, denn er kommt zu richten das Erdreich. Er wird den Erdboden richten mit Gerechtigkeit, und die Völker mit seiner Wahrheit.
Der 96. Psalm ist eine sehr erweckliche Aufmunterung an alle Völker auf dem Erdboden, ja zuletzt an Himmel und Erde und was darinnen ist, dass sie doch das Neue, so GOtt an ihnen tue, auch mit einem neuen Lied besingen sollen. Die Einrichtung des Psalms ist so, dass immer die erwecklichen Ermahnungen, und die dazu gehörigen Beweggründe mit einander abwechseln, also 1) Ermahnungen, V. 1-3. 2) Beweggründe, V. 4-6. 3) Weitere Ermahnungen, V. 7-12. 4) Weitere Beweggründe, V. 13. Es gibt in der Haushaltung GOttes auf Erden, bei der Offenbarung Seiner Gnade und Wahrheit immer auch was Neues. Ja, selbst vor GOttes Thron und bei Denen, die zunächst herum sind, gibt es neue Eröffnungen. Danach richtet sich der Geist Christi in den Gläubigen, und gibt ihnen darüber auch ein neues Lied in den Mund. Wie merkwürdig ist es, dass, wann es in der Kirche GOttes auf Erden eine merkliche Förderung in der Erkenntnis und Anbetung GOttes gibt, sich auch die Gabe der Lieder in besonderer Kraft zeigt, wie z. E. zu den Zeiten Davids, und in neueren Zeiten bei der Reformation; wenigstens sollte es dem neuen Wesen und der Kraft des Geistes nach bei uns immer ein neues Lied geben; denn das Neue Testament bleibt immer neu, mithin soll auch unser Leben daraus, und unser Loben und Danken darüber nicht veralten. Schade, wenn man einen Tag hingehen lässt, ohne sich darin zu erneuern. Um die Majestät GOttes, wie um alle daraus fließenden Werke GOttes ist es etwas Schreckliches, Tiefes, für uns Unbegreifliches, und etwas Liebliches und zur Freude und Zutrauen Lockendes. Darum gehts in Seinem Heiligtum, darin Er sich von den Seinen anbeten und bedienen lässt, aus dem Schrecklichen gewaltig, und aus dem Prächtigen und Lieblichen gehts löblich zu. Wir können freilich diesem großen GOtt nichts geben und bringen; wenn aber der Mensch aus der ausschweifenden Eitelkeit seines Sinnes umkehrt, und das, was er vorher den Menschen oder sich selbst zugeschrieben, und worin er Fleisch für seinen Arm gehalten hat, und in GOtt allein sucht und findet; so heißt das: bringen, und GOtt die Ehre geben. Und zwar Macht gibt man GOtt über dem Schrecklichen an Ihm, Ehre aber über dem Lieblichen und Schönen. Das Eine hält uns im Respekt vor GOtt, das Andere macht die Furcht GOttes lieblich. Ach! dass der Wille GOttes geschehe auf Erden wie im Himmel, und bald alle Lande Seiner Ehre so voll würden, wie man Ihm dankt im Himmel.