Brenz, Johannes - Sonntag Quasimodogeniti.

Brenz, Johannes - Sonntag Quasimodogeniti.

1548.

Joh. 20,19-31.
Am Abend aber desselbigen Sabbats, da die Jünger versammelt und die Türen verschlossen waren, aus Furcht vor den Juden, kam Jesus, und trat mitten ein, und spricht zu ihnen: Friede sei mit euch! Und als er das sagte, zeigte er ihnen die Hände, und seine Seite. Da wurden die Jünger froh, dass sie den Herrn sahen. Da sprach Jesus abermals zu ihnen: Friede sei mit euch! Gleichwie mich der Vater gesandt hat: so sende ich euch. Und da er das sagte, blies er sie an, und spricht zu ihnen: Nehmt hin den Heiligen Geist! Welchen ihr die Sünden erlasst, denen sind sie erlassen; und welchen ihr sie behaltet, denen sind sie behalten. Thomas aber, der Zwölfen einer, der da heißt Zwilling, war nicht bei ihnen, da Jesus kam. Da sagten die andern Jünger zu ihm: Wir haben den Herrn gesehen. Er aber sprach zu ihnen: Es sei denn, dass ich in seinen Händen sehe die Nägelmale, und lege meinen Finger in die Nägelmale, und lege meine Hand in seine Seite, will ich es nicht glauben. Und über acht Tage waren abermals seine Jünger darinnen, und Thomas mit ihnen. Kommt Jesus, da die Türen verschlossen waren, und tritt mitten ein, und spricht: Friede sei mit euch! Danach spricht er zu Thomas: Reiche deinen Finger her, und siehe meine Hände; und reiche deine Hand her, und lege sie in meine Seite; und sei nicht ungläubig, sondern gläubig. Thomas antwortete, und sprach zu ihm: Mein Herr, und mein Gott! Spricht Jesus zu ihm: Dieweil du mich gesehen hast, Thoma, so glaubst du. Selig sind, die nicht sehen, und doch. glauben. Auch viele andere Zeichen tat Jesus vor seinen Jüngern, die nicht geschrieben sind in diesem Buch. Diese aber sind geschrieben, dass ihr glaubt, Jesus sei Christ, der Sohn Gottes; und dass ihr durch den Glauben das Leben habt in seinem Namen.

Wir haben jüngst von der Auferstehung Christi geredet, und werden auch am heutigen Tage von derselben reden müssen. Denn hat es unsern Herrn Jesum Christum, auch da er schon in die Herrlichkeit seines Vaters eingegangen war, nicht verdrossen, vierzig Tage auf sich zu nehmen, auf dass er sich während derselben nach der Fassungskraft seiner Jünger offenbarte und seine Auferstehung bekräftigte: so darf es uns nicht verdrießen, in noch viel mehr Tagen, ja in unserer ganzen Lebenszeit seine Auferstehung aufs Fleißigste zu betrachten und davon aufs Emsigste unter uns zu handeln. Paulus sagt (2. Tim. 2,8): „Halte im Gedächtnis Jesum Christum, der auferstanden ist von den Toten.“ So nun aber das Gedächtnis der Auferstehung nicht den größten Nutzen brächte, hätte Paulus dasselbe nicht so angelegentlich empfohlen. Daher wollen wir heute die Offenbarung der Auferstehung durchnehmen, die wir soeben aus Johannes verlesen haben; dazu ist auch diejenige gefügt, welche am achten Tage nach der Auferstehung geschehen ist. So haben wir denn in diesem Schriftabschnitt zwei Offenbarungen: die eine am Auferstehungstage in Abwesenheit des Thomas, die andere am achten Tage, als Thomas schon zugegen war. Wir können aber nicht alles Einzelne handeln, und wollen deshalb nur das vornehmen, was uns jetzt zu betrachten dienlich erschienen ist.

Am Tage der Auferstehung waren die Jünger in einem Hause heimlich bei verschlossenen Türen mit einander versammelt, aus Furcht vor den Juden, und handelten unter sich von der Nachricht der Frauen, von der dem Petrus zu Teil gewordenen Erscheinung Christi und von derjenigen, welche den beiden Jüngern auf dem Wege nach Emmaus geschehen war. Da stand Jesus plötzlich sichtbar in ihrer Mitte und grüßt Anfangs die Apostel zweimal: „Friede sei mit euch!“ Er wirft ihnen nicht ihren Abfall und ihre Verleugnung vor; er klagt nicht über die Wut der Juden; das Alles vergisst er, kündigt ihnen aber Frieden an und bezeugt, dass Alles vergeben und vor Gott gesühnt sei. Er mahnt damit auch, dass wir Niemandem alte Kränkungen, alte Schulden vorwerfen sollen, damit Gott nicht auch uns alte Sünden behalte. Dennoch zeigt er ihnen seine Hände und seine Füße, heißt sie dieselben betasten und spricht: „Gleichwie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch.“ Und alsbald bläst er sie an und sagt: „Nehmt hin den Heiligen Geist; welchen ihr die Sünden erlasst, denen sind sie erlassen; und welchen ihr sie behaltet, denen sind sie behalten.“ Das ist jenes Wort, das ist jener Ausspruch, der zwar der Kirche sehr wert und nützlich, und dennoch von den Papisten verderbt und Ursache vieler Irrtümer geworden ist, auch großen Lärm in der Kirche erregt hat. Denn die Papisten haben gemeint, dass Christus hier ein Priestertum nach dem Muster des mosaischen Gesetzes eingerichtet habe. Im Gesetze waren nämlich Aarons Nachkommen die Priester, welche Gott die Opfer darbrachten, um die Sünden der Menschen zu sühnen. So glaubten die Papisten, es wären in der Christenheit Opferer eingesetzt, das Opfer der Messe für die Sünden der Lebendigen und der Toten darzubringen. Und damit das Beispiel ganz passe, haben Jene, wie Aaron im Gesetze Hoherpriester war, als Hohenpriester den römischen Papst hingestellt, der allein die Schlüssel des Himmelreichs habe, und von dem alle Übrigen die Schlüssel erbitten oder zu Lehen nehmen müssen. Allein das sind gar unnütze Fabeln; denn Christus bezweckt hier etwas ganz Anderes, als ein äußerliches Priestertum nach der Weise des mosaischen Gesetzes anzuordnen.

Zu allererst nämlich hat Christus bei dieser Gelegenheit die Apostel wieder in ihr Amt eingesetzt, das Evangelium zu predigen, dazu sie vorher berufen worden waren. Er hat seine Apostel nicht zu äußerlichen Herrschern dieser Welt bestimmt, sondern überträgt ihnen eine herrlichere Würde. Den Fürsten sind irdische Reichtümer verliehen; sie besitzen Gewalt über leibliches Leben und Sterben. Den Aposteln aber ist ein himmlischer Schatz anbefohlen, und in ihren Dienst ist Himmel und Hölle gelegt. Die Herrscher teilen körperliche Lehensgüter aus, welche den Menschen im Tode und im Gerichte Gottes nicht retten können. Den Aposteln aber wird die Austeilung der Sündenvergebung übertragen, und in diesem Einen Stücke ist das ganze Heil des Menschen enthalten. Was er ihnen sonst auch an anderen Dingen anvertraut hätte, es wäre doch nicht hinreichend, weder ein Beutel voll Geldes, noch ein Schlauch voll Weins; denn das Geld macht nicht rechtschaffen, sondern geizig, und der Wein macht nicht rechtschaffen, sondern macht trunken. Hat er sie dagegen angewiesen, den Erlass der Sünden zu spenden, so hat er ihnen vollkommene Vergebung der Sünden, alles zum Heil Notwendige geschenkt; denn wo die Sünden vergeben sind, da ist Gott versöhnt und der Mensch gilt um Christi willen für gerecht; da schaden ihm weder Trübsal, noch Tod oder Hölle. Darum heißt es im Psalm (32,1): „Wohl dem, dem die Übertretungen vergeben sind, dem die Sünde bedecket ist.“ Wo aber die Sünden nicht erlassen sind, da nützt Nichts von anderen Dingen, und deshalb ist Leben und Tod, Heil und Verdammnis, Himmel und Hölle in den Dienst der Apostel gelegt.

Allein hier ist zu beachten, von welchen Sünden, die vergeben werden sollen, die Rede ist: nicht von den papistischen oder heuchlerischen Sünden, z. B. so Jemand die päpstische Messe verabscheut oder verdammt, die Annahme des Sakraments unter Einer Gestalt verweigert, oder am Freitage Fleisch isst, oder die verstorbenen Heiligen nicht anruft, was bei den Papisten die größten Sünden sind. Von diesen oder von ähnlichen wird hier Nichts gesagt, sondern von denen, die in Wahrheit Sünden sind. Zweitens, wie die Apostel die Sünden erlassen. Die Päpste erlassen sie durch überschickte Bullen und nachdem sie Geld empfangen haben. Die Apostel erlassen sie durch die Verkündigung des Evangeliums von Christo, nach dem Befehle Christi: „Geht hin in alle Welt, und prediget das Evangelium aller Kreatur. Wer da glaubt und getauft wird, der wird selig werden“ (Mark. 16,15.16). Drittens, um welches Verdienst die Apostel die Sünden erlassen. Sie erlassen dieselben nicht um das Verdienst der Werke, sondern allein um Christi Verdienst. „Also musste Christus leiden, und auferstehen von den Toten am dritten Tage, und predigen lassen in seinem Namen Buße und Vergebung der Sünden unter allen Völkern“ (Luk. 24,46.47). Viertens, welchen Menschen die Sünden erlassen oder behalten werden. Allen und jedem Einzelnen jeglichen Geschlechtes werden sie erlassen, wenn sie dem Evangelio glauben, behalten, wenn sie das Evangelium verwerfen. Fünftens, zu welchem Nutzen die Sünden erlassen werden. Nicht, dass uns freistehe zu sündigen, sondern dass wir als gerecht erachtet und zu Kindern Gottes angenommen werden, dass wir den Tod überwinden, vor Sünden uns hüten und in Gerechtigkeit wandeln. Sechstens: ist allein den Aposteln solcher Dienst anbefohlen? Sie allein sind zwar damals Apostel gewesen; danach aber versehen ihren Dienst, so viel nur zur Predigt des Evangeliums berufen werden. Diese erlassen die Sünden, nicht in eigener Macht, sondern im Dienste des Wortes Gottes.

Zweitens hebt Christus durch sein heutiges Wort das mosaische Gesetz mit seinem ganzen Priestertum und allen Opfern auf; denn im Gesetz Mosis war es von großer Bedeutung, die Sünden zu sühnen. Nicht Jeder vom Volke nämlich konnte die Sünden der Menschen sühnen, sondern notwendig musste es Jemand von dem Stamme Levi, aus der Familie Aarons sein. Er musste auch mit vielen besonderen Gebräuchen geheiligt und geweiht sein. Außerdem geschah die Sühnung nicht an jedwedem Orte, sondern im Tempel zu Jerusalem. Dazu kommt, dass diese Sühnung nicht umsonst geschah, sondern in vielen Lämmern, Schafen, Rindern und Widdern bestand. An einzelnen Tagen musste man zwei Lämmer opfern zum Brandopfer, eins des Morgens, eins des Abends. Dazu kamen späterhin zahllose Sünd- und Schuldopfer, ferner die Opfer der Mina (Hes. 45, 12) und die Friedensopfer. Und dennoch wenn man die Sache recht erwägt, konnte solches Alles nicht die kleinste Sünde vor Gott sühnen, sondern es waren nur bürgerliche Sühnungen vor dem Volke Gottes und Schatten der wahrhaftigen Versöhnung durch den zukünftigen Christus. Nun aber offenbart Christus nach seiner Auferstehung die Wahrheit und hebt all' jene Bräuche, die Sünden zu sühnen, auf. Denn Christus ist Der, welcher unsere Sünden schon in Wahrheit vor Gott gesühnt hat, und gebietet deshalb seinen Aposteln, diese Versöhnung auf der ganzen Welt durch das Evangelium zu offenbaren. Gleichwie mich, sagt er, der Vater gesandt hat, so sende ich euch. Der Vater hat mich nicht gesandt, um Schafe und Rinder für die Sünden zu opfern, sondern um die Versöhnung, welche durch mich geschehen soll, durch das Evangelium zu verkündigen; so auch sende ich euch, nicht um eine Messe für die Sünden zu opfern, sondern um durch euer Evangelium die durch mich vollbrachte Versöhnung anzukündigen. Nehmt hin, nicht Schafe, nicht Rinder, nicht Brote, nicht Wein; sondern nehmt hin den Heiligen Geist, den Geist der Stärke, den Geist des Vertrauens; nehmt hin den Dienst und das Amt des Geistes, d. i.: die Predigt des Evangeliums. Wer nur immer diesem Evangelio glaubt, dem sollt ihr die Sünden erlassen; wer ihm aber nicht glaubt, dem sollt ihr die Sünden behalten. Es wird hinfort nicht mehr der Schafe oder Rinder, auch nicht mehr des äußerlichen Tempels in Jerusalem, sondern allein der öffentlichen und besonderen Predigt des Evangeliums an jeglichem Orte des Erdkreises bedürfen. Daraus ist offenbar, dass Christus hierbei aus den Aposteln keine Selbstherrscher macht. Er gibt ihnen weder freie Gewalt, aus der Sünde Gerechtigkeit und aus der Gerechtigkeit Sünde zu machen, wie die Päpstler gemeint haben, noch gibt er ihnen Macht über das Fegefeuer, das sie erdichtet haben, sondern befiehlt ihnen die Predigt des Evangeliums von der Vergebung der Sünden, dass, wer da glaube, dieselbe erlangen, wer aber nicht glaube, keine Vergebung haben soll.

Außerdem lehrt Christus durch sein Wort, dass sein Reich nicht leiblich, sondern geistlich ist. Denn die Jünger erwarteten noch eine Zukunft, da Christus sie annehmen, den ganzen Erdkreis durchwandern und die Völker sich unterwerfen sollte, so dass sie selbst treffliche Herrschaften bekämen. Doch siehe! Er sendet sie, um das Evangelium von der Vergebung der Sünden zu verkündigen. Ihnen wird keine Macht verliehen, Gesetze zu geben, Könige zu stürzen, sondern allein, das Evangelium zu predigen, dass, wer da glaubt, Vergebung der Sünden hat, wer aber nicht glaubt, verdammt wird.

Da hast du nun Weniges über die erste Erscheinung; lasst uns jetzt von der späteren reden. In derselben ist nämlich erstens ein auffallendes Zeugnis, dass Christus wahrhaftig von den Toten erstanden ist, weil er nicht nur mit den Jüngern redet, sondern auch seine Narben zeigt und sich von Thomas berühren lässt. Zweitens gibt er am Beispiel des Thomas zu erkennen, dass er die im Glauben Schwachen nicht verwirft, sondern stärkt. Kann der Satan uns Christum nicht nehmen, so versucht er uns wegen der Schwachheit unseres Glaubens zu verdammen. Er spricht: Du hast nicht den wahren Glauben wie die Heiligen; wäre dein Glaube Gift, du könntest keine Fliege damit vergiften. So lasst uns denn die Schwachheit unseres Glaubens bekennen, aber auch um Stärkung desselben bitten und festiglich darauf vertrauen, dass, ob auch unser Glaube schwach sein mag, Christus doch stark ist. Drittens werden wir bei dieser Erscheinung belehrt, dass Christus nicht bloß von den Toten erstanden, sondern auch der wahrhaftige Herr, unser Gott ist. So spricht Thomas: „Mein Herr und mein Gott!“ Werden also die Kindlein fragen, mit welchem Namen der Herr, unser Gott, genannt werde, so muss man sie antworten lehren: Er heißt Jesus Christus. Viertens wird uns gelehrt, dass Christus und sein Evangelium und die im Evangelium dargebotenen Wohltaten nicht nur den Aposteln und ihren gegenwärtigen Zuhörern, sondern auch der gesamten Kirche an gehören. Das muss man beachten. Es gibt Viele, die bei ihrer Gottlosigkeit vorwenden, Christus scheine nicht zu leben und zu herrschen, sie würden sonst glauben. Andere gibt's, die das Evangelium verachten, das jetzt aus den Schriften der Apostel gepredigt wird, aber neue Offenbarungen vom Himmel erwarten. Allein wenn Christus hier redet: „Selig sind, die nicht sehen, und doch glauben,“ so bindet er uns an das Zeugnis und die Predigt der Apostel, die wir zur Hand haben; und Lasst uns nicht neue Offenbarungen suchen, oder die Gegenwart jener Tatsachen.

Kurz bei der Bezeugung der Auferstehung Christi handelt sich's darum, dass erstlich unser Glaube gestärkt werde vor Gott in Betreff der Sündenvergebung, der Gerechtigkeit vor Gott und der Überwindung des Todes und in Betreff des ewigen Lebens; danach, dass unser Leben sich umgestalte und wir in einem neuen Leben wandeln. Das alte Leben ist: sündigen; das neue Leben ist: in wahrer Gerechtigkeit wandeln. Daher wollen wir uns in dieser Welt an das neue Leben gewöhnen, damit wir durch Christum im ewigen Leben beständige Glückseligkeit genießen. Amen.

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