Hagenbach, Karl Rudolf - Von der Freudigkeit und Sicherheit des christlichen Handelns.

Hagenbach, Karl Rudolf - Von der Freudigkeit und Sicherheit des christlichen Handelns.

Text: Phil. 2,14.15.
Thut alles ohne Murren und ohne Zweifel, auf daß ihr seid ohne Tadel und lauter und Gottes Kinder, unsträflich mitten unter dem unschlachtigen und verkehrten Geschlecht, unter welchem ihr scheinet als Lichter in der Welt.

Durch Mosen ist uns das Gesetz, durch Christus ist uns Gnade und Wahrheit worden. (Joh. 1,17.) Mit diesen wenigen Worten bezeichnet der Evangelist Johannes den großen Unterschied zwischen der alt- und der neutestamentlichen Ordnung der Dinge. Das Gesetz, ja, das ist uns durch Moses geworden, das lehrt uns was wir thun sollen und was der Herr von uns fordert. Aber die Gnade und Wahrheit, die innere Lebensbestimmung und Lebensrichtung, die es uns allein möglich macht, den Willen Gottes mit Freuden zu thun, die giebt uns das Gesetz nicht, die giebt uns allein der, dessen Leben selbst ein Leben war voller Gnade und Wahrheit, ein Leben aus Gott, ein heiliges, reines, thatkräftiges Leben aus der Liebe. Und darum sind denn auch die Forderungen, die seine Religion, die Religion des Evangeliums an uns stellt, andere, als die Forderungen des Gesetzes. Wenn dieses sich damit zu begnügen scheint, daß das Gute gethan werde, gleichviel aus welcher Gesinnung und mit welchen Gefühlen, so geht die christliche Ermahnung, wie wir sie aus dem Munde der Apostel vernehmen und wie wir sie auch in unserm Texte ausgesprochen finden, überall auf das Innere des Menschen zurück, auf die Gesinnung des Herzens, auf die verborgene Quelle aller unserer Empfindungen, Neigungen und Triebe. Nicht daß etwas Gutes überhaupt geschehe äußerlich im Reiche des Sichtbaren, nicht das ist das eigentliche und letzte Ziel des Christenthums; sondern wie es geschieht, darauf kommt alles an, in welchem Sinne aus welcher Ueberzeugung heraus, mit welchem Maaß von Liebe, von Freudigkeit, von Aufopferung es geschieht, das ist überall die Hauptsache. Thut alles, so lehrt der Apostel, ohne Murren und ohne Zweifel, auf daß ihr seyd ohne Tadel und lauter und Gottes Kinder, unsträflich mitten unter dem unschlachtigen und verkehrten Geschlecht, unter welchem ihr scheinet als Lichter in der Welt. Halten wir uns diesen Spiegel vor, meine andächtigen Freunde, so sollte ich denken, daß auch die, welche vor der Welt und vor dem Gewissen der Welt rein erscheinen, noch viele Flecken und Runzeln an sich entdecken werden, die sich nicht vertragen mit der Wohlgestalt der christlichen Frömmigkeit; ich sollte denken, daß auch die, welche sich im Ganzen das Zeugniß eines redlichen Strebens und eines unsträflichen Wandels geben können, dennoch werden ausrufen müssen: wie weit, ach wie weit bin ich noch entfernt von dem mir vorgesteckten Ziele! -

Nicht um uns abzuschrecken, meine Freunde, nicht um uns muthlos zu machen im Kampfe, nein, um zu weitern Kampfe uns zu stärken und zu ermuntern, wollen wir denn in den reinen Spiegel hineinblicken, den der Apostel uns vorhält, in einen Spiegel, aus dem das Bild der christlichen Gesinnung und des christlichen Lebens in einfachen, aber in klaren und bestimmten Zügen, in harmonischer Schönheit und Vollendung uns entgegentritt.

Von der Freudigkeit und Sicherheit des christlichen Handelns wollen wir reden, wie es gegenüber dem Murren und dem Zweifeln der Welt und geschmückt mit dem Kranze der christlichen Tugenden sich offenbart, woraus sich von selbst auch der weitere Segen ergeben wird, der von einem solchen Handeln ausgeht.

Herr unser Gott! schenke uns auch zu dieser Betrachtung deinen Segen. Gieb uns willige muntere Herzen, einen gewissen Geist und einen guten frischen Muth, damit wir deinen Willen stets mit Freuden und aus Ueberzeugung thun, und dadurch auch andern als Beispiel vorleuchten mögen als Lichter in der Welt und als Zeugen des Lichtes, das alle Welt erleuchtet Amen.

I.

a. Thut alles ohne Murren und ohne Zweifel. Eine große ernste Forderung, meine Geliebten, wenn wir ihren Inhalt recht erwägen. Wie vieles geschieht auf dieser Welt, sogar scheinbar Gutes und Löbliches, aber es geschieht entweder mit Murren, d. h. mit einem offenen oder geheimen Widerstreben unseres Wesens oder es geschieht doch wenigstens mit Zweifel, d. h. nur einem halben Herzen, mit einer halben Ueberzeugung, mit einer halben Freude, einer halben Liebe, und wie selten sind die guten Handlungen, die nach des Apostels Vorschrift, ohne Murren und ohne Zweifel, d. h. eben mit voller Freudigkeit und Sicherheit vollzogen werden? - Prüfen wir uns nur selbst genauer und die Handlungen, die von uns ausgehen, und wir müssen, wenn wir ehrlich sein wollen, bekennen so manches klebt uns noch von dem an, was der Apostel wohl dem „unschlachtigen und verkehrten Geschlecht“, nicht aber den Auserwählten, den Heiligen und Geliebten Gottes zutraut. -

Es giebt eine Gerechtigkeit und ihr kennt sie alle aus eigener Erfahrung, die, so sauer es auch den natürlichen Menschen ankommt, dennoch ihre Pflichten gewissenhaft zu erfüllen und dem Gesetze wo immer möglich zu genügen strebt; aber ihr Gehorsam ist kein freudiger, er ist, wie wir es an uns selbst noch öfter wahrnehmen können, ein harter Frohndienst, von dem wir gerne sobald als möglich befreit wären. Oder ist es nicht so? Wenn wir sehen, wie Andere es sich leicht machen, wie sie über Pflicht und Gebot sich hinwegsetzen, wie sie des Frommen, des Tugendhaften spotten und seine Güte mißbrauchen, befällt uns da nicht oft ein gewisser Unmuth, der es uns fast will bereuen lassen, daß wir bisher so thöricht gewesen seien, uns streng an Pflicht und Gewissen zu binden? Warum, so fragt man in diesem Gefühl des Unmuths, warum sollen denn wir allein arbeiten, während Andere müßiggehen, warum wir allein entbehren und entsagen, während Andere das Leben genießen, warum wir allein Opfer bringen, während Andere sich jeder Hülfleistung zu entziehen wissen, warum wir mit unserer Ehrlichkeit und unserer Gutmüthigkeit bezahlen, was Andere verschuldet haben? warum mit unserer Demuth und Bescheidenheit uns selber im Lichte stehen, während Andere sich vorzudrängen wissen? warum sollen wir immer die seyn, die nachgeben und den ersten Schritt zum Frieden thun, während Andere starr auf ihrem Rechte, ja sogar oft auf ihrem Unrechte beharren und keinen Finger breit uns entgegenkommen? - Was ist aber dieses Hin- und Herreden anders, meine Freunde, als das, was die heilige Schrift und unser Text an diesem Orte das Murren nennt? die Unzufriedenheit mit den Wegen Gottes, das sich Auflehnen gegen seine Führungen, das geheime Widerstreben des Herzens gegen sein Gesetz? - Wendet mir nicht ein: die also reden, seyen nicht die Schlimmsten, sie thun ihre Pflicht dennoch, gleich jenem Sohne in dem Gleichniß, der, als der Vater ihm auftrug in den Weinberg zu gehen, sprach: ich will es nicht thun, und hinterher es doch that, weil es ihn reute. Eben daß so vieles leider! nur mit Murren geschieht, ist ja schon Sünde, ob auch äußerlich noch so viel Gutes dabei herauskomme. Oder habt ihr denn das Wort vergessen: „Wenn ich meinen Leib sengen und brennen ließe und hätte der Liebe nicht, so wäre es mir nichts nütze.“ (1. Cor. 133.) -

Allerdings ist schon der äußere Zwang, den man sich in solchen Stimmungen anzuthun weiß und die Ueberwindung, die man sich's kosten läßt, das Gute auch Wider Willen zu thun, ehrenwerth, gegenüber einer frevelhaften, gottlosen Gesinnung, die jede Fessel abwirft; aber ohne Tadel, lauter und unsträflich werdet ihr doch jene murrende Gerechtigkeit nicht nennen wollen und noch viel weniger würdig eines Kindes Gottes. Nein, was mit Murren geschieht, ist nur der Frohndienst eines Knechtes. Gott will fröhliche Geber und einen freudigen kindlichen Gehorsam. Wo dieser fehlt bat die äußere Pflichterfüllung nur einen untergeordneten Werth und verdient nicht den Namen der Tugend, wenigstens nicht der christlichen Tugend.

b. Wir sollen aber nicht nur alles ohne Murren, wir sollen auch alles ohne Zweifel thun, nach des Apostels Vorschrift. Und auch hierin bleiben wir noch so oft hinter dieser Vorschrift zurück. Lehnen wir uns auch nicht auf gegen Gottes Gebote, sondern setzen wir auch wirklich eine Ehre und eine Freude darein, zu seinen gehorsamen Kindern zu gehören, so möchten wir doch auch wieder nicht ganz die Ansprüche aufgeben, die wir an die Welt zu haben glauben. Beides, so überreden wir uns, lasse sich ja am Ende wohl noch vereinigen, die Erfüllung der Pflicht und die Befriedigung der eigenen Lust, der Dienst Gottes und der Dienst Ker Welt oder des Mammon; man müsse es nur nicht allzu genau nehmen mit dem Einen und nicht allzuweit treiben mit dem Andern. Aber je mehr wir in dieser Weise beides zu vereinigen suchen, desto mehr überzeugen wir uns, daß es doch nicht geht, zweien Herren zu dienen und mit jedem Schritte, den wir auf diesem halben Wege vorwärts thun, nimmt auch die Verlegenheit überhand, ob wir wohl nicht dem Einen oder dem Andern schon zu viel eingeräumt haben? ob wir nicht vielleicht hier zu gewissenhaft, dort wieder zu leichtsinnig gewesen? Und so gerathe wir denn in eine Unsicherheit und Blödigkeit des Handelns, in ein beständiges Schwanken und Zweifeln in eine Halbheit der Grundsätze, aus dem wir nicht mehr herauskommen. Hier reut uns die scheinbar gute That, weil sie am Ende doch nur eine unüberlegte, übereilte war, hervorgegangen aus einer augenblicklichen Stimmung und Rührung des Herzens, dort reut uns wieder ein begangener Fehltritt, den wir aber nicht gut zu machen wissen, weil wir vor lauter Prüfen und Wählen vor lauter Ja und Nein zu keinem Entschlusse gelangen. Das einemal rechnen wir uns zur Sünde, was vor einem klaren Gewissen keine Sünde ist, und das anderemal wieder setzen wir uns über Bedenklichkeiten nur zu leicht hinweg, was uns wieder neue Vorwürfe zuzieht, und so entsteht denn ein gegenseitiges sich Anklagen und Entschuldigen der Gedanken, wobei wohl der Grad von Gewissenhaftigkeit mit der es geschieht, zu achten, der Mangel an Sicherheit aber noch viel mehr zu bedauern ist. Ein peinlicher Zustand meine Geliebten, den ihr gewiß alle schon mehr oder weniger aus Erfahrung kennt und von dem ihr mindestens sagen werdet, er zieme sich nicht für solche, die nach des Apostels Worten tadellos seyn sollen und lauter, Gottes Kinder und unsträflich. - Gleicht doch ein Zweifler, wie Jakobus so trefflich sagt, der Meereswelle, die vom Winde getrieben und gewebet wird, (Jak. 1,6.7.) und ist er doch unbeständig in allen seinen Wegen, und eben darum sagt auch wohl Paulus was nicht aus dem Glauben kommt, was nicht aus der festen, sichern Ueberzeugung hervorgeht, das ist Sünde. (Röm. 14,23) Und so wäre denn das Murren wie der Zweifel beides gleich verderblich. -

Ist das Murren immer ein sicheres Kennzeichen eines trotzigen Herzens, so gehört der Zweifel dem verzagten Herzen an. Aber das trotzige, wie das verzagte Herz ist ja das Herz jenes unschlachtigen und verkehrten Geschlechtes, über das wir als die Kinder Gottes, als die Tadellosen, als die Lautern als die Unsträflichen uns erheben sollen. Erst also wo das Murren der Freudigkeit, erst wo das Zweifeln und Schwanken der Sicherheit des Handelns gewichen ist, erst da haben wir eine Ahnung von jener christlichen Vollkommenheit wie sie der Apostel uns schildert, wenn er sagt, daß wir seyn sollen ohne Tadel und lauter und unsträflich als die Kinder Gottes. -

Und in der That, was ließe sich Schöneres und Vollkommeneres denken auf dem Gebiete des menschlichen Handelns und Wirkens als ein Leben, das so ganz erfüllt von göttlichem Liebestriebe, alles Gute mit der reinsten Freude thut und mit dem edelsten, sichersten Bewußtsein, das weder zum Voraus noch hinterher irgend ein Opfer sich reuen läßt, das ohne gewaltsamen Kampf, gleich als ob sich dieß von selbst verstünde, im Einverständniß sowohl mit dem eigenen Herzen, als im Einverständniß mit Gott handelt, ein Leben, wo der eigene Wille bereits aufgenommen und verarbeitet ist in den Willen Gottes, wo jeder Zwiespalt aufhört zwischen Lust und Pflicht, wo der Geist vollkommen in sich klar, das Herz vollkommen in sich beruhigt ist, wo alles geschieht ohne Murren und ohne Zweifel.

Ach, ein solches Leben giebt es nicht hienieden, antwortet ihr mir, und ihr habt Recht, wenn ihr es suchet unter dem Geschlecht, das der Apostel in unserm Texte so stark, aber so wahr und treffend ein unschlachtiges und verkehrtes Geschlecht nennt, ihr habt Recht, wenn ihr es suchet, da wo die Welt gewöhnlich das Große sucht und das Treffliche. Da ist es freilich nicht zu finden. Das Glänzende, das Gewaltige, das menschlich Außerordentliche, das ist es nicht, was Gott berufen hat zu Werkzeugen seiner Offenbarung. Und gleichwohl hat es gelebt, dieses Leben und wir haben seine Herrlichkeit gesehen als die Herrlichkeit des Eingebornen vom Vater voller Gnade und Wahrheit. (Joh. 1,14.) Ja, meine Freunde, was ich zuerst sagte, das wiederhole ich hier: durch Mosen ist uns das Gesetz, durch Christum ist uns Gnade und Wahrheit geworden. An ihm haben wir das reinste, das herrlichste, wenn gleich unerreichte Vorbild einer Freudigkeit und Sicherheit des Handelns, wie sonst nirgends die Geschichte sie kennt. Alles ja, was wir ihn thun sehen, den Menschensohn, das thut er ohne Murren und ohne Zweifel, im unerschütterlichen, unverbrüchlichen Gehorsam bis zum Tode am Kreuz. Was er einmal als den Willen des Vaters erkannt hat, das führt er auch aus, gehe es durch noch so schwere Kämpfe. Zu wirken, so lange es Tag ist, zur Ehre Gottes und zum Wohl der Brüder, das ist sein Beruf. Er weicht und wanket nicht. Darum kommt auch ihm allein im vollkommensten Maaße alles das zu, was der Apostel von uns verlangt, nämlich zu seyn ohne Tadel und lauter und unsträflich als ein Kind, ja als der Sohn Gottes im höchsten Sinne des Wortes. Aber obwohl der Einzige seines und unseres Geschlechtes, will er doch nicht allein dastehen, sondern alle zu sich heranbilden und heranziehen und so ein Vater werden vieler Kinder. Ein Jeglicher, so verlangt es ja auch der Apostel in unserm Briefe (Cap. 2,5), ein jeglicher soll gesinnet seyn, wie Jesus Christus auch war; und darum dürfen wir nicht sagen, ein solches Leben, wie es der Apostel von uns verlangt, sey ein unerreichbares; sondern im Vertrauen auf Gott, der in uns wirket beides das Wollen und Vollbringen (Cap. 2,13) und im Anschluß an Christum, unser Vorbild, sollen wir streben zu derselben Freudigkeit und Sicherheit des Handelns, zu derselben Lauterkeit und Unsträflichkeit der Gesinnung, zu derselben Gotteskindschaft zu gelangen. Und hat auch noch keiner das Vorbild erreicht, und müssen wir es auch alle bekennen, daß wir es noch nicht ergriffen haben, wonach wir streben, o so zeigt uns denn doch die Geschichte des Christenthums, daß es mit Gottes Hülfe Vielen schon gelungen ist, zu einem hohen Grade von Freudigkeit und Sicherheit des Handelns und zu einer würdigen Stufe christlicher Vollkommenheit es zu bringen. Der Apostel selbst rühmt es ja bereits an seinen Philippern, daß sie in dieser Beziehung erfreuliche Fortschritte gemacht haben, und deßhalb sagt er von ihnen und sagt es von allen guten redlichen Christen, daß sie scheinen unter dem verkehrten Geschlecht als Lichter in der Welt. Damit bezeichnet er denn zugleich den Segen, den ein freudiges und sicheres Handeln im Geiste des Christenthums mit sich führt. Und bei der Betrachtung dieses Segens laßt uns noch kürzlich verweilen.

2.

Die da alles thun ohne Murren und ohne Zweifel, und die somit als die Tadellosen, als die Lautern, als die unsträflichen Gotteskinder sich darstellen, mitten unter einem entarteten und verkehrten Geschlechte, die nennt der Apostel zugleich die Lichter, welche scheinen in dieser Welt. So hart das Wort klingt von dem unschlachtigen und verkehrten Geschlecht über das er seufzt, so lieblich klingt die Rede von dem Hineinscheinen dieser Lichter in die Welt. Wohl ist das Menschengeschlecht seit seinem Falle ein unschlachtiges und verkehrtes, der dunkeln rohen Masse vergleichbar, der finstern wüsten Leere, ehe der Geist Gottes sie beseelte am Tage der Schöpfung. Aber wie dort der Ruf erscholl: es werde Licht! so geht auch in der sittlichen Welt dieser Ruf fort und fort an jedes Gemüth. Das Dunkle, das Rohe, das Ungestaltige und Ungefüge der Masse soll mehr und mehr überwunden und nach und nach hineingebildet werden in die Wohlgestalt eines heitern und geordneten Lebens. Christus ist das Licht der Welt, und wer in seinem Lichte wandelt, der wird auch wieder ein Licht für Andere. - Das freudige und sichere Handeln des Christen, aus dem gesunden lebensfrischen Quell einer göttlichen Gesinnung heraus, kann nicht ohne Wirkung und ohne Frucht bleiben. Wie die Sünde ihre Strafe und ihren Fluch mit sich führt, so hat die wahre Gerechtigkeit aus dem Glauben und die That der Liebe auch ihren Lohn und ihren Segen in sich selbst.

Sehet an den Mann, der freudig in seinem Gott, ruhig in seinem Gewissen, klar in seinem Geiste, fest in seinen Grundsätzen steht und handelt, ohne Murren und ohne Zweifel, wie ist es anders möglich als daß von ihm auch ein wohlthätiges Licht ausstrahle auf alle seine Umgebungen? Stellt ihn in einen Wirkungskreis in welchen ihr wollt, laßt ihn als Herrscher von Millionen oder als einfachen schlichten Bürger unter seinen Brüdern auftreten, stellt ihn an die Spitze eines Kriegsheeres oder an die Spitze einer armen Kinderschaar, an das Krankenbette oder auf den Lehrstuhl oder mitten in die Geschäfte und Verwicklungen des täglichen Lebens hinein; macht das Wohl der Staaten oder der Kirche, das Glück der Familien oder der Einzelnen von seinem Rath, von seiner Klugheit und Tapferkeit abhängig, überall wird ein Solcher scheinen als ein Licht, nicht als ein Licht, das blendet mit falschem Glanz und Schein, sondern als ein wohlthätiges, als ein mildes und klares Licht, das da vorleuchtet allen, die ihm folgen. Die Freudigkeit und Unverdrossenheit, womit er handelt, wird auch den Muth der Andern entflammen und ihm Ausdauer geben, die Sicherheit, die man allen seinen Tritten und Schritten anmerkt, wird das Vertrauen in seine Unternehmungen und die Zuversicht in seine Versprechungen erhöhen. Die Ruhe, die Klarheit, die Besonnenheit, die Festigkeit, die aus seinen Blicken leuchtet, wird gleichsam unmittelbar auf seine Umgebungen übergehen und wie der Herr, so wird auch der Diener, wie der Meister, so wird auch der Schüler seyn. Sehet an die Mutter im Kreise ihrer Kinder. Sie bringt alle Opfer, die der schwere Beruf ihr auferlegt, und sie bringt sie mit freudigem Herzen; sie bricht sich den Schlaf und versagt sich tausend Genüsse und Vergnügungen ohne das leiseste Murren und ohne den mindesten Zweifel. Sie fragt nicht, ob es auch anders und besser seyn könnte ihretwegen, wenn sie nur weiß, daß, was sie thut, zum Wohl ihrer Kinder dient. Sie verlangt weiter keinen Lohn, kein Lob, keine Entschädigung, es ist ihr genug, daß sie eine christliche Mutter sey nach dem Willen Gottes; mehr will sie nicht, mehr sucht sie nicht, mehr begehrt sie nicht: o ich frage euch, ist sie nicht ein Stern, der da leuchtet mitten unter dem unschlachtigen und verkehrten Geschlecht, unbemerkt vielleicht und unbeachtet von den verwöhnten Augen, die nur da Licht sehen wo die Eitelkeit ihnen entgegen schimmert, wo irgend ein großer Name sie blendet - aber gleichwohl ein Stern für Viele, die in dunkler Nacht irren und Gott danken für das Licht, das er ihnen aufgehen läßt mitten im Dunkel. Und wie ist es anders möglich, als daß der Geist der Sanftmuth, der Demuth, der Liebe, der eine solche Mutter belebt auch auf die Kinder und Hausgenossen übergehe, und daß auch sie wieder gehorchen lernen ohne Murren und ohne Zweifel?

Sehet an die Sendboten des christlichen Glaubens von der Apostel Zeiten bis auf unsere Tage. Ausgegangen sind sie in die Welt, wie die wehrlosen Schafe unter die Wölfe; aber ohne Murren und ohne Zweifel haben sie im Vertrauen auf Gottes Verheißungen gearbeitet, haben den Samen des göttlichen Wortes ausgestreut in die Herzen der Völker, haben ausgeharrt im Kampfe mit tausend Hindernissen und Schwierigkeiten, und sie sind Lichter geworden am Sternenhimmel der christlichen Bildungsgeschichte und ihre Namen sind angeschrieben im Buche des Lebens.

Und was soll ich von denen sagen, die ohne einen freudigen Tag zu haben, ihr Brot mit Thränen essen oder auf ihr Krankenlager gebettet, ausharren müssen bis die Stunde ihrer Erlösung kommt? Ohne Murren, ohne Zweifel auszuharren in Armuth, in Krankheit, in Unglück und Trübsal, auch da noch unsträflich zu bleiben und lauter und tadellos; auch da noch eine kindliche Gesinnung sich zu bewahren, ja das ist vielleicht die schwierigste unter allen Aufgaben, aber wer diese löst, der ist auch dem himmlischen Vorbilde seines Meisters am nächsten, der ja auch nicht nur handelte, sondern der auch duldete und litt, ohne Murren und ohne Zweifel, ja, der unter den bangsten Todesleiden, geduldig blieb wie ein Lamm, das zur Schlachtbank geführt wird und wie ein Schaf, das verstummet vor seinem Scheerer. Wahrlich ein solcher frommer Dulder ist auch ein Himmelslicht mitten in der Welt, bei dessen Schein viele Irrende sich wieder zurechtfinden und viele Gebeugte sich wieder aufrichten mögen im Dunkel ihrer Wege.

Und nun, meine Freunde, was sollen wir thun? Daß wir absichtlich unser Herz gegen die Wahrheit verstocken, vorsätzlich die Gebote Gottes übertreten sollten, das darf ich wohl bei einer christlichen Versammlung nicht voraussetzen, sondern lieber nehme ich an, daß wir alle den aufrichtigen Wunsch hieher gebracht haben, zuzunehmen in der Heiligung und zu wachsen in allem Guten. Aber wenn wir denn gleichwohl bei einer redlichen Selbstprüfung haben finden müssen, wie bei allem guten Streben es uns noch immer mangelt an der Freudigkeit und Sicherheit des Handelns, daß wir noch so vieles nur unter Murren und unter Zweifeln zu Stande bringen; wenn wir uns noch alle weit entfernt fühlen von jener tadellosen Vollkommenheit und Lauterkeit, von jener Unsträflichkeit eines in Gott ergebenen und durch seinen Geist geläuterten Kindessinnes, oft laßt uns allen Ernst anwenden, das noch Unerreichte mit Gottes Hülfe zu erreichen. Laßt uns aufblicken zu jenen Lichtern, die da als Sterne Gottes leuchten mitten in der Welt, vor allem aufblicken zu dem Lichte, von dem alles Licht und alles Leben ausströmt, damit wir so erleuchtet und erwecket von dem wahrhaftigen Licht, selbst wieder Lichter werden mögen für Andere. Ist auch unser Wille noch schwach und unsere Kraft noch ungeübt, o so wird der, der in uns schafft das Wollen und das Vollbringen nach seinem Wohlgefallen, auch das glimmende Docht unseres schwachen Lichtes nicht auslöschen, sondern uns Gnade schenken, daß auch wir es können leuchten lassen vor den Leuten auf daß sie unsere guten Werke sehen und den Vater im Himmel preisen und wir mit ihnen. Amen.

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