Krummacher, Gottfried Daniel - Die Wanderungen Israels durch die Wüste nach Kanaan (Sin).

Krummacher, Gottfried Daniel - Die Wanderungen Israels durch die Wüste nach Kanaan (Sin).

Elfte Predigt.

Die Wüste Sin.
Fortsetzung.

4. B. Mos. 33,11. – 2 B. Mos. 16,1.

Noch verweilen wir mit den Kindern Israel in der Wüste Sin, wo wir uns noch lange aufhalten müssen, denn sie ist groß. Es ist eine abscheuliche Wüste, voll Dornen, und bietet nichts von demjenigen dar, was zum Lebensunterhalt erforderlich ist. Wahrlich meine Theuern, die ganze Erde ist mit Bezug auf den Geist, nichts als eine große dürre Wüste. Wir wollen euch dies nicht zu beweisen suchen, die ihr keinen Geist habt, wie der heilige Judas redet. Es mag sein, dass ihr in den Dingen dieser Erde dermaßen euer Genüge findet, dass ihr gerne Gott und seinen Heiligen den Himmel überlasst, wenn er euch nur die Erde überließe, dass ihr stets drin bleiben könntet. Es mag sein, dass ihr im Getümmel dieser Welt, ihren Geschäften, ihren Abwechselungen und Neuigkeiten, ihren Vergnügungen und Reizen, eure Lieblingsspeise findet, weil ihr von der Welt seid. Es mag sein, dass ihr in solcher Zerstreuung und Entfernung von euch selbst lebt, dass ihr von euerm inneren Zustande nichts gewahr werdet und nicht entdecke, wie leer ihr bei dem allen bleibt, welcher Überdruss und Verdruss sich eurer noch oft bemeistert und euch nötigt, zu anderen Zerstreuungen eure Zuflucht zu nehmen, wenn ihr sie haben könnt, oder euch der peinlichsten Langeweile preisgegeben seht. Aber vorsätzlich unbekannt mit dem einigen und wahren Trost, begehrt ihr nichts Höheres und glaubt nicht einmal, dass es ein Höheres gebe, wegen der Blindheit, die in euch ist. – Es ist aber gewiss, dass die Erde mit all ihren Kostbarkeiten für den Geist eine Wüste ist, die ihm die sättigende Speise nicht gibt, die er ersehnt. Was ist es im Grunde betrachtet mit der Welt und allem was drin ist, es mag Namen haben wie es will? Eitelkeit der Eitelkeiten, sagt Salomo. Er sagts, von eigener Erfahrung belehrt, er sagt’s, im Besitz des Höchsten, was die Welt an Herrlichkeit darbietet, und was er sagt, gilt noch stets. Er sagt auch sonst: Gut hilft nicht am Tage der Not, und der Psalmist lehrt mit Recht: einem Könige hilft nicht seine große Macht und die Riesen werden nicht errettet durch ihre große Stärke (sonst würden sie nicht sterben), viele Rosse helfen auch nicht. Es vergeht alles mit einander und es kommt die Zeit, wo es gar nichts gilt, mag jemand reich oder arm sein, oder was er sonst will und kann, sondern wo ganz andere Dinge gelten, die die Erde nicht hat und nicht gibt. Wohl dem, in dessen Sinn und Urteil diese Welt auch nicht anders als eine Wüste gilt und der sich so gut durch dieselbe windet, als es angeht. Wohl dem, der dabei ein anderes Vaterland kennet und sucht und weiß, wie die heiligen Erzväter. – Nein, der Christ ist hier nicht zu Hause und findet hier nicht, was seine Seele sättigt. –

Jedoch, wir wollen ja den Faden da wieder aufnehmen, wo wir ihn neulich fallen ließen. Wir wollen sehen, wie sich das Volk benahm und was Gott tat, welches wir 2. B. Mos. 16. lesen. –

Das Volk benahm sich sehr übel. Es ist wahr, die Not war äußerst groß. Hungersnot hatte sich bei ihnen eingestellt und sie hatten keine Mittel, sich Nahrung zu verschaffen. Sie sahen also nichts als den fürchterlichsten Tod vor sich, es wäre denn, dass Gott selbst hier durchhülfe. Lasst uns Mitleid mit ihnen haben, aber auch bedenken, dass wir unsere Not auch als so groß erkennen müssen, dass wir gewahr werden, wie die gewöhnlichen Mittel nicht hinreichen, und wirklich Gott selbst sich dazwischen legen muss. Er muss mich ziehen – sonst komme ich nicht, er mich lehren, sonst verstehe ich’s nicht, er muss mir Glauben schenken, sonst weiß ich nicht zu glauben, er für mich streiten, sonst siege ich nicht. – Sodann müssen wir auch einen Hunger nach Christo haben, der sich durch nichts sättigen lässt, als durch seinen Besitz und Genuss. Und wohl dem Lande, in welches der Herr einen solchen Hunger sendet. –

Den Kindern Israel fiel hier Ägypten ein, und zwar nicht dessen Plagen, sondern dessen Annehmlichkeiten, seine Fleischtöpfe und sein Brot, dessen sie die Fülle hatten, wie sie sagten. So kam auch dem Assaph in seiner Anfechtung, der Zustand der Gottlosen glückseliger vor, als der der Gottseligen, und der Gedanke fuhr ihm durch die Seele, ob’s denn umsonst sein sollte, dass sein Herz unsträflich lebe? Gideon sagte auch einst: „ist der Herr mit uns, warum ist uns denn solches alles wiederfahren,“ und wusste es nicht zu reimen, wie es ihnen also ergehen könnte, wenn der Herr wirklich mit ihnen wäre. Wie hat’s den Christen schon im Ganzen gegangen und wie viel Ursache hatten sie, mehrmals mit Paulo zu sagen: „wir werden für Schlachtschafe geachtet.“ Die abscheulichen Tyrannen sprangen ganz nach ihrer grausamen Willkür mit ihnen um, wie wenn Wölfe in den Schafstall brechen. Die grausamste Martern und fürchterlichste Todesarten wurden für sie ersonnen, so dass der Herzog Alba in den Niederlanden es als eine große Wohltat wollte angesehen wissen, dass er die sogenannten Ketzer, wenn sie ihre Ketzerei abschwuren, nur wollte enthaupten lassen, und glaubte eben dadurch den Himmel verdient zu haben, dass er 80000 auf diese Weise hatte hinrichten lassen. Wie lange mussten sie oft in den Kerkern schmachten, ehe man sie ums Leben brachte, und wie viel Anlass hatten sie also nicht zu Gideons Frage! Ihre Widersacher schwammen indessen oben und herrschten. Darf man sich da verwundern, wenn einige weich wurden, wenn sie abfielen und wenigstens eine Zeitlang nach Ägypten umkehrten? – Einzelne Christen erleben auch wohl so harte Schicksale, dass sie sich versucht fühlen, die Gottlosen für glücklicher zu preisen als sich selbst. Es kann ihnen alles so verdunkelt werden, dass sie sich der empfangenen Gnade, nicht nur nicht erinnern, sondern auch keinen Weg sehen, dazu zu gelangen. Ging’s nicht mit Hiob so weit, dass er wünschte lieber nicht geboren zu sein? Freilich hat ein Christ alle Ursache, sich die Hitze nicht befremden zu lassen, die ihnen wiederfährt, dass sie versucht werden, als wiederführe ihnen etwas Seltsames; aber es kommt ihnen doch oft seltsam und befremdend genug vor. Müssen denen, die Gott lieben, alle Dinge zum Besten dienen, so liegt darin allerdings eine ausnehmende, aber auch zugleich gar keine Sicherheit vor irgendetwas, eben weil ihnen alles dienen muss. Oder geben wir dadurch dem Wörtlein „alle Dinge“ eine zu weite Bedeutung? –

Die Kinder Israel wünschten, wenn es ja nicht anders sei dass sie sterben müssten, dass sie denn doch auf eine andere Weise und schon in Ägypten gestorben sein möchten. Hatten sie denn wohl unrecht? Ist der Hungertod nicht die schrecklichste Art zu sterben? Freilich sollen wir unserem eigenen Willen absagen und Gott schalten lassen. Aber das ist leichter gesagt als geübt. Man komme nur in Fälle, wo wir unseren lieben Isaac, unseren lieben Eigenwillen schlachten und opfern sollen, so werden wir gewahr werden, wie leicht oder schwer das ist. Fing doch Jesus selbst an, darüber Blut zu schwitzen. Wollten die Kinder Israel allenfalls wohl sterben, nur so nicht – so liegt’s uns ja auch sehr nahe, dass wir wenigstens die Art von Leiden nicht gerne übernehmen möchten, wenn wir gleich nicht ganz prätendieren, von allen Leiden befreit zu bleiben. Aber wäre es nur das nicht. Paulus möchte vielleicht auch lieber zehn andere Kreuze erduldet haben, als den Pfahl im Fleisch. Aber es ist die Wahl nicht uns überlassen. Ein Wundarzt weiß besser als sein Patient, wo und wie tief er ihn schneiden soll. Und das Kreuz ist dennoch gut, obgleich es wehe tut; das soll es auch und eben dadurch seinen Zweck erreichen. – Es braucht auch gerade nicht so etwas sonderliches zu sein, was wehe tun soll. Oft kann etwas wirklich Großes, mit vieler Leichtigkeit, und etwas Geringfügiges mit großem Beschwer getragen werden, je nachdem eine Seele es aufnimmt und unterstützt wird. Hiob empfängt die entsetzlichsten Schläge mit bewundernswürdiger Gelassenheit, nachher verlässt ihn diese auf eine ausnehmende Weise, woraus man ja schließen kann, dass ihm noch etwas schmerzhafteres begegnet sein müsse, als jenes sichtbare war. – Wir sind auch nicht immer im Stande, einzusehen, wozu gerade dies und jenes dienen müsse und solle, haben dann aber auch eine desto schönere Gelegenheit, mit Hiob zu sagen: ich will meine Hand auf meinen Mund legen, und nach Lämmer Art und dem Vorbilde Christi, zu verstummen und unseren Mund nicht aufzutun.

Die Kinder Israel äußeren auch das ärgste Misstrauen gegen Mosen und seinen Bruder Aaron. Sie beschuldigen sie des bösesten Vorsatzes, als ob sie sie nur in der Absicht hergeführt hätten, sie durch Hunger zu töten. Konnten sie etwas Unsinnigeres äußeren? Hatten die denn etwas zu essen, und würden sie nicht eben so gut haben umkommen müssen, wie alle Übrige? Aber sagt nicht Jesus ausdrücklich, Unvernunft sei auch eins von den bösen Stücken, die aus dem menschlichen Herzen gehen? Diesen Namen verdient aber auch jeder Gedanke und jede Äußerung, die dem Wort Gottes nicht gemäß ist. Und wie voll Unvernunft ist dann die Welt, sind die meisten Bücher, sehr viele Predigten und unser Herz! Wir wollen das nicht ausführlich dartun, wann würden wir fertig werden? Nur das wollen wir bemerken: 1) dass Christus allein die Wahrheit ist und alle Wahrheit aus ihm in uns übergehen muss. 2) dass sich in den meisten Einwendungen heilsbegieriger Seelen, sehr viel Unvernunft hervortut. Dieser geht krumm und gebückt, weil er sein Sündenelend so lebhaft fühlt, und sagt doch zugleich, es sei höchst nötig dies zu fühlen; jener seufzt und jammert, dass er so in der Dürre wandeln müsse, und sagt doch, Jesus müsse uns unentbehrlich werden usf.. – Das Misstrauen, was die Leute äußeren, ist sehr tadelnswert und unbillig. Es war weder die erste noch die größte Not, worin sie gesteckt hatten und woraus sie erlöst waren. Dasjenige, was sie am roten Meer erlebt hatten, war viel bedeutender. Da hatten sie Gott als einen solchen kennen gelernt, an dem nicht zu Schanden werden, die auf ihn hoffen, und der Wunder tut. Warum denn nicht auf ihn vertraut? Warum ihm denn nicht alles gelassentlich übergeben? Er hat ihnen versprochen, sie nach Kanaan zu führen. Er wird das auch Wort halten. Wissen sie nicht, wo sie Speise hernehmen sollten, so wussten sie auch nicht, wie sie durchs rote Meer kommen sollten – und kamen doch hindurch. Gottes Wissen ist ebenso unbegrenzt als seine Macht. Und es ist den Kindern Israel nicht zu viel zugemutet, wenn man von ihnen verlangt, sie sollten dies beherzigen. Freuen hätten sie sich billig sollen über ihren Mangel, über ihre Ratlosigkeit, weil beides dem Herrn Gelegenheit gab, zu beweisen, dass sein Beides ist, Rat und Tat. Aber nichts von dem allen. Sie tun, als ob kein Gott wäre, oder als ob er nicht helfen könnte. – So ist die menschliche Natur voll Misstrauen. Wo die natürlichen Augen nicht mehr sehen, und die Hände nicht greifen, da tritt dasselbe hervor; das ist sehr jämmerlich und sträflich zugleich. –

Aber machen wir’s denn von Natur besser? Dem natürlichen Menschen gilt Vertrauen auf Gott, als eine Art von Aberglauben, was er dadurch noch wohl rechtfertigen will, dass er sagt: Gott tue keine Wunder mehr. – David hatte schon so manche Errettung aus Sauls Händen erfahren, hatte die Verheißung, er solle König werden, und sprach doch in seinem Zagen: ich werde noch eines Tages in die Hände Sauls fallen. Abraham geriet in Sorgen, er möchte getötet werden, da er doch den verheißenen Sohn noch erst haben sollte. Niemand drückt aber das natürliche Misstrauen des Menschen kräftiger aus als Hiob, wenn er Cap. 9,16. sagt: wenn ich ihn schon anrufe und er mich erhört, so glaube ich doch nicht, dass er meine Stimme hört, als wollte er sagen: wenn ich auch um etwas bitte und bekomme es, so glaube ich doch noch eher, dass es zufällig geschehe, und sich auch ohne mein Gebet so zugetragen haben würde, als dass ich darin eine göttliche Gebetserhörung erkennen sollte. Dies geht weit; aber so ist unsere Natur. Kein äußerliches Mittel ist auch im Stande, dies Misstrauen auszurotten, sonst würden die Juden ja, um der vielen unleugbaren Wunder willen, die Jesus tat, haben glauben müssen. Aber dann muss unser Herz selbst geändert und erneuert werden, damit an diesem guten Baum, auch die gute Frucht des Vertrauens wachse. Man hat ja auch nicht selten gesehen, dass Seelen, welche die kräftigste Versicherung ihres Gnadenstandes gehabt haben, nachher aufs heftigste darüber sind angefochten worden, und ihnen alles wieder verdächtig gemacht wurde, was ihnen doch so nachdrücklich war versiegelt worden. In deinem Lichte sehen wir das Licht, sagt David. Mag es am Tage noch so helle scheinen, so kann doch die Nacht, eine solche Dunkelheit haben, als wäre gar kein Licht da. Wer nun eine unwandelbare Sicherheit begehrt, muss sie in dem Gott Amen suchen; denn es ruht der Mut in Christi Blut, und nicht in unseren eigenen Ständen. –

So benahm sich das Volk, das sich dadurch strafwürdig machte. Allein obschon Moses auf sie ihr sündliches Betragen aufmerksam machte, so ließ der Herr es sie doch nicht entgelten. Er hatte sie in diese Not geführt, um die Herrlichkeit seiner Macht im Helfen zu offenbaren. Denn Gott sagte, er wollte ihnen Brots die Fülle regnen lassen und ihnen Fleisch dazu geben. Letzteres bekamen sie auch am selbigen Abend, da eine unsägliche Menge von Wachteln sich unter dem Heere niederließ, die sich schlachten und essen konnten. Brot fanden sie am anderen Morgen, welches von ihrer Frage: manhu, was ist das? den Namen Manna bekam. Man hat noch Manna, und trifft es insbesondere in jenen Gegenden an, wo damals die Kinder Israel reisten. Allein dies Manna ist kein Nahrungsmittel, sondern ein Arzneimittel, welches eine abführende Eigenschaft hat, sonstiger merkwürdigen Unterschiede jetzt nicht zu gedenken. Die Israeliten fanden das Manna des Morgens früh um das Lager her, sobald der Tau weg war. Es hatte sich gegen die Morgenzeit still und ohne Geräusch herabgesenkt, und bildete kleine, perlenweiße Körnlein. Es fiel die sechs Wochentage vom Himmel, aber am Sabbat fiel es nicht. In den Werktagen hielt es sich nicht bis zum folgenden Tage, was aber am Freitag gesammelt wurde, hielt sich auch den Sabbat über. Wollen wir dem Buch der Weisheit glauben, so schmeckte das Manna so, wie jemand wünschte, dass es schmecken möchte. Gewiss ist’s nach der Schrift, dass zwar der eine viel, der andre wenig sammelte, wenn mans aber maß, fand der nicht drüber, der viel gesammelt hatte und der nicht drunter, der wenig gesammelt hatte, sondern ein jeder hatte gesammelt, so viel er für sich essen mochte. Dieß zu erklären, müsste man entweder ein neues Wunder anerkennen, das jedem sein Maß gab, so dass dem Habsüchtigen seine Habsucht nicht nutzte, dem Unfleißigen sein Unfleiß nicht schadete. Richtiger ist’s aber ohne Zweifel, wenn wir annehmen, die ganze Masse des eingesammelten Mannas, sei zu gewissen Personen gebracht worden, die dann einem jeden ein Gomor zumaßen, so dass alle gleich viel bekommen. So fasst es auch Paulus 2. Kor. 8. auf, worauf er die Bemerkung gründet, dass des Einen Überfluss, des Andern Mangel abhelfen solle. Für jeden, er mochte jung oder alt sein, ward ein Gomor gemessen, welches mehr war, als die meisten zu ihrem Unterhalt bedurften. Es war zwar nur die einzige Speise, welche die Kinder Israel hatten; aber sie war nicht nur für alle genugsam, sondern auch für alle angemessen und gesund. Sie eignete sich so gut für kleine Kinder als für Erwachsene, sowohl für Kranke als Gesunde. – Aber auch in Absicht dieses Manna, versündigten sich verschiedene bald. Dies taten teils diejenigen, welche es auch am Sabbat suchten, jedoch freilich nicht fanden; teils taten’s diejenigen, welche sich was für den folgenden Tag aufbewahren wollten. Dazu konnte sie nichts bewegen als Habsucht, welche immer mehr haben, und sich an dem heutigen täglichen Brot nicht begnügen will, und Unglaube. Es schien klug, sich auch mit einigem Vorrat für die Zukunft zu versehen, weil man von der göttlichen Verheißung abgesehen, nicht wusste, was es morgen und übermorgen geben konnte, ob der seltsame und gar nicht natürliche Regen nicht ausbleiben würde. dann waren sie gedeckt. Beides entspringt aus der Abneigung, ein von dem Herrn abhängiges Leben zu führen, sondern für sich und von sich bestehen zu können, welches ja auch die Absicht der ersten Sünde war, woraus alle übrige entstanden ist. Gott gewöhnt und befähigt sein Volk nach und nach zu einer ganz entgegengesetzten, das heißt, zu einer von dem Herrn ganz abhängigen Lebensweise. Er hätte es mit dem Manna wohl anders einrichten können, dass es sich für längere Zeit hielt. Er wollte es aber ausdrücklich so und nicht anders haben. Es sollte sich bloß am Sabbat aufbewahren lassen, und sonst an keinem anderen Tage. Ja das Manna, welches in einem goldenen Kruge ins Allerheiligste gesetzt wurde, hielt sich mehrere Jahrhunderte hindurch. Was konnte die göttliche Absicht, bei dieser Einrichtung wohl anders sein, als sein Volk zu einem nackten Vertrauen auf ihn selbst, seine Macht, Güte und Treue anzuleiten? Jeden Abend waren sie alle ebenso arm, wie sie’s Tages vorher gewesen waren, und ebenso ratlos. Sie sahen sich dadurch genötigt, auf Gott zu hoffen, und es auf ihn zu wagen. Verstanden sie dies, so waren sie überaus glücklich. Sie hatten keine sonderliche Mühe mit dem Sammeln, - und mit dem Aufbewahren und Fortschaffen gar keine; der Sorge waren sie ganz entledigt, denn Gott sorgte auf die augenscheinlichste Weise für sie. Ihre fortwährende Armut konnte ihnen ein Vergnügen machen, weil der Herr dadurch Gelegenheit hatte, seinen Reichtum an ihnen zu erweisen.

Doch diese Seelengestalt forderte Gott nicht bloß von seinem Volke Israel, sondern fordert sie noch. Selig sind, die da geistlich arm sind, denn das Himmelreich ist ihr. Mit diesen Worten fängt Christus seine Bergpredigt an, und im Fortgange derselben sieht man deutlich, dass er sie hervorbringen will. Er tut die erstaunlichsten Forderungen, als z.B.: wenn man auf den einen Backen geschlagen würde, solle man den anderen auch darbieten; wer zween Röcke habe, der gebe dem, der keinen hat; wenn jemand mit dir rechten will und deinen Rock nehmen, dem lass auch den Mantel; wenn man gebe, so soll man die Linke nicht wissen lassen, was die Rechte tue; wer jemanden nur ansehe, sein zu begehren, der hat schon mit ihm die Ehe gebrochen in seinem Herzen – und sagt dann zuletzt: wer diese meine Rede hört und tut sie, den vergleiche ich einem klugen Manne, der sein Haus auf einem Felsen baute. Da nun ein Platzregen fiel, und ein Gewässer kam und wehten die Winde und stießen an das Haus, fiel es doch nicht, denn es war auf einem Felsen gegründet. Und wer diese meine Rede hört und tut sie nicht, der ist einem törichten Manne gleich, der sein Haus auf den Sand baute. Da nun ein Platzregen fiel, und kam ein Gewässer und wehten die Winde und stießen an das Haus, da fiel es und tät einen großen Fall. – Geht’s uns dabei nicht wie denjenigen, die ein geringes, oder auch gar kein Vermögen besitzen, nun aber mit Schuldforderungen, die sich in die Tausende belaufen, überfallen, und eben dadurch von ihrer Unzulänglichkeit, aufs nachdrücklichste überzeugt werden? Das ist auch die nächste Absicht Jesu, bei seiner Predigt, und es ist wohl nicht ohne Absicht, dass gleich in dem auf die Bergpredigt folgenden Kapitel, die Geschichte mit dem Aussätzigen erzählt wird, der sich mit der Bitte an Jesum wandte: „Herr, so du willst, kannst du mich wohl reinigen“ – als sollte uns dadurch der Weg gewiesen werden, welches durch die darauf folgende Geschichte, von der Heilung des Knechts des Hauptmannes, noch mehr bestätigt wird. –

Arm also muss man werden, damit man den unausforschlichen Reichtum Christi erfahre. – Aber es geht doch auch im Fortgange nicht so, wie mans sich wohl im Anfange dachte. Denn was stellt man sich, besonders nach dem ersten Genuss der Friedensgaben anders vor, als man werde nun immer stärker werden, und meint wohl, wen Herrn Jesum künftig immer weniger zu brauchen, ihm immer weniger beschwerlich werden zu dürfen. Man gedenkt aus einem schwachen Kinde, mit der Zeit zu einem starken Manne heranzuwachsen, und freut sich im Voraus darauf, was man noch alles ausrichten werde, wenn man nur erst ein wenig festern Fuß werde gefasst haben. –

Man findet es aber nachgehend’s viel anders: dass es nicht vom Wandeln zum Laufen, vom Laufen zum Auffahren mit Flügeln, wie der Adler kommt, sondern sich ganz umgekehrt gestaltet. Arm, ärmer, am ärmsten. Stets gleich arm, auf einen stets gleichreichen Jesum geschaut. Nicht auf etwas eigenes, sondern auf ihn gestützt. Jeden Morgen mit einem leeren Kruge hinaus vor das Lager, neues Manna zu sammeln.

Um dieses Manna hat es auch noch eine geheimnisvolle, vorbildende Bedeutung, wovon wir Joh. 6. lesen. –

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