Gerok, Karl - Der Heimat zu - 7. Trinitatis.

Gerok, Karl - Der Heimat zu - 7. Trinitatis.

1880.

(Matth. 7, 1-12.)
(1) Richtet nicht, auf dass ihr nicht gerichtet werdet. (2) Denn mit welcherlei Gericht ihr richtet, werdet ihr gerichtet werden; und mit welcherlei Maß ihr messt, wird euch gemessen werden. (3) Was siehst du aber den Splitter in deines Bruders Auge und wirst nicht gewahr des Balkens in deinem Auge? (4) Oder wie darfst du sagen zu deinem Bruder: Halt, ich will dir den Splitter aus deinem Auge ziehen? Und siehe, ein Balken ist in deinem Auge. (5) Du Heuchler, zeuch am ersten den Balken aus deinem Auge; danach besiehe, wie du den Splitter aus deines Bruders Auge ziehst. (6) Ihr sollt das Heiligtum nicht den Hunden geben und eure Perlen sollt ihr nicht vor die Säue werfen, auf dass sie dieselbigen nicht zertreten mit ihren Füßen und sich wenden und euch zerreißen. (7) Bittet, so wird euch gegeben; sucht, so werdet ihr finden; klopft an, so wird euch aufgetan. (8) Denn wer da bittet, der empfähet; und wer da sucht, der findet; und wer da anklopft, dem wird aufgetan. (9) Welcher ist unter euch Menschen, so ihn sein Sohn bittet ums Brot, der ihm einen Stein biete? (10) Oder so er ihn bittet um einen Fisch, der ihm eine Schlange biete? (11) So denn ihr, die ihr doch arg seid, könnt dennoch euren Kindern gute Gaben geben, wieviel mehr wird euer Vater im Himmel Gutes geben denen, die ihn bitten. (12) Alles nun, das ihr wollt, dass euch die Leute tun sollen, das tut ihr ihnen auch; das ist das Gesetz und die Propheten.

Sorgt nicht! So hörten wir den Herrn in der Bergpredigt am vorigen Sonntag uns zurufen. Richtet nicht! So lautet sein Zuruf im heutigen Abschnitt aus derselben Predigt, die man einen goldenen Christenspiegel nennen könnte, weil sie eine umfassende Anweisung zum christlichen Leben, das Grundgesetz des neuen Testaments enthält.

Richtet nicht! Das klingt aus einem anderen Ton als unser neuliches: Sorgt nicht! Damals bekamen wir hauptsächlich eine Trostpredigt, diesmal ist es mehr eine Strafpredigt. Damals handelte sichs um unsere Lebensführungen, diesmal geht's auf unser geselliges Zusammenleben. Damals galt es einer kleinmütigen Schwachheit in unserem Verhalten gegen Gott, diesmal einer übermütigen Unart gegenüber unserem Nächsten.

Aber wenn das: Sorgt nicht! am Platz war bei vielen unter uns, so ist vielleicht auch das: Richtet nicht! wohlangelegt bei uns allen; denn es gibt kaum eine Unart, die so verbreitet ist in der Welt, in der feinen Gesellschaft so gut als in der gemeinen, in frommen Kreisen nicht minder als in weltlichen Zirkeln, wie dieses lieblose Richten. Und es gibt kaum eine Unart, die so hässlich ist, die dem Menschen so schlecht ansteht und die das menschliche Zusammenleben so verkümmert und verbittert, als dieses schonungslose und bösartige Richten.

Ich gestehe ganz offen, dass der gescheiteste, der verdienteste, ja der scheinbar christlichste Mann augenblicklich um viele Grade in meiner Achtung sinkt, sobald ich diesen unschönen Charakterzug an ihm bemerke, und dass ich eine menschlich edle, eine christlich durchgebildete Persönlichkeit nur da finde, wo der Mann oder die Frau das Gebot gleichsam in Saft und Blut aufgenommen hat: Richtet nicht!

So wollen wir denn heute dieses Wort an die Spitze unserer Betrachtung stellen, wie es am Eingang unseres Evangeliums steht, und wollen auch die anderen goldenen Worte, die sich in unserem heutigen Textabschnitt anreihen, nur im Licht jenes Hauptsatzes mit in unsere Betrachtung ziehen.

Richtet nicht! Diese Kernregel fürs christliche Leben lasst uns beherzigen, wie sie der Herr

  1. kräftig begründet;
  2. weise begrenzt;
  3. heilsam unterstützt;
  4. endgültig abschließt.

Herr, geh nicht ins Gericht mit deinem Knecht,
Vor dir ist kein Lebendiger gerecht! Amen.

Richtet nicht! Sprecht nicht voreilig und lieblos ab über euren Nebenmenschen, über sein Tun und Lassen, über seine Gaben und Eigenschaften, über seinen Charakter und seine Persönlichkeit; „richtet nicht - auf dass ihr nicht gerichtet werdet. Denn mit welcherlei Gericht ihr richtet, werdet ihr gerichtet werden; und mit welcherlei Maß ihr messt, wird euch gemessen werden. Was siehst du aber den Splitter in deines Bruders Auge und wirst nicht gewahr des Balkens in deinem Auge? Oder wie darfst du sagen zu deinem Bruder: Halt, ich will dir den Splitter aus deinem Auge ziehen? Und siehe, ein Balken ist in deinem Auge. Du Heuchler, zeuch am ersten den Balken aus deinem Auge; danach besiehe, wie du den Splitter aus deines Bruders Auge ziehst.“ Da hören wir vor allem:

1) Wie der Herr seine Warnung so kräftig begründet,

indem er uns darauf hindeutet: Du hast auch deine Fehler, vielleicht größere als dein Nächster, über den du dich aufhältst; so lang du nicht im reinen bist mit deiner eigenen Besserung, steht es dir übel an, den Sittenrichter und Splitterrichter zu machen gegenüber von anderen.

Es ist merkwürdig, meine Freunde, wenn man oft in Gesellschaften hört, mit welch geläufiger Zunge, mit welch heiterem Witz oder mit welch sittlicher Entrüstung einer über einen Abwesenden herfällt, seine Schwächen verspottet, seine Handlungen verurteilt, seinen Charakter herabsetzt, so sollte man denken: Dieser Mann, der so redet, muss aber ein wahrer Heiliger, - diese Frau, die das tut, muss ein rechtes Tugendmuster sein, dass sie mit so frommem Unwillen, mit so überlegenem Selbstbewusstsein urteilen über ihren Nebenmenschen. Und doch, wer diesen Mann oder diese Frau vielleicht genauer kennt, der weiß: Sie hätten's gar nicht nötig, so laut zu reden; sie hätten alle Ursache, still zu sein, nach dem Grundsatz: Ein jeder kehre vor der eigenen Tür, und nach dem Sprichwort: Wer in einem Glashaus sitzt, soll nicht mit Steinen werfen, und nach der Mahnung des Herrn: Du Heuchler, zeuch zuerst den Balken aus deinem Auge; danach besiehe, wie du den Splitter aus deines Bruders Auge ziehst!

Es ist merkwürdig, wie scharfsichtig wir sind für fremde Fehler und wie kurzsichtig für unsere eigenen, so dass uns gar nicht einfällt, während wir unserer scharfen Zunge den Lauf lassen: Mit alle dem richtest du dich selber; du hast ja auch deine Schwächen und Gebrechen so gut als dein Bruder; vielleicht andere als er; vielleicht ganz dieselben, über die du dich bei ihm aufhältst; vielleicht viel ärgere und schwerere, einen Balken gegenüber dem Splitter.

Darum lieber Zuhörer oder liebe Zuhörerin, so oft du in Versuchung kommst, über einen anderen lieblos abzusprechen oder einzustimmen in so ein Lästerkonzert, so eine Schmähsymphonie, worin so manche Gesellschaft ihre armselige Unterhaltung sucht, o tue doch zuvor einen kleinen Blick in dein eigenes Herz und Leben und denk an das Wort des heiligen Menschensohns, des tiefen Menschenkenners und barmherzigen Menschenfreunds: Richtet nicht, auf dass ihr nicht gerichtet werdet.

Das wird dich demütig machen, dass du dich auf die Zunge beißt und auf den Mund schlägst in dem Bewusstsein: Wer bin ich, dass ich einen fremden Knecht richte? Habe ich nicht auch meine Fehler, brauche ich nicht selber Nachsicht bei Gott und bei Menschen?

Das wird dich milde machen, dass du den fehlenden Bruder schonender beurteilst und denkst: Es wird ihm auch nicht viel anders gegangen sein als mir, er wird auch seine Milderungsgründe und Entschuldigungen für seine Schwächen haben so gut als ich sie zu haben glaube.

Das wird dich vorsichtig machen, dass du bedenkst: Mit welcherlei Gericht ihr richtet, werdet ihr gerichtet werden; und mit welcherlei Maß ihr messt, wird euch gemessen werden. Wer lieblos urteilt und schonungslos richtet, der darf sich nicht beklagen, wenn ihm von den Menschen das Gleiche widerfährt; dem geschieht ganz recht, wenn er nicht nur gefürchtet und gemieden, sondern bei der geringsten Blöße, die er sich gibt, unbarmherzig gehasst und gegeißelt wird; ja der darf auch von dem allgerechten Gott selbst keiner Gnade sich getrösten und kann kein fröhliches Vaterunser beten: Vergib uns unsere Schulden, wie wir unseren Schuldigern vergeben.

Schmach über einen Menschen, der so gedankenlos ist, den Balken nicht zu sehen im eigenen Auge, während er den Splitter in des Bruders Auge richtet; oder gar was auch vorkommt so heuchlerisch, das mit scheinheiliger Strenge am anderen laut zu verdammen, was er insgeheim selber sich erlaubt.

Schande über eine Gesellschaft, sei sie fein oder roh, die sich nicht besser zu unterhalten weiß als mit übler Nachrede und faulem Geschwätz, wie es denn solche Wespennester böser Zungen, solche Brutstätten seichten oder boshaften Stadtklatsches genug gibt auch bei uns in Häusern und in öffentlichen Gärten.

Aber Ehre dem Mann oder der Frau, die soviel Herzensgüte und Christenliebe hat, auch die Schwachheiten des Nächsten, soweit es möglich ist, zum Besten zu kehren, und soviel Mut und Charakterstärke, auch für den Verlästerten und Verspotteten einzutreten und wäre es einer ganzen Gesellschaft zum Trotz, wie Jesus an Simons Tisch, da er sprach: Was bekümmert ihr das Weib, sie hat getan, was sie konnte, sie hat ein gutes Werk an mir getan!

Nicht als sollte darum der Christ das Schlechte gut heißen, aus sauer süß machen und seine bessere Überzeugung der Welt zulieb verleugnen. Nein so wenig wir über andere wegwerfend urteilen dürfen, so wenig sollen wir uns selber wegwerfen und unser Heiligstes schwachherzig preisgeben. Richtet nicht! Dies Gebot wird vom Herrn nicht nur kräftig begründet, sondern auch:

2) Weise begrenzt und auf sein richtiges Maß zurückgeführt.

Davon können wir eine Andeutung in dem merkwürdigen Jesuswort finden, das der Evangelist hier anreiht: „Ihr sollt das Heiligtum nicht den Hunden geben und eure Perlen sollt ihr nicht vor die Säue werfen, auf dass sie dieselbigen nicht zertreten mit ihren Füßen und sich wenden und euch zerreißen.“

Wenn der Herr da von Menschen spricht, die er mit unreinen und verachteten Tieren vergleicht, so hält er über sie mit diesem kurzen Wort ein scharfes Gericht und gibt damit seinen Jüngern zu verstehen: Es gibt Leute, über die euer Urteil allerdings fertig sein muss, die durch ihre gemeine Denkungsart, ihre niedrige Gesinnung, ihren wüsten Wandel so ferne von euch und so tief unter euch stehen, dass keine Gemeinschaft sein kann, keine Verständigung möglich ist zwischen euch und ihnen; dass ihr ihnen entschieden entgegentreten müsset mit Wort und Tat; ja dass ihr schließlich am besten tut, jeden vertrauteren Verkehr mit ihnen zu meiden und sie schweigend fühlen zu lassen: Es ist eine Kluft befestigt zwischen dir und mir!

Also du sollst andere nicht in den Staub ziehen; aber du sollst auch dich selbst nicht wegwerfen. Du sollst deinen Nächsten nicht richten und antasten im Innersten seines Wesens, das du ja nicht kennst; aber du sollst auch dir dein Heiligstes nicht antasten lassen, über deine Überzeugung nicht richten lassen von solchen, die kein Verständnis für das Heilige haben. Du sollst dem Frieden nachjagen mit jedermann, aber nicht um den Preis der Wahrheit. Du sollst ein weites Herz haben, wo es Duldung gilt gegen eine fremde Überzeugung; aber du sollst ein enges Gewissen haben, wo es um deine eigene Überzeugung sich handelt.

Darin liegen bemerkenswerte Winke für das Leben des Christen im Verkehr mit der Welt.

Es gibt eine geistliche Unerfahrenheit und Vertrauensseligkeit, wo man die Schätze seines Inneren, seine Liebe, seine Freundschaft, sein Zutrauen unvorsichtig an den nächsten besten wegwirft in dem gutmütigen Wahn: So müssen alle sein, wie ich bin. Aber wie manchmal werden da die Perlen zertreten, wird das arglose Vertrauen von Unwürdigen missbraucht, wird der fromme Glaube von Spöttern untergraben, leidet das unverdorbene Herz Schaden in schlechter Gesellschaft. - Da gilt es: Halte, was du hast, dass niemand deine Krone nehme!

Es gibt eine fromme Eitelkeit und Geschwätzigkeit, wobei man die Perlen seiner inneren Erfahrungen unnötig zur Schau trägt, die Geheimnisse seines geistlichen Lebens selbstgefällig auskramt, von den Heiligtümern des christlichen Glaubens gewohnheitsmäßig in den Tag hinein redet, und so wird das Heilige in den Staub gezogen, die Welt hat ihren Spott darüber und für den frommen Schwätzer selbst verliert es seine Kraft und seinen Segen. Darum soll man aus der Gottseligkeit kein Gewerbe machen.

Es gibt einen unverständigen Eifer, dabei man seine Überzeugung, seinen Glauben, seinen Gott und Heiland zur ungeschickten Zeit, am unrechten Ort, in unpassendem Ton auch anderen aufdrängen will. Und so wird das Heiligtum gleichsam vor die Hunde geworfen, man richtet nichts aus, man wird nicht verstanden, man erntet nicht nur für seine Person Spott, sondern schadet auch der guten Sache. Darum eifert nicht mit Unverstand.

Zu heilig ist die Religion, zu ehrwürdig das Christentum, zu zart das innere Leben des Glaubens, als dass die Welt seinen Wert zu würdigen vermöchte und der große Haufen darüber richten dürfte. Im verborgenen Schrein des Herzens muss die Perle des Himmelreichs verwahrt bleiben; wo sie gleichsam zu Markt gebracht und zur Schau getragen wird, da verliert sie ihren reinen Glanz, ihren himmlischen Schmelz.

Darum richtet zwar nicht lieblos über andere, aber lasst auch andere nicht richten über euch und über das, was ihr als gut und wahr, als ehrwürdig und heilig erkannt habt. Urteilt nicht wegwerfend über euren Nächsten, aber werft auch euch selbst und eure Überzeugung keinem Menschen zulieb weg und gebt über der Liebe die Wahrheit nicht preis. Dadurch erhält das Gebot: „Richtet nicht!“ wenn es einer falsch verstehen und allzuweit ausdehnen wollte, seine weise Begrenzung. Aber auch:

3) Eine heilsame Unterstützung knüpft der Herr daran,

wenn er uns zuruft: „Bittet, so wird euch gegeben; sucht, so werdet ihr finden; klopft an, so wird euch aufgetan!“

Damit werden wir ins obere Heiligtum gewiesen, zum Vater des Lichts, von dem alle gute und alle vollkommene Gabe kommt, auch die rechte Weisheit und Liebe im Urteil über andere, auch das rechte Maß im Reden wie im Schweigen gegenüber dem Nächsten.

Wie oft und viel wird uns in der heiligen Schrift das liebe Gebet anempfohlen mit den großen Verheißungen, die daran hängen. Wie könnte dies Hauptstück des christlichen Lebens in der Bergpredigt fehlen, diesem Grundgesetz des neuen Testaments? Wie schmerzlich fühlen wir's auf jedem Schritt des Christenlebens: Mit unserer Macht ist nichts getan; wollen habe ich wohl, aber vollbringen das Gute finde ich nicht; aber wie tröstlich darf es auch der Christ bei allen Aufgaben seines Lebens immer wieder erfahren: Wer da bittet, der empfähet; und wer da sucht, der findet; und wer da anklopft, dem wird aufgetan! Das Gebet ist ein Stärkungsmittel zu allem Guten. Das wollen wir uns auch da merken, wo es sich um das Gebot handelt: Richtet nicht und um alles Schwere, was für unser Fleisch und Blut daran hängt.

Das Gebet ist für die Seele wie ein reinigendes und erquickendes Bad, darin das Auge wieder ausgewaschen, das Blut wieder abgekühlt, der innere Mensch wieder ins Gleichgewicht gesetzt wird. Darum wenn du etwas gegen deinen Nebenmenschen auf dem Herzen hast: ehe du ihn selbst darüber zur Rede stellst, ehe du bei anderen darüber klagst und schiltst, rede zuerst mit Gott darüber, klage ihm, was du zu klagen hast, und schütte ihm dein Herz aus - und du wirst sehen, wie da so manche heiße Wallung deines Herzens sich legt, so manches herbe Wort dir im Mund erstirbt. Da kann es sein: Du fängst mit bitteren Klagen über deinen Nächsten an - und während des Gebets, mitten im Gespräch deines Herzens mit Gott wendet der Geist Gottes, der Geist der Wahrheit und der Gerechtigkeit, der Liebe und des Friedens, dein Herz gleichsam im Leib um, dass du zuerst über dich selber klagen lernst, und deine Klage über den Nächsten verwandelt sich in Fürbitte, wie Bileam segnen musste, als er fluchen wollte; der Busen wird ruhig, das Auge wird helle; in deiner Brust findet die Wahrheit wieder Raum, die den Fehler des Nächsten nicht mehr vergrößert und den eigenen Fehler nicht mehr übersieht; in deinem Herzen zieht die Liebe wieder ein, die des Nächsten Schwachheiten mit Geduld verträgt und durch sanftmütige Bestrafung seine Besserung sucht; und du kannst wieder von Herzen sprechen: Vater, vergib uns unsere Schulden, wie wir unseren Schuldigern vergeben.

So, meine Lieben, mit dieser heilsamen Unterstützung von oben, mit diesem Stärkungsmittel des Gebets können wir dann auch an die allumfassende Forderung gehen, mit welcher der Herr das Gebot: Richtet nicht

4) Endgültig abschließt:

„Alles nun, was ihr wollt, dass euch die Leute tun sollen, das tut ihr ihnen; das ist das Gesetz und die Propheten.“ Das ist das Schlusswort, das wir heute aus dem Mund des Herrn mit hinausbekommen ins Leben. Eine goldene Regel, so einfach, dass ein Kind sie behalten kann, und doch so vielsagend, dass sie eine halbe Sittenlehre enthält und eine Richtschnur abgibt für unser ganzes Verhalten gegen den Nächsten.

Alles, was ihr wollt, dass euch die Leute tun sollen, das tut ihr ihnen! Das kommt auf das Gebot zurück: Du sollst deinen Nächsten lieben als dich selbst; dann wirst du ihm nicht wehtun mit Fleiß, wie du dir selber nicht wehtust ohne Not; dann wirst du es gut mit ihm meinen, wie du es gut meinst mit dir selber.

In der Tat, meine Lieben, wollt ihr eine Regel haben für jeden einzelnen Fall, wie ihr euch in Wort und Tat verhalten sollt gegen den Nächsten, so fragt euch nur allemal: Was täte jetzt mir wohl und was täte mir weh, wenn ich an seiner Stelle wäre? Und wollt ihr einen recht kräftigen Antrieb haben zu dem Gebot: Richtet nicht! so fragt euch nur: Wie tut mir's, wenn man mich schonungslos richtet, mein Versehen schadenfroh weiterträgt, meine Fehler boshaft vergrößert, meine Gesinnungen lieblos verdächtigt? Wünsche ich nicht von Herzen und fordere ich nicht von Rechtswegen, dass man auch von mir nichts sagt, was gegen die Wahrheit und gegen die Liebe ist? Und wollt ihr einen Lehrer und einen Führer haben, der es euch nicht nur mit Worten sagt, sondern auch durch sein Vorbild zeigt, was es heißt: Richtet nicht! o so nehmt ihn zum Vorbild, den heiligen Menschensohn und milden Menschenfreund, der nicht gekommen ist, dass er die Welt richte, sondern dass er sie selig mache; der der Sünde unerbittlicher Feind war, aber der Sünder barmherziger Freund; der liebreich mit den Schwachen redete und freundlich die Gefallenen in seinen Schutz nahm; der im Leben segnete, wo man ihm fluchte, und sterbend betete für die, so ihn beleidigten und verfolgten. Was er in der Bergpredigt uns zuruft, das lasst von seinem Kreuz herab euch gesagt sein: Richtet nicht!

Liebe und übe, was Jesus dich lehrt,
Und was er dich heißet, dasselbige tu!
Hasse und lasse, was sein Wort verwehret,
So findest du Frieden und ewige Ruh!
Ja selig, die also sich Jesu ergeben,
Und gläubig und heilig nach seinem Wort leben!

Amen.

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