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Keller, Samuel - Markus

Keller, Samuel - Markus

Kapitel 1

„der ist stärker denn ich“
Mk. 1, 7

Gott sei Dank, daß Jesus stärker ist als Johannes, der Bußprediger! Denn, was würde mir im Augenblick, wo ich leiblich und seelisch wie zerschlagen am Boden liege, ein Besuch des Mannes im härenen Prophetenmantel nützen. Soviel Prophet bin ich selbst, daß ich mir ob meiner Sünde Gericht und aus meiner Schwachheit Untergang weissagen kann. Jesus ist stärker: er kann auch lösen, was Johannes gefesselt, erlösen, was unter Sündenfolgen jammert. Ja, Jesus ist stärker als ich! Neigt er sich heute Abend zu mir, weht seines Geistes Kraft mich an, dann ist's mit dem schwächlichen Nachgeben gegen die Stimmung vorbei. Sagt er nicht: Was mein ist, ist dein? Dann muß seine Kraft sich gerade heute meiner so lebhaft empfundenen Schwäche mitteilen. Dann fasse ich im Glauben seine Nähe, und es wird schon ganz stille, wo eben noch die erregte Schmerzfläche mich zu betäuben und zu lähmen suchte. Jesus ist stärker als meine Schuld, als das Verhängnis meiner Verfehlungen, stärker als die Anfechtungen aus der Tiefe. Gott sei Dank, Jesus ist stärker als ich!

Jetzt will ich mich in deine Kraft hüllen lassen, Herr Jesus, wie in eine warme Schutzdecke. Ich vertraue deiner Stärke! Ich schließe meine Augen, denn du wachest über deinem schwachen Kind. Wie wohl ist mir im Glauben an deine starke Nähe. Lob und Preis sei dir. Amen.

Kapitel 2

„es wurde ruchbar, daß er im Hause war.“
Mk. 2, 1

Dazu brauchte es keiner polizeilichen Anmeldung, keines Plakats am Fenster, keiner Anpreisung auf der Gasse. Ist Jesus wirklich in einem Hause, einem Verein, einer Unternehmung, einem Menschen, dann schlägt die Lohe aus dem Fenster! Dann gibt es Jesus-Wirkungen, die keine geistreiche Rede und keine goldstrotzende Tasche erzwingen können. Seine stille Hilfe, sein Seelentakt, seine Friedensworte, seine Liebestaten sind so besonders, daß das niemand nachmachen kann. Jesus ist originell und wirksam wie kein anderer. - War er heute in meinem Hause? Wenn keine fremde Seele etwas davon gemerkt hat - steht's gefährlich damit. Wenn wir Hausgenossen auch nichts davon wissen, braucht es erst recht kein Fremder zu glauben. Warum war er nicht da? Weiß ich keinen Grund für sein Fernbleiben? Was schuld daran ist, muß fortgeschafft werden. - War Jesus in meiner Arbeit? In meinen Reden vor anderen oder mit anderen, in meinem Briefeschreiben, in meinem Grübeln und Sinnen, in meiner Unterhaltung und Erholung? Darüber sich abends klar werden, das kann's schaffen, daß man Buße tue über einen versäumten, leeren, nutzlos gelebten Tag.

O, Herr Jesu, vergib, daß wir heute nicht besser auf deinen Besuch geachtet. Wir beteten dreimal: Komm, Herr Jesu, sei unser Gast - aber keiner kümmerte sich darum, ob du auch kamst. Und wenn du kamst, ob du bliebst. Erbarme dich meines Hauses, Herr Jesu, und wirke darin zum Segen. Amen.

„Da aber Jesus ihren Glauben sah“
Mk. 2, 5

Kann man denn Glauben sehen? Jesus sah ihn schon, ehe sie eine Tat des Glaubens ausführten, weil er in Menschenherzen lesen kann. Aber in dem Augenblick, als die Träger die platten Fliesen des Daches wegrissen, konnte jedermann ihren Glauben sehen. Da war eine Anstrengung, eine Tätigkeit, die nur vom Glauben bewirkt sein konnte. Schau in dein Leben: wo ist da solch ein Schritt offenbar geworden, der ohne Glauben ganz unerklärlich und auch nie geschehen wäre. Gibt es keine Entscheidung, keine Wahl, keine Selbstverleugnung, die sich im letzten Grunde nur durch das heimliche drängende Glaubensleben erklären läßt? Dann dürfte dein Einfluß auf andere Menschen in religiöser Hinsicht recht ärmlich und schwächlich bleiben; denn das Beispiel zieht stärker als alle Reden. Etwas anderes ist, ob Jesus deinen Glauben sieht. Ist das in deinem Innenleben die eine heimliche gesunde Seite, daß er deinen Glauben anerkennt, dann sei stille! Dann wird schon die Überfülle und der Überschwang des heimlichen Erlebens sich Bahn brechen, und dein Leben wird Zeugnis ablegen davon, daß Jesus deinen Glauben sah!

Lieber Herr, ich bitte dich, stärke meinen Glauben, daß er eine wirkliche Kraft und einen starken Trieb bekomme. Du bist mein Zeuge! Der du ins Verborgene siehst - hilf mir zum Leben aus Glauben öffentlich! Amen.

Kapitel 3

„Und er sprach zu seinen Jüngern, daß sie ihm ein Schifflein bereithielten um des Volkes willen, daß sie ihn nicht drängten.“
Mk. 3, 9

Der Herr war kein Freund vom Gedränge. Darum schaffte er sich hier eine kleine denkwürdige Sakristei. Die Jünger verstanden ja mit Booten umzugehen; jetzt mußten sie am Ufer stehen und die Stricke festhalten, an denen ein Nachen angebunden war. Von sanften Wellen geschaukelt, wiegte sich diese Kanzel leise hin und her, während Jesus zu der Menge am Ufer sprach. Wollte jemand mit Jesu allein reden, wurde das Boot herangezogen, der Mensch stieg zu Jesus, und damit niemand hörte, was die zwei sprachen, schwebte diese Sakristei wieder draußen auf dem Meer, von den Stricken gehalten. Welch ein Bild! Am Ufer die Menge - bis an die Knie stehen die sonnenverbrannten Söhne Zebedäi im Wasser und halten die Stricke. Darüber der goldene Sonnenschein. Und im Boot vor aller Augen, und doch mit Jesus allein, war der Mensch in der Sprechstunde, wo er Beichte ablegen konnte, und wo ihm Jesus zur Heilung die Hand auflegen konnte. Vor allen und doch mit Jesus allein! So denke ich heute Abend an dies Bild und was ich ihm sagen würde.

Herr Jesus, nimm mich so besonders vor dem Volk! Wenn ich auf der Kanzel stehe, sei du so bei mir und lege mir unsichtbar deine Hand auf und lege mir deine Worte in den Mund! Segne mir jedes Stündchen, wo ich mit deinem Wort allein sein kann, an meiner Seele! Amen.

„Und er ging auf einen Berg und rief zu sich, welche er wollte, und die gingen hin zu ihm.“
Mk. 3, 13

Sprechstunden Jesu auf dem Berge! Unter der Predigt hat der Herzenskündiger es manchem seiner Hörer angesehen, daß da eine Last auf der Seele lag, die jetzt gehoben werden könnte, oder daß dort einer reif geworden ist für einen Schritt vorwärts in der Nachfolge Jesu, oder daß jemand um Trost und Rat bange war. Ich müßte eigentlich alle Tage so am Fuße des Berges sitzen und hinaufschauen: „Jesus, rufst du mich noch nicht zur Aussprache?“ Ach, wenn er doch wollte über mein kleinmütiges Herz und meinen schwachen Glauben sich erbarmen und mir einen Wink geben, daß ich zu ihm kommen solle! Aber, er ist ja jetzt in der Erhöhung beim Vater allen gegenwärtig und für jedermann und allezeit zu sprechen. Da will ich auf kein Zeichen vom Himmel und keine besondere Gefühlserregung warten, sondern mich wie ich bin, ihm zu Füßen werfen und ihm mein Herz ausschütten. Was gilt's, er weiß mir einen Rat, eine Hilfe, einen Trost und wendet wieder aufs neue etwas an mich, um mich nicht in meinem Verzagen allein zu lassen. Zehn Minuten mit Jesus allein genügen, um mir Kraft und Stille zu verschaffen, nach denen sich meine ganze Seele sehnt!

Da bin ich, Herr Jesu! Ich beuge meine Knie zum Zeichen, daß ich nicht fortlaufe, bis du mir geholfen. Ich schließe meine Augen, daß mich nichts störe, mit der Seele dich zu sehen. Segne mich durch dein Nahesein! Amen.

Kapitel 5

„Ich beschwöre dich bei Gott, daß du mich nicht quälest.“
Mk. 5, 7

Wenn man den Zusammenhang nachlesen wollte, würde man doch betroffen fragen: Was für ein Recht hat der unreine Geist, sich auf Gott zu berufen und seinen Wunsch, in Ruhe gelassen zu werden, in diese Form zu kleiden? Offenbar lag eine sittliche Verfehlung des Menschen zugrunde, die ihn rechtmäßig in die Hände dieses Geistes gegeben hat, und darauf beruft er sich. Er sei nicht von ungefähr hier, sondern habe einen rechtsgültigen Anspruch! Aber Jesus vergibt die Sünden des Besessenen, und damit fällt dieser Rechtstitel in sich zusammen. Die Folge ist, daß der unreine Geist nun das Feld räumen muß. So hat der böse Geist keinen Anspruch oder Schein des Rechts mehr auf uns, die wir doch durch den Glauben in Christo Jesu sind. Wir hören und sehen selten Beispiele von wirklicher Besessenheit, während in heidnischen Landen die Missionare ganz andere Erfahrungen dieser unheimlichen Mächte erleben. Das ist etwas zum Danken: wir sind aus der Obrigkeit der Finsternis erlöst und in das Reich seines lieben Sohnes versetzt. Ein neues Recht, das der Sündenvergebung, bricht das alte Recht der Schuldverhaftung entzwei und macht uns zu Gottes Kindern.

Wir danken dir, du Vater Jesu Christi, daß wir durch deinen Sohn erlöst sind zur Freiheit der Kinder Gottes. Jetzt zeige uns die Stufen der Wirklichkeit, da wir hinankommen zum Leben im Licht und zu der Gemeinde der Gerechten. Wir möchten bleiben im Zusammenhang mit dir. Amen.

„Wenn ich nur sein Kleid möchte anrühren, so würde ich gesund.“
Mk. 5, 28

Das ist ein ungeheures Wort, nachdem jemand viel erlitten von anderen Ärzten und dafür all sein Vermögen zugesetzt hat! Das war ein wunderbarer Glaube an Jesus, und da kann es nicht wundernehmen, daß er mit einem Wunder antwortet, ja, daß er nachher sagt: „Dein Glaube hat dir geholfen!“ Seine Wunderkraft hätte Tausenden ähnlich helfen können, wenn in ihren Herzen die Aufnahmefähigkeit vorhanden gewesen wäre. Die göttliche Seite für solches Erleben ist jahraus, jahrein vorhanden; nur die menschliche Bedingung fehlt gänzlich oder zur Hälfte. Die Sonne scheint über die ganze Sahara, aber nur, wo Wasser vorhanden ist, schafft sie Oasen; sonst wirkt sie Tod statt Leben. - Was müssen wir uns schämen! Jenes Weib weiß nichts von Golgatha und Ostern; wir wissen schrecklich viel von Jesus und erleben so selten und so spärlich Kraftwirkungen des Erhöhten. Wie viel Hemmungen und Hindernisse für sein unmittelbares Eingreifen stellt unsere laue, selbstzufriedene Art in den Weg. Ach, wenn wir doch unser „Vermögen“ schon völlig aufgebraucht hätten, um reine Bahn für sein Vermögen zu machen!

Herr Jesus, dein Kleid streift in dieser Stunde auch mich. Laß mich im Glauben dich anrühren, daß im Gedränge deiner vielen Nachfolger ich einen Augenblick deine Kraft erlebe. Heile meine Schwachheit. Scheuche mein Eigenes hinweg, damit Raum sei für dein Eigenes. Herr Jesu, erbarme dich meiner und hilf mir! Amen.

Kapitel 9

„So dich aber deine Hand ärgert, so haue sie ab.“
Mk. 9, 43

Das ist der Fehler, daß man seine zarte und empfindliche Seele jeden Tag mehrmals zwischen die Händel dieser Welt steckt. Wie muß ein feines, zartes Kind leiden, wenn es in das Handgemenge roher, streitender Knechte gerät? Habe ich's nicht in der Hand, acht zu geben auf meine Seele? Schlägt man mit teurem Meißener Porzellan Nägel in die Wand und braucht man die kostbare Degenklinge zum Kistenöffnen? Kann ich nicht mein Seeleninteresse aus diesem Getriebe herauslassen? Was kümmert's meine Seele, ob Geld gewonnen oder verloren wird, ob böse Rotten ehren oder schmähen? Einen Schritt zurück in die Stille, ehe der Strom der Menge dich unfrei macht und mitreißt in ihr flutendes Gedränge, und damit hin zu deinem Gott! Was er dir sagt und gibt und bietet, ersetzt dir tausendmal, was dir dadurch entging, daß du jenes Wettrennen nach Erdenlust aufgabst. Das ganze Seeleninteresse gehört nur deinem Gott. Mache Ernst mit der Hingabe an ihn, damit er Ernst machen kann mit der Offenbarung seiner Nähe und Liebe. Er will dein Trost und dein Licht, dein Leben und dein Segen sein.

Herr Jesu, hilf mir abhauen, was meine Seele ärgert, stört, schädigt oder bedroht. Ich möchte sie gern für dich frei haben - du willst das auch -, dann komm' und stärke meinen schwachen Willen. Ich strecke mich aus nach dir und deinem seligen innewohnen. Was dem im Wege steht, hilf mir fortschaffen! Amen.

Kapitel 10

„Ihr wisset nicht, was ihr bittet.“
Mk. 10, 38

Wie oft mag das im Himmel so über unser Gebet gelautet haben! Uns schien es wichtig für uns oder andere zu sein, ja das einzig Richtige, und darum legten wir unser ganzes Herz in solch ein Gebet hinein. Es kam uns vor, als hätten wir jetzt des Herrn Willen erkannt in diesem Punkt, und wir teilten mit vielen Brüdern die Bitte um solche Erhörung. Merkwürdig war es und für manche schier unerträglich, wenn man an solcher Stelle vielleicht ganz klar das Gegenteil erlebte, als wollte der Herr uns allen die Lehre geben: Ihr wisset nicht, was ihr bittet. Soll uns eine solche Erfahrung zur Unlust am Gebet verleiten? Nein, sie demütigt uns an einer ganz anderen Stelle: also so blind warst du über Gottes Willen! Weißt du noch immer nicht, wohin die Reise geht? Jener erbetene Sieg wäre eine Stärkung des alten Menschen gewesen; ein Überwuchern des frommen Fleisches wäre die nächste Folge davon geworden. Und so erfahren wir durch Gebetserhörungen und Gebetsversagungen, durch Schlagen oder Segnen, immer mehr von Gottes Absicht. Innerhalb der Schranken eines Willens ist Raum genug zum Beten; wozu die Schranken überklettern und niederbeten wollen!

Du weißt, Herr Jesu, was wir beten sollen. Nun bitten wir dich, laß uns dir nah kommen, daß wir die gleiche Richtung bekommen wie du! Was dir wichtig ist, soll es uns auch werden. Gib uns den Geist, der uns leitet und lehrt, wie wir beten sollen! Amen.

Kapitel 16

„Gehet hin in alle Welt und prediget das Evangelium aller Kreatur.“
Mk. 16, 15

Der Missionscharakter unserer Zeit wird immer deutlicher. Allerlei andere Rettungsarbeit und Wohlfahrtspflege muß der von christlichen Gedanken beeinflußte Staat den Gläubigen abnehmen, damit dieselben entlastet werden und ihre ganze Kraft und ihr gesteigertes Interesse in diesen letzten Zeiten auf die Mission verwenden können. Ist das Jesu Wille, dann werden Segnungen offenbar, sobald man ihn anhebt zu erfüllen. Eins der wirksamsten Mittel, um eine tote Gemeinde, aber auch um eine tote Familie lebendig zu machen, ist die fleißige Beschäftigung mit der Mission. Da merkt man den Unterschied zwischen Manöver oder Krieg, zwischen Gewohnheitschristentum oder Glaubensleben, und die Liebe Christi fängt an zu drängen. Messe ein jeder sein Alltagsleben, seine Erholungen und Ferienausgaben, sein Benehmen gegen seine Nächsten an der Missionsaufgabe. Das gibt Bußestunden und Antriebe zur Selbstverleugnung. Dann, wenn so unser Alltagsleben in Missionsbeleuchtung steht, braucht man uns am Missionsfest nicht extra anzufeuern - dann ist es ein Fest dankbarer Freude für das, was die Mission uns getan.

Herr Jesus, vergib uns unsere alten Missionsschulden, und lehre uns, das Interesse deines Reiches als die wichtigste Frage unseres neuen Strebens und Wirkens betreiben. Gib uns mehr Liebe, damit wir uns mehr in dein Werk hineinstellen können. Amen.

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