Kohlbrügge, Hermann Friedrich - Predigt über Ebräer Cap. 1, Vers 13 und 14.

Kohlbrügge, Hermann Friedrich - Predigt über Ebräer Cap. 1, Vers 13 und 14.

Gesang vor der Predigt:
Lied 254, Vers 8-10.

Was ist, das mir nun schaden könnt, So schädlich es auch scheinet? Mein Vater, der vor Liebe brennt, Und es nie böse meinet, Macht selbst die Leiden dieser Zeit Zu Mitteln hoher Seligkeit, Daß sie zum Besten dienen.

Nun darf ich frei zum Gnadenthron Zu allen Zeiten treten, Zu dir, als Kind, durch deinen Sohn Im Glauben kindlich beten. Nun werd ich aller Sorgen los, Wenn ich in deinen Vaterschoß Mein ganzes Herz ausschütte.

Wenn mir was fehlt, so sag ichs dir; Dann kann mir gar nichts fehlen. Wenn mich was trifft, so hilfst du mir, Ich brauch mich nicht zu quälen. Bin ich dein Kind, o süßes Wort! So bin ich auch mit Christo dort Ein Erbe deines Reiches.

Zwischen-Gesang:
Psalm 35, Vers 5.

Es spreche jedes Glied an mir: Mein Herr und Gott! wer gleichet dir? Wer kann, wie du, elende Schwache Zu Siegern über Stärke machen? Du rettest, wenn der Räuber droht, Den Hülfsverlegnen aus der Noth. Herr, du gibst meiner Seele Ruh! O, wer erbarmt sich so, wie du?

Wie herzerhebend, wie trostreich, wie ganz im Einklang mit der Erfahrung aller Aufrichtigen ist die Predigt, welche uns der Apostel Paulus in dem 12. Verse unseres Capitels aus dem hundertzweiten Psalm hält! - O, alle diese schönen Himmel, in welchen wir nicht Gott, nicht Christum, nicht die Gerechtigkeit, nicht die wahrhaftige Heiligung und Reinigung, sondern uns selbst, Engel, Heilige, Werke und eine Seligkeit nach unserm Willen und Begehren suchen: wie veralten sie wie ein Kleid, wie wandelt sie der Herr wie ein Gewand! Sie vergehen und sind vergangen, wie dermaleinst die sichtbaren Himmel mit der Erde vergehen werden nach Petri Wort, 2 Petri 3, 7. Die Himmel der Stiftshütte, die Himmel eines Salomonischen Tempels, die Himmel des „Thue das“ verschaffen Einem keine Ruhe; sie rufen es einem Jeden vielmehr zu: In uns ist es nicht zu finden, was die Leere und Lücke des Herzens ausfüllen kann; die berühmte Pflanze, welche deinen Tod wegnimmt, wächst nicht hier; wir können mit dem Elenden nicht mitempfinden und den zerbrochenen Geist nicht heilen! Wie wahr wird es, was der Herr zu allen seinen Erwählten sagt: „Es werden wohl Berge weichen und die Hügel hinfallen“. Aber Er, der uns erst gekannt, erst geliebet hat: er ist stehengeblieben, wo Alles wankte, Alles hinfiel, und wie er auch zuletzt wird stehen über unserm Staub, so ist er den ganzen langen Weg, welchen wir bereits durch die Wüste haben abgelegt, stehen geblieben, uns aufzuhelfen, so oft wir in unserm Elende, Jammer und Noth zu seinen Füßen lagen und um Heil, um Trost, um Erbarmung schrieen. Wie oft wir auch arge Gedanken von ihm gedacht haben: er ist stets derselbige; treu bei aller unserer Untreue, hat er sich selbst darin nicht verleugnen können, daß all sein Thun gewesen ist, wie sein Name. Als einen zuverlässigen, reichen und mächtigen Bundesbürgen, als einen unermüdeten Fürsprecher und Besorger aller unserer Sachen und Anliegen hat er sich bis auf diese Stunde seinem Volke bewiesen. In jeder Noth, Angst und Gedränge haben wir ihn stets denselben gefunden. Er hat uns nie etwas vorgerückt: stets war er derselbige gute, gerechte, leutselige, freundliche Heiland, stets der barmherzige Hohepriester. Hatten wir keine Weisheit: er wollte unsere Weisheit sein; keine Gerechtigkeit, keine Stärke: wir haben sie stets in ihm gefunden. Sein Blut hat uns bis auf heute gereiniget von allen unsern Sünden; auch war seine Hand nie verkürzt um uns zu helfen. Wie manchmal gingen wir durch das Thal der Schatten des Todes, und wie hat er uns in diesem Thale bewiesen, daß seine Jahre nie aufhören, daß er wahrlich der Born, Inhaber und Spender ewigen Lebens ist und darum auch bei solchem ewigen Leben die auf ihn Vertrauenden zu erhalten weiß. - So haben wir, die seinen Namen anrufen, es in jeder Hinsicht erfahren, daß Alles, was in Jesu Wahrheit ist, mächtiger ist denn alles Widerspiel, daß wir wahrlich an unserm Herrn einen großen Gott und Erretter haben, und darum unser Heil und unsre Seligkeit ja nicht irgendwo sonst, ja nicht bei Engeln oder Heiligen, ja nicht in einem eigenwilligen himmlischen Wandel suchen sollen: sondern, wie wir denn nichts anderes als Menschen sind, so sollen wir auch Menschen bleiben, die aber ihr Heil und Seligkeit lediglich bei dem Mittler Gottes und der Menschen, bei dem Menschen Jesu Christo, als unserm von Gott verordneten Herrn und Heiland finden können.

Auf solchen Trost der Erfahrung, bestätiget von dem Apostel mit allerlei Aussagen der prophetischen Schrift, wollen wir in dieser Morgenstunde den Schlußstein legen, auf daß von allen Seiten unser Herz fest geworden sei in der Gnade und im Glauben an den einzigen Namen, der unter dem Himmel den Menschen gegeben ist, daß wir durch denselben selig seien.

Text: Ebräer Cap. 1, Vers 13 u. 14.
Zu welchem Engel aber hat er jemals gesagt: Setze dich zu meiner Rechten, bis ich lege deine Feinde zum Schemel deiner Füße?
Sind sie nicht allzumal dienstbare Geister, ausgesandt zum Dienst, um derer willen, die ererben sollen die Seligkeit?

Ich sage es nun noch einmal, daß diejenigen, welche Christo mit wahrhaftigem Glauben anhangen, auch in ihm Alles haben, was zu ihrem Heil und ihrer Seligkeit vonnöthen ist. Ich predige es mit aller Freude: Es ist in keinem Andern Heil! Eine jede schüchterne Seele darf in die Hände klatschen und bei dem Vernehmen dieser Worte laut aufjauchzen: „Ist Gott für uns, wer mag wider uns sein! Die Krone, gekauft mit dem Blute Gottes, kann mir nicht entgehen; wir sind des Sieges gewiß! Nichts kann uns scheiden von der Liebe Gottes, welche in Christo Jesu ist!“ Es waren doch die verlesenen Worte für die Ebräer ganz geeignet, sie über Alles hinwegzusetzen. Solche Worte sind es auch für uns. Und es ist ein mächtiger Beweis der Liebe Gottes, daß er durch seine Boten uns solche Worte bringen läßt, welche jegliches Bedenken, sich ganz auf den Herrn zu verlassen, zu ihm allein die Zuflucht zu nehmen, aus dem Wege räumen.

Hier haben wir des Herrn Ausspruch zu unserm Herrn, zu unserm von ihm erhöhten Mittler, nach welchem ihm alle seine Feinde unter die Füße gelegt werden, und sein Fuß den Feinden also auf den Nacken gesetzt wird, daß ihre Niederlage seine Ruhe erhöht, nicht anders als wie ein Schemel unter den Füßen Einem das Sitzen um so bequemer macht. Nach diesem Ausspruche wird er sodann hingestellt als Genosse des Reiches, der Kraft, der unendlichen Macht, Majestät und Herrlichkeit Gottes. Diesen Ausspruch nimmt der Apostel aus dem hundertzehnten Psalm, und indem er diese Majestät des erhöhten Mittlers betrachtet und deß inne ist, wie Christus das Reich und die Herrlichkeit von dem Vater bekommen hat, zum Guten Aller, die an ihn glauben zum ewigen Leben: wird er auch deß inne, wie alle Feinde dieses Reiches von Gott selbst seinem Christo unterthan gemacht werden.

Da gehen der fünf und vierzigste und hundertzweite Psalm auf in den hundertzehnten. Alles, was in dem Himmel geschieht, geschieht und geschah zum Heile und Seligkeit der Auserwählten. Die Throngeister alle beugen sich vor dem Stuhle des Lammes; Teufel, Tod, Sünde, Hölle und Welt werden unter des Lammes Füße gelegt; Solches geschieht von dem Herrn. Die Gemeine ist in ihrem Mittler erhöht zu Königen, Herren, Herrschern und Gewaltigen des Lammes; und die Throne, Herrlichkeiten, Herrschaften und Gewaltigen im Himmel sind bestimmt, der erlösten Gemeine, der streitenden Kirche hienieden, als Solche zu dienen, und werden dazu von dem Throne des Lammes ausgesandt.

Er, der hier spricht, ist Jehovah der Herr, ist Gott, aus dem und zu dem alle Dinge sind, Gott der Vater, der nach dem ewigen Rathe seines Willens, zum Preise seiner herrlichen Gnade, uns, da wir gänzlich von ihm abgekommen waren, wieder angenehm gemacht hat in seinem geliebten Sohne, uns erwählet hat in ihm, ehe der Welt Grund geleget war, heilig und unsträflich vor ihm zu sein in unserer Wiedervereinigung mit ihm in Christo; in welchem er uns auch verordnet zu seinen Kindern um seines einzigen, heiligen Kindes willen, und hat uns in diesem Sohne völlige Erlösung durch dessen Blut zu Theil werden lassen nach dem Reichthum seiner Gnade. Ein solcher Vater, der, da die Zeit erfüllet war, seinen Sohn für uns Alle dahin gab um unserer Sünden willen, ihn aber auch auferweckte um unserer Gerechtigkeit willen, hat in dessen Auferweckung für seine Gemeine eine Kraft des Wohlgefallens gelegt, welche er seinem Gesalbten zu unserm Heile und Seligkeit, zu unserer Lebendigmachung, Rechtfertigung, Heiligung und vollkommenen Erlösung auch behauptet. Wie er seinen Christum und seine Gemeine mit Schmuck umhangen hat, so soll es ihm und ihr auch in solchem Schmuck gelingen. Er, zu dem hier geredet wird, ist unser Herr, der uns Gotte gekauft hat mit seinem Blute aus allen Geschlechtern, Völkern und Zungen, der uns sich erworben hat zum Volke seines Eigenthums; es ist unser König, der uns von Israels Gott gegeben ist, unser Schutz und Schirm, unsere Gerechtigkeit und unser Leben; es ist derjenige, der vom hohen Himmel kam und lag in dem Schoße einer Jungfrau rein und zart, wurde unseres Fleisches und Blutes völlig theilhaftig. Als ein in Fleische Gekommener that er den Willen Gottes, machte durch seine Kenntniß uns gerecht, erlösete uns durch seinen Tod von dem, der des Todes Macht hat, und brachte uns wieder zu Gott, da er als unser Bürge für uns eintrat, mit seinem Blut in's Heilige ging und eine ewige Versöhnung fand. Es ist unser Herr, der Herr aus dem Himmel, der zweite Adam, der uns in sich aufnahm, und als Solcher getödtet wurde am Fleisch, auf daß er, lebendig gemacht am Geiste, auch uns mit sich am Geiste ewig lebendig hätte. Es ist unser erhöhter Mittler und Ausrichter des Bundes einer ewigen Gnade.

Dieser hat von dem Vater ein Reich bekommen, das Reich der Gnade und der Gerechtigkeit, den Armen und Elenden, die zu ihm schreien, zum Recht zu verhelfen, daß ihre Seelen errettet seien von Zorn und Verdammniß, von Sünden und Schuld, von Fluch und Strafe, von Tod und Hölle; auch errettet seien aus jeder Noth und von allem Trug und List aller ihrer Todfeinde.

Er schämt sich nicht uns Brüder zu heißen; hat sich mit uns unzertrennlich verbunden; was er hat, sollen wir auch haben; wir sollen mit ihm das Reich haben, mit ihm herrschen, ewig durch ihn vor seinem Gotte und dem Vater leben und florieren, Könige und Priester sein; sein Gott soll unser Gott sein, sein Vater unser Vater, seine Gerechtigkeit unsere Gerechtigkeit, seine Freude unsere Freude, seine Seligkeit in dem Paradiese seines Gottes unsere Seligkeit ohn Aufhören.

An unserer Stelle hat er Sünde, Schuld und Strafe getragen und bleibt unser Stellvertreter. Um unsertwillen will er dem Tode ein Gift sein und der Hölle eine Pestilenz.

Sein Reich ist aber ein wunderbares Reich; es gleicht einem großen Kranken- und Armenhause, einem Lazareth, einem Waschhause, einer Badeanstalt; - sein Amt scheint mehr das eines Arztes, als das eines Königes zu sein. Alle, die unter seinem Scepter leben, alle seine Unterthanen sind an und für sich die Allerelendesten, sind arme, schwache, gebrechliche Leute, ein Auswurf der Welt, und er hat mit ihnen nur Mühe und trägt die Last und Sorge aller dieser Unterthanen allein, so daß ihm Niemand hilft. Seine Rechte hilft ihm, und sein Blut uns. Er macht gesund mit Gnaden und bedeckt mit Liebe. - So regiert er. Er lehrt seine Unterthanen ein Lied singen, und dieses Lied ist wohl schwach in ihrem Munde; aber wenn es erschallt, so wird es zu einem mächtigen Donner, zu einem Alles zerschmetternden Hagelschlag; es erhebt sich und wird zum Sturmwinde, welcher alle hohen Bäume fällt und alle Paläste und widerstehende Mauern zu Boden wirft.

Ein solches Regieren hat der Feinde eine Unzahl. Diese Feinde zittern vor Wuth, daß sie von einem so guten Könige verworfen werden, dem sie die Gerechtigkeit und die Ehre lassen müssen, daß Er aus Reichsrebellen, aus Schächern, aus Huren und Zöllnern, aus Solchen, die in großen und schweren Uebertretungen gesteckt haben, sich ein erwähltes Volk macht, ein fürstliches Volk, das mit ihm auf seinem Wagen fährt und mit ihm trunken wird von den Gütern seines Hauses, und ernährt wird von Wein, Most und Mark, während sie leer ausgehen müssen und mit aller ihrer vermeinten Gerechtigkeit von ihm verdammt werden.

Wie gerne möchten sie ein solches Reich zerstören, und wie manchmal sieht es so aus, als hätten sie es zerstört: als käme von dem Schifflein, worin Christus mit den Seinen durch die tobenden Wellen der Hölle und der Welt fährt, Nichts zurecht! Aber es hat dennoch keine Gefahr, wenn es auch Gefahr hat.

Es hat dem Vater ewig so gefallen, daß Christi Reich bestehen sollte aus Christo und dem hundertsten verirrten und verlornen Schaf; und die Schätze dieses Reichs aus dem verlornen Pfennige, den Niemand konnte wieder finden. Es sollte ein Reich der Gnaden sein, und alle Unterthanen dieses Reiches lauter Wunderzeichen und Meisterwerke der Gnade, daß es nur Gnade wäre und ein Ende hätte alles Fleisches Ruhm, alles Fleisches Kraft, Wille und Gerechtigkeit. Es sollte den Weisen und Verständigen verborgen bleiben und nur den Kindlein geoffenbaret werden.

Weil Solches das Wohlgefallen gewesen ist vor ihm, so wird er handhaben und handhabt das Reich seines Christi, das Reich einer solchen Gnade. Er tritt ein für seinen Gesalbten. - Und nun heran, ihr Feinde alle! So spricht der Herr zu unserm Herrn: „Setze dich zu meiner Rechten, bis daß ich deine Feinde gelegt habe zum Schemel deiner Füße!“

Was ist die Rechte Gottes? Es ist seine allmächtige Gegenwart und Kraft, die Kraft seiner Majestät den Rath seines Willens zu unserer Seligkeit durchgeführt zu haben, daß das Vornehmen, uns zur Gerechtigkeit und ewigen Seligkeit gebracht zu haben, ewiglich bestehe und gelinge. Wenn er nun zu unserm Herrn sagt: Setze dich zu meiner Rechten, so heißt das mit andern Worten: „Du sollst mit deiner erwählten Braut, mit deinem Weibe, das du geliebt, weil ich es liebte, sie zu erretten, in hehrem Frieden und stolzer Ruhe wohnen; es soll dem Zeug, das wider dich und die Deinen bereitet wird, nicht gelingen; alle Feinde deines Reiches sollen dir und den Deinen Nichts anhaben; senke dich mit den Deinen herab auf mein Wohlgefallen, auf den Bund des Friedens, den ich mit dir gemacht habe; daselbst lagere dich, das sei dein und deines Weibes Thron und Ruhebett; bekleide dich und die Deinen mit deiner Majestät aus meiner Majestät, mit deiner Kraft aus meiner Kraft, und diese Majestät und Kraft - halte sie den Feinden vor, daß sie dir und den Deinen von dem Halse bleiben; habe du mit den Deinen meine Ehre und meine Macht, auf daß die Deinen mit dir die Früchte genießen dessen, was du ausgemacht; mittlerweile will ich es durch meine Vorsehung dahin bringen, daß alle deine Reichsfeinde dir dazu dienen sollen, daß du um so bequemer sitzest: sie sollen sich alle vor dir krümmen, alle ihre Hälse beugen unter deine Herrschaft, und es alle bekennen müssen, daß ich dich erhöht habe mit deiner Sulamith zu einem Herrn über Sünde, Teufel, Tod, Noth, Welt, Fleisch und Blut, über Alles, was dem Reiche sich nicht unterwerfen will, welches ich dir gegeben; und wenn ich alle deine Feinde, - der letzte ist der Tod, - zum Schemel deiner Füße werde gelegt haben: dann gibt es keinen Feind mehr, auch keinen Streit mehr; dann wirst du mit allen deinen Gliedern die ewige Ehre und Freude in mir genießen, und wird der Unterschied zwischen meiner Glückseligkeit und meiner Erwählten Elend, weshalb die Feinde so wüthen, daß ich sie in dir zu mir genommen, völlig aufgehoben sein.“ -

Das ist der Worte klarer Sinn. Solches hat der Herr zu unserm Herrn geredet. Gab es je einen Engel, gab es je einen Heiligen, zu welchem er Solches geredet; oder sagte er so etwas je zu einem Werke der Gerechtigkeit, das wir gethan haben? Wenn nicht: - warum laßt Ihr Euch durch eure Todfeinde so einschüchtern? Warum ergreifet, warum haltet Ihr nicht die Gnade? Warum laßt Ihr Euch immerdar von Eurem Heilande wegzaubern? Warum sucht Ihr Heil und Seligkeit, wo keine ist? warum bei denen, die nicht helfen können? Ist es denn zuverlässiger, was ein Mensch, ein Heiliger, ein Engel sagen möchte, als das, was der Herr sagt? Ach, weil wir Sünden haben, so glauben wir nicht unserm treuen Heilande, wollen es nicht mit ihm wagen, es nicht auf ihn ankommen lassen, wir glauben seinen und unsern Feinden mehr, und lassen uns so abhalten von unserm einzigen Arzt und Nothhelfer! Wann werden Viele von Euch sich endlich darüber von Herzen schämen, daß sie es suchen wo es nicht ist? wann werden sie ein Herz fassen zu glauben, lediglich zu glauben an den Namen Jesu Christi? Hat es Gefahr mit dem Glauben, Gefahr damit, es im Glauben zu wagen? Der Herr hat es gesagt zu unserm Herrn: Setze dich zu meiner Rechten. Was, ob Teufel, Tod und Welt, ob Sünde und ein verklagendes Gewissen Einen abhalten wollen? Durchgebrochen durch alle Stricke und Bande, durchgebrochen auf ein solches Wort! Was ist Euer Bekenntniß? Dieses ist es, dieses bleibe es: „Er wird mich samt allen Erwählten zu sich nehmen in seine Herrlichkeit, und seine und alle meine Feinde in die ewige Verdammniß werfen.“ Wird er es auch thun? Er wird thun den Willen des Vaters, und das ist der Wille des Vaters: daß er sein Volk aus Egypten durch die Wüste führe in das Land der Verheißung, und daß er daselbst ewig ihr König sei; daß in seinem Reiche der Gerechtigkeit und des Friedens ein Jeder seiner Unterthanen wohne unter seinem Weinstock und Feigenbaum, und kein Feind unbesiegt bleibe.

Welch ein Wort des Trostes den Ebräern! Sie hatten das Wort aufgenommen mit Freuden im heiligen Geist. Aber welche Trübsale hatten sie nicht zu erleiden von ihren Blutsfreunden, welche Feindschaft war allerwärts angeregt gegen den Glauben, und das von Solchen, von welchen man erwartet, sie würden das Wort wohl am Allerersten mit Freuden aufnehmen! Aber wer kann noch weich werden in den Trübsalen, wo er solche Worte des Trostes vernimmt? Wer fühlt sich nicht vielmehr gewarnt, den Feinden der Gottseligkeit in keinem Stücke zu Willen zu sein, wo er das Ende dieser Feinde sieht? Und wer fühlt sich nicht gestärkt, in Geduld zu beharren bei dem Bekenntnisse Jesu und zu bleiben in seinen Worten, wenn er auch sonst Nichts aufzuweisen hat als dieses Wort, - wo er doch vernimmt, welche Ruhe Gott der Vater seinem Christo und seinem Volke bereitet?

Oder warum soll man sich durch leibliche und geistliche Noth dahin treiben lassen, um sich her Heilande aufzuwerfen, welche Nichts vermögen, als was der einzige Heiland ihnen auszurichten befiehlt? Warum sucht man es bei dem Diener, was der Herr allein geben kann? Verstehe doch ein jeder Gläubige die Herrlichkeit, zu welcher er berufen und gekommen ist! Zwar hat es bei uns keine Noth, daß wir die Engel anrufen werden, wie Solches die Ebräer thaten; aber die Hand in den Busen: und da wird ein Jeder eingestehen, daß er noch unvernünftiger ist als die Ebräer, indem er seinen Weg einrichtet nach dem Willen machtloser Menschen, von ihnen sein Heil erwartet, und sich von ihnen zu einem Pfuscher machen läßt in den Dingen seiner Seligkeit.

Laßt uns da aber Acht haben auf diesen apostolischen Trost, daß Gott der Vater nicht allein seinen Christum und seine Gemeine handhaben wird in Ruhe, Gerechtigkeit und Frieden, und durch seine Vorsehung alle Feinde dazu wird dienen lassen mit allen ihren Anschlägen und ihrer List, daß unser König um so bequemer sitze auf seinem Stuhl und in seiner Ehre erhöht werde, bis daß kein Feind mehr sein wird: - sondern daß er auch alle Throne, Herrschaften und Gewaltige im Himmel seinem Christo gegeben hat, daß sie seiner armen Braut hienieden zur Wache seien für und für. Darum kommt diese gewaltige Frage aus der Feder des Apostels: „Sind sie nicht alle dienstbare Geister, ausgesandt zum Dienste, um derer willen, welche die Seligkeit ererben sollen?“ -

Er, der treue Hohepriester, der da bittet: Ich bitte nicht, daß du sie von der Welt wegnehmest, sondern daß du sie bewahrest vor dem Bösen; Er, der gesagt: Sie sind nicht von der Welt; Er, der heischte: Vater, ich will, daß, wo ich bin, auch die bei mir seien, die du mir gegeben hast, daß sie meine Herrlichkeit schauen, die du mir gegeben hast: Er will seines Volkes Seligkeit, seines Volkes Errettung aus so vielen und so großen Gefahren, worin sie ihr eigen Fleisch und Blut, worin sie der Teufel, die Sünde, die Welt, die Noth und der Tod bringen. Sie sollen aus allen diesen Gefahren errettet sein. Sie sollen die Seligkeit ererben, Seligkeit, wie er sie ihnen bereitet hat. Sie sollen Durchkommen haben durch diese Welt und durch alle Noth und Sünde hindurch, und endlich von aller Trübsal, Leid und Traurigkeit, von allem Uebel erlöset sein. Sie sollen Raum haben vor ihrem Fuß, das Los soll ihnen auf's Lieblichste fallen. Alle Thränen sollen von ihren Augen abgetrocknet werden. Sie sollen den Tod nicht sehen. Man soll an ihnen keinen Brand riechen können. Sie sollen gesättiget werden bei dem Herrn für und für. - So stehts vor dem Throne. Und Er, der uns von Mutterleibe gekannt und erwählt hat, und uns eine Krone erworben hat mit seinem Blute: Er wird's nicht dulden, daß ihm eins dieser Häupter geraubt werde, auf welche er sich vorgenommen hat, diese Krone zu setzen.

Volk des Herrn! Seligkeit werden wir ererben! So steht es fest bei Gott, so ist es der Rath seines Wohlgefallens. Errettung ist für uns da aus jeglicher Noth. Erkennet Euren Beruf! Wir sind mehr denn Engel, wir sind mehr erhöht und sitzen höher denn alle Herrschaften, Gewaltige und Mächte im Himmel. Diese sind unsere Diener geworden, und wir haben das Recht, über sie zu richten, wenn sie uns nicht gut gedienet haben.1)

Dienstbare Geister sind sie, ausgesandt zum Dienst um unsertwillen. Und hier haben wir nicht allein die ganze heilige Schrift vor uns, Solches zu beweisen. Wer denkt nicht an Jacob, da er mit einem Stab über den Jordan ging und zu Bethel einen Stein zum Kopfkissen hatte? oder, da Laban hinter ihm her, oder da Esau ihm entgegen war? Wer denkt nicht an die drei Männer in dem Feuerofen, wer nicht an Petrus, da er in dem Gefängnisse lag? - wer nicht ganz besonders daran, wie Engel dem unreinen Josua die unreinen Kleider auszogen, ihm den reinen Hut aufsetzten und Feierkleider anzogen? Wir haben hier noch mehr. Wir haben Allerlei aus unserer eignen Erfahrung, von unserer Kindheit an, zu erzählen, wie der Herr seine Engel zu unserm Dienste hat ausgesandt. So haben sie dem Einen aus dem Feuer geholfen, dem Andern aus dem Wasser und über das Eis; - so brachten sie dem Einen eine Flasche Wein in seiner Krankheit; dem Andern einen Korb mit allerlei Speise; dem Andern brachten sie eine Blase mit Tabak; dem Andern zeigten sie einen Brunnen; dem Andern ein Weib; den Einen ließen sie eine Feder, eine Nadel oder Nagel, den Andern ein Stück Geldes vor und nach, oder ein Licht finden, um die finstre Wohnung zu erleuchten; - dem Einen brachten sie ein Kleid, dem Andern schoben sie einen Trost-Brief über einen zerschmetternden zu: wo soll ich anfangen, wo enden? Aber das will ich vor allen Dingen von ihnen hervorheben: daß sie sich der armen Sünder nicht schämen; daß sie eine wundervolle Geduld haben mit unserer Schwachheit und Armseligkeit, und daß sie bei uns manchen Dienst verrichten, der ihnen zur Demüthigung gereichen würde, wenn sie über ihre Pflicht zu spekulieren gewohnt wären, wie wir. Es ist aber Alles Freude und Himmel für sie, wozu sie bestellt sind. Und da liegt nun der arme Mensch in seinem Blute, in der äußersten Seelennoth, mancher Verzweiflung nahe, es ist ihm Alles umdüstert; seiner Feinde sind mehr, denn Haare seines Hauptes; sein Herz hat ihn verlassen, er thut, was er hasst, und thut nicht, was er will; - und die Engel, die heiligen Engel, die keine Sünde sehen oder ausstehen können, sie verlassen dennoch den Armen nicht, - sondern wo nun Tod, Sünde und Schmerz Einem das Herz brechen wollen, und der eine Stein der entsetzlichsten Noth nach dem andern gegen das arme Herz heranrollt und die Seele erdrücken will: da flüstern sie Einem Etwas in's Ohr - ein Wörtlein -: und Gethsemane - ja, die Hölle, ist umgeschaffen in ein Paradies -; so lesen sie der seufzenden Creatur Gottes aus dem Buche des Lebens vor und zeigen einem blind geweinten Auge goldene Buchstaben, durchsichtig wie Glas -: und man lieset die ewige Errettung in dem Herzen eines gnädigen Vaters und der Abglanz drückt sich auf ewig ab in das zerschlagene Herz. Und wo hat es je eine Schlucht gegeben, vor welcher man des Abends weinend lag und wußte nicht darüber hinwegzukommen, worüber sie nicht hinwegtrugen das Kind Gottes, während es vor Unmuth und Trauer eingeschlafen war! -

Ich habe es bezeuget und bezeuge es: In keinem Andern Heil als in Christo Jesu, dem Nazarener! Nur Er ist unser großer Gott und Erretter! Wer an ihn glaubt sieht die Herrlichkeit Gottes, und wer den Sohn liebt und in seinen Worten bleibt, den wird der Vater lieben, und selbst aus den Synagogen des Satans werden sie kommen, ihm zu Füßen fallen und bekennen: Gott hat dich geliebt. Alle Feinde und Feindschaft können nur unser Heil erhöhen, unsere Seligkeit fördern. Darum bei dem Glauben an den Namen Jesu beharrt, und kein Heil oder Seligkeit irgendwo sonst gesucht! Wir haben genug am Glauben, genug am Worte. Der ganze Himmel mit all seiner Macht und Gewalt steht uns zu Dienst, wo wir bei dem Worte beharren, beharren bei dem Wandel am Geist, und nicht wandeln nach Fleisch.

Durch Trübsal, durch gebahnte und ungebahnte Wege muß es hindurch. Aber welch eine Liebe ist die Liebe Gottes, wie gnädig ist seine Gnade, und welch ein fürstliches, mächtiges Geleite haben wir auf dem Wege! -

Darum Ihr, die Ihr nicht wollt, daß Jesus König über Euch sei: es wird Euch nicht gelingen, Ihr werdet dennoch Euren Hals krümmen müssen unter seinem königlichen Fuß; darum küsset ihn, ehe es zu spät ist! Die Braut Christi hat einen treuen Vater in den Himmeln, der handhabt seines Gesalbten Reich.

Ihr aber, die Ihr von ferne stehet, tretet herzu zu den Wassern des Lebens, die aus dem Stuhl des Lammes hervorfließen, und es sei Euch nicht bange vor dem Heere, das wider Euch kommt! Und du, armer Lazarus, kehre dich nicht an der Menschen Unbarmherzigkeit, laß dir von den Hunden deine Schwären lecken, noch ein wenig Geduld; - die Engel kennen dich um so besser: - da werden sie ausgesandt und du bist von ihnen getragen in Abrahams Schoß! Dort siehts anders aus. Amen.

Schluß-Gesang:
Psalm 34, Vers 4.

Freund Gottes, du kannst ruhn, Denn Engel Gottes lagern sich Rings um dich her und sehn auf dich; Was kann ein Mensch dir thun? Kommt Alle, schmeckt und schaut, Wie freundlich der Erbarmer sei, O, seine Güt ist täglich neu; Wohl dem, der auf ihn traut!

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1. Kor. 6,3
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