Hofacker, Ludwig - Predigt am dritten Sonntage in der Fasten, Oculi

Hofacker, Ludwig - Predigt am dritten Sonntage in der Fasten, Oculi

Von des Teufels Reich

Text: Luc. 11,14-28.

Und Er trieb einen Teufel aus, der war stumm. Und es geschah, da der Teufel ausfuhr, da redete der Stumme. Und das Volk verwunderte sich. Etliche aber unter ihnen sprachen: Er treibt die Teufel aus durch Beelzebub, den Obersten der Teufel. Die Andern aber versuchten Ihn, und begehrten ein Zeichen von Ihm vom Himmel. Er aber vernahm ihre Gedanken, und sprach zu ihnen: Ein jegliches Reich, so es mit ihm selbst uneins wird, das wird wüste, und ein Haus fällt über das andere. Ist denn der Satanas auch mit ihm selbst uneins, wie will sein Reich bestehen? Dieweil ihr saget, ich treibe die Teufel aus durch Beelzebub. So aber Ich die Teufel durch Beelzebub austreibe, durch wen treiben sie eure Kinder aus? Darum werden sie eure Richter seyn. So ich aber durch Gottes Finger die Teufel austreibe, so kommt je das Reich Gottes zu euch. Wenn ein starker Gewappneter seinen Palast bewahret, so bleibt das Seinige mit Frieden. Wenn aber ein Stärkerer über ihn kommt, und überwindet ihn, so nimmt er ihm seinen Harnisch, darauf er sich verließ, und theilt den Raub aus. Wer nicht mit mir ist, der ist wider mich; und wer nicht mit mir sammelt, der zerstreuet. Wenn der unsaubere Geist von dem Menschen ausfähret, so durchwandelt er dürre Stätte, suchet Ruhe, und findet ihrer nicht; so spricht er: ich will wieder umkehren in mein Haus, daraus ich gegangen bin. und wenn er kommt, so findet er es mit Besen gekehret und geschmücket. Dann gehet er hin, und nimmt sieben Geister zu sich, die ärger sind denn er selbst: und wenn sie hinein kommen, wohnen sie da; und wird hernach mit demselbigen Menschen ärger denn vorhin. - Und es begab sich, da Er solches redete, erhub ein Weib im Volk die Stimme, und sprach zu Ihm: Selig ist der Leib, der Dich getragen hat, und die Brüste, die Du gesogen hast. Er aber sprach: Ja, selig sind, die Gottes Wort hören und bewahren.

In unserem Evangelium wird Viel vom Teufel und seinem Reich gehandelt. Der Heiland hatte einen Teufel ausgetrieben, der den Menschen, in welchem er wohnte, stumm gemacht hatte. Von nun an redete der vorher stumme Mensch. Dieß setzte alle Zuschauer und Zuhörer in nicht geringe Verwunderung. Neidisch über diesen Beifall und Verwunderung des Volks sprachen Einige „Er treibt die Teufel aus durch Beelzebub, den Obersten der Teufel.“ Eine entsetzliche Lästerung, die aus ihrem, an's Lügen gewöhnten und in der Lüge verhärteten Herzen geschwind und leichtsinnig herausfuhr! Andere begehrten ein Zeichen vom Himmel von Ihm. Auf jene Lästerung der Ersteren antwortet der Heiland in unserem Evangelium, indem Er das Unvernünftige und Widersinnige davon zeigt, und läßt sich bey dieser Gelegenheit weiter, als Er sonst zu thun pflegt, über die Natur und Art des Reiches der Finsterniß heraus. Die Andern, die ein Zeichen vom Himmel begehrten, erhalten ihre Abfertigung im weitern Verlauf Seiner Rede (Luc. 11,29 - 36.).

In gegenwärtiger Zeit wird nicht mehr Vieles vom Teufel geredet. Ruchlose Menschen schwören zwar noch bey ihm, und verlangen, er solle sie holen; aber da, wo es sehr Noth thäte, sein Reich, seine List, Macht und Bosheit zu enthüllen, nämlich auf den Kanzeln - da hört man kaum mehr seinen Namen. Woher kommt das? hat er denn keine Macht mehr in unsern Zeiten, hat ihm die große Aufklärung den Todesstreich beigebracht? Man sollte es fast meinen, wenn man die Neueren hört; denn es ist unbeschreiblich, mit welch' sicherem Lächeln sie des Teufels erwähnen als eines Dings, womit der Aberglaube die Menschheit nur in ihrem Kindesalter habe schrecken können, nun aber in den Zeiten der Vernunft nicht mehr. Was wird der alte Lügner selber dazu sagen? Es ist seine eigene Anstalt; er freut sich darüber. Er ist der größte Aufklärer. Von alten Zeiten her nennt man ihn Lucifer, d.h. Lichtbringer; er hat seine Finsterniß noch immer Licht geheißen, weil er ein Lügner ist, und nennt sie auch jetzt so. Unzählige Menschen führt er so in das Verderben. Um so nöthiger ist es, vom Teufel und seinem Reich recht deutlich zu reden. Das will ich mit Gottes Hülfe thun, und heute zu euch reden

von des Teufels Reich.

Ich will sprechen

  1. von den Unterthanen dieses Reichs, und der Art, wie sie ihr Fürst regiert;
  2. davon, wie man aus des Teufels Reich erlöst werden könne.

O HErr! wie ist die Welt so blind! Wie wird sie vom Teufel geführt und verführt, ohne es zu wissen! Wie groß und augenscheinlich ist gegenwärtig der Zorn Satans, und sie läugnen sein Daseyn. Errette doch aus dieser unerträglichen Blindheit, was sich noch retten läßt. Gib gesunde Augen und ein nüchternes Herz; sonst werden auch Deine Auserwählten verführt. Laß die Kraft Deines Blutes an uns mächtig werden; vertreibe alle Nebel; hilf uns zu einem ganzen Durchbruch in das Licht, damit wir nicht im Strom der Welt dahinfahren und sterben. Amen!

I.

Es gibt ein Reich der Finsterniß, es gibt in der unsichtbaren Geisterwelt eine große Menge böser Geister, die unter einem Fürsten, unter einem Obersten der Teufel stehen, und in großer Einigkeit auf Einen Zweck losarbeiten. Ihr Wesen ist Feindschaft und Empörung gegen Gott, und ihre Absicht geht darauf, die Werke Gottes zu zerstören. Dieses Reich der Finsterniß ist sehr stark und mächtig. Der Heiland nennt in unserem Evangelium den Teufel einen starken Gewappneten, der seinen Pallast bewahre und mit einem Harnisch versehen sey, auf den er sich verlasse; der Apostel Paulus heißt die bösen Geister (Eph. 6.) Fürsten und Gewaltige; Petrus vergleicht den Teufel mit einem brüllenden Löwen, der umhergehe und suche, wen er verschlinge (1. Petr. 5.); und in der Offenbarung Johannis wird der Teufel der große Drache, die alte Schlange genannt - lauter Ausdrücke, welche auf die Stärke und Macht des Satans und seines Reichs klar hindeuten. Darum hat auch unser seliger Luther, der aus eigener Erfahrung davon zu sagen wußte, gesungen:

Groß' Macht und viel List
Sein' grausam Rüstung ist;
Auf Erd' ist nicht sein's gleichen.

Dieß Alles könnte uns nun ziemlich gleichgültig seyn, wenn der Teufel und sein Reich uns nicht angiengen. Wenn der Satan und sein Reich noch so mächtig wäre, wenn er noch so grimmig gegen Gott wüthete und tobete, und er hätte keinen Einfluß auf uns und stünde in keiner Verbindung mit uns: so könnten wir ruhig dem Ablauf des Kampfes zusehen, und es der Herrlichkeit Gottes zum Voraus zutrauen, daß Er Seine Ehre auch gegen Satans Horden werde zu behaupten und zu retten wissen. Aber wir stehen nicht so entfernt von des Teufels Reich. Das Reich der Finsterniß hat seinen Hauptsitz, sein Heerlager auf dieser Erde, also sehr nahe bey uns. Und ist es nicht nur nahe bey den Menschen, sondern es ist unter ihnen, mitten unter ihnen. Die Welt, die ganze Welt, sagt Johannes, liegt im Argen. Ein schrecklicher Ausdruck! Sie liegt im Argen, im Teufel, wie ein Kind in seiner Mutter liegt; sie ist also von seinen Kräften ganz eingenommen und durchzogen; sie zieht ihr Leben, ihre Nahrung aus ihm; sie ist mit ihm verwachsen; sie ist seiner Art, seines Geschlechts, sein Geist durchdringt und durchwirkt sie. Und in dieser Welt, die im Argen liegt, leben wir. Gehöre ich auch zu ihr? Liege ich auch im Argen? Gehöre ich auch zum Reich Satans? Stehe ich auch unter der Obrigkeit der Finsterniß? Gewiß sehr wichtige Fragen. Denn gehören wir zum Reiche Satans. so haben wir keine Gemeinschaft mit dem Reiche Gottes, und haben wir das nicht: so haben wir auch kein Erbe und Theil am Himmel, sondern unser Erbe und Theil ist das Erbe und Theil des Teufels, nämlich ewige Finsterniß.

Wer sind denn nun die Leute, die unter der Obrigkeit der Finsterniß stehen, die zum Reich des Teufels gehören? Ich habe dieser Tage von Leuten im Morgenlande gelesen, die sich Freunde des Teufels nennen, und sich eine besondere Ehre daraus machen, so zu heißen. Ihr müsset nicht meinen, als ob diese die Einzigen seyen, die in Gemeinschaft mit dem Reiche der Finsterniß stehen. Auch müßt ihr nicht meinen, als ob diejenigen unserer Mitmenschen, die man Heiden heißt, die von Gott nichts wissen, und vor ihren stummen Götzen knieen auch wohl Greuelthaten verüben, ihren Götzen zu gefallen, die einzigen Unterthanen des Teufels auf dieser Erde seyen. Zwar hat allerdings Satan unter ihnen seine Hauptfestungen, und läßt sich auf eine Weise unter ihnen merken, daß man es mit Händen greifen und gar leicht erschließen kann: hier ist Satans Stuhl; aber doch sind die armen, verfinsterten Leute bey weitem nicht seine einzigen Knechte. In der Christenheit selber, mitten unter Denen, die auf Christum getauft sind, gibt es unzählige Seelen, die er in schwerer, in entsetzlicher Knechtschaft hält. Hiebey müsset ihr aber wieder nicht bloß an die Menschen denken, die in den Zuchthäusern und Gefängnissen liegen, oder doch wenigstens so offenbar sind mit ihren Sünden, daß man mit Fingern auf sie weiset, und sagt: das ist ein schlechter, ein liederlicher, ein betrügerischer, ein verstohlener, ein boshafter Mensch, diesem möchte ich nicht über die Straße trauen u.s.w. O nein! sondern unter der Obrigkeit der Finsterniß stehen alle die, die den HErrn JEsum nicht von Herzen lieb haben, wie der Heiland sagt in unserem Evangelium: „wer nicht mit mir ist, der ist wider mich“ - wer aber wider Ihn ist, der ist Sein Feind, und ein Freund Seines Feindes. Auf das Herz kommt es ganz allein an. Ist dein Herz von Liebe zu JEsu und zu Seiner Sache eingenommen, geht das innerste Streben deines Geistes einzig auf JEsum: so bist du gewiß von den Ketten Satans entbunden; und ist das nicht der Fall bey dir: so bist du ein Sklave Satans, du seyest im Uebrigen, wer du seyest, und du glaubest es oder nicht.

Durch die Sünde sind die armen Menschen in das Element des Fürsten der Finsterniß hineingerathen. Was ist denn sein Element? Antwort: Abkehr von Gott, Widerspruch gegen Gott, eigener Wille. In sich sucht er Größe, in sich Weisheit, in sich Kraft, in sich Seligkeit, nicht in Gott; und da er durch dieses Gesuch mit der ganzen Schöpfung, die von Gott ist und durch Ihn und zu Ihm, im grellsten Widerspruche steht, ja nicht nur mit der Schöpfung außer ihm, sondern mit sich selber, weil er auch ein Geschöpf Gottes ist, das nur in seinem Ursprunge Seligkeit hat: so ist er finster, zornig, unlittig, wüthend, unselig; die Hölle brennt in ihm. In dieses Element ist der Mensch durch die Sünde auch hineingerathen. Zwar gibt es viele, auch unwiedergeborne Menschen, bey welchen es nicht so offenbar ist, daß sie von des Teufels Art sind. Das Fleisch, das über ihre Seele nach dem gnädigen Willen Gottes hineingezogen ist, läßt die satanische Art nicht so giftig herausbrechen; durch seine Trägheit und Behaglichkeit, wenn ihm seine thierischen Triebe befriedigt werden, dämpft es allezeit das im Innersten glimmende und brennende, satanische Feuer. Aber dessen ungeachtet ist dieser innere Widerspruch, diese innere Unseligkeit, diese tiefe Verfinsterung bey allen Menschen, wie sie von Natur sind, vorhanden, so gewiß als bey'm Satan, und muß vorhanden seyn, weil sie Sünder, d.h. Rebellen gegen Gott sind wie der Satan. So ist also der Mensch, so lange er nicht theilhaftig geworden ist der göttlichen Natur, von des Teufels Art, und steht eben darum in Gemeinschaft mit der Finsterniß und mit ihrem Fürsten, er mag's glauben oder nicht.

Darum wer noch ist, wie sein Vater ihn erzeugt und wie seine Mutter ihn geboren hat; wer nicht seinem Herzensgrunde nach ist wiedergeboren worden; wer nicht ein neues Herz bekommen hat durch den Heiligen Geist, und in dieses Herz ein neues Leben, eine neue Liebe, neue Grundtriebe und Grundgedanken: der steht in der Gemeinschaft und unter dem Einfluß des Argen, und wenn er sonst für den feinsten, für den gebildetsten, für den besten und frömmsten Menschen gälte. Der Arge ist sein Herr. Darum heißt der Satan in der heiligen Schrift der Gott dieser Welt (2. Kor. 4,4.). Denn die Welt und was in der Welt ist, das ist es gerade, worauf das finstere Streben des unwiedergebornen Menschen geht, und dadurch herrscht Satan unter den Menschen. O meine lieben Zuhörer! sehet doch die Welt an, und, welches noch besser ist, achtet auf euer eigenes Herz. Etwas muß dieses Herz lieben, es ist seine Art, es ist seine Natur so, daß es etwas lieben muß. Was hat man denn lieb, wenn man den HErrn JEsum nicht lieb hat? Der Eine hat seine Freude an diesem, der Andere an jenem; aber gewiß Keiner an etwas Anderem, als was seiner Anhänglichkeit an das Irdische, oder seinen Sinnen, oder seinem Hochmuthe schmeichelt. Auf Augenlust oder Geiz, auf Fleischeslust, auf hoffärtiges Leben laufen zuletzt alle Bestrebungen der Menschen, die nicht aus Gott geboren sind, hinaus. Und hierin ist gar kein Unterschied. Der Eine sucht's gröber und lauter, der Andere feiner und leiser: der Eine sucht's auf eine Art, die ehrbarer, der Andere auf eine Art, die gemeiner aussieht; - im Grunde sind sie Alle einander gleich, und ist kein Unterschied zwischen einem Gelehrten, der auf seine Gelehrsamkeit stolz ist, und zwischen einem Bauern, der auf sein Vermögen trotzt: Beyder Stolz ist unvernünftig, ungöttlich und gehört in's Reich der Finsterniß, Geiz, Wollust, Hoffart, - diese drey sind Grundbestandtheile, die Elemente des Lebens der Menschen dieser Welt; von diesen dreyen wird die Welt bewegt und regiert; das sind die Stricke der Finsterniß, an welchen der Arge die Welt gängelt, leitet und beherrscht; durch sie ist er der Gott dieser Welt.

Man kann aber die Unterthanen Satans in zwey Klassen theilen: 1) in solche, die unter dem Einflusse des Teufels stehen, 2) in solche, in welchen er wirklich und wesentlich wohnt. Ueber beyde Arten will ich ausführlicher reden.

Was die erste Klasse betrifft, so ist ihre Anzahl Legion, d.h. Unzählige stehen unter dem Einflusse Satans; denn hieher sind, wie wir gesehen haben, überhaupt alle diejenigen zu zählen, die nicht wahrhaftig und gründlich zu dem HErrn JEsu bekehrt sind. Aber du sprichst: es gibt doch ehrbare Leute, brave Leute, gutmüthige Leute, die wirklich gute Eigenschaften haben und sich wirklich der oder jener Tugenden befleißen, ohne daß sie gerade zu JEsu Christo bekehrt wären: ist es nicht unbillig, solche Menschen ohne Umstände unter die Unterthanen des Teufels zu zählen? Sie wollen doch manches Gute; sie thun auch manches Gute; sie arbeiten fleißig; sie sorgen für sich und die Ihrigen, für Speise und Kleid; sie haben gar keine Freude am wilden tobenden Weltwesen; sie leben gerne in ehrbarer Stille ihrem Berufe, ohne daß sie ein Herz für den HErrn JEsum hätten. Sollte man solche Menschen nur so geradehin zu den Reichsgenossen der Finsterniß rechnen dürfen? Ja! denn wer nicht mit Christus ist, der ist wider Ihn. Und was ist diese Ehrbarkeit, diese Tugendhaftigkeit solcher Menschen gewöhnlich? Häufig gewiß nichts Anderes als eine äußere Angewöhnung und Dressur, die ihnen die Erziehung und die Umstände gegeben haben; oft liegt es so in ihrem Temperamente, ohne daß sie darum höher stünden als Andere, die in ihrer herausbrechenden Thorheit eben auch ihrem Temperamente und den Trieben ihres Herzens folgen; oft ist ein solch' ehrbares Leben durch Vortheil und äußere Ehre geboten. Wenn man in der Christenheit lebt, wo der Ausbruch von Sünden und Lastern doch noch unter die schämenswerten Dinge gerechnet wird: so kann man es wohl seinem Vortheil und seiner Ehre gemäß finden, als ein ehrsamer Mensch sich aufzuführen. Und wenn man aus den tobenden Jugend-Jahren herausgewachsen ist, und sich vielleicht verheiratet, und Weib und Kinder zu ernähren hat: so ist es kein Wunder, wenn man zahm wird, und mit den zunehmenden Jahren die Freude an den Lüsten und dem Unsinn der Jugend verliert. Aber damit hat sich in des Herzens Grund nichts geändert; man ist darum doch seinem innersten Sinn nach von der Liebe zur Finsterniß nicht geschieden - nur die äußere Form ist anders geworden.

Und das sieht und spürt man denn auch solchen Menschen an. Was ist's denn, das sie umtreibt; was ist's, das ihnen durch das Herz und den Kopf geht den ganzen Tag? Sind sie reich und der Nahrungssorgen überhoben: so werfen sie sich gewöhnlich auf diese oder jene Liebhabereien, und dazu haben sie, besonders wenn sie in Städten wohnen, viel Anlaß und Gelegenheit. Man such gesellschaftliche Unterhaltung; man redet von der Welt und aus der Welt; man sucht sich das arme Leben zu erheitern, so gut man kann; man ergreift Dieß oder Jenes, Edleres und Gemeineres, und wenn man es bey'm Licht besieht, so sucht man nichts weiter als Nahrung für die Augenlust, die Fleischeslust und den Stolz. So fähret das Leben dieser armen Menschen dahin wie ein Geschwätz. Andere, welche die Erbärmlichkeit dieses Treibens einsehen, ziehen sich auf sich selbst zurück, geben vor, daß sie etwas Höheres suchen, und spiegeln sich mit großem Stolz in sich selber. Denen aber, welche nicht reich sind, oder Menschen von sehr stiller Art, liegt hauptsächlich ihre Haushaltung im Gemüthe. Wenn man des Morgens erwacht, so fährt das Herz in die Haushaltung hinein: heute ist das und das zu thun, und das nimmt nun das ganze Herz in Besitz. Ist's oder wird's Winter, so denkt man auf Verwahrung gegen die Kälte und auf Holz; ist's Sommer, so denkt man an seine Gärten oder Feldgeschäfte, und ist mit seinem ganzen Herzen in diesen Sachen. Kurz, man führt ein ungöttliches, lichtloses Leben. Zudem kommen bey solchen stillen und ehrbaren Menschen, die nicht des Heilandes Eigenthum sind, noch manche Lüste und Begierden, gröbere oder feinere, scheinbarere oder unscheinbarere. Oft ist es ein Geiz- und Scharrgeist, ein Geist des Unglaubens, der in einer solchen ehrbaren Familie herrschet, wo Alles darauf aus und darauf berechnet ist und wird, um im Vermögen weiter zu kommen, oder wenn die Zeitumstände ungünstig sind, wenigstes das Erworbene zu bewahren, damit man den Kindern etwas Rechtes hinterlasse, wie wenn kein Gott im Himmel lebte. Oft ist's ein Hochmuthsgeist, daß man sich auf seine Familie, auf sein Vermögen, auf seine Geschicklichkeit Vieles zu gut thut, und Andere neben sich verachtet. Dieß bricht dann in den täglichen Gesprächen heraus, wo man über andere Menschen gerne lästert, gerne Geschichten von ihnen hört und erzählt, die sie in ein nachtheiliges Licht setzen, und oft Worte von sich hören läßt, aus denen wohl zu erkennen ist, daß man noch ärger ist als jener Pharisäer (Luc. 18.). Denn jener Pharisäer brüstete sich nur mit seinen, wie er meinte, selbst erworbenen Vorzügen; wenn man aber manche dieser ehrbaren Leute hört: so kann man wohl merken, daß sie meinen, schon von Natur und durch ihre Geburt und Familie seyen sie besser als andere Adamskinder. Oft ist's auch ein leichtsinniger, liederlicher Geist, oft ein zornsüchtiger, zwieträchtiger, zänkischer Geist, ein Geist, der ohne viele Worte seinen Grimm fühlen läßt und weh thut, der sich festsetzt in einem solchen ehrbaren Hause: oft ist's ein Praß- und Schleckgeist; oft ist der Hurengeist, der in der Ehe und im Ehebette solcher ehrbaren Leute haust, über alle Maßen schändlich und greulich. Dazwischen hinein kommen Dinge zum Vorschein, welche die arge Art und den Einfluß des Argen wohl verrathen. Läuft einem solchen ehrbaren Menschen etwas quer über den Weg: so kann er in den höchsten Zorn gerathen. Seine Augen funkeln: seine Geberden verstellen sich; der Satan sieht deutlich aus ihm heraus; seine Zunge kommt in Bewegung; man hört wohl, daß sie von der Hölle entzündet ist. Andere haben weniger Anlage zum Zorn, aber desto mehr zum Lachen. Da kann man solche ehrbaren Leute lachen hören über Dinge, über welche billig jeder Mensch und Christ weinen wollte, ja, über die man im Sack und in der Asche Buße thun sollte, so daß wohl zu spüren ist, wer eigentlich aus ihnen herauslacht. Bisweilen hört man aus einem solchen ehrbaren Munde Worte, die bey Jungen und Alten die höchsten Ärgernisse anrichten, und den schlafenden Keim der Sünde in diesem oder jenem Herzen aufwecken und anblasen. Und so sieht man deutlich, daß sie eigentlich unter der Obrigkeit der Finsterniß stehen, und bey aller Ehrbarkeit doch des Teufels Willen mit ihren Gliedern thun müssen.

O meine lieben Zuhörer! Es gibt nur zwey Reiche in der Geisterwelt, ein Reich des Lichts, dessen König JEsus ist, und ein Reich der Finsterniß, dessen Fürst der Teufel ist. Ein jeder Mensch ist in einem dieser Reiche; es gibt kein drittes. Sind wir nicht im Reiche des Lichts: so sind wir gewiß im Reiche der Finsterniß. Es ist aber kein Mensch im Reiche des Lichts, er sey denn durch Gottes Geist hineingeboren worden. haben wir diese Wiedergeburt auch an uns erfahren? Wissen wir etwas von den Geburtswehen, von welchen jede Geburt, also auch diese Geistesgeburt begleitet ist? Haben wir unsern betrübten, finstern Herzenszustand erkannt, und ist er uns zu schwer geworden wie eine schwere Last? Haben wir die Gnade des HErrn JEsu, haben wir Sein Angesicht gesucht? Haben wir Gnade und Frieden und Freiheit in Seinen Wunden gefunden? Können wir sagen, daß unser Herz einzig am Heiland hange? Sehet! wer von diesem Allem nichts weiß, der ist noch im Reich der Finsterniß, ein Sklave Satans, er mag's glauben oder nicht. Wo JEsus nicht regiert, da regiert Satan, man mag's glauben oder nicht.

So weit von den Ehrbaren! Daß aber Leute, die in einer wissentlichen Sünde leben, sey sie offenbar oder heimlich, unter dem Einfluß des Teufels stehen, und zum Reich der Finsterniß gehören, ist an sich klar und bedarf keines Beweises. Denn wer Arges thut, sagt der Heiland, der hasset das Licht, und wer das Licht hasset, der ist ein Feind des Lichts und ein Freund und Genosse Satans. „Wer Sünde thut“ - sagt der Apostel Johannes - „der ist vom Teufel; denn der Teufel sündiget von Anfang. Dazu ist erschienen der Sohn Gottes, daß Er die Werke des Teufels zerstöre.“ Wenn junge Leute dem Heiland bey ihrer Confirmation öffentlich vor der ganzen Gemeinde Treue schwören, und öffentlich und feierlich dem Teufel sammt allen seinen Werken und Wesen absagen, und man sieht nach einigen Jahren, wie sie auf eine gröbere oder feinere Weise der Hurerey nachlaufen, sollte Satan hiebey nichts zu schaffen haben? Ja, der Teufel führt diese armen Menschen am Stricke, wie der Stier zur Schlachtbank geführt wird. Es gibt Leute, die sich für selig achten, wenn sie im Wirthshaus sitzen und zur Genüge oder auch bis zur Berauschung trinken können. Andere haben ihre größte Freude am Lästern und Afterreden, und werden an Leib und Seele lebendig, wenn sie ihre Lust befriedigen können, werden auch nicht müde in diesem Geschäft noch satt, können bis in die tiefe Mitternacht hinein fortmachen, ohne daß ein Schlaf in ihre Augen kommt. Wieder Andere machen sich ihr süßestes Geschäft daraus, Zwietracht unter ihren Nebenmenschen anzurichten, durch Zwischenträgereien die Menschen gegen einander zu erbittern, sie hinter einander zu hetzen, und haben ihre Herzensfreude daran, wenn ihnen ihre Bosheit gelingt. Und wie Vieles müßte ich noch anführen, wenn ich alle die Sünden aufzählen wollte, in welchen die Menschen ihre Lust und Freude, ihr Liebstes suchen. Ich würde nicht fertig werden. Das Bedenklichste daran ist aber das, daß sie Gottes Gerechtigkeit wissen, - wissen, daß sie zuweilen suchen davon los zu werden, und können nicht, sondern müssen es thun. Das ist ein Elend; das ist eine Knechtschaft der Sünde! Wer aber der Sünde Knecht ist, der ist des Teufels Knecht; denn die Sünde ist vom Teufel.

Die andere Art, von der ich oben gesprochen habe, sind die, welche den Teufel wirklich und wesentlich in sich wohnend und wirkend haben. Wenn ein Mensch eine Sünde lange wider besser Wissen und Gewissen treibt: so nimmt zuletzt der Teufel ganz Besitz von seinem Herzen. So ist's mit Judas gegangen. Nachdem er lange genug dem Geiz gefröhnt hatte: so fuhr endlich, wie die Schrift berichtet, der Teufel in ihn. Der Teufel hatte sein Herz lange regiert; schon im ersten Jahre nannte ihn der Heiland einen Teufel (Joh. 6.); aber als er in seinen Geizgedanken unaufhörlich fortwirkte und fortwühlte: da fuhr der Satan gar in ihn. So gibt es Menschen, die einen Geizteufel, oder Hurenteufel, oder einen Fluchteufel, oder einen Stehlteufel, oder einen Zankteufel, oder einen Saufteufel in sich herumtragen. Da ist man geistlich vom Satan besessen, und das ist ärger als eine leibliche Besitzung durch den Argen. Da muß der Mensch sündigen. Hier ist kein Widerstand mehr, auch kein Wille mehr zum Widerstand. Es ist keine Ruhe da Tag und Nacht, bis des Teufels Willen und Lust vollbracht ist. So tief kann ein Mensch unter die Obrigkeit der Finsterniß hinabsinken.

Weil aber alle diese Befestigungen der Lüge und Finsterniß, so stark sie wären, zerstört würden, wenn JEsus durch Sein Wort Meister würde im Herzen: so sucht Satan vorzüglich der Kraft des Wortes der Wahrheit entgegenzuwirken, damit sie ja nicht das arme, gefangene Herz einnehme. Und da ist das erste, was er gewöhnlich versucht, um zu verhüten, daß die Kraft der Wahrheit an das Herz dringe, das, daß er den Menschen das Wort vom Herzen wegstiehlt. Da können solche arme Menschen das Wort hören: aber es hat kein Wirkung; es ist, wie wenn es von den Vögeln des Himmels verschleift würde. Da kommen diese, da kommen jene fremden Gedanken, und es kommt nichts zur Kraft, kann auch nichts wurzeln. O das ist eine große, eine meistens unerkannte Plage des Teufels!

Bey dem Allem kann Satan nicht verhindern, daß nicht das Wort auch in einem solchen Herzen zuweilen Feuer fange. Denn es hat in sich eine allmächtige Kraft, eine Alles durchdringende Lebenskraft. Darum muß Satan oft zu andern Mitteln greifen. Als der Heiland in unserm Evangelium den Besessenen gesund gemacht hatte, da sprachen Etliche: „Er treibt die Teufel aus durch Beelzebub“, und Andere begehrten ein Zeichen vom Himmel. Dadurch suchte die Finsterniß einen doppelten Zweck zu erreichen. Erstlich hatten die Leute, die diese Worte aussprachen, allen Eindruck der Kraft Gottes, die sich in der Wunderthat des HErrn geoffenbart hatte, mit diesen lästerlichen und losen Worten von ihrem eigenen Herzen hinweggestoßen. Und dann sollte dieser Eindruck auch bey Andern geschwächt, wo möglich vernichtet werden. Ihr solltet euch nicht wundern über diesen Menschen als über einen Mann Gottes, sagten die Einen; fliehen solltet ihr vor ihm; denn er treibt Zauberkünste. Und die Andern gaben zu verstehen, daß solche Krankenheilungen und Teufelsaustreibereyen durchaus noch keine zureichenden Beweise für seine göttliche Sendung seyen. Was ist das, wenn er Teufel austreibt? Ein Zeichen vom Himmel soll er uns einmal sehen lassen; er lasse einmal Feuer vom Himmel fallen wie Elias, dann wollen wir glauben.

So ist es noch heute. Viele, die wohl nicht ohne Eindrücke der evangelischen Wahrheit sind, bleiben immerwährend auf halbem Wege stehen, und kommen zu keinem Glauben an das Evangelium, zu keinem Abtreten von der Ungerechtigkeit, zu keinem Durchbruch in das Licht, weil sie durch allerhand überflüssige und lügenhafte Bedenklichkeiten aufgehalten werden. Das eine Mal können sie sich am Heiland in dieß, das andere Mal in jenes nicht schicken; bald finden sie da im Worte, bald dort ein Aergerniß; man will das Wort meistern und nach seinen vorgefaßten Meinungen regeln; man will der Kraft Gottes Schranken setzen; man meint, es habe Alles sein Maaß und Ziel; man verlangt Beweise, wo Gott Glauben fordert, und zuletzt meint man, man wollte wohl glauben und sich dazu hergeben, wenn man sich nur an dieser oder jener Sache nicht stoßen müßte; aber das sey eine unüberwindliche Bedenklichkeit. Hinter solcherley Bedenklichkeiten ist eine tiefe Lust zur Ungerechtigkeit, eine unmäßige Liebe zur Finsterniß verborgen; dadurch hat Satan vollen Zugang in's Herz, und verblendet, wie die Schrift sagt, die Sinne, daß man nicht sieht das helle Licht des Evangeliums.

Wo er aber bey einem Menschen noch ungescheuter sich offenbaren darf, wo der Mensch noch finsterer, frecher, von der Furcht Gottes noch weiter entfernt ist: da bleibt es nicht bey solchen Bedenklichkeiten, sondern es geht an's Lästern, wie bey den Leuten, die sprachen: „er treibt die Teufel aus durch Beelzebub.“ O welch' ein Grimm kann durch die Macht der Finsterniß in einem Menschen rege werden gegen den Heiland, gegen Seine Knechte, gegen Sein Reich und Seine Wahrheit! Da kann ein solcher Knecht der Sünde und des Argen etwa in einer Kirche sitzen, wo Buße und Vergebung der Sünden gepredigt wird im Namen des HErrn JEsu, und er zerplatzt fast vor innerer Wuth. Predige du, was du willst, heißt es bey einem solchen armen Menschen, predige nur von deinem Heiland; du kannst lange warten, bis mir deine Worte gefallen! Was will ich von deinem JEsus? Und wenn es dann einmal eine aufgeräumte Stunde gibt: so werden die theuren Worte Gottes oder die Worte eines Zeugen JEsu nachgeäfft, zum Gelächter gemacht, zu Narrentheidungen mißbraucht. Ist das nicht schrecklich?

Dazu hilft aber in gegenwärtiger Zeit viel der allgemeine Zeitgeist. Denn die Gottesfurcht ist ja gewichen aus unserer Zeit; der Ernst der Ewigkeit und die Furcht vor der Verdammniß ist in ein wollüstiges, leichtsinniges Geschwätz von einer besseren Welt verwandelt, dem Fleische haben sie in ihren neuen Religionen die vollste Freiheit eingeräumt; das apostolische Christenthum schreyen sie für Unsinn und Schwärmerei aus; der Leichtsinn, der irdische Sinn haben allenthalben überhand genommen. Dabey ist der Eigendünkel und Vernunft-Stolz der Menschen dieser Zeit unmäßig. Es sind in unsern Tagen Leute aufgestanden mitten in der Christenheit, die über Christum und Seine Wahrheit und über Alles, was je einem Christenherzen heilig gewesen ist, mit der frechsten Stirne gelästert haben und noch lästern. Als Männer des Lichts und der Wahrheit werden sie von diesem Geschlechte verehrt, und als dumme, abergläubische Leute werden diejenigen betrachtet, welche nicht mit ungetheiltem Beifall in diese Verehrung einstimmen. Ach Gott, in welchen Zeiten leben wir! Da hat Satan freilich mit Lästern und Zweifeln gewonnenes Spiel. Da wird es freilich bey diesem Geist der Finsterniß, der alle Stände durchdrungen hat, je mehr und mehr eine Seltenheit, wenn ein Mensch das Wort Gottes bey sich durchwirken läßt zur Wiedergeburt und zur Freiheit der Kinder Gottes; denn die Macht der Finsterniß ist groß.

Wohin führt aber dieß Alles zuletzt? In das Verderben, in das ewige Verderben. Satan ist ein harter Herr, und bezahlet seinen Knechten übel. Sein Reich und seine Herrlichkeit ist Lüge. Das müssen seine Leute schon in dieser Welt vielfältig erfahren, daß ihr Herr ein Lügner ist, der nicht hält, was er verspricht. Er verheißt Seligkeit, und man wird unselig in seinem Dienst und von Tag zu Tag unseliger; er verheißt Sättigung, und macht doch Niemand satt; sein Losungswort ist Vernunft und Klugheit, und ist doch nichts bey ihm zu finden als Unvernunft; Freiheit verspricht er, und hält seine Unterthanen in der elendesten Sklaverey. In der Ewigkeit aber erben seine Knechte mit ihm, und sein Erbe ist Finsterniß und Qual.

II.

Kann man nicht aus dieser Knechtschaft errettet werden? O ja! die Kolosser, an die Paulus schrieb, waren daraus errettet; denn er fordert sie dazu auf, dem Vater Dank zu sagen, der sie errettet habe aus der Obrigkeit der Finsterniß, und versetzt in das Reich Seines lieben Sohnes. Doch nicht nur die Kolosser, sondern schon Unzählige, die ihre Kleider gewaschen und helle gemacht haben im Blute des Lammes. - Wie mag aber Solches zugehen?

Mit uns'rer Macht ist nichts gethan,
Wir sind gar bald verloren,
Es streit't für uns der rechte Mann,
Den Gott selbst hat erkoren!
Fragst du, wer der ist?
Er heißt JEsus Christ,
Der HErr Zebaoth;
Und ist kein and'rer Gott,
Das Feld muß Er behalten.

Als die Schlange durch ihre Verführung die Sünde eingeführt hatte in der Welt, da sprach Gott zu ihr: „ich will Feindschaft setzen zwischen dir und dem Weibe, und zwischen deinem Samen und ihrem Samen. Derselbe soll dir den Kopf zertreten, und du wirst ihn in die Ferse stechen.“ Dieß ist in Erfüllung gegangen. Des Weibes Same, Christus, kam, und es wurde der Schlange erlaubt, Ihn in die Ferse zu stechen. An Christus durfte sich die ganze Wuth Satans versuchen; die Grundsuppe der Hölle wurde gegen Ihn ausgespieen. Welch' ein Widersprechen hat Er auch nach unserem heutigen Evangelium von den Sündern erduldet! Und wie tobte der Grimm des alten Drachen bey'm letzten Leiden des Heilandes! Hohepriester und Schriftgelehrte, Juden und heidnische Kriegsknechte, Herodes und Pilatus - Alle waren seine Werkzeuge. Jene Stunde war dem Satan gegeben; er wirkte mit großem Zorn; die Macht der Finsterniß war über alle Maaßen groß. Er log; er verklagte; er brüllte; er schrie und überschrie; er schlug; er spottete; er lästerte; er dürstete nach Blut und Mord, und sein Durst ward gelöscht, er durfte alle Schranken der Ehrbarkeit überschreiten. Ein großer Festtag für die alte Schlange! -

So durfte sie des Menschen Sohn in die Ferse stechen; aber ihr Festtag ist ihr übel vergolten worden. Denn die nämliche Ferse, in die sie gestochen hat, hat ihr währenddem den Kopf zertreten. Durch seinen Tod hat Christus dem die Macht genommen, der des Todes Gewalt hatte, nämlich dem Teufel (Hebr. 2,14.). Denn in Seinem Tod hat Christus die Sünde getödtet, die dem Tode Frucht gebracht hatte, und eben damit den Zusammenhang zwischen dem Teufel und dem Menschen aufgehoben. Anstatt der Sünde ist nun die Gerechtigkeit - statt des Todes das Leben eingeführet durch Christum. So hat Satan seine Ansprüche auf die Schuldigen verloren, während ihm erlaubt war, seine Bosheit an Unschuldigen zu verüben. JEsus ist nun der rechtmäßige Herr aller Sünder. Satan hat kein Recht mehr an uns; es ist ihm schon vor 1800 Jahren genommen worden. Es ist dem Starken sein Raub genommen; denn der Stärkere ist über ihn gekommen; seine Gefangenen sind erlöset und zwar durch's Recht. O herrliche Erlösung! o große Freiheit! Nun steht nichts mehr im Wege, wenn ein Sünder von der Knechtschaft des Teufels frey werden will. Dem Rechte nach ist Jeder schon frey; es kommt nur darauf an, daß er von diesem Rechte Gebrauch mache und zu JEsus fliehe.

Das sind selige Wahrheiten. Das Wort bringt sie den Menschen nahe, und der Geist Gottes macht sich, wenn ich so sagen darf, ein eigenes Geschäft daraus, die Menschen hievon zu überzeugen. Denn Christus sagt, daß der Geist die Welt überzeuge vom Gericht, daß dieser Fürst dieser Welt gerichtet sey (Joh. 16,11.). Wo diese Wahrheiten mächtig werden in einem Herzen, da hat Satan seine Herrschaft schon verloren, und JEsus Wohnung darin gemacht.

Wenn darum ein Mensch von der Gewalt des Satans möchte gerne erlöset werden: so muß er zu JEsus fliehen; er muß seinem rechtmäßigen HErrn, der ihn erschaffen und erlöset hat, zufallen: die Wahrheit muß Meister werden in seinem Herzen, und JEsus ist die Wahrheit. Dieß geschiehet aber durch den Glauben, und der Glaube ist eine Gabe Gottes, eine Wirkung des heiligen Geistes. Wer es glauben kann, daß er selbst es sey, der dem Heiland den blutigen Schweiß ausgepreßt, und Ihn an's Kreuz und in den Tod gebracht habe, der kann es auch glauben, daß er heil geworden sey durch die Wunden des Lammes. Und wer dieses glaubt, - ich sage - glaubt und nicht bloß weiß: der ist in solchem Glauben frey gemacht von den Ketten Satans; in einem solchen Menschen ist aller seitherige Zusammenhang und Herzensgemeinschaft mit der Finsterniß zerrissen; er ist ein Kind und Erbe des Lichts. Denn am Kreuz hat Christus auf geheimnißvolle Weise das ungöttliche, weltliche, finstere Wesen, mit einem Worte die Sünde, durch die wir Sklaven Satans sind von Natur, getödtet und aufgehoben, und was Christus am Kreuze erkämpft hat, das kommt nun allen Denen zu gut, die durch den Heiligen Geist an Ihn glauben. Denn solche Alle sind mit Ihm gestorben. Wenn wir dieß noch nicht verstehen: so lasset uns wenigstens um den Geist der Wahrheit beten, so wird uns eine Wahrheit um die andere hell werden.

Ein Kind Gottes ist frey von den Ketten Satans. Damit ist aber nicht gesagt, daß es nicht noch könne von ihm versucht werden! O nein! der alte Lügner gibt seine Ansprüche nicht so bald auf. Ein jeder Mensch hat in seiner Natur Seiten, die den Einflüssen und Versuchungen des Argen besonders ausgesetzt sind. Hierauf haben Kinder Gottes zu merken, und an diesen schwachen Seiten starke Wachposten aufzustellen. Oft bringt man aus dem unbekehrten Zustande solche schwache Seiten mit herüber. Wenn ein Mensch lange unter der Knechtschaft einer besonderen Sünde gestanden ist, daß sich seine leiblichen und geistlichen Organe daran gewöhnten: so wird Satan ihn von dieser Seite gewiß nicht unversucht lassen, er hat hierüber besonders zu wachen. Auch begleitet einen jeden Menschen von Geburt aus etwas, wodurch Satan besonders Zugang in ihn hat. Der Eine ist leichtsinniger, der Andere schwermüthiger Art; Einer hat eine überwiegende Einbildungskraft, der Andere zu viel berechnenden Verstand, ein Anderer wieder ein zu große Weichheit und Lenksamkeit des Gemüths. Solche schwachen Seiten sind dem Einfluß und bey Kindern Gottes den Versuchungen des Teufels hauptsächlich ausgesetzt.

Ich weiß wohl, es gibt viele, auch ernstere Seelen, die geschwinde bereit sind, Alles, was bey ihnen nicht vor die Augen Gottes taugt, nur schnell auf des Teufels Rechnung zu schreiben. Aber so ist das Bisherige nicht gemeint, das sey ferne! Mit einem solchen leichten Sinn, der weder die Sünde noch die Schuld nach dem Worte Gottes beurtheilen mag, kann man, auch wenn man schon von der Herrschaft des Teufels los geworden war, in den traurigen Zustand gerathen, von welchem der Heiland in unserem Evangelium redet, daß es mit einem weit ärger wird denn zuvor. Nein? Wenn auch Satan uns versucht: so bleibt die Sünde und die Schuld doch unser, und wir werden Rechenschaft darüber geben müssen. Widerstehet dem Teufel, so fliehet er von euch. O! wie viel Böses würde weniger ausgeübt werden; wie sehr würde der Einfluß des Argen entkräftet, und, wenn es auch im Innern noch so sehr tobt und treibt, doch der äußere Ausbruch der Sünde verhütet werden, wenn man sich mehr an die zwei alten bewährten Waffen: Gebet und Wort Gottes, hielte.

Es wähne darum Keines, das die Kraft des Verdienstes Christi zur Freiheit geschmeckt hat, daß nun der Kampf aus - und es Zeit sey, die Hände in den Schooß zu legen. Wachet und betet! leget jeden Trieb zur Sünde, wenn er im Herzen aufsteigt, ungeschminkt zu des Heilandes Füßen; decket Ihm, so wehe es auch eurer Lust thun mag, Alles im Herzen auf, und lasset euch durch die Kraft Seines heiligen Blutes und Geistes stärken, reinigen, frey machen! Diese Uebung geht fort bis an's Ende, und ist eine selige Uebung.

Wer ist nun weise uns mag solches bedenken? Wer fühlt die Noth, die schwere Gefahr und Noth seiner Seele so sehr, daß sie ihm auch zu Herzen gienge?

Warum wollt ihr sterben, ihr vom Hause Israel? Warum wollt ihr in euren Todesbanden bleiben, da ihr frey werden könntet? Hier ist JEsus, der ruft euch! Ach, daß die Nebel einmal durch die Macht der Wahrheit vertrieben würden! So würden wir ja die Jämmerlichkeit des Treibens dieser Welt, das sich einen so edlen Anstrich gibt, und die Gemeinheit Satans einsehen, und derselben herzlich satt werden. Da könnte uns JEsus helfen, der Sieger auf Golgatha. Wer aber etwas davon sieht, der säume nicht, sondern er dringe mit aller Macht zum Kreuze Christi. Wer da säumet, der wird sich um sein Heil betrügen. Denn Satan ist sehr grimmig und listig, und benützt jeden Vortheil.

Auf, auf, mein Geist! und säume nicht,
Dich durch die Macht der Finsterniß zu reißen,
Gedenke nicht, daß dir's an Kraft gebricht,
Bedenke, was für Kraft uns Gott verheißen.
Wie gut läßt sich's einst nach dem Kampfe ruh'n!
Wie wohl wird's thun!

Amen!

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