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Calvin, Jean - Psalm 149.

Calvin, Jean - Psalm 149.

Inhaltsangabe: Bei einer Vergleichung dieses Psalms mit dem vorangehenden und dem nachfolgenden und letzten ergibt sich nur der eine Unterschied: Bisher hat der – übrigens unbekannte – Verfasser die besondere Gnade, mit der Gott seine Gemeinde hegt und pflegt, und die allgemeine Vorsehung, mit der er die ganze Welt aufrecht erhält, ungetrennt besprochen; - nun aber redet er bloß von den Wohltaten Gottes gegen seine Gemeinde. Im nächsten Psalm dagegen wird nur im Allgemeinen von der Macht Gottes Erwähnung geschehen.

V. 1. Singet dem Herrn usw. Dieser Eingang bestätigt das, was ich vorhin sagte, nämlich dass diese Ermunterung sich auf die Gläubigen allein beschränkt, da die hervorragende Güte, mit der Gott ihnen insbesondere nachgeht, ihnen auch reichlichen Stoff zum Loben bietet. Eine annehmbare Vermutung geht dahin, dass der Psalm zu der Zeit verfasst wurde, als das Volk in der Verbannung war, oder auch nachdem es aus der babylonischen Gefangenschaft wieder ins Vaterland zurückgekehrt war.

Wir werden nämlich sehen, dass im Verlauf des Textes die Wiederherstellung aus dem Zustand des Verfalls verheißen wird. Nach meiner Ansicht wollte aber der Prophet die Gläubigen ermutigen, Hoffnung zu fassen auf eine völlige Herstellung, die in dem verheißenen Auszug aus Babel plötzlich und unverhofft ihr Vorspiel gefunden hatte. Da nämlich die Gemeinde nicht mit einem Male wiederhergestellt wurde, vielmehr in langer Zeit kaum Kräfte sammeln konnte, so kam ihr dieser Trost sehr zustatten. Der heilige Geist wollte auch für künftiges Unglück ein Heilmittel darreichen. Denn kaum hatte die Gemeinde angefangen aufzuatmen, als sie von neuem mit mancherlei Ungemach heimgesucht wurde. Durch die grausame Gewaltherrschaft des Antiochus wurde sie ganz zu Boden gedrückt; und darauf folgte noch eine furchtbare Zerstreuung. Nicht ohne Grund ermutigt also der Prophet die Frommen, auf die volle Offenbarung der Gnade Gottes zu hoffen. Sie sollen fest glauben, dass Gottes Hand sie beschützen wird, bis endlich der Messias aufsteht und ganz Israel zusammenbringt.

Ein neues Lied sollen die Frommen singen im Unterschied (wie wir schon an anderer Stelle zu diesem Ausdruck bemerkten) von den gewöhnlichen Liedern, mit denen das Lob Gottes bei den Frommen nach deren beständiger Übung täglich gefeiert wird. Es ist demnach von einer seltenen, ungewöhnlichen Wohltat die Rede, um welcher willen Gott auch auf besonders hervorragenden Dank Anspruch erhebt. Und wie mir scheint, spielt der Psalmist auf jene Stelle bei Jesaja (42, 10) an: „Singet dem Herrn ein neues Lied.“ Dort kündigt der Prophet die künftige Wiederaufrichtung der Gemeinde und das ewige Reich Christi an.

Das zweite Versglied enthält eine Verheißung oder Prophezeiung. Zwar fährt der Verfasser fort, die Gläubigen zu wechselseitigem Lobgesang auf Gott aufzufordern, aber damit weist er ja hin auf eine künftige Wiedervereinigung der Gemeinde zu einem Leibe, infolge deren sie in feierlichen Zusammenkünften Gottes Lob wird besingen können. Bekanntlich waren die Israeliten so auseinander geworfen, dass die heiligen Gesänge bei ihnen aufhörten, wie sie denn auch an einer anderen Stelle klagen, sie seien spöttisch zum Singen aufgefordert worden; aber (Ps. 137, 4) „wie sollten wir des Herrn Lied singen in fremden Landen?“ Der Prophet ermuntert also die Gläubigen, dass sie aus jener betrübenden Zerstreuung sich wieder aufmachen und zu heiligen Zusammenkünften anschicken sollen.

V. 2 u. 3. Israel freue sich. Noch beharrt er beim selben Gegenstand, damit die Gläubigen der gewissen Überzeugung leben, dass ihr Geschlecht nicht umsonst aus der ganzen Welt auserwählt wurde, sondern dass Gott, seines Bundes stets eingedenk, die ihnen zugewandte Gnade nicht wird hinfallen und erlöschen lassen. Wenn also auch das Erbteil des Landes Kanaan, ein Kennzeichen ihrer Annahme bei Gott, ihnen für einige Zeit genommen war, so weist der Prophet dafür auf Gott hin als auf den, der sie gemacht hat. Sie sollen sich erinnern, dass, als sie zu Kindern angenommen und so über andere Völker emporgehoben wurden, dies eine Art Neuschöpfung war. So werden auch Ps. 95, 6 die Israeliten ein Werk der Hände Gottes genannt, nicht bloß weil sie wie andere Menschen von ihm erschaffen wurden, sondern weil er ihnen ein neues Dasein gegeben, sie mit neuer Würde begabt und aus dem ganzen Menschengeschlechte ausgesondert hatte. Der Gedanke wird noch erweitert, indem die Kinder Zions zur Freude über ihrem König aufgefordert werden. Denn damit erinnert der Prophet daran, dass dies Volk mit der Absicht von Gott erschaffen wurde, dass es beständig von ihm regiert werden sollte. Die angeführten Musikinstrumente hatten ihre Bedeutung für die Zeit der Erziehung des Volkes. Was aber für das Volk des alten Bundes bestimmt war, sollen wir nicht in törichter Nachahmungssucht in unsere Verhältnisse herüber nehmen. Der Prophet aber bestätigt damit das weiter oben Gesagte, dass in Bälde die zeitweilig aufgehobenen, heiligen Zusammenkünfte wiederhergestellt werden sollen, wo man dann Gottes Namen in regelrechtem Gottesdienst anrufen wird.

V. 4. Denn der Herr usw. Das Wort „Wohlgefallen“, dem wir schon anderswo begegneten, bezeichnet hier die freie Gunst. Gott ist lediglich durch eigenen Entschluss dazu gekommen, dieses Volk für sich zu erwählen. Aus dieser Quelle fließt auch das, was im zweiten Versgliede beigefügt wird: Gott wird die Elenden aufs Neue mit Heil schmücken. Das hebräische Wort für „Elende“ bezeichnet zunächst die Armen, Betrübten; dann aber wird es auf die Frommen übertragen, da ja durch die Trübsal in der Regel der fleischliche Stolz bezähmt wird, wie umgekehrt das Wohlleben einen ungebändigten Sinn erzeugt. Mit wohl angebrachtem Trost stillt also der Prophet die Traurigkeit unter dem gegenwärtigen Unglück, damit die Gläubigen trotz der drückenden Not hoffnungsvoll nach der noch unsichtbaren Herrlichkeit trachten. Kurz, weil Gott das auserwählte Volk mit Liebe umfängt, so ist es nicht möglich, dass er es beständig in so großem Elend allein lasse.

V. 5 u. 6. Die Heiligen sollen fröhlich sein. Dass der Prophet von einer göttlichen Wohltat ungewöhnlicher Art redet, zeigt sich besonders deutlich an der Wirkung, die hier namhaft gemacht wird, indem die Frommen fröhlich sind und Gott erheben. Es wäre ja kein Grund gewesen zu solch hoher Freude, ja zum Triumphieren, wenn nicht das Volk wunderbar gerettet worden wäre. Damit führt ihnen der Prophet auch zu Gemüte, dass das Volk nicht dazu aus der Verbannung zurückgeführt worden ist, um alsbald wieder auseinander zu geraten, sondern damit es durch Segnungen aller Art zur Blüte gelange. Deshalb spricht er auch von ihren Lagern, damit die Gläubigen auf dauernde Ruhe unter Gottes Schutz hoffen. Er kündigt ferner an, dass sie mit Waffen und Macht ausgestattet werden sollten, nicht nur um die Feinde von sich abzuhalten, sondern um sie sogar weit und breit niederzuwerfen, bis sie die Könige und Völker, denen sie vorher unterworfen waren, unter ihre Botmäßigkeit bringen. Scharfe Schwerter haben sie in den Händen, buchstäblich: zweischneidige, während die gewöhnlichen Schwerter nur eine Schneide hatten.

V. 7 u. 8. Dass sie Rache üben unter den Heiden. Das war nun freilich sowohl zur Zeit der Gefangenschaft als auch nach der Rückkehr geradezu unglaublich. Es ist aber auch bis zur Ankunft Christi nicht erfüllt worden. Mögen auch die Makkabäer und ihre Nachfolger die Nachbarvölker unterjocht haben, so war das doch lediglich ein Schatten und Vorspiel, das über sich hinauswies. Wie aber Haggai (2, 10) zu seiner Zeit verkündigte, die Herrlichkeit des zweiten Tempels werde größer sein als die des ersten, so wird hier ein glücklicherer Zustand verheißen, als er in allen Jahrhunderten bis dahin gewesen war. Ob also auch die Juden an Zahl vermindert und in zerrütteten Umständen waren, so kündigt doch der Prophet an, dass sie über all die Völker, die ihnen feindlich zugesetzt hatten, herrschen würden. Und mochten sie auch tributpflichtig und in Jerusalem nur geduldet sein, so sollten sie im Glauben erfassen, was dem natürlichen Sinn wie ein Märchen vorkommen konnte, und die Gemüter erheben zur unbegrenzten Macht Gottes, die alle Hindernisse der Welt leicht überwindet. Unter der Rache, von der die Rede ist, verstehe man nicht eine solche, welche die Israeliten aus Antrieb des eigenen Unwillens, sondern auf Gottes Befehl üben würden. Es soll niemand daraus das Recht herleiten, erlittene Beleidigungen selbst zu rächen.

Die Erwähnung der Könige und Edlen im folgenden Vers enthält eine Erweiterung des Gedankens. Wenn nämlich der Psalmist nur von den Völkern und Heiden gesprochen hätte, so könnte man seine Worte so auffassen, als gälten sie bloß den gemeinen Untertanen. So aber lautet es großartiger, wenn auch Könige und andere Vornehme mit Ketten zur Hinrichtung geschleppt werden. Nun haben wir uns aber immer gegenwärtig zu halten, was ich vorhin berührte, dass bis auf die Erscheinung Christi nie auch nur die Hälfte solchen Glanzes zu bemerken war. Denn obgleich die Macht des Volkes unter den Makkabäern sich nicht wenig hob, so fällt das doch kaum in die Waagschale, außer insofern Gott das vom Verfalle bedrohte Volk durch jenes Mittel aufrechterhielt bis zur Ankunft Christi. Wir müssen jene Weissagung Jakobs im Auge behalten (1. Mo. 49, 10), wo es heißt: „Es wird das Zepter von Juda nicht entwendet werden, - - bis dass der Held komme“. Die Makkabäer aber waren aus einem anderen Stamme hervorgegangen. Demnach war damals die gesetzliche Ordnung durchbrochen, so dass jene Siege keine bessere Grundlage für einen glücklichen Zustand des Volkes bildeten, als wenn einer ein Haus in die Luft baut. Und Gott hat damals offenbar absichtlich die Herrschaft vom Stamme Juda weggenommen, damit die Gemüter der Frommen sich nicht an jener günstigen Lage berauschten, wie denn der größere Teil infolge jener glänzenden Siege übermütig wurde und die wahre und dauernde Erlösung außer acht ließ. Wenn also hier der Prophet von einem vollen Glück des Volkes redet, so geht daraus hervor, dass er den Messias im Auge hat, damit das hoffende Verlangen nach ihm in den Herzen der Frommen weder in guten noch in bösen Zeiten erlöschen sollte.

V. 9. Dass sie ihnen tun usw. Der Dichter mildert die vorhergegangenen Aussprüche, bei denen es das Aussehen hatte, als wolle er das Volk Gottes zu wütender Strenge aufreizen. Es war ja auf den ersten Blick widersinnig, wenn Leute, die soeben noch die „Heiligen“ oder genauer die „Sanftmütigen“ hießen, nun mit gezogenem Schwert ausgesandt werden, um überall Niederlagen anzurichten und Menschenblut zu vergießen. Denn was hat dies mit heiliger Sanftmut zu tun? Wo aber Gott selbst der Urheber der Vergeltung ist, da ist das Gericht ein gerechtes und nicht eine Grausamkeit. Wenn deshalb hier geredet wird vom Recht, davon geschrieben ist, so erinnert der Prophet daran, dass den Juden ein Befehl Gottes die Waffen in die Hand drückte, damit sie die Freiheit zurückforderten, deren sie ungerechterweise durch Fremde und Tyrannen beraubt waren, - dass also ihnen keine Schuld beizumessen ist, wenn sie das in der Schrift vorgesehene Gericht ausübten. Aber freilich, an Gottes Vorschrift waren sie gebunden, und wir müssen, wollen wir anders die Stelle richtig verstehen, das als Meinung des Propheten festhalten, dass den Kindern Gottes keine andere Rache erlaubt ist als eine solche, die ihrem Beruf entspricht. Denn wo jeder sich von seiner Leidenschaft treiben lässt, da hat die Mäßigung keinen Raum mehr. Es könnte auch noch ein anderer Einwand erhoben werden, nämlich: Wie es (Matth. 12, 20) von Christus heißt, er sei ohne Rufen und Schreien gekommen, um das zerstoßene Rohr nicht zu zerbrechen, so macht er dasselbe Auftreten den Seinen zur Pflicht. Die Frage ist jedoch leicht zu lösen: Christus ist auch mit eisernem Zepter bewaffnet, womit er alle Aufrührer zerschlägt (Ps. 2, 9). Und bei Jesaja (63, 2) wird er als blutbefleckt geschildert, indem er die Feinde ringsumher umgebracht hat und doch des Tötens noch nicht müde ist. Es ist aber angesichts der ganzen, von Trotz erfüllten Welt auch nicht zu verwundern, wenn seine verachtete und verschmähte Milde sich in Strenge verwandelt. Auf uns wird diese Lehre in der Weise richtig anzuwenden sein, dass das vom zweischneidigen Schwert Gesagte speziell auf die Juden zutrifft, für unsere Person jedoch nicht passt. Denn uns ist heute nicht dasselbe Recht eingeräumt. Höchstens dass Fürsten und Amtsleute von Gottes wegen das Schwert tragen zur Strafe über jegliche Gewalttat. Aber das ist ein besonderer Beruf. Was die gesamte Gemeinde betrifft, so ist uns jetzt ein anderes Schwert in die Hand gegeben, nämlich das Wort und der Geist, womit wir die, die ehemals Feinde waren, als ein Opfer vor Gott bringen oder aber dem ewigen Verderben überliefern, wenn sie nicht zur Einsicht zu bringen sind. Denn was Jesaja (11, 4) von Christus weissagt: „Er wird mit dem Stabe seines Mundes die Erde schlagen und mit dem Odem1) seiner Lippen den Gottlosen töten“, das gilt auch von allen seinen Gliedern. Wenn die Gläubigen gehorsam innerhalb dieser Grenzen ihres Auftrages bleiben, so werden sie innewerden, dass ihnen die Vergeltung über die Feinde dennoch nicht umsonst verheißen ist. Indem also Gott, wie ich vorhin sagte, uns auf „das Recht, davon geschrieben ist“, hinweist, hält er unser Gemüt sowohl als unsere Hände in Schranken, damit wir uns nicht mehr herausnehmen, als er selbst uns vorschreibt.

Am Schluss des Verses heißt es: Solche Ehre werden alle Heiligen haben. Damit ermuntert der Prophet uns nicht nur zum Streben nach Frömmigkeit, sondern bietet uns auch den Trost, dass unser sanftmütiges und geduldiges Verhalten uns nicht zum Schaden gereichen wird, während die meisten sich deshalb in wildem Trotz erheben, weil sie meinen, sie könnten sich ihres Lebens nicht anders erwehren, als indem sie mit den Wölfen heulen. Ob also die Gläubigen auch nicht von Kraft strotzen gleich Riesen und ohne göttlichen Befehl keinen Finger zu rühren wagen, auch von Gemüt ruhig sind, so zeigt der Prophet, dass doch all ihr Unglück ein ehrenvolles, glänzendes Ende nehmen wird.

1)
Die alten Sprachen bezeichnen „Odem“ und „Geist“ mit demselben Ausdruck.
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