Oehninger, Friedrich – Wahrheiten für unsere Tage - Das Sterben

Oehninger, Friedrich – Wahrheiten für unsere Tage - Das Sterben

„Wenn ich auch nicht leben möchte, wie die Christen, so möchte ich doch sterben wie sie“ - hat einst sie ein großer Mann gesagt. „Ein Christ stirbt nicht ganz inkognito,“ hat Bengel bemerkt. Das wird durch folgende Worte eines Arztes bestätigt, der gar kein Pietist war. Während eines halben Jahrhunderts ging er bei Sterbenden ein und aus und schrieb darüber: „Nichts hat während meines langen Amtslebens einen größeren Eindruck auf mich gemacht als der Akt des Sterbens. Beim Tode eines entschieden Ungläubigen sind Trostlosigkeit und Verzweiflung die vorherrschenden Erscheinungen, was mir besonders bei manchen sterbenden Juden auffallend gewesen ist. Ungewöhnlich starke Geister starben auch wohl mit kalter Resignation mit einer gewissen Freudigkeit aber nur Christen.“ Auch der Arzt Warren sagte: „Nothing can make deathbed easy but religion, (Nichts kann ein Totenbett ruhig und leicht machen als die Religion.)“. - Voltaire schrieb einst an eine Dame: Man soll nie an den Tod denken. Der Tod ist durchaus nichts. Er gleicht dem Schlafe wie ein Wassertropfen dem andern; nur die Vorstellung, dass man nicht mehr erwachen wird, macht Pein. Wie starb dieser große Apostel des Unglaubens? - Darüber schrieb sein Arzt an einen Freund: „Dieser Mensch war also bestimmt, unter meinen Händen zu sterben. Ich habe ihm oft die Wahrheit gesagt. Am Ende bekannte Voltaire: Hätte ich Ihren Rat befolgt, so wäre ich nicht in dem scheußlichen Zustande, worin ich jetzt bin. Ich habe nichts als Rauch verschluckt und mich im Rauch berauscht und den Kopf verdreht. Erbarmen Sie sich mein, ich bin ein Narr.“ - „Sobald er sah, fährt der Arzt fort, dass er sterben müsse, bemächtigte sich seiner eine Art Wahnsinn, dass ich nicht ohne Schauder. daran denken kann. Von den Furien gepeinigt verschied er. Krampfhaft klammerte er sich ans Leben und bot große Summen, hundert Franken für jede weitere Minute. Ich wünsche, alle, die durch Voltaires Bücher verführt wurden, wären Zeugen seines Todes gewesen.“ So Voltaires Arzt Franchin.

Eine treffliche, viele lehrreiche Tatsachen bietende kleine Schrift über dieses Thema ist: „Dammann, Geistesleben im Leibessterben.“ Siehe auch Bossuet, „über das Dahinsterben“ in Hettinger, Predigt und Prediger. S. 243.

Zahllos sind die Äußerungen der Dichter und Denker über das Geheimnis des Todes, und in allen findet sich entweder die heidnische oder die christliche Anschauung vom Sterben wieder. Die heidnische ist teils mit verzweiflungsvoller Klage über das Vergehen, teils mit frevelhaftem leichtsinnigem Spott und kalter Resignation gepaart; die christliche Anschauung nimmt es mit dem Sterben Ernst, sieht aber mit Ruhe auf diese irdische Auflösung hin, weil sie des Besitzes solcher Güter bewusst ist, die im Tode nimmer vergehen. Während Horaz den Tod ein aeternum exilium genannt hat, sieht das Christentum in ihm die Rückkehr ins Vaterland.

Es mögen hier noch einige Aussprüche moderner Dichter über den Tod eine Stelle finden.

Ein Abgrund bleibt der Tod, ein ewig trüber,
Wie schön mit Blumen ihn der Dichter schmücke.
Mein Liedchen tändelt fort das Gegenüber,
Kein Schluss der Weisheit schlägt die fühne Brücke,
Und nur des Glaubens Flügel trägt hinüber.
Geibel.

Wie uns die Mutter auferzog zum Leben,
Erzieht das Leben uns gemach zum Sterben;
Wir sollen einst den Scheidekelch, den herben,
Zu Leeren wissen ohne Graun und Beben.
Darum nimmt es, was es uns so reich gegeben,
Almählig wieder und zerschlägt's zu Scherben.
Rückert.

Dessen Hand durchs Leben uns geleitet,
Auch im Tode bleibt uns ihr Geleit;
Wer die Zeit mit Gottvertraun durchschreitet,
Geht mit Gottvertraun zur Ewigkeit.
Rückert.

Als du einst geboren warst ans Licht,
Weintest du, es freuten sich die Deinen;
Lebe so, dass wenn dein Auge bricht,
Du dich freust, die Menschen aber weinen.
Gerok.

Strafe und Schrecken liegt in dem Worte: Erde bist du und sollst wieder zu Erde werden. (vergl. Vilmar, Collegium biblicum, Neues Test. II 225. ff.) - Zu den Qualen des Körpers tritt in der Todesnähe das Verschmachten der Seele. Der Tod ist die Spitze aller Versuchung, die darin besteht, dass Gottes Wort und Gottes Nähe uns abhanden kommen soll. Wenn der HErr am Kreuze ruft: „Vater, in Deine Hände befehle ich meinen Geist,“ so erkennen wir hieraus, was der Tod überhaupt ist für den, der an Gott glaubt, er ist zunächst ein gänzliches Hingeben des eigenen Ich in die Hand Gottes, ohne zu fragen: was wird nun aus mir? -

Ch. Kingsley, auf dessen Leichenstein steht: Amavimus, amamus, amabimus1), sah Jahre lang mit brennender und ehrfürchtiger Wissbegierde der Todesstunde entgegen. Am letzten Morgen früh hörte man ihn mit klarer Stimme aus dem „Begräbnis-Gottesdienst“ beten: „Du, O HErr, kennst die Geheimnisse unseres Herzens. Verschließe dein barmherziges Ohr nicht vor unserm Gebet, sondern verschon uns, Du allerheiligster HErr, Du allmächtiger Gott und barmherziger Heiland, Du hochgelobter ewiger Richter; lass nicht zu, dass wir uns jemals von Dir trennen, auch nicht in unsrer letzten Stunde, in der bittersten Todesart Dir untreu werden.“ Amen.

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Wir liebten, wir lieben, wir fahren fort zu lieben
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autoren/o/oehninger/wahrheiten/oehninger_-_wahrheiten_fuer_unsere_tage_-_24.txt · Zuletzt geändert: von aj
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