Gossner, Johannes Evangelista - Briefe an eine leidende Freundin - Berlin, 17. Dez. 27.

Gossner, Johannes Evangelista - Briefe an eine leidende Freundin - Berlin, 17. Dez. 27.

Seit dem 27. Okt. und 1. Nov., da Ihr letzter Brief datiert ist, ließ ich Sie warten; vergeben Sie. Aber ich habe auch gar zu viele Briefe zu schreiben, noch liegen so viele unbeantwortet vor mir, dass ich sie gar nicht zählen mag, bis sie gefertigt sind.

Nun es kommt die schöne erfreuliche Zeit, die uns mehr als Briefe sagt, es kommt die Zeit, die uns an die mächtig frohe Botschaft vom Himmel erinnert, durch die alle Welt selig werden kann, wenn sie nur wollte.

Möge der HErr auch Ihnen am h. Christtag einen Engel in was immer für einer Gestalt senden, der Ihnen, wie jener in der ersten Christnacht den frommen Hirten in die Seele ruft: Auch Dir, auch Dir ist der Heiland geboren! Auch Dir ist Freude wiederfahren. Das Kind, der Ewigvater, Friedefürst und Alles heißt, was tröstet und erfreut, ist auch Dir geboren, ist Dein – nimm's, halt's fest und lass es keine Minute mehr aus Hand und Herz.

Ich freue mich recht, dass Sie im Oktober selige Tage der Nähe des HErrn hatten. Ach freilich, hier unter dem wechselndem Monde bleiben sich die Tage nicht gleich ist nicht immer schön Wetter. Die Pflanzen der Erde könnten's auch nicht vertragen, bis sie versetzt werden über Sonne, Mond und Sterne.

Ich musste lachen über Ihr: „Das muss ich widersprechen, dass Zahn nicht in Dresden sein soll, es müssten denn zwei Zahn sein, die zwei Schlatter haben.“ Das ist's eben, in Dresden ist Franz Zahn mit Anna Schlatter, erst vorigen Sommer verehelicht, in Pommern ist Adolph Zahn mit Cleophea Schlatter schon zwei bis drei Jahre verbunden, der in Peterswaldau bei Graf Anton Lehrer war, mit Cleophea zu gleicher Zeit. Zur Entbindung Ihrer lieben Tochter gebe der HErr Segen und Gnade. Er ist ja der treue Helfer, wer ihm vertraut, den kann Er nicht lassen. Er hat ja die Kinder so lieb, wie keine Mutter und Großmutter sie haben kann. Wer sollte ihm daher bei solchen Kinder-Angelegenheiten nicht zuversichtlich vertrauen! Lasset Ihn nur dabei sein, was gelten, Er steht gewiss nicht hinterm Vorhang, sondern wenn die Gefahr am größten sein wird, wird Er am nächsten dabei sein. Grüßen Sie, ich bitte, Ihre lieben Kinder herzlich, ich freue mich, wenn es ihnen wohl geht. Sie sind also mit Frau Dr. V. und diese mit Fr. S. bekannt geworden, das freut mich, wenn sich so was zusammenknüpft. Der HErr wolle es nur recht innig und fest machen mit Seiner lieben Hand. Er hat's so gern, wenn Seine Erlösten einander lieb. haben. Er ist ja deswegen auch gestorben, dass Er die zerstreuten, getrennten Kinder zusammenbrächte. Dass die V. zur H. und die S. zu dieser und jener kommen und Alle einander lieben und tragen möchten, denkt einmal dafür starb Er!! Ja, ja, es war Ihm nicht zu viel, wenn wir uns nur einander lieb haben, so hat Er seinen Zweck erreicht und freut sich wie's Weib, das ihren einzigen Groschen gefunden hat, womit sie für sich und ihre Kinder eine Mittagssuppe kochen und den Hunger stillen kann.

Eure Königliche Festfreude hat sich in ein Trauern verwandelt. Der Herr Tod mochte nicht huldigen, er nahm lieber seine Beute wo und wie er sie fand - er fürchtet weder Fürst noch König es kann ihm Niemand widerstehen. Doch wer den Heiland hat, der fürchtet ihn - den Tod nicht.

Ihr Gossner.

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