Schlatter, Adolf - Einleitung in die Bibel - Die Briefe der andern Apostel.

Schlatter, Adolf - Einleitung in die Bibel - Die Briefe der andern Apostel.

Neben den Evangelien, zu denen die Apostelgeschichte als die Fortsetzung des Lukasevangeliums hinzutrat, und neben den Paulinischen Briefen entstand in den Gemeinden noch eine dritte Sammlung von Schriften aus der ersten Zeit der Kirche, die ebenfalls in den Versammlungen vorgelesen wurden und die Grundlage ihrer Predigt und Lehre bilden sollten. Dieselbe bestand teils aus Briefen anderer apostolischer Männer, teils aus Weissagungsschriften. Über diese dritte Sammlung hat sich die Sitte in den verschiedenen Gegenden der Kirche sehr verschieden gestaltet, und diese Unterschiede erhielten sich noch lange, nachdem die vier Evangelien mit der Apostelgeschichte und die 13 Paulinischen Briefe schon längst überall ohne Schwankung und Unterschied in den kirchlichen Gebrauch gekommen waren.

Am verbreitetsten waren der erste Johannis- und der erste Petrusbrief. Der Brief des Jakobus war in den östlichen Kirchen geschätzt, im Abendland lange dagegen fast unbekannt. Der zweite Petrusbrief hatte im zweiten Jahrhundert nur geringe Verbreitung. Die ganze Gruppe stand in Hinsicht auf ihren Gebrauch in der Mitte zwischen den Hauptschriften des Neuen Testaments und den sonstigen christlichen Traktaten und Büchern, die in den Gemeinden in Umlauf waren, und die Grenze, welche sie von dieser wechselnden und wachsenden Literatur abschied und mit den Evangelien und den Paulinischen Briefen verband, als auch zum Neuen Testament gehörend, wurde verschieden gezogen. Aus dieser Ungleichmäßigkeit im Gebrauche dieser Briefe folgt für sich allein noch nicht, daß dieselben nicht von der Hand der Apostel stammen. Die Übung der einzelnen Kirchen war von verschiedenen Faktoren abhängig und auch durch die Rücksicht auf den Inhalt dieser Briefe bedingt. Man las in den Versammlungen, was man zu deren Erbauung als besonders wichtig betrachtete, und stellte zurück, was zu diesem Zwecke weniger dienlich war. So hat man von den Johannesbriefen den ersten überall, den zweiten und dritten selten gelesen, und von den letzteren den zweiten häufiger als den dritten, ohne daß sich hierin sofort die Zeit ihrer Entstehung spiegelt, sondern diese Unterschiede rühren daher, daß nur der erste einen reichen Lehrinhalt hat, und von den beiden kleinen der dritte noch mehr als ein Privatbrief erscheint, als der zweite. Wenn man den Jakobusbrief im Abendland im zweiten Jahrhundert fast gar nicht brauchte, so wirkte hiebei zunächst dies mit, daß Jakobus nicht zum Apostelkreis gehörte und sodann war auch das Urteil über den Inhalt des Briefes in der Kirche verschieden. Immerhin macht uns die langsame und schwankende Abgrenzung dieses dritten Teils des Neuen Testaments darauf aufmerksam, daß hier am leichtesten spätere Stücke zu demselben Zutritt finden konnten. Jedenfalls hat die Kirche den Umkreis der apostolischen Schriften nicht zu eng gezogen. Von allen Büchlein, die im zweiten Jahrhundert teilweise mit dem Neuen Testament zusammen geschrieben und gelesen und dann wieder abgeschüttelt wurden, ist keines apostolisch gewesen und bei keinem ist seine Entfernung ein Verlust. Sie bleiben alle weit hinter der Kraft und Fülle auch nur des Hebräerbriefes zurück. In dieser Richtung war das schließliche Urteil der Kirche vollkommen korrekt. Ein Mißgriff könnte sich nur in der anderen Richtung finden, daß die Kirche die Grenze zu weit zog und den einen oder andern Brief, der nicht aus der apostolischen Zeit stammt, dennoch beibehielt.

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