Stockmayer, Otto - Die Braut des Lammes - IV. „Wahrheit die im Verborgenen liegt“
(Joh. 6 und Eph. 3, 13-21 verlesen.)
Wenden wir uns abermals zu 1. Thess. 5. Im 23. Vers lese ich: „ER Selbst, der Gott des Friedens, heilige euch durch und durch.“ Lasst mich hier einschieben, dass in dem Maß, als unsere Erwartung Christi real, göttlich, schriftgemäß wird, Alles zu Ihm selbst zurückgeht. ER Selbst ist auf dem Plan; ER ist die große Realität. Der König nähert sich; der König kommt um Seine Braut heimzuholen: da muss natürlich jeder andere Name und jedes andere Interesse Ihm Platz machen.
Der Vater, der Sohn und der Heilige Geist, „ER Selbst, der Gott des Friedens, heilige euch durch und durch, und euer Geist ganz samt der Seele und Leib müsse behalten werden unsträflich auf die Zukunft unseres HErrn Jesu Christi;“ dann folgt: „Getreu ist, der euch ruft, welcher wird es auch tun.“
Heute Morgen lasen wir einen Teil von Pauli Gebet, Eph. 3. Paulus steigt hoch mit der Bitte: „Dass Christus wohne durch den Glauben in euren Herzen. Dass ihr, gewurzelt und gegründet in der Liebe, mit allen Heiligen begreifen möget, welche da sei die Breite und Länge und Höhe und Tiefe; auch erkennen möget die Liebe Christi, die doch alle Erkenntnis übersteigt, damit ihr erfüllt werdet mit der ganzen Gottesfülle.“ Obschon er aber so hoch steigt, ist es ihm gewiss, dass Gott auch dies vermag: „Dem aber, der überschwänglich tun kann, über alles, das wir bitten oder verstehen, nach der Kraft die da in uns wirft:“ welche wundersame, unaussprechliche, unbeschränkte Macht! Beugen wir uns nieder, lassen wir alles Andere unserem Blick entschwinden, damit wir stehen mögen vor der Macht, die da in uns wirkt. Demselbigen sei Ehre, in der Gemeine, die in Christo Jesu ist, nun und zu aller Zeit, von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.
Die Braut ist keine Magd.
Der Heilige Geist wirkt in der Braut, so weit als sie bereit dazu ist, so weit sie in das Verständnis ihres Bräutigams hineingewachsen ist, mit Ihm Eins geworden, mit Seinen Interessen, mit Seinem Sinn und mit Seinem Wort. Diese Arbeit gleicht nicht derjenigen, die in den ersten Tagen der Schöpfung vor sich ging. Damals war eine gewaltige Macht wirksam, gewaltige Wundertaten zu wirken. Die Wunder, die der Heilige Geist in den Herzen der Brautglieder wirkt, sind aber unaussprechlich viel wundersamer als die Wundertaten der Schöpfung.
Er wirkt in wundersamen Tiefen des moralischen Wesens, nicht indem ER unsere moralische Freiheit zerstört, oder uns durch Despotismus unterwirft; sondern langsam, vermittelst tiefer, innerer Konflikte zwischen Seinem und unserem Geist bringt ER uns zu einer Unterwürfigkeit, welche die höchste Freiheit ist, die im ganzen Weltall gefunden wird. „Welcher wird es auch tun.“ Doch, wir müssen unseren hohen Beruf verstehen; sonst wird ER in Seiner Arbeit aufgehalten. ER En drängt diese hohen Dinge den Menschen nie auf, ER zwingt die Braut niemals dem Bräutigam entgegenzugehen, nie, niemals! Lieber wartet ER tausend Jahre! Doch der HErr hat es beschlossen, Seine Braut bei Seinem Erscheinen „ohne Tadel“ zu finden, ihr ganzes Wesen geheiligt: doch aber nicht nach menschlichen Begriffen von Reinheit und Heiligung. „ER Selbst heilige euch durch und durch,“ damit ER keinen Flecken, oder Runzel, keinen Makel an der Braut des Lammes finde.
Der HErr kann nicht Ein Fleisch sein mit einer Braut, welche nicht Seiner Natur teilhaftig ist, wie dies aus den wundersamen Worten hervorgeht Eph. 5,28-32, wo der Apostel von der Gemeine als von der Braut redet. Die höchsten Wunder vereinigen und konzentrieren sich in den einfachen Worten: „Braut des Lammes.“ Sie nimmt den untersten Platz ein. Sie ward auf der Straße, in ihrem Blut liegend gefunden (Hes. 16,5.6), besudelt, ohne Nahrung; und der Bräutigam fand sie, deckte sie mit Seinem Mantel und wusch sie in Seinem eigenen Blut von ihrem Blut; ihre Wunden, ihre Todeswunden wurden durch Seine Wunden geheilt und jetzt nimmt ER sich ihrer an, erzieht sie, löst eine Fessel nach der andern, um sie von ihrem Geburtsland und von ihrer eigenen Natur zu befreien, und nimmt sie heraus aus einem irdischen Volk, um Sein Eigentum zu sein. Das ist göttliche Liebe.
Wir fangen erst an diese Dinge zu sehen, wenn wir auf den Boden der Wahrheit gekommen sind; und dann wird ER uns so weit führen können als ER will. Ach, vielleicht wäre es der alten Schlange nie möglich gewesen, ihr Gift in das Herz Adams und Evas eingießen zu können, wenn nicht eine gewisse Wahrheit der entsetzlichen Lüge zu Grunde gelegen hätte, „ihr werdet sein wie Gott.“ Es wiederholt sich das Gleiche in der Kirchengeschichte. Die höchsten, wahrhaftigsten Schätze werden durch den Teufel verderbt um uns in falsche Lehren zu verstricken, auf dass diese Dinge nicht in ihrer wahren Gestalt vollendet werden möchten, wie der HErr sie geplant hat. ER ist aber unsere Gewähr, dass trotz allem zeitweiligen Gelingen des Teufels, Gott der HErr Seine Zwecke mit der Menschheit zu Seiner Zeit und auf eine wunderbare Weise Hinausführen wird, und dass unser Herr Jesus Christus eine Braut haben wird die Ihn anbetet.
„Der Gott des Friedens heilige euch durch und durch.“ Durch und durch? Wisst ihr was das heißt? Ach, dass das eine Hauptfrucht dieser Versammlungen sei, dass wir es erkennen und begreifen lernen, nicht nur mit dem Verstand, sondern mit der ganzen Tiefe unseres moralischen und geistlichen Wesens wie nie zuvor, was das heißt: durch und durch geheiligt zu sein! Man möchte sich manch' Mal wundern, dass der HErr Jesus zu Anfang Seiner Laufbahn es wagte, mit den Pharisäern in so majestätischer Unabhängigkeit und mit solcher Autorität zu reden. Von Anfang an nahm ER eine königliche Stellung gegen die Leiter des Volkes ein. Auch in der Bergpredigt redete ER (Matth. 5-7) „mit Autorität“; das Volk erkannte dass ER „nicht sei wie die Schriftgelehrten.“ ER ist der Einzige, der es immer wiederholen darf: „Ich sage euch.“ ER kann sich Selbst gegenüber jedem anderen Ich behaupten, und bleibt bis jeder irdische Name verschwunden ist und der Seinige allein bleibt. Es ist der HErr, der zu dir sagt: „Ich sage euch, es sei denn eure Gerechtigkeit besser denn der Schriftgelehrten und Pharisäer, so werdet ihr nicht ins Himmelreich eingehen.“ Und bedenke, der du ein Glied der Braut des Lammes bist, dass, so deine Gerechtigkeit nicht besser ist, denn der Schriftgelehrten und Pharisäer, du nicht bereit sein kannst für die Zukunft des HErrn, und du nicht eingehen kannst zu der Hochzeit des Lammes. Ich will nur einen Charakterzug der pharisäischen Gerechtigkeit vor eure Augen stellen. „Wehe euch, Schriftgelehrte und Pharisäer, ihr Heuchler! denn ihr Becher und Schüsseln auswendig reinlich haltet, aber inwendig sind sie voll Raubes und Fraßes. Du blinder Pharisäer! reinige zum ersten das Inwendige am Becher und an der Schüssel, auf dass auch das Auswendige rein werde. Wehe euch Schriftgelehrten und Pharisäer, ihr Heuchler! die ihr gleich seid wie die übertünchten Gräber, welche auswendig hübsch scheinen, aber inwendig sind sie voller Totenbeine und alles Unflats.“ (Matth. 23,25-27).
Wünschst du zu scheinen, was du nicht bist; einen Eindruck zu machen, der mit der inneren Realität nicht übereinstimmt; durch eine Bewegung, ein Lächeln, einen Händedruck vor Anderen zu erscheinen was du nicht bist, und zu verbergen, was du wirklich bist, - das ist Pharisäische Gerechtigkeit.
Es ist dies dem, was der HErr von Seiner Braut erwartet, geradezu entgegengesetzt. „Der Gott des Friedens heilige euch durch und durch;“ auf dass das ganze Wesen makellos bei Seiner Zukunft dargestellt werde!
„Des Königs Tochter ist ganz herrlich inwendig; sie ist mit goldenen Stücken gekleidet“ (Ps. 45,14). Ganz herrlich inwendig! Unser Leben ist verborgen mit Christo in Gott. Nicht nur wird die Herrlichkeit dann auf uns niederfallen, sondern das Gold soll in uns gezeugt werden vermittelst des Sterbens unseres selbstischen Lebens jetzt; in dem Maß als wir Tag für Tag und Stunde für Stunde im Glauben wandeln, dem Lamme nachfolgend wohin es auch gehe. „Die Herrlichkeit, die Du Mir gegeben hast,“ sagte der HErr Jesus zu Seinem Vater in Seinem letzten wunderbaren Gebet „habe Ich ihnen gegeben.“ Das Leben Christi ist ein herrliches Leben und es ist unser. Das Leben Christi, der da wiederkommt zirkuliert, in Seinen wahrhaftigen Nachfolgern, Seinen Gliedern, eben so real wie der Saft in den Reben des Weinstocks zirkuliert. Es soll noch eine Herrlichkeit, eine verborgene Herrlichkeit, wunderbare göttliche Kraft in Seinem Volk geoffenbart werden, das samt Christo in Gott verborgen ist. Ganz herrlich inwendig; nichts Unreines! „Man bringt sie zum Könige in gestickten Kleidern; ihre Gespielinnen, die Jungfrauen, führt man zu Dir.“
Psalm 51, 6 findet ihr dieselbe Wahrheit. Der arme, gefallene Mensch hat sich dermaßen erkannt: „Ich bin aus sündlichem Samen gezeugt und meine Mutter hat mich in Sünden empfangen.“ Sogar sein sündlicher Zustand erinnert ihn an die Fleckenlosigkeit und Reinheit Gottes und an das, was Gott bei ihm sucht. „Du hast Lust zur Wahrheit, die im Verborgenen liegt, (Wahrheit im Inwendigen), Du lässt mich wissen die heimliche Weisheit“ (Du wirst mich im Verborgenen Weisheit lernen lassen). Manch' Mal muss der HErr Seine Heiligen in Seiner Erbarmung durch schreckliche Erfahrungen aufwecken, wenn sie vergessen, dass Gott der HErr Wahrheit im Inwendigen sucht, wenn sie auf irgend welche Weise in „pharisäische Gerechtigkeit“ kommen, wenn ihr inneres Leben nicht mehr in Übereinstimmung mit dem äußeren Anschein ist; wenn im Innern nicht mehr Wahrheit, Einfalt und Demut herrschen. In Seiner Ihm eigenen Erbarmung ist ER manch' Mal genötigt, sie dem Teufel zu übergeben, auf dass sie wie David versucht werden. So etwas geschieht nie aus Zufall; es ist stets durch einen Mangel an Wahrheit im Inwendigen vorbereitet; darum wird Davids Gewissen bei seinem tiefen Fall aufgerüttelt, und er sieht da, wo Gott Wahrheit sucht, nichts als Sündhaftigkeit. Sollte Einer von uns in offenbare Sünde fallen, so helft ihm nicht nur zu seiner früheren Stellung zurück, sondern höher, als er stand, da er fiel; denn es fehlte bereits an der Wahrheit im Innern, ehe er fiel; er war schon nicht mehr demütig und einfach, der wahre göttliche Ton war schon in ihm getrübt. Daher steht 1. Joh. 1,9 geschrieben: „So wir unsere Sünde bekennen, so ist ER treu und gerecht, dass ER uns die Sünde vergibt und reinigt uns von aller Untugend.“ ER ist treu, nicht nur zu vergeben, sondern auch treu uns zu reinigen von unserer Ungerechtigkeit, von jeder Spur von Doppelwesen, uns zur Wahrheit und Echtheit unserem Gott gegenüber herzustellen.
Und nun schlagt auf 1. Joh. 3,1. „Seht welch eine Liebe der Vater uns erzeigt hat, dass wir sollen Gottes Kinder heißen; wir sind nun Gottes Kinder. (Solche sind wir.) Darum kennt uns die Welt nicht, denn sie kennt Ihn nicht.“ Seine Herrlichkeit war für ihre Augen nicht ersichtlich. Pharisäische Gerechtigkeit scheint vor den Leuten; der Braut Reinheit leuchtet vor Gott; der Mensch hat kein Auge dafür.
„Meine Lieben, wir sind nun Gottes Kinder und es ist noch nicht erschienen, was wir sein werden. Wir wissen, dass wenn ER erscheinen wird, so werden wir Ihm gleich sein, denn wir werden Ihn sehen wie ER ist. Ein Jeder, der solche Hoffnung hat zu Ihm, reinigt sich, gleich wie ER auch rein ist.“ Die, welche die herrliche Erwartung der Zukunft des HErrn haben, die Erwartung Ihn zu sehen, wie ER ist, werden Ihm gleich sein. Sie werden nicht ermahnt Ihm gleich zu werden, oder sich zu reinigen; sie reinigen sich von selbst. Ermahnungen hierzu gibt es an Sein Volk als an die Gemeine, aber nicht als an die Braut. Im letzten Kapitel der Offenbarung spricht die Braut: „Komm HErr Jesu“. Sie steht in lebendiger Erwartung Seines Kommens. „Wer es hört, der spreche: Komm. Und wen da dürstet, der komme, und wer da will, der nehme das Wasser des Lebens umsonst.“ Die, welchen diese Ermahnung gilt, sind nicht die Braut. Wenn die Braut einer Ermahnung bedürfen sollte ihren Bräutigam herbei zu sehnen, so würde sie durch eben diese Tatsache ihren bräutlichen Charakter verleugnen! Die Braut schaut nach dem Bräutigam aus; das ist ihr Hauptkennzeichen. Sie hatte ihren Platz in ihres Vaters Haus, ihre eigenen Interessen, ihre Freunde und Gefährten. Jetzt ist sie gelöst von ihres Vaters Haus und von ihren Gespielen; ihre Gemeinschaft mit ihnen hat ihr Ende erreicht; sie ist Eins mit dem Bräutigam und wird mit Ihm offenbar werden in der Herrlichkeit als „Weib des Lammes.“ „Ich bin meines Freundes und mein Freund ist mein!“ Sie wird nicht ermahnt, sie ist eine verlobte Braut, und weil sie das ist, kann sie nicht aufhören zu sagen: Komm.
Und der Geist und die Braut sprechen: „Komm!“ „Ja, komm, HErr Jesu.“ Im ganzen Zusammenhang findet sich keine Ermahnung, es heißt einfach: „Ein Jeder,“ ohne Ausnahme, „ein Jeder, der solche Hoffnung hat …. reinigt sich selbst.“ Die, welche sich nicht reinigen, mögen wohl von der Hoffnung reden, aber sie warten nicht eigentlich auf das Kommen des HErrn Jesu; sie gehören nicht zu denen, von denen gesagt wird: „Ein Jeder, der diese Hoffnung hat.“ Hoffnung beschattet und deckt die Braut: „Vergiss deines Volkes und deines Vaters Haus,“ und stehe vor dem Könige, damit ER sich deiner Schönheit freue, Schönheit, die ER gab und die Ihm zurückzugeben ist zu Seiner und nicht zu deiner eigenen Befriedigung.