Krummacher, Gottfried Daniel - Die Wanderungen Israels durch die Wüste nach Kanaan (Daphka).

Krummacher, Gottfried Daniel - Die Wanderungen Israels durch die Wüste nach Kanaan (Daphka).

Zwölfte Predigt.

Achte Lagerstätte: Daphka. 4. Buch Mose 33,12.

Ihr gebt, wie ich mich versichert halten darf, eure Einwilligung dazu, dass wir unsere, im vorigen Jahr begonnene Betrachtung, der Reisen der Kinder Israel, unter den anfangs festgesetzten Bedingungen, in den diesjährigen Frühpredigten fortsetzen.

Allerdings sind es seltsame Texte, welche uns da vorkommen. Aber was geht das andere Leute an, so lange es uns beiderseits recht ist und bleibt, und wir daraus eine Erbauung empfangen, oder eine Lust daran haben. Es ist mehrenteils etwa nur ein einzelnes Wort, und dazu aus einer fremden, euch unbekannten Sprache, das tut aber nichts zur Sache. Das Wort Jesus ist auch aus einer fremden Sprache. Und dies einzige Wort – was enthält es nicht alles, und wie gelehrt und weise ist der, der’s versteht! – In der Sprache der Heiligen Schrift, haben alle Namen ihre Bedeutung, welches in unserer Sprache nicht immer der Fall ist, wenn gleich zuweilen. So kann unsere Stadt ihren Namen von den Erdbeeren haben, die ehemals hier wuchsen, da es noch Feld war. Aber wer vermöchte es anzugeben, was der Name bedeute, den das Flüsschen führt, das unser Tal durchströmt. In der hebräischen Sprache verhält sich das anders. Und oft wurden auch Örtern und Personen, absichtlich solche Namen, um ihrer Bedeutung willen beigelegt. Lasst mich davon einiges anführen. Eva z.B. heißt die Lebendige, und Adam nannte sie selbst deswegen so, weil sie die Mutter aller Lebendigen und absonderlich des Weibessamens sein sollte, welcher der Ursprung alles Leben ist. Sie nannte in fröhlicher Erwartung der gewissen Erfüllung der göttlichen Verheißung, ihren ersten Sohn Cain, von einem Worte, das bekommen heißt, und rief aus: ich habe – bekommen. Als er durch seine Gottlosigkeit bewies, dass er weder der Weibessame selbst noch dessen Stammvater sei, der fromme Abel aber von ihm erschlagen war, beurkundeten unsere Eltern ihren Glauben dadurch, dass sie ihren dritten Sohn Seth, das ist gesetzt, nannten; weil der an die Stelle seiner beiden Brüder gesetzt war. Zwar finden wir nicht, dass dem Metusalah dieser Name, welcher eine Aussendung des Todes bedeutet, absichtlich gegeben worden sei. Dennoch scheint er diesen Namen nicht durch bloße Willkür bekommen zu haben, da er in dem nämlichen Jahre starb, wo die Sündflut als eine Aussendung des Todes losbrach. Noah bekam diesen Namen absichtlich. Er heißt: Trost und Ruhe, denn, sagten seine Eltern bei seiner Geburt, der wird uns trösten in unserer Mühe und Arbeit auf Erden, die der Herr verflucht hat, - und gaben ihm deswegen diesen Namen. Gott selbst veränderte Abrams und der Sara Namen, ohne dass jedoch ihre Bedeutung dadurch verändert wurde. Er verwebte aber Einen Buchstaben seines göttlichen Namens, Jehovah mit dem ihrigen, welches eine große, ehrenvolle Auszeichnung war. So befahl Gott dem Moses, seinen Nachfolger statt Josua, Jehosua zu nennen, gab ihm also Eine Silbe seines hochwürdigen Namens. Dass Melchisedech diesen Namen nicht von ungefähr führte, und dass der Ort, wo er regierte, nicht zufällig Salem hieß, erhellt aus den merkwürdigen Schlüssen, welche der Verfasser des Hebräerbriefes, aus der Bedeutung dieser Namen herleitet. Sarah nannte ihren Sohn Isaac, welches Lachen bedeutet, weil sowohl sie als Abraham seinethalben einmal in verschiedener Weise – sie im Unglauben, er im Glauben – gelacht hatten. Seine Kinder bekamen ihre Namen wegen einer natürlichen Ursache; den einen nannten sie Esau, weil er rau und behaart war; den anderen Fersenhalter, weil er seinen Zwillingsbruder bei der Geburt an der Ferse gefasst hielt. Gott selbst nannte letzteren Israel, ein Fürst Gottes, denn er hatte mit Gott und mit Menschen gekämpft, und war obgelegen. Er selbst nannte einen Ort, Bethel, das ist Gottes Haus, wo er den Traum von der Himmelsleiter gehabt; einen anderen Mahanaim, weil ihm daselbst 2 Heere Engel begegnet waren, und einen dritten, Pniel, Antlitz Gottes, denn, sagte er: ich habe Gott von Angesicht gesehen, und meine Seele ist genesen. Wie merkwürdig war dem Apostel Paulus der Name Hagar, in seiner arabischen Bedeutung, und was für Tiefen fand er darin, nach Gal. 4. – Dass den 12 Söhnen Jakobs absichtlich diese und keine andere Namen gegeben wurden, lesen wir, samt der Ursache, warum ihre Mütter sie so nannten, 1. B. Mos. 29 und 30. Rahel nannte ihren jüngsten Sohn, über dessen Geburt sie sterben musste, Benoni, Schmerzenssohn; Jakob aber veränderte seinen Namen in Benjamin, das ist, den rechten oder liebsten Sohn. Und Pharao nannte den Joseph, Zaphanat Paneah, d.i., Vater des Vaterlandes, weil Ägypten durch seine Weisheit vom Untergange war errettet worden. Warum nannte seine Tochter das Kindlein, das sie aus dem Wasser zog, Moses, als eben um dieser Ursache willen, die sie auch selber als den Grund dieser Benennung angab. Moses hatte auch edle Gründe, warum er den einen seiner Söhne Gerson, d.i., Fremdling, den anderen Elieser, Hilfe Gottes nannte; und sagt selbst, er habe den ersten so genannt, weil er Gast sein musste in einem fremden Lande – und ihr wisst, wie hoch der Apostel es den Erzvätern anrechnet, dass sie sich Fremdlinge nannten, und damit ihren Glauben bewiesen, dass sie ein Vaterland im Himmel suchten, eine Stadt, die den Grund hat, welcher Baumeister und Schöpfer Gott ist, weshalb Gott sich auch nicht schämte, ihr Gott zu heißen; - den anderen nannte er so als ein lebendiges Denkmal der göttlichen Errettung, besonders aus den Händen Pharaos, um sich ihrer stets dankbar zu erinnern. Setzte nicht Samuel aus ähnlicher Absicht einen Stein, und nannte ihn Eben-Ezer, Helfenstein, denn, sagte er: bis hierher hat uns der Herr geholfen. Die kluge Abigail spielte auch auf die Bedeutung des Namens ihres Mannes an, wenn sie sagte, er heißt mit Recht Nabal, d.i. Narr, denn er ist was er heißt, und Narrheit ist in ihm. Natan nannte den Salomo Jedid-Ja, d.h. Liebling des Herrn, und sein eigentlicher Name, der so viel als Friedefürst heißt, passt sich sehr für ein Vorbild des wahrhaftigen Friedensfürsten.

Da nun, wie diese lange Deduktion beweist, die hebräische Namen, ihre besondere Bedeutung haben, und diese Bedeutung häufig sehr bemerkenswert ist, weil nicht nur die Heiligen, sondern auch Gott selbst oft Namen um dieser Bedeutung willen gibt: so ist es schon deswegen für einen Verehrer der Heiligen Schrift sehr natürlich, wenn er dazu im Stande ist, den Bedeutungen und somit den Absichten dieser Benennungen nachzuspüren und sich das zu merken, was darin zur Lehre, zur Strafe, zur Besserung, zur Züchtigung in der Gerechtigkeit etwa liegen möchte. – Und so haben wir im vorigen Jahre angefangen, die merkwürdige 40jährige Reise der Kinder Israel durch die Wüste und die Bedeutung der Namen ihrer Lagerstätten so wie, was sich daselbst merkwürdiges zutrug, zu erwägen. Ihr habt dies euch gern gefallen lassen. Mir gefällt’s auch noch. Unsere Vorträge haben auch die Ehre gehabt, von der Welt angefochten zu werden. Sie müssen also gut und christlich sein. In Gottes Namen fahren wir also in der Betrachtung der Lagerstätten der Kinder Israel fort, zumal da uns ein Apostel versichert, was ihnen wiederfahren, sei uns zum Vorbilde geschehen. Der Herr gebiete nur seinen Segen über den Redenden, wie die Hörenden.

Wir betrachten die 8te Lagerstätte der Kinder Israel. Nach langwierigen Mühen und einem drei Tage hintereinander fortgesetzten Zug, bekamen sie ein angenehmes Lager zu Elim, wo sie 12 Wasserbrunnen und 70 Palmbäume fanden. Hier nahmen wir in unserer letzten vorigjährigen Frühpredigt, gleichsam Abschied von ihnen. Diesen Winter zogen wir einmal mit ihnen von da aus, wieder ans rote Meer, um es mit ganz anderen Augen, als einen Monat früher zu betrachten, gerieten aber in eine grausame Hungersnot, worin wir elendiglich alle hätten umkommen müssen, wenn uns Gott nicht durch den wunderbaren Mannaregen, hinlänglich mit Brot versorgt hätte, und zwar so, dass wir daran nie keinen Mangel zu befürchten haben. Einen Vorrat können wir uns freilich nicht sammeln, sondern müssen uns ganz Gott anvertrauen und überlassen, für jeden Tag, deren wir keinen einzigen ohne ihn umzubringen wissen. Können wir aber nur vertrauen, so haben wir denn auch sein sehr vorzügliches Leben, indem wir auf den hoffen, der alles in Händen hat. –

Sie schlugen nun ihr Lager auf zu Daphka. Merkwürdiges fiel hier nichts vor, sondern es blieb eben alles so in seinem Geleise. Sie taten da sonderlich nichts Böses und nichts Gutes, auch tat der Herr daselbst nichts besonderes merkwürdiges. So treten ja auch in Absicht der Kirche überhaupt, wohl längere und kürzere Zeiten ein, wo sich nichts sonderliches ereignet, und das nämliche gilt auch von einzelnen Unternehmungen und Seelen. Der Christ hat Zeiten, wo er ebenso wohl keine sonderliche Gnadenmitteilungen, Belebung, Erleuchtung, kräftige Eindrücke bekommt, als er von namhaften Anfechtungen und Leiden frei ist. Es geht so natürlich bei ihm herum. Sein Verderben regt sich nicht sonderlich und die Gnade eben auch nicht; die Wahrheiten des Evangelii sind ihm nicht gleichgültig, aber auch nicht aufregend. Er liest, betet, hört, aber nicht mit der Lebhaftigkeit, wie zu anderen Zeiten, und wenn er sich also findet, so bekümmertes ihn zwar, aber er muss harren. – So scheinen auch etliche Unternehmungen wohl in eine Art von Stocken zu geraten; das Evangelium wird wohl gepredigt, aber die Wirkungen zeigen sich wenig und sparsam. Neue Erweckungen sind selten, und mit den Erweckten selbst will es nicht recht fort. Außer dem Kreise der christlichen Kirche, will’s auch so nichts rechtes geben. Die Berichte derer, welche an Juden und Heiden arbeiten, fallen ziemlich karg aus. Die gefasste Hoffnung bestätigt sich eben nicht, und man sieht sich genötigt, hoffend in die Zukunft zu blicken, und von derselben zu erwarten, was die Gegenwart versagt. Da ist denn wohl großes Geräusch, wenn mans aber näher besieht, doch wenig Frucht und Wesen. Sie sind in Daphka gelagert, und das ist fast alles, was man mit Grunde sagen kann, wie gern man auch rühmte.

Diese Lagerstätte ging noch immer weiter rechts vom geraden Wege nach Kanaan ab, und entfernte sich noch mehr davon, so dass es schien, sie würden überall hinkommen, nur nach Kanaan nicht. – Das nämliche wiederholt sich oft in den Führungen der Kinder Gottes. Es geht ihnen ganz contraire, und wenn sie’s anzuordnen hätten, ginge es ganz anders. – Sehr kläglich ist es, wenn die Menschen sich wirklich immer weiter von der Wahrheit und Gottseligkeit, und somit von Gott selbst und dem himmlischen Kanaan entfernen. So geschah es ehemals, da die Lehre je länger je mehr in Aberglauben ausartete, an dessen Stelle nach und nach der noch schlimmere Unglaube getreten ist, wozu in der letzten Hälfte des vorigen Jahrhunderts, die vielen Schriften eines witzigen Franzosen ungemein viel beitrugen, und eine Bahn eröffneten, worauf die Mehrzahl desto lieber wandelt, je mehr sie mit ihren Gesinnungen übereinstimmt. – Und von wie vielen einzelnen Menschen gilt die Strophe: „mit Jahren ward die Sünde groß, brauch aus gleich Wasserfluten.“ Wie manche schienen, in jüngeren Jahren, nicht ferne vom Reiche Gottes zu sein, hatten manche gute Weckung und Überzeugung, Vorsätze und Bestrebungen, denen doch das Gegenteil gefolgt ist. Sind solche vielleicht in dieser Versammlung, so rufen wir ihnen zu: o! gedenket, wovon ihr gefallen seid, und tuet Buße. – Aber es kann auch solchen, welche allen Ernstes ihre Seligkeit zu schaffen suchen, also vorkommen, dass sie rück- statt vorwärts kämen, und sich vom Ziel entfernten, statt sich ihm zu nähern, und dass alle ihre Bemühungen nur vergeblich wären. Das ist ihnen sehr schmerzhaft. Allein im Reiche Christi kann ein scheinbares Rückschreiten, wirkliches Voranrücken, und Abnahme Wachstum sein. Denn auch Abnahme im Vertrauen zu sich selbst, ist ein Wachstum, wenigstens ein Beförderungsmittel desselben, indem es dazu dient, uns von unserem natürlichen Boden abzubringen und auf das einige Fundament zu gründen. Und dies Gründen ist ebenso nötig als das Vollbereiten. –

Weil uns denn sonst nichts merkwürdiges gemeldet wird, was sich zu Daphka von Seiten Gottes, oder seines Volkes zugetragen hätte; so müssen wir bei der wörtlichen Bedeutung dieser Lagerstätte stehen blieben. Daphka heißt aber schlagen, klopfen, werfen. Dies lässt uns an allerlei, lässt uns an leiden und tun denken. Entweder wurden sie geschlagen und geklopft, mürbe gemacht, oder sie schlugen und klopften, wurden geworfen oder warfen, und dies erinnert uns an manches aus dem inneren christlichen Leben. Lasst es uns erst in leidender Beziehung auffassen; dann deutet der Name dieser Lagerstätte darauf hin, dass sie geschlagen und mürbe gemacht wurden. Wir brauchen hier nicht an Waffen und feindliche Völker zu denken, die sie geschlagen hätte, denn davor hatten sie jetzt noch Ruhe. Allein geschlagen werden, ist doch auf jeden Fall etwas schmerzhaftes und demütigendes, mag es geistig oder körperlich sein. – Da sollte einem ja nun ordentlich Mitleiden ankommen, wenn wir hören, dass sie sich hier lagern mussten, um geschlagen, gezüchtigt zu werden. Wie waren sie in Elim so lieblich gelagert, dass sie Kanaan ordentlich darüber vergessen haben sollten. Sie brauchten da sonderlich keinen Glauben zu beweisen, denn sie litten an nichts Mangel. Noch waren sie mit einigem Speisevorrat aus Ägypten versehen und das angenehme Elim bot ihnen den erquickendsten Schatten, das labendste Wasser und köstliche Baumfrucht. Und nun so? Aber Mitleid hin, Mitleid her. Es bliebt einmal dabei, dass wir durch manche Abwechselungen und viel Trübsal in das Reich Gottes eingehen müssen. Sei in Elim nicht zu sicher, denn es folgt ohne Zweifel ein Daphka darauf. Sei aber auch in Daphka nicht zu zaghaft, denn von da geht’s nach Raphidim, das heißt Ruhebette und dann weiter. Wer so ohne Züchtigung dahinläuft, und macht was er will, der gehört nicht zum Volke Gottes, denn das hat auch seine Daphkas wo es gezüchtigt wird. Freilich setzt dies Unarten voraus, welche eben durch die Zucht des Vaters der Geister weggebannt werden sollen, auf dass wir seine Heiligung erlangen. Die Kinder Israel hatten dazu ohne Zweifel Anlass genug gegeben. Wie wenig mochten sie auf die bisherigen großen, mannigfachen und wunderbaren göttlichen Wohltaten, Errettungen und Aushülfen geachtet, wie wenig dafür gedankt haben! So kriegten sie denn wohl verdiente Schläge. Und wir werden wohl nicht uns einbilden, sie weniger zu verdienen. Freilich hat sich uns kein rotes Meer gespaltet, und es regnet uns kein Manna! Aber ist uns denn nicht Christus in seinem Leiden und in seinem Triumph vor die Augen gemalt, und die große Liebe Gottes vorgehalten? Was hat das aber sonderlich gewirkt? Im Ganzen wohl nicht mehr, als der Anblick des so merkwürdigen roten Meers, an dessen Gestade sie noch die Gerippe ihrer, in demselben ersäuften Feinde, erblickten bei den Kindern Israel. Billig aber schmerzt uns das, dass die Schmerzen, die wir Christo gemacht, uns so wenig rühren. Und wie viel Unarten hat man sonst noch an sich, die noch abgelegt werden müssen, und wozu uns die Züchtigungen erwecken sollen. Ja, in der Tat, es ist auch Daphka eine nötige und nützliche Lagerstätte, mag uns Kanaan daselbst auch sehr weit dünken und die Schläge, die da ausgeteilt werden, wehe tun. Der alte Mensch kann und darf nicht anders behandelt, sondern muss, wie der Weinstock, stets unter dem Messer gehalten werden. Gott hat Ruten genug. Er kann uns mit körperlichen Leiden heimsuchen, uns einen zeitlichen Schaden erleiden lassen; er kann anderen Menschen und selbst den Satan wider uns erregen; er kann uns Stellen und Sprüche aus seinem Worte, zu einem Stachel machen, gegen den es uns schwer wird hintenauszuschlagen; er kann uns auch sein Missfallen also in unserem Gewissen fühlen lassen, dass es wie giftige Pfeile drinnen schmerzt. Ja unsere eigene Gedanken, Wünsche und Besorgnisse, können uns zu peinigenden Ruten werden. – Ist man so zu Daphka gelagert, so müssen diese Schläge auch ausgehalten werden, und man kann und soll sich ihnen nicht entziehen. Hat nicht auch Jesus selbst, seine Jünger manchmal derb geschlagen, ohne körperliche Ruten zu gebrauchen und seiner eigenen Mutter nicht geschont? Denn wurde Cana nicht für sie ein Daphka, als ihr Sohn zu ihr sagte: „Weib, was habe ich mit dir zu schaffen? meine Stunde ist noch nicht kommen“ – welche Anfertigung sie kaum verdient zu haben scheint, und wie scharf nahm er sie in seinem 12ten Lebensjahre durch die Schläge her, die er ihr durch sein Zurückbleiben in Jerusalem gab? Waren das nicht tüchtige Schläge, die er unter seine Jünger austeilte, als er sie fragte: wie lange soll ich euch dulden? Wie? dass ihr so unverständig seid; als er ihnen, bei einem Zanke, wer unter ihnen der größte sei, erklärte: wenn sie sich nicht bekehrten, und würden wie die Kinder, so würden sie nicht in das Himmelreich kommen; wenn er den Petrus einen Satan nannte, und es eine Zeitlang unentschieden ließ, wer der Eine unter ihnen sei, der ihn verraten würde und sie dadurch alle in Verlegenheit setzte; wenn er sie selbst nach seiner Auferstehung, Toren und träges Herzens nannte, und schalt ihren Unglauben. Wie wurde nicht Paulus geschlagen, und das selbst von einem Satansengel, aller der sonstigen inneren und äußeren Mühseligkeiten nicht zu gedenken. Wer dürfte sich denn ungebärdig stellen, wenn ihm seine Lagerstätte in Daphka angewiesen wird, und es nicht auch über sich gelten lassen, wenn es heißt: es ist deiner Bosheit schuld, dass du so gestäupt wirst, und deines Ungehorsams, dass du so gestraft wirst. –

Daphka heißt auch klopfen und dies wird angewandt, um gewisse harte Sachen mürbe zu machen. Unser Herz wird steinern genannt, und also als etwas hartes und widerstrebendes vorgestellt. Es muss aber wächsern, bieg- und bildsam werden, das geschieht durch Gnade. Aber sie braucht, sowohl im Anfange als im Fortgange, verschiedene Mittel dazu. Die beiden Hauptmittel sind, Gesetz und Evangelium. Das Gesetz macht das Herz wohl eigentlich nicht mürbe, es deckt ihm aber seine Härtigkeit und seine Sünden auf, und nötigt es dadurch, von seinem Trotz und von der Einbildung einer eigenen Kraft und Gerechtigkeit abzustehen. So ging’s dem Paulus. Wie gebeugt machte das Gesetz diesen stolzen Pharisäer, dass er auch fragte: wer wird mich erlösen, von dem Leibe dieses Todes? – Je deutlicher jemand die Erhabenheit der Heiligkeit erkennt, welche das Gesetz fordert, desto wenige findet er davon in sich selbst, und desto mehr findet er sich genötigt, sie in Christo zu suchen. Doch bringt das Gesetz mehr Ratlosigkeit, Angst, Entsetzen, Mühseligkeit und Beladenheit, als ein mürbes Herz zu Wege. Es bringt aber den bisher sorglosen, in Sünden und Weltsinn, in eigener Kraft und Gerechtigkeit versunkenen Sünder dahin, dass er begierig hinhorcht, wenn von Christo die Rede ist, der ihm bis jetzt so gleichgültig war. – Wird aber der armen Seele das Evangelium vom heiligen Geiste gepredigt, gepredigt wie Gott in Christo ein Gott aller Gnaden, wie bei ihm viel Vergebung sei, wie Christus unsere Gerechtigkeit, und wir in ihm vollkommen seien, so dass er dies auf seine eigene Person anwenden kann, dann wird er mürbe und sein Herz zerfließt wie Wachs, und die Liebe Christi fängt an, ihn zu dringen. Aber bei der Bosheit des menschlichen Herzens, dauert es gemeinlich nicht lange: so meint der arme Mensch, er wäre es nun; da muss er denn wieder nach Daphka, wo er geklopft wird, und sich genötigt sieht, sich herunterzuhalten zu den Niedrigen. Er fing an, überall nicht nur mit- sondern auch abzusprechen, andere zu beurteilen und sich vorne an zu stellen; muss sich aber nun zurückziehen –und wird wohl wie ein einsamer Vogel auf dem Dache, wie ein Käuzlein und Rohrdommel in der Wüste. –

Heißt Daphka auch werfen, schmeißen, so singt ja auch ein Dichter: „ich wird’ geworfen hin und wieder,“ und von den Kindern Israel heißt es einmal: sie wurden in einer Schlacht geworfen, d.i. zurückgeschlagen. So kann es auch gehen, was sehr beschwerlich fällt. Es gibt Zeiten, wo eine Seele nicht ins Klare kommen kann, und ihre Wirksamkeit in einem zerreißen und zunähen, bauen und abbrechen besteht, worüber sie nicht weiter kommt. Als die Jünger im Sieb und in ihr Eigenes zerstreut waren, da wurden sie auch hin und her geworfen und

wankten auf gelähmten Füßen,
bald strauchelnd hie, bald fallend dort. –

Wir haben bis jetzt das Wort Daphka in seiner leidenden Bedeutung aufgefasst, lasst uns jetzt noch einiges in seiner tätigen Beziehung anmerken.

Erstlich erinnert es an das Wort Christi, wo er sagt: Siehe, ich stehe vor der Tür und klopfe an. Dieses Anklopfen ist zwar noch keine bekehrende Gnade, aber doch etwas, das der wirklichen Bekehrung oft lange vorhergeht, jedoch freilich, nicht immer sie zur Folge hat. Diese Anklopfungen sind etwas allgemeines, und dienen wenigstens dazu, dem Sünder alle Entschuldigung zu benehmen, dass es mit Recht von ihm heißen kann: du hast nicht gewollt. Sie bestehen darin, dass es dem Menschen nahe gelegt wird, er könne bei seiner jetzigen Lebensweise und Gesinnung wohl nicht selig werden, sondern müsse ein anderes Leben anfangen. Er fühlt sich wohl zum Gehör des göttlichen Worts, zum Bibellesen, zum Gebet, zum Abendmahl aufgefordert, wird unruhig, gerät wohl in Angst, empfindet auch wohl einige Freude, und es dünkt ihm was Schönes, ein Christ zu sein, Vergebung der Sünden zu haben und zu wissen, dass man sie hat. Und gewiss werden die meisten von denjenigen, welche in Gegenden wie diese wohnen, wo ein solcher Reichtum und Mannigfaltigkeit von Gnadenmitteln ist, dergleichen Anklopfungen erfahren. Ist es nicht schon in der Katechisation, oder bei einer Konfirmation, so ist es doch wohl in einer Predigt, bei fröhlichen oder betrübten Ereignisse, Krankheiten, Sterbefällen und dergleichen, wo ein Mensch Eindrücke bekommt, die ihn ernsthaft und nachdenkend machen.

Da sollte der Mensch achtgeben, und in dieser seiner Zeit bedenken, was zu seinem Frieden diene. Er sollte das ja nicht in den Wind schlagen, oder diese Eindrücke gar – durch allerhand weltliche Zerstreuungen verwischen, sondern sich in die Stille und ins Gebet begeben und bedenken, dass Jesus selbst vor der Tür steht und begehrt ins Herz gelassen, aufgenommen zu werden; sollte sich Mühe geben, ihm die Tür aufzutun, wo er dann ein köstliches Abendmahl mit ihm halten würde, sollte bedenken, dass, wenn er diese seine Zeit versäumt, er seinem Heil neue Hindernisse in den Weg legt, den heiligen Geist betrübt, ja dämpft, und den Teufel so viel mehr bei sich einnisten lässt. Da ist’s Zeit seine Seligkeit zu schaffen, mit Furcht und Zittern; dem Himmelreich Gewalt anzutun, darnach zu ringen, um durch die enge Pforte einzugehen.

Wohl dem, der’s also beachtet; der macht’s so, der klopft wieder an, dass, und bis ihm aufgetan werde; der spart kein Bitten und Flehen, kein Geschrei und Tränen, sondern will hindurch, und muss hindurch, durch die enge Pforte auf den schmalen Weg, es koste was, und gehe ihm darüber wie es wolle. Jesus erhört ja Gebet und Flehen – und so will er den Herrn so lange anlaufen und anschreien, bis er sich seiner Seele herzlich annimmt, und alle seine Sünde hinter sich zurückwirft.

So ist’s recht. Und da dauerts dann auch gemeiniglich nicht lange, so heißt es zu der also anklopfenden Seele: sieh, ich gebe vor dir eine offene Tür, welche dir niemand zuschließen soll. – Gehört denn auch diese Art des Anklopfens, hauptsächlich zu dem Anfang der Bekehrung, so ist doch im Fortgange derselben jedes Gebet, jeder Seufzer, ein wiederholtes Anpochen, welches bald heftiger, bald leiser, jetzt mit Ungestüm, dann mit Geduld fortgesetzt wird, bis sich endlich alle Türen öffnen, um sich nie wieder zu schließen, und alle Riegel springen, um nie wieder vorgeschlagen zu werden.

Daphka heißt schlagen. Und das Volk Gottes schlägt auch am Ende alle seine Widersacher, mit dem Schwerte des Geistes zu Boden. So sagt David: im Namen des Herrn, will ich sie zerhauen; und eins unserer Lieder spricht:

Und wenn des Satans Heer,
Mir ganz entgegen wär,
Darf ich doch nicht verzagen,
Mit Dir kann ich sie schlagen:
Dein Blut darf ich nur zeigen,
So muss ihr Trotz bald schweigen.

Die Seele kann sich des Worts der Verheißung und der Gnade Jesu Christi, wohl so und dergestalt bemeistern, dass sie mit Paulo sagt: wir überwinden weit in Allem. Den Unglauben schlägt sie mit einem: „es ist ja gewisslich wahr, und ein teuer wertes Wort, dass Jesus Christus in die Welt kommen ist, Sünder selig zu machen,“ dermaßen aufs Haupt, dass er sich in langer Zeit nicht wieder im Felde blicken lassen darf; die Sünde schüttelt sie von sich, wie der Adler den Staub von seinen Fittigen. Ein Mut, wie eines jungen Löwen, wohnt in ihrer Brust und mit einem: Christus ist hier! – bricht sie durch alles durch, bricht hervor wie die Morgenröte, welcher die nächtliche Schatten weichen, schön wie der Mond, auserwählt wie die Sonne, schrecklich wie Heeresspitzen.

Daphka heißt werfen. Sie werden nicht immer geworfen, sondern werfen wieder, und tun wohl daran. Sie werfen alle ihre Sorgen auf den Herrn, in der fröhlichen Gewissheit, dass er für sie sorgt. Will ihnen das Gesetz ihre Sünden – so werfen sie ihm die überschwängliche Bezahlung Christi entgegen. Will die Vernunft ihnen allerlei Schwierigkeiten – so werfen sie ihr die wahrhaftigen Verheißungen vor. Stark in dem Herrn, werfen sie von sich alle ihre Übertretung, womit sie übertreten haben, und machen sie ein neu Herz und einen neuen Geist.

So wendet sich oft das Blatt, weshalb auch die Kirche sagt: Freue dich nicht, meine Feindin, dass ich daniederliege. Ich werde wieder aufkommen, und so ich im Finsteren sitze, so ist doch der Herr mein Licht. Und mag es denn auch gehen, wie es geht, wenn’s nur also geht, wie wir singen:

Lass mich bei einem jeden Schritt,
Nur deinem Heil stets näher kommen.

Wohl euch, die ihr durch eine wahrhafte Buße, von Ägypten ausgegangen seid. Seid ihr denn auch nicht immer in dem angenehmen Elim gelagert, sondern auch zu Daphka – es geht doch auf Kanaan zu. Und da wird’ ich meinen Gott stets loben. Ein Durchbrecher wird vor uns her auffahren, und wir werden durchbrechen. Ihm sei Ehre und Preis! Amen.

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