Krummacher, Gottfried Daniel - Briefe an einen Freund - 2. Brief

Krummacher, Gottfried Daniel - Briefe an einen Freund - 2. Brief

Schon wieder einen Brief, werden Sei vielleicht sagen! Ja, schon wieder einen, denn wir sind ja Landsleute, und wie N. mir schreibt, sind Sie aus der nämlichen Provinz, wo ich her bin; jede Provinz hat ihren eigenen Dialekt, und wie freut man sich, wenn man im Ausland einen findet, mit dem man in seinem eignen Dialekt reden kann, und so rede ich gern mit Ihnen, lieber Bruder, und möchte gern ganz mit Ihnen zusammenfließen. Jetzt werde ich nicht klagen, sondern müßte, wenn nicht in meinem Busen ein steinernes Herz schlüge, Psalmen singen. Ja, der Herr Jesus ist gut, ist auch mir unaussprechlich gut, anders weiß ich nun nichts. Helfen Sie mir danken! Doch was ist Dank? O, fühle es meine Seele, das ist Dank, wenn man willig ist, aller seiner unermeßlichen Bosheit ungeachtet, sich dennoch dem Herrn Jesu zu übergeben und sich ihm wirklich übergibt, damit er auch über mich triumphiere, über seinen bittersten Feind, wenn ich aus seinen Händen Weisheit, Gerechtigkeit, Heiligung, Seligkeit, Frieden, der alle Vernunft übersteigt, annehme. O, fühle das, meine Seele! Herr, laß mich dies schmecken, doch nicht völlig, sonst vergehe ich! Ist auch je in eines Menschen Herz gekommen, daß Christus ein solcher Wohltäter ist, der das Dank nennt, den Dank fordert, daß wir nur immer mehr, immer völliger, immer freimütiger aus seiner Fülle schöpfen? Würde je ein Sünder es wagen, einen solchen Gedanken zu denken, wenn Gott es nicht gesagt hätte? Den Jehova - unter dem süßen Namen Jesus kennen, am Kreuze für mich sterben sehen, wer ruft nicht aus: „Gib mir eine Ewigkeit um dir zu danken!“ Welch' eine Würde ist das, ihn verkündigen zu dürfen, höher ist sie als eine Krone! Welch' eine Schmach tun wir ihm an, wenn wir uns des Glaubens weigern! O, Gottlob, daß er eine Gottesgabe ist, daß es sein Werk ist, das angefangene, von ihm allein angefangene Werk zu vollführen, daß nichts von mir gefordert wird, nichts, was es auch heiße, sondern daß alles, alles geschenkt wird. O, Bruder, wie habe ich's gelernt, daß weder der Donner vom Sinai, noch die Flammen der Hölle, noch die ganze Ewigkeit des Zornes, noch der angebrochene Gerichtstag, noch die sanfte Stimme seiner Gnade mich lehren und bewegen kann, Jesum anzunehmen, sondern allein der Geist Jesu Christi. Drum ist uns nichts übrig, als zu rufen: Zeuch mich, zeuch mich! Ja, auch das kann und will ich nicht beten ohne den Geist Jesu Christi. Er, er muß mir dazu Willen, Lust und Kraft geben. Ohne ihn kann ich nichts und will ich nichts, als Böses, als Satanisches.

O, lieber Bruder, Sie sehen es ja nicht ungern, wenn ich Ihnen mein Herz - nun das war wieder sehr dumm, o, du boshaftes Herz, von Jesu willst du mich ablocken, und mir weis machen, als müßte ich einen seiner Freunde bitten, er soll einen andern Freund Jesu anhören, sich selbst anhören? Ach, wie die Flatterhaftigkeit uns so oft beschleicht! Nun ist wahrlich alles weg, ich kann nun nichts mehr sagen: „Ach, Herr Jesu, nimm mich wieder!“ Bald will falsche Scham die Feder und das Herz festhalten, bald sogar Furcht, etwas zu sagen, was dem andern mißfällt, bald ein Ausdruck, bald falsche Demut, doch ja nicht zu viel von dem zusagen, was Jesus tut und kann, bald sogar Besorgnis, mich in Mißkredit zu setzen. Wer kann mein Herz erforschen? Ich kann es, spricht der Herr. Ich schäme mich wirklich als vor mir selbst, aber das ist auch nichts. Mit alle dem Aussatz müssen wir uns nur unter das Kreuz Christi legen, kann er ihn an uns dulden, nun - nun so müssen wir's auch wohl. Ja, wer kann sich ausreden, wenn man aus dem vollen Herzen redet. Hören Sie mal, lieber Bruder, jetzt gar mir mein leiblicher Bruder Anlaß, Gott Ihretwegen zu danken, da er sagte, Sie hätten sich so weise in Duisburg benommen. Ach, es tut einem so gut, wenn natürliche Menschen so reden müssen; und das gibt einem neuen Mut, in allem dem Herrn zu trauen, daß er uns nicht im Stich läßt.

Quelle: Krummacher, G. D. - Gesammelte Ähren

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