Corvinus, Antonius - Predigt am zehnten Sonntage nach Trinitatis über Ev. Lucä 19 (41-48)

Corvinus, Antonius - Predigt am zehnten Sonntage nach Trinitatis über Ev. Lucä 19 (41-48)

In diesem Evangelio müssen wir Christum auf zweierlei Weise ergreifen, erstlich als eine Gabe, darnach als ein Exempel. Wenn ich ihn aber ergreife als eine Gabe, so muss ich wissen, dass er mir mit diesem seinen Wesen gedient habe und gar zu eigen geschenkt und gegeben sei. Ja, ich muss wissen und glauben, dass er für mich sorge und dass ihm mein Elend und Jammer überaus sehr zu Herzen gehe. Wissen aber, dass er sich dein annimmt und Sorge für dich trägt, ist so ein tröstlich Ding, sonderlich in Anfechtungen, beide, leiblich und geistlich, dass in Himmel und Erden kein tröstlicher Ding sein kann. Ficht dich deine Sünde an? Beklagt dich dein Gewissen und fürchtest du dich vor dem Zorne Gottes? Siehe auf diesen Christum, durch welchen dir Vergebung der Sünde zugesagt und verheissen ist. Denn er ist's auch ja, der unsere Sünde auf sich genommen und unsere Schwachheit getragen hat. Dass du aber wollest meinen, er sei unfreundlich und ungütig und lasse Niemand leichtlich zu ihm, sollst du nicht thun, sondern ihn vielmehr halten für einen solchen Mann, der nicht allein ein Missfallen an Denen habe, so vor ihm fliehen und andere Wege suchen, selig zu werden, sondern auch darum geweinet habe, dass wir sollten aus solchem Mitleiden ermessen, dass er Jedermänniglich zu helfen geneigt sei. Wenn wir nun unsere Sünde fühlen und hassen und derselbigen gern los sein wollten, Er, er ist's allein, durch welchen dir Gott im Kampf des Gewissens helfen will und dir ins Herz sagen: Sei getrost, dir sind deine Sünden vergeben. Dessgleichen thut er nun auch in leiblichen Anfechtungen. Rufe ich zu Gott durch diesen Christum in meinen Nöthen, so ist es gewiss, dass mir soll geholfen werden; denn er selbst, Christus, ja gesagt hat: Was ihr bitten werdet in meinem Namen, soll euch gegeben werden (Joh. 14). Und anderswo: Seid getrost; ich habe die Welt überwunden (Joh.- 16), das ist, durch mich sollt ihr nicht allein die Welt und Alles, was darinnen ist, überwinden, sondern auch Tod, Teufel und Hölle (Joh. 11). Wenn ich nun Christum also wie ein Geschenk und Gabe ergriffen habe, so soll ich dann auch weiter lernen, dass ich eben auf dieselbige Maasse meinem Nächsten dienen muss, mit Vermögen Leibes und Guts, wie mir hier Christus mit seinem Weinen, ja mit allen seinen Werken, Leiden und Sterben gedienet hat, wie auch St. Peter sagt, Christus habe gelitten für uns und uns ein Fürbild gelassen, dass wir sollen nachfolgen seinen Fusstapfen. Und das sind denn nun die rechten guten Werke, so die Schrift preiset, und wir (damit unser Glaube an den Tag komme) zu thun schuldig sind.

Zum Andern werden in diesem Evangelio beklagt die Juden, als Die, so nicht wissen, was zu ihrem Frieden diene, und zeigt an mit Demselbigen Christus des Fleisches angeborene Blindheit und Bosheit. Was kann sich nun der Mensch rühmen, dieweil so viel herrlicher Predigten und Mirakel durch Christum zu Jerusalem bei dem mehren Theil vergeblich geschehen sind? Wollte er die Predigt Christi nicht annehmen und erkennen, dass er Gottes Sohn und wahrhaftiger Messias war? Nein, es war vor ihren Augen verborgen, und hatten doch nichts desto weniger gehört sein Predigen und gehört seine Mirakel. Aus Dem will folgen, dass das Fleisch, sofern es mit dem Geist nicht erleuchtet und uns ein neu Herz, davon Ezechiel saget am 36., nicht gegeben wird, blind, verstockt und böse sei und Gott in Christo nicht erkennen könne. Es ist uns solche Blindheit nicht in den Kleidern, sondern im Mutterleibe angeboren (Ps. 51). Darum müssen wir auch anderweit geboren werden durch das Wasser und den heiligen Geist, sollen wir sonst kommen in das Himmelreich. Solche Bosheit und Blindheit sahen wir auch in den Käufern und Verkäufern, so Jesus aus dem Tempel jagt. Denn welcher von denselbigen hat sich erkannt und gebessert, ob sie wohl vermahnet wurden? Sein Haus sollte sein ein Bethaus. Fleischlich waren sie noch; darum konnten sie auch die Worte und Werke Christi nicht für recht halten.

Zum Dritten wird verkündiget den Juden die Strafe solcher Blindheit und Unglaubens. Deine Feinde, spricht er, werden um dich und deine Kinder eine Wagenburg schlagen u.s.w., und keinen Stein auf dem andern lassen, darum, dass du nicht erkannt hast die Zeit deiner Heimsuchung. O der gräulichen Strafe! Erstlich werden gestraft die Juden, so Christum nicht erkennen wollten, geistlich, dass sie Augen haben und sehen nicht, Ohren haben und hören nicht; dass zwar Christus wohl sagen mag, er sei zum Gericht in die Welt gekommen (Joh. 9). Wer kann aber den Abgrund dieses Gerichts erkennen? Allein Gott. Wir sollen oder können ihn nicht erforschen. Nun, der geistlichen Strafe folgt auch die leibliche, dass sie sollen belagert, geängstigt und geschleift werden, also, dass ein Stein auf dem andern nicht bleiben soll. Und wie es ihnen Christus verkündigt hat künftig, also ist's auch geschehen. Ja, so gräulich ist es geschehen, dass dieselbige Strafe auch erbarmlich zu hören ist. Doch willst du davon lesen, so lies Josephum „de bello judaico“. Wohlan, da hast du die Strafe, damit die Juden um der Verachtung willen des Evangelii gestraft worden sind. Wie meinst du aber, dass es uns gehen werde, die wir nun auch das liebe Evangelium lange Zeit gehört und uns nicht allein nicht gebessert, sondern auch die köstlichen Perlen des Evangelii mit Füssen getreten, verschmähet und verachtet haben? Will man sich nicht bessern, spricht David (Ps. 7), so hat er sein Schwert gewetzet und seinen Bogen gespannt und zielt und hat darauf gelegt tödtliches Geschoss; seine Pfeile hat er zugerichtet zu verderben. Da hörst du, dass nicht allein die Juden, sondern auch alle Diejenigen, so sich nicht bekehren, gestraft werden sollen. Es verzeucht Gott seine Strafe wohl eine Zeit lang, kommt aber danach desto gräulicher und gewisser. Derhalben bessere sich ein Jeder und gläube dem Evangelio, auf dass nicht endlich über uns gehe die Strafe Leibes und der Seele.

Zum Vierten preiset Christus in diesem Evangelio sein Amt und Das damit, dass er des anderen Tages in den Tempel gehet, die Käufer und Verkäufer herausjagt, sagend: Mein Haus ist ein Bethaus, ihr aber habt's gemacht zur Mördergrube. Das ist Eins. Nun das Andere ist, dass er täglich im Tempel lehret. Dies alles aber hat Christo gebühren wollen; denn er ja in diese Welt zu predigen und seines Vaters Willen kund zu thun gesandt war. Dieweil nun durch den Geiz der Hohenpriester und Schriftgelehrten Gottes Wort und der Gottesdienst im Tempel zu Jerusalem, so noch in seiner Würde stand, aber bald abnehmen sollte, merklich verhindert ward, hat Christus nicht allein lehren, sondern auch alle Missbräuche wollen wegthun, damit der Gottesdienst verhindert war. Was er aber Dess thut, beweis't er mit der Schrift, dass er's billig thue. Ja, warum sollte Christus solche Buben nicht ausjagen, dieweil er ein Herr ist, beide, des leiblichen und geistlichen Tempels? Was nun Christus beide, mit der Faust und mit der Lehre thut, Dasselbige ist uns nur mit dem Wort zu thun nachgelassen. Lehren sollen wir das Evangelium. Wo aber dasselbige verhindert würde und die Lehrer menschlicher Satzungen (2. Cor. 6) mit ihrer Lehre, so gemeiniglich das Ihre sucht, den Tempel Gottes, so die Herzen der Gläubigen sind, beschmeissen wollten, alsdann sollen wir die Hände und nicht den Mund halten, auf dass solche Träumer schaamroth werden und allein das heilige Evangelium bei uns im Schwang bleibe. Hieher gehört, das St. Paulus saget: Episcopus potens sit in sermone, ut contradicentes possit convincere; ein Bischof soll mächtig sein, zu ermahnen durch heilsame Lehre und zu strafen die Widersprecher (Tit. 1)

Quelle: Beste, Wilhelm - Die bedeutendsten Kanzelredner der lutherschen Kirche des Reformationszeitalters

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