Krummacher, Gottfried Daniel - Die Wanderungen Israels durch die Wüste nach Kanaan (Rotes Meer).

Krummacher, Gottfried Daniel - Die Wanderungen Israels durch die Wüste nach Kanaan (Rotes Meer).

Sechste Predigt.

Text: 4. Buch Mose 33,8.

Neulich haben wir das Geschichtliche des Durchgangs der Kinder Israel durchs rote Meer betrachtet. Lasst uns jetzt noch die Bedeutung desselben erwägen.

Dass es aber eine geistliche und höhere Bedeutung habe, erhellet sich aus 1. Kor. 10,1., wo der Apostel sagt: Ich will euch nicht verhalten, lieben Brüder! dass unsere Väter sind alle unter der Wolke gewesen und sind alle durchs rote Meer gegangen, und sind alle auf Mose getauft mit der Wolke und mit dem Meer. Jener Durchgang war also gleichsam eine Taufe und bildete die Taufe des neuen Testaments ab, so wie beide alles dasjenige teils bezeichnen, teils versiegeln, was zur Abwaschung der Sünde gehört, sie bewirkt und befördert.

Zuvörderst lasst uns noch einen Blick auf das durchziehende Israel werfen. Es wandelt da wie in einem schauerlichen Grabe. Man denke an die gräuliche Tiefe des Meeres und stelle sich demnach die ungeheure Höhe der Wassermauern an beiden Seiten vor, die sturzdrohend und dennoch fest da standen. Ich stelle mir auch nicht vor, dass das Meer sich gleich von einem Ende bis ans andere gespalten habe. Sondern weil es heißt, das Wasser habe sich verlaufen die ganze Nacht hindurch, so schließe ich daraus, dass es auch noch vor ihnen wie Mauern oder Wälle gestanden, welche sie stets im Glauben teilten, so dass sie an beiden Seiten wichen, so wie sie denselben näher rückten. Oben über ihnen war eine weit ausgebreitete Wolke. Und so waren sie von allen Seiten wie von Wasser eingeschlossen. Dies konnte mit Recht eine Taufe genannt werden, welche auch ehemals durch eine gänzliche Eintauchung ins Wasser geschah. Die Juden waren also alle schon in ihren Vätern getauft, und wenn Jesus befahl, sie sowohl wie die Heiden zu taufen, so bewies das die Unzulänglichkeit der ersten Taufe wie der ersten Geburt, so wie auch Johannes seine Taufe für unzulänglich und es für notwendig erklärte, von demjenigen, der nach ihm komme, obschon er vor ihm gewesen, mit Feuer und mit dem heiligen Geist getauft zu werden.

Es wird vom Taufen gesagt, man werde in Christum und besonders in seinen Tod hineingetaucht und wir mit ihm begraben durch die Taufe in den Tod, so wie gewaschen mit seinem Blut und Geist von unseren Sünden. Ist’s denn nicht schon merkwürdig, dass das Meer rot heißt von seiner roten Farbe am Ufer, und sing das 85. Lied nicht mit Recht:

Durch dein unschuldig Blut,
die schöne rote Flut,
wasch ab all’ meine Sünde,
mit Trost mein Herz verbinde,
und ihr nicht mehr gedenke,
ins Meer sie tief versenke.

Ist’s nicht bemerkenswert, dass das Meer wie der Vorhang im Tempel, in zwei Teile gerissen und dadurch ein Weg gebahnt wurde, wo früher keiner gewesen: denn ist nicht die Menschheit Christi durch den Tod auch in zwei Teile gerissen, da Leib und Seele voneinander getrennt wurden, wodurch uns der, sonst für uns verschlossene Weg zum Gnadenthron zu einem neuen und lebendigen Weg ist geöffnet worden? Alle Ägypter wurden in dem nämlichen Meer ersäuft, durch welches Israel gerettet wurde. So wie durch Christi Leiden und Sterben allen Gläubigen das Leben, so ist allen ihren Feinden der Untergang bereitet.

Der Durchgang Israels durchs rote Meer ist demnach eine Abbildung desjenigen, was zur Reinigung von Sünden gehört. Hier finden wir nun allerlei zu bemerken.

Als 1) Israel das Ägyptenland verlässt und nach Kanaan dem verheißenen Lande will. – Ein Bild erweckter und zu Gott gezogener Seelen, welche den edelmütigen und festen Vorsatz gefasst haben, aller Sünde zu entsagen und Gott zu dienen, die da am ersten trachten nach dem Reiche Gottes und nach dessen Gerechtigkeit.

2) Die Wolken- und Feuersäule ist der geheime aber kräftige Zug des Vaters zum Sohne, welchem die Seele folgt und wovon sie treulich und genau geleitet wird. Denn du führest mich nach deinem Rat und leitest mich bei meiner rechten Hand. Es werden ihr die ihr heilsamen Gnadenmittel oder sie denselben zugeführt, so dass sie wohl hernach bekennen muss, dass wenn ein einziger, oft wenig bedeutender Umstand in ihrem Leben anders gewesen, so würde sich auch ihr ganzer Gang anders gestaltet haben.

3) Der nachsetzende Pharao ist teils Bild des Gesetzes, das der Seele mit seinen, ins Weite gehenden, strengen, mit Fluch und Verdammnis verpönten Forderungen, die das Todesurteil schon über den aussprechen, der nur an Einem fehlt, wenn er auch sonst alles hielte, dermaßen zusetzt und in die Enge treibt, dass sie keinen Rat mehr weiß, dass sie sich nach einem anderen Heilswege umsehen, dass sie fragen muss: wer wird mich erlösen? Die bestimmte Zahl Ziegelsteine wird ohne Nachsicht mit Strenge beigetrieben, ohne nur einiges Stroh dazu zu verleihen, ohne einige Ruhe zu lassen, noch mit dem Vorwurf: ihr seid müßig, müßig seid ihr, fort an eure Arbeit. Dann kommt die Seele in Jammer und Not, und sie sehnt sich unbeschreiblich nach Erlösung und Freiheit. Teils ist Pharao ein Bild des, die erweckte, nun dem Bessern nacheilende Seele, verfolgenden und heftiglich zusetzenden Satans und der Macht der Sünde und Finsternis. Der Satan muss es bald merken, wenn ihm eine Seele entrinnen will, weil er sich ihr bald aufs heftigste widersetzt. Den Einen quält er mit lästerlichen, den Andern mit zweifelmütigen Gedanken, als wolle er etwas beginnen, das er nie zu Stande bringen werde, weil es entweder schon zu spät oder er ein gar zu großer Sünder sei, wo er ihm denn besonders diese oder jene Sünde vorrückt oder gar bereden will, er habe die unvergebliche Sünde begangen. Andere quält er mit Zweifeln an der Wahrheit des göttlichen Worts, ja sogar ob wohl ein Gott, ein Christus, ein Teufel und ein ewiges Leben sei, so dass sich der Mensch als unbeschreiblich verwerflich, ja als rettungslos vorkommt. Andere plagt er mit allerlei unnützen Grübeleien und schwierigen Spekulationen und Fragen, warum dies, wozu das, wie ist dies zu verstehen, wie jenes zu reimen, welches die Seele durchaus ergrübeln soll und nicht kann. Er gibt auch wohl einen Prediger des Gesetzes ab und tut ungeheure Forderungen. Man soll seine Gebete bis zu einer entsetzlichen Länge ausdehnen, da man doch sich außer Stande sieht, nur fünf Minuten zu beten. Das kleinste Versehen ist gleich ein Verbrechen. Oder er treibt die Kennzeichen, wonach man seinen Gnadenstand beurteilen soll, ins Unermessliche. Wollte man sich des Gnadenstandes getrösten, so müsste auch nicht die geringste sündliche Regung mehr vorhanden sein, denn wer im Geiste lebt, der soll durch den Geist des Fleisches Geschäfte töten. Wären die genossenen Tröstungen rechter Art gewesen, so würden sie nicht so bald verschwunden sein. Wäre man wirklich ein Kind Gottes, so würde man nicht so dürr sein, sich das nicht ereignen, sich jenes nicht zeigen. Da kann sich der erweckte Mensch in einem ähnlichen Gedränge befinden, wie Israel zu Pihahirot, oder wie Jeremias sagt: als zwischen zwei Reihen Steinen liegen und weiß nicht herauszukommen, dass er wohl mit dem 143. Psalm klagt: Der Feind verfolgt meine Seele und schlägt mein Leben zu Boden. Er hat auch andere Künste und kann dem Menschen lähmende Vorstellungen tun, als: ob er sich denn so frühzeitig ein so elendes Leben antun und auf alle Freuden Verzicht tun wolle? Er sollte doch noch damit warten; es werde ja auch künftig noch früh genug sein. Er solle einmal bedenken, ob er’s wohl ausführen könne, bedenken, was für Schwierigkeiten ihm im Wege stehen und ob’s nicht besser sei, es gar nicht anzufangen, als es nicht zu Stande zu bringen. Und diese Einblasungen geschehen mit einer Kraft, die der sengenden Sonnenhitze gleicht, die da macht, dass alle Pflanzen welk werden, dass die Seele glaubt, sie werde unterliegen. Dazu gesellt sich die Macht des sündlichen Verderbens, das die Seele nie in dem Maße empfunden hat, wie eben jetzt, da sie eine gänzliche Befreiung davon sucht. Herzens-Jesu, sagt sie wohl,

mein Verderben
ist ganz unergründlich tief,
lange war ich nicht so böse,
ehe mich die Gnade rief,
als ich mich jetzund erkenne,
da ich nach dem Kleinod renne.
ach! wer bin ich, mein Erlöser,
täglich böser,
find’ ich meiner Seele Stand.

Oder starrer Unglaube, eine unbiegsame Herzenshärtigkeit machen das Herz hart wie ein gefrornes Land. Allerhand Käfer, Geschmeiß und Raupen lagern im Herzen, das Kot und Unflat ausschäumet. O welch ein Jammer! wie Hiskia schreit: Ich werde unterdrückt! Herr, sie mein Bürge! und David Psalm 65,4.: Unsere Missetat drückt uns hart; du wollest unsere Sünde vergeben.

4) Die Rat- und Hilflosigkeit Israels bildet ab die drückende Ohnmacht, worin sich der Erweckte erblickt. Zurück nach Ägypten, in den Sündendienst, will er nicht, vorwärts kann er nicht. Es geht ihm, wie Hiskia sagt: Die Kinder sind bis zur Geburt gekommen, und ist keine Kraft da zu gebären. Wollen – ja, das hat er, aber Vollbringen findet er nicht. O! er entschuldigt sich nicht mehr mit seiner Ohnmacht, sondern betrachtet sie als ein großes Elend, wie sie’s auch ist.

Glauben sollen und dadurch gerecht und ein Erbe des ewigen Lebens werden; sich nicht fürchten, sondern mit Freunde hinzutreten sollen und nicht können, ist das nicht ein großer Jammer! Speise und Trank der herrlichsten Art in Menge vor sich sehen, Schüsseln voll Vergebung der Sünden, zwölf Körbe voll Kraft, Friede und Freude und nicht zugreifen, nicht essen können, obschon man soll und darf; trinken dürfen von dem herrlichen Wein aus Eskol, dass man ganz erquickt würde, - und dies alles nicht können: sollte das nicht Jammer und Elend sein, sollte das nicht ein zerschlagenes Gemüt machen? Diese Elenden suchen Wasser und ist keins; ihre Seele verschmachtet vor Durst. Dann möchte die Seele wohl aus Jes. 64. beten: Wo ist denn nun, der sie aus dem Meer führte? Warum lässt du uns, Herr! irren von dem Weg und unser Herz verstocken, dass wir dich nicht fürchten. Herr! wir sind Ton, du bist unser Töpfer. Ach Herr! zürne nicht zu sehr und denke nicht ewig der Sünde. Gebt diesem Geplagten keine Erwähnung, wie der stolze Bildad dem gedemütigten Hiob gab, als er Kap. 8,5.6. zu ihm sagte: So du dich bei Zeiten zu Gott tust und dem Allmächtigen flehest, so du rein und fromm wirst, so wird er aufwachen zu dir und dich aufrichten um deiner Gerechtigkeit willen, - sondern gebt ihm lieber, wenn ihr könnt, Anweisung, wie er sie ausführen möge, denn darum geht’s ihm eben.

5) Aber gerade das rote Meer, was Israel so verderblich schien, brachte ihm den größten Vorteil. Und gerade dies schmerzhafte Gefühl der Sünde, des Elends und Unvermögens, welches den Erweckten in eine so große Verlegenheit setzt, wendet sich zu seinem größten Vorteil. Denn es dient dazu, wozu einst die Blindheit jenes Blindgebornen, wozu der Tod Lazari diente, nämlich zur Ehre Gottes, dass der Sohn Gottes dadurch geehrt werde. Jenes Elendsgefühl schlägt die Hoffnung nieder, ist aber gerade das, was dazu berechtigt, dass man solchem „du Sohn Davids, erbarme dich mein!“ schreienden Bartimäus mit Recht sagen kann: Sei getrost, er ruft dich.

6) Der Weg, wodurch Israel gerettet wurde, war ein durch ein großes Wunder gebahnter, der Natur gefährlich scheinender, fürchterlicher Weg, der den Ägyptern verborgen war. Das gilt auch von dem Wege, auf welchem der Herr die Seinigen zum Leben führt. Durch ein sehr großes Wunder, ja durch eine Reihe von Wundern ist er bereitet; denn was ist die Geburt, das Leiden, der Tod und die Auferstehung Christi anders als ein großes Wunder? Sind nicht des Herrn Führungen von der Art, dass sie der Vernunft nicht selten als sehr gefährlich vorkommen, wie dann auch wirklich die eigene Weisheit, Kraft und Schönheit immer völliger zu Grunde und es nach der Regel geht: er muss wachsen, ich aber muss abnehmen. Was weiß und begreift aber der natürliche Mensch davon? Nichts! es ist ihm eine Torheit und kann es nicht erkennen. Was dünkt ihm zu der Trauer der Buße und der Freude wegen der erlangten Kindschaft? Er achtet’s für Schwärmerei, Einbildung und Torheit. Ja ist nicht das Leben der Gläubigen verborgen mit Christo in Gott? und sind sie nicht sich selbst ein Wunder? Begreifen sie selbst den Weg des Seligwerdens aus Gnaden und können sie das Licht anders sehen als in seinem Licht? Wir haben den Geist aus Gott empfangen, sagt Paulus 1. Kor. 2., dass wir wissen können, was uns von Gott gegeben ist. Mochte der Weg Israels auch fürchterlich scheinen, so war es ihnen doch eine besondere Ermunterung, von den Lebenden, Mose und Aaron, und von den Verstorbenen die Gebeine Josephs bei sich zu haben, welcher ausdrücklich befohlen hatte, man sollte dieselben mitnehmen, um sie in Kanaan zu begraben. So kann es auch den Christen in ihren Trübsalen sehr erwecklich sein, aus den Psalmen zu sehen, wie die Heiligen ehemals eben so geübt worden sind, vorzüglich aber, dass Jesus Christus selbst gelitten und uns darin ein Exempel gegeben hat, dass wir nachfolgen seinen Fußstapfen. Und das nicht nur, sondern dass er alle Tage bei den Seinigen ist, sonderlich in der Not, um sie herauszureißen und zu Ehren zu machen; zwar als ein solcher Herr, der tot war, aber auch als ein solcher, der nun lebt von Ewigkeit zu Ewigkeit.

Sollten wir nicht auch ferner 7) den ausgestreckten Arm Mosis und den starken Ostwind bemerken, den Gott wehen ließ. Was war’s, das einst eine Menge von Tausenden zu Jerusalem umwandelte und aus bitteren Feinden Christi zu seinen innigsten Verehrern machte, die bereit waren, jegliche Todesart um seinetwillen zu erleiden? War es Petri Wort? Waren es Pauli Predigten, welche Scharen von bisherigen Heiden unter das Kreuz Christi sammelten? War es der Ton der geblasenen Hörner, welche Jerichos Mauern umwarf? Ach nein; der Arm des Herrn war’s. Wem aber ist derselbe offenbar? Seine lebendigmachende Kraft ist es, welche sich in der Bekehrung jeglichen Sünders erweiset, die durch nichts Geringeres bewirkt werden kann, so wie die Macht Gottes es ist, aus welcher der Bekehrte bewahrt wird zur Seligkeit. Ist es nicht, nach Eph. 1., die überschwängliche Größe der Kraft, welche sich an denen erweiset, die da glauben nach der Wirkung seiner mächtigen Stärke? Ist’s nicht Gott, der kräftig in uns wirkt, beide das Wollen und Vollbringen? Diese Kraft will also mächtig sein in den Schwachen, dass sie alles vermögen durch den, der sie mächtig macht und in ihnen schafft, was vor ihm wohlgefällig ist, ohne welchen sie aber nichts können. – Ein starker Ostwind erhub sich, und trocknete das Meer aus, - und ein starkes Brausen, wie eines gewaltigen Windes, war das Zeichen des sich den heiligen Aposteln nahenden Heiligen Geistes. Wenn der drein bläset, so wird alles Fleisch wie Heu und alle seine Herrlichkeit wie des Grases Blume. Er ist es, der lebendig macht. Er ist die hell leuchtende Wolke, welche Israel den rechten Weg zeiget, der sie mit Mut und Freudigkeit erfüllt, ob sie schon wandern in einem dunklen Tal. Er ist es, der Jesum Christum verkläret, dass wir an ihn glauben, wie er uns von Gott gemacht ist zur Weisheit, Gerechtigkeit, Heiligung und Erlösung, und welche dieser Geist treibt, die sind Gottes Kinder. Wer aber Christi Geist nicht hat, der ist nicht sein. Dieser Wind wehte von Osten, und Jesajas redet auch von einem scharfen Ostwinde, womit Gott sein Volk betrübe, woraus aber der Nutzen erwächst, dass ihre Sünden aufhören. Und kommt nicht unser Elend wie unser Heil von Osten? Da war das Paradies und die Schlange, und der Eine Ungehorsame, durch welchen die Sünde und mit derselben der Tod ist in die Welt gekommen und zu allen Menschen durchgedrungen; da war aber auch das Bethlehem und Golgatha und der Eine Gehorsame, durch welchen viele gerecht werden. Da ist die Sonne der Gerechtigkeit aufgegangen, die ihre belebenden Strahlen bis zu uns und herüber sendet und von wo uns ein ewiger Morgen ohne Wolken entgegen winkt, so wir anders Kinder des Lichts und des Tages sind und im Licht wandeln, wie ER im Licht ist.

8) Die Wolke, welche von oben das Volk Israel überschattete, sie vor den sie verfolgenden Ägyptern schützte, sich als ein kühlender Tau auf sie herabsenkte und mit dem von ihr ausstrahlenden milden Schimmer ihnen statt einer Leuchte diente, ist als ein Bild anzusehen des blutigen Gehorsams des heiligen Lammes Gottes und seiner vollgültigen Gerechtigkeit, mit Einem Wort: seiner gesegneten Vermittlung zwischen Gott und uns. Aus derselben trieft ein erquickender Friedenstau in das bekümmerte Herz und ein heilender Balsam für ein verwundetes Gewissen, ja ein Gottesfriede, welcher höher ist als alle Vernunft. Hier findet die gejagte Seele eine Zuflucht gegen die Hitze und alles was ihr Gefahr droht, weil der Name des Herrn ein festes Schloss ist, wohin der Gerechte läuft und beschirmet wird. Hier zeigen sich alle göttliche Eigenschaften in dem mildesten Lichte, und selbst die, außer dem Mittler, dem sündigen und seine Sündigkeit erkennenden Menschen so erschreckliche Gerechtigkeit der göttlichen Majestät, als eine solche, welche uns, die wir unsere Sünden bekennen, dieselbe vergibt und reinigt uns von aller Untugend. Hier öffnet sich der unversiegbare Born der Freuden des Christentums, woran dasselbe einen so herrlichen Überfluss hat, während die ganze Welt mit aller ihrer Herrlichkeit nicht vermögend ist, wahre Befriedigung zu geben. Der Herr wird schaffen über alle Wohnung Zions, und wo sie versammelt ist, Wolken und Rauch des Tages, und Feuerglanz, der da leuchtet des Nachts. Denn es wird ein Schirm sein über alles, was herrlich ist, und wird eine Hütte sein zum Schatten des Tages vor der Hitze und eine Zuflucht und Verbergung vor dem Wetter und Regen. Jes. 4.

9) Endlich ist das geteilte rote Meer ein Bild der Taufe, und folglich alles desjenigen, was zur Reinigung der Seelen von Sünden notwendig und förderlich ist. Notwendig ist das wunderbare Mittel, wovon die Vernunft nicht weiß, nichts wissen kann, und wovon sie leider so häufig nichts wissen will, nämlich das Blut Jesu Christi des Sohnes Gottes, das uns rein macht von aller Sünde. Dies rote Meer ist die Tiefe, worin die Sünden der Gläubigen also versenkt sind, dass sie etwa gesucht aber nicht gefunden werden können. Das Meer, was den Satan zusamt seinem Heer und dem alten Menschen in uns lebendig macht, der nach Gott geschaffen ist in rechtschaffener Gerechtigkeit und Heiligkeit. Dies ist das kostbare Blut Jesu Christi, der sich selbst Gott geopfert hat durch den heiligen Geist, das unsere Gewissen durch seine Wunderkraft allein und vollkommen reinigt von den toten Werken, zu dienen dem lebendigen Gott. Dies Blut komme über uns und unsere Kinder.

Zwar nicht durchaus notwendig, wie dies Blut und der damit unzertrennbar vereinigte, lebendig machende Geist, aber doch zur Reinigung von Sünden, zur Tötung des alten Menschen förderlich, sind allerlei Leiden und Anfechtungen von außen und innen, woran es deshalb wahren Christen auch nicht zu mangeln pflegt. War nicht Moses der geplagteste Mann auf Erden, und rief nicht schon Jakob vor ihm aus: es geht Alles über mich. .David glaubte, zu Leiden gemacht zu sein, Assaphs Plage war alle Morgen da, und Paulus sagt: wir leiden allenthalben Trübsal. Aber er stellt sie auch als sehr heilsam dar, wenn er sagt: sie wirke Geduld, Bewährung und Hoffnung; der Vater der Geister züchtige einen jeglichen Sohn, den er aufnimmt, ihm selbst zu Nutz, dass er seine Heiligung erlange. Er gibt sie als ein Merkmal der Kindschaft an, so dass er lehrt, Gott erbiete sich dadurch gegen uns als Kinder. Wer derhalben ohne Züchtigung, der sei auch kein Kind. Jakobus will daher, Gläubige sollen es für lauter Freude achten, wenn sie in mancherlei Anfechtung fallen, und Petrus behauptet: obschon sie in denselben traurig seien, werde doch ihr Glaube dadurch bewährt und viel köstlicher befunden als Gold, das durch Feuer bewährt wird. Und wer wollte wohl Leiden und Züchtigen fliehen, möchten sie auch noch so empfindlich sein, wenn sie nur dazu beitragen, ihn tüchtig zu machen zu dem Erbteil der Heiligen im Lichte, so er anders jenes Erbteil einigermaßen so schätzt, wie es verdient. Wechselt doch auch die Züchtigung mit den lieblichsten Tröstungen ab, die eben das Christentum in der reinsten Beschaffenheit und oft in überschwänglichem Maße ausspendet.

Wollten wir schließlich noch die Periode bestimmen, wo sich bei dem wahren Christen etwas Ähnliches ereignet, als mit Israel, da es durchs rote Meer ging: so tritt dieselbe alsdann ein, wenn er nach langem Streit nun die dem Bußfertigen in Christo Jesu eröffnete Fülle des Heils mit gläubiger Zueignung im Licht des Heiligen Geistes erblickt. – Wir sehen die wandernden Kinder Israel auch mit einigen Pauken versehen, und sollten dies wohl für unnötiges, beschwerendes Gepäck achten, das sie lieber zurückgelassen hätten. Vielleicht wollten sie sie auch schon einige Mal wegwerfen; doch nein! Seht die Mirjam und ein Chor von Weibern am jenseitigen Ufer des Meeres, ihre musikalischen Instrumente ergreifen; hört, sie singen zum Reigen. O herrliche Musik, die Gottes Ehre verkündet! O köstlicher Reigen! Möchte sich Jeder darauf verstehen, so zu singen und so zu tanzen! Das wirkt Christi Blut, und wer desselben hier nach durchwandertem Tal der Buße teilhaftig wird, der stimmt hienieden schon Psalmen an und empfängt einst eine Harfe Gottes, (und was muss das für eine Harfe sein!) greift in ihre von des Herrn Odem bewegte Saiten und singt das Lied Mosis und des Lammes. Amen.

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autoren/k/krummacher_g.d/predigt_6.txt · Zuletzt geändert: von aj
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