Calvin, Jean - An die französische Gemeinde in Frankfurt.

Nr. 591 (C. R. – 3011)

Calvin, Jean - An die französische Gemeinde in Frankfurt.

Viret und mit ihm vierzig waadtländische Pfarrer waren, weil sie auf der Einführung der calvinischen Kirchenzucht bestanden, am 20. Januar 1559 ihres Amtes entsetzt worden. In der französischen Gemeinde in Frankfurt waren Zwistigkeiten ausgebrochen zwischen den Pfarrern Houbraque und Perrucel, an denen die Gemeinde teilnahm. Die Theologia deutsch, der in Frankfurt entstandene, anonyme mystische Traktat, den Luther liebte und 1518 neu herausgab, war von Castellio ins Französische übersetzt worden und in dieser Gestalt in die Frankfurter Gemeinde eingedrungen.

Warnung vor Uneinigkeit und gefährlichen mystischen Schriften.

Die Liebe Gottes unseres Vaters und die Gnade unseres Herrn Jesu Christi sei stets mit Euch durch die Gemeinschaft des heiligen Geistes.

Sehr liebe Herren und Brüder. Obwohl die lange Krankheit, mit der Gott mich heimsucht, eine rechte Sorge ist und die Not der armen Kirche zu Lausanne mich noch viel mehr quält als mein eigenes Leiden, so habe ich doch noch neuen Schmerz und neue Angst empfunden, als ich von den Unruhen hörte, die der Satan wieder unter euch gestiftet hat. Was Ihr früher erfahren habt, hätte die Leute wohl zurückhalten sollen, die nun wieder begonnen haben, die Einheit und Eintracht zu zerstören, die Gott in seiner Güte wiederhergestellt hatte unter Euch. Seht Ihr aber, dass einzelne ihrem Eigensinn so ergeben sind, dass ihr Ehrgeiz und ihre Neuerungssucht zur Zerstörung der Gemeinde führen, so ist es an Euch, einzugreifen; sind sie aber so hartnäckig, dass sie sich nicht beugen lassen, wenigstens nicht durch die gewöhnlichen Zuchtmittel, so sollen sie aus Eurer Gemeinschaft ausgeschlossen werden. Ich weiß wohl, wenn ich Euch das rate, so setze ich mich dem Vorwurf aus, ich gehe zu weit und ich solle mich mit meinem hiesigen Amte begnügen und nicht auch in die Ferne regieren wollen. Doch mir genügts, wenn Gott mein Zeuge ist, dass nur meine Liebe zu Euch und die Sorge um Euer Wohlergehen mich dazu treibt und nötigt, und zwar zu meinem eigenen Bedauern, mich in Eure Verhältnisse einzumischen. Ich glaube auch, die meisten unter Euch, ich darf wohl sagen beinahe alle, sind davon überzeugt, wiewohl einige sich ärgern, wenn man für das Rechte sorgt, und darüber murren, trotzdem sie eigentlich selbst finden, es sei gut und nützlich. Noch lieber aber wäre es mir, hoffen zu dürfen, dass jeder, wenn er sieht, wie ich mich mühe, zu einen, was entzweit ist, ohne jemand persönlich zu verletzen, schließlich meine Verwendung in dieser Sache gern sehen wird. Ich bitte Euch also, liebe Brüder, sorgt dafür, dass ich mich wieder freuen kann, ja dass mein anderes Leid gelindert wird durch die Nachricht, mein Brief habe Euch genützt und Euch geholfen und gedient, Euch wieder in guter Eintracht zu versöhnen. Das größte Unglück ist, dass sogar Eure zwei Pfarrer miteinander zanken. Denn wenn schon Zwistigkeit und Zank zwischen gewöhnlichen Gemeindegliedern ein Verderben der Kirche sind, was ists erst, wenn die Boten des Friedens im Streite liegen? Gerade deshalb tut eilige Hilfe not, weil sonst zu befürchten ist, dass der Übelstand wächst und dann nicht mehr abgestellt werden kann. Wenn St. Paulus sich beeilt hat, die streitenden Frauen miteinander zu versöhnen und deswegen der ganzen Gemeinde zu Philippi geschrieben hat [Phil. 4, 2. 3], umso mehr als sie mit ihm gekämpft hatten für das Evangelium, so ist ja noch viel mehr Grund vorhanden, dass, wenn ein Zwist herrscht zwischen den Pfarrern, deren Amt es wäre, Streitigkeiten zu schlichten, jeder zu Hilfe eilt, wie wenn es gölte, ein Feuer zu löschen, das alles in Brand stecken könnte. Indessen will ich mir kein Urteil in dieser Sache erlauben; es sei denn darüber, dass man versucht hat, einige Traktate in der Gemeinde einzuführen oder doch ihre Verbreitung gebilligt hat, nämlich die Theologia deutsch oder vom neuen Menschen. Was diese Schriften angeht, so möchte ich, wenn ich je vom Worte Gottes etwas geschmeckt oder verstanden habe, ihre Verfasser hätten sie ungeschrieben gelassen. Denn stehen auch keine deutlichen Irrlehren darin, so sinds doch Geschwätze, vom Teufel geschmiedet in seiner Schlauheit, um die Einfachheit des Evangeliums ganz durcheinander zu bringen. Seht Ihr aber näher zu, so findet Ihr, dass ein so tödliches Gift darin verborgen liegt, dass sie verbreiten die Kirche vergiften heißt. Deshalb, liebe Brüder, bitte und ermahne ich Euch vor allen Dingen im Namen Gottes, meidet wie die Pest die Leute, die Euch mit solchen Schandschriften anstecken wollen. Ich bitte auch die, die sich bisher mit ihnen eingelassen haben, vorsichtiger zu sein, damit sie nicht ein Übel nähren, das sie dann nicht mehr abstellen können, wenn sie wollen. Indessen strebet nach dem Ziel, dass Eure Pfarrer einig seien in schöner Brüderlichkeit, um ihre Pflicht zu tun, und hütet Euch vor allem Streit, der die Bande des Friedens zerrisse und die Zersetzung mehrte, deren böse Anfänge jetzt schon zu bemerken sind. Deshalb bitte ich den lieben Gott, er wolle Euch Rat und Klugheit schenken, alle unordentlichen Leidenschaften absterben lassen und überhaupt Euch behüten, Euch stärken in seiner unüberwindlichen Kraft und nicht zulassen, dass, was er erbaut hat, unter Euch zerstört werde. Meine Brüder lassen Euch grüßen und ich besonders möchte mich Eurer Fürbitte empfohlen haben.

Genf, 23. Februar 1559.

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