Riggenbach, Christoph Johannes - Matth. 11, 12-13, 3. Predigt

Riggenbach, Christoph Johannes - Matth. 11, 12-13, 3. Predigt

Aber von den Tagen Johannis des Täufers bis hieher leidet das Himmelreich Gewalt; und die Gewalt thun, die reißen es zu sich. Denn alle Propheten und das Gesetz haben geweissaget bis auf Johannes. Und so ihr es wollt annehmen, er ist Elias, der da soll zukünftig sein. Wer Ohren hat zu hören, der höre.

Wer Ohren hat zu hören, der höre, so ruft uns der Herr Jesus zu. Ja, das wollen wir thun, gerade auch in Beziehung auf unsern Text. Aber wenn nun die Frage lautete: verstehest du auch, was du liesest? so würde vielleicht mancher sagen müssen: nur halb und halb, und würde gestehen, daß ihm beim Lesen daheim oder beim Vorlesenhören in der Kirche der Sinn unseres Textes nicht recht deutlich gewesen sei. Es ist darin gesagt, daß das Himmelreich Gewalt leide, und die Gewalt thun, die reißen es zu sich. Da merken wir wohl, daß es sich um ein ernstliches Kämpfen und Ringen handelt, wenn einer will des Himmelreichs theilhaftig werden. Aber welcher Art soll dieser Kampf sein? und wie verträgt sich dieses Wort vom Gewaltthun mit den so ganz andern Aussprüchen, welche die göttlichen Segnungen den Sanftmüthigen, Stillen, Friedfertigen verheißen? Wir vernehmen ferner, daß der Herr Jesus die Tage Johannis des Täufers als die Anfangszeit dieser Kämpfe bezeichnet. Aber wie ist das zu verstehen, daß Gesetz und Propheten bis auf Johannes geweissagt haben? Und was liegt darin, daß er gerade in dieser Verbindung den Johannes als den wahren Elias bezeichnet? Lauter Fragen, auf die wir müssen die Antwort suchen, wenn unser Text soll fruchtbar für unsre Herzen werden.

Um das Ringen nach dem Himmelreich handelt sich's. Von den Tagen Johannis an, sagt der Herr Jesus, ist darin eine neue Zeit angebrochen; was das heißen will, müssen wir vor allem trachten zu verstehen; dann erst können wir davon die Anwendung machen, nämlich die Mahnung beherzigen, die auch für uns darin liegt: dem Himmelreich Gewalt anzuthun.

Herr, der du bist das Licht der Welt, erleuchte unsre Herzen mit deiner Klarheit, und mache uns freudig und tüchtig, um als Kinder des Lichts vor dir zu wandeln. Amen.

I.

In den Worten gerade vor unserm Texte hatte der Herr Jesus bereits sehr großes über Johannes den Täufer gesagt. Ihr habt einen Propheten in ihm gesucht und gefunden. Das war er auch. Ja er war mehr denn ein Prophet. Er war der selbst geweissagte Vorläufer und Wegbereiter des Herrn. Unter allen, die von Weibern geboren sind, ist kein größerer als Johannes der Täufer aufgekommen.

Wenn aber einer Zeit ein großer Mann von Gott gesendet wird, so ist das selber eine große Zeit. Denn er läßt seine Zeitgenossen nicht, wie sie waren; er bringt eine Bewegung unter sie; er steckt sie an mit seinem Geiste; er weckt ein gewaltiges Kämpfen für und wider. Und eben das ist durch Johannes geschehen. Die Zeichen der Zeit sollten sie. prüfen, hat der Herr Jesus einmal vom Volke verlangt. Jetzt nennt er ihnen selber das große Zeichen der Zeit, auf das sie merken sollten: von den Tagen des Täufers an leidet das Himmelreich Gewalt; es ist ein Ringen darnach erwacht, es hat sich ein Kämpfen darum erhoben, es sind Herzen lebendig geworden und wollen hineindringen, wollen nicht nur in eitler, müßiger Neugier hinaus und den Propheten sehen, wollen ihm folgen und nicht ruhen, bis sie am Ziel sind. Und sie kommen an's Ziel; ihr Gewaltthun ist nicht vergeblich, sondern reißt das Himmelreich zu sich; ihr Ringen und Kämpfen gewinnt den Streit. So wenn wir die Worte lesen nach Luthers Uebersetzung.

Sie können aber auch übersetzt werden: von den Tagen Johannis an übt das Himmelreich Gewalt, bricht das Himmelreich mit Gewalt herein, und das ist noch bedeutungsvoller. Nicht von den Menschen geht der Trieb aus, daß sie sich um das Himmelreich reißen, sondern von Gott geht's aus: Gott sendet die Boten seines Himmelreichs unter das Volk; Gott gibt ihren Worten Kraft und Nachdruck. So rückt das Himmelreich den Menschen nahe, greift sie an, greift mit Gewalt um sich, stört sie aus ihrer sorglosen Ruhe, weckt in ihren Herzen Ewigkeitsfragen, ein Verlangen nach Vergebung, Frieden, Leben. Das thut Gott von den Tagen des Täufers an; und die sich nun also Gewalt anthun lassen, die thun auch von ihrer Seite Gewalt, und trachten das Himmelreich an sich zu reißen. Und ihr Trachten ist nicht umsonst. Wer mit dem Herrn ringt: ich lasse dich nicht, du segnest mich denn, der wird obsiegen.

Es ist hochwichtig, wenn einem Volk, wenn einem einzelnen Menschen eine solche Zeit der stärkern göttlichen Bewegung nahe getreten ist, daß diese Zeit ja nicht verträumt werde. Denn eine Zeit ist nicht wie die andere Zeit. Es gibt eine Zeit des Säens und eine Zeit der Ernte. Es gibt eine Zeit des sommerlichen Wachsens und eine Zeit des Winterschlafs der Erde. Auch in den menschlichen Anliegen gibt es Zeiten, wo die und die Unternehmungen gelingen können, wo die Gelegenheit gut ist, wo die Gemüther günstig gestimmt sind. Wer es versäumt, diese Zeit zu benützen, kann die gleichen förderlichen Umstände nicht wieder heraufbeschwören. Wie viel wichtiger noch ist die Zeit, wenn Gottes Geist mächtiger und vernehmlicher weht, wenn die Herzen weicher, aufmerksamer, williger sind. Da heißt es: heute, so du Gottes Stimme hörest, so verstocke dein Herz nicht.

Auf eine solche Zeit macht der Herr Jesus das Volk aufmerksam, daß sie jetzt vorhanden sei. Er stellt sie der früheren Zeit gegenüber, wo Gesetz und Propheten geweissagt haben bis auf Johannes, und bezeichnet sie durch diese Gegenüberstellung als eine neue Zeit von ganz anderer Art, als die alte gewesen. Was will denn das heißen: alle Propheten haben geweissagt bis auf Johannes? Nun, das verstehen wir noch eher. Sie haben geweissagt von einem Heil, das kommen sollte. Eben weil es noch nicht gekommen war, mußten sie davon als von einem künftigen weissagen. Und nicht nur vom Heil, von Vergebung der Sünden, Erlösung, Frieden, Segen und Leben haben die Propheten geweissagt, sondern hauptsächlich auch von dem Einen, durch welchen das Alles kommen sollte, von dem Messias, dem Davidssohn, dem Knechte Gottes, dem Könige des Himmelreichs. Das ist die große Glaubenssehnsucht der Väter des alten Bundes gewesen.

Nun aber fügt er noch hinzu: nicht nur alle Propheten, sondern auch das Gesetz hat geweissagt bis auf den Johannes. Auch das Gesetz hat geweissagt, wie ist das zu verstehen? Das Gesetz hat eine vollkommene Gerechtigkeit, eine Liebe zu Gott von ganzem Herzen und eine Liebe zu unsern Nächsten wie zu uns selbst geboten; es hat damit eine unsträfliche Heiligkeit verlangt, die es doch nicht geben konnte. Wenn das nicht sollte eine leere, nie erfüllte Forderung bleiben, so mußte Einer kommen, der sie erfüllte. Unterdessen hat das Gesetz dem sündigen Volk die Ordnung der Opfer gegeben, durch welche sie sollten Versöhnung suchen; aber auch diese Opfer konnten die ersehnte Versöhnung noch nicht vollkommen zu Wege bringen; der Böcke und Kälber Blut konnte nicht die Gewissen wahrhaft reinigen; es war auch das nur etwas Vorläufiges, eine Ordnung für einstweilen, eine Verheißung auf das Vollkommene hin, wo das Opfer, an dem Gott ein völliges Wohlgefallen haben könnte, die völlige Versöhnung stiften würde. Unterdessen war Stillesein, Warten, Harren die Ordnung des alten Bundes. So weissagten Gesetz und Propheten bis auf die Tage Johannis des Täufers.

Mit diesem aber, spricht der Herr Jesus, ist die neue Ordnung der Dinge eingetreten. Jetzt handelt sich's nicht mehr nur um die Verheißung, jetzt ist die Erfüllung angebrochen. Jetzt hat die Errettung aufgehört, eine bloß zukünftige zu sein, jetzt hat sie angefangen, eine gegenwärtige zu werden. Denn so ihr's wollt annehmen: Johannes ist der Elias, der da soll zukünftig sein. So ihr's wollt annehmen, sagt der Herr Jesus; so ihr's wollt im rechten Sinn verstehen. Man konnte es eben unrecht, abenteuerlich, abergläubig verstehen. Es hatte Maleachi, der letzte Prophet des Alten Bundes, geweissagt: Siehe, ich will zu euch senden, spricht der Herr, den Propheten Elia, ehe denn da kommt der große und schreckliche Tag des Herrn; der soll das Herz der Väter bekehren zu den Kindern und das Herz der Kinder zu ihren Vätern. Da konnten sie nun meinen: es werde buchstäblich der alte Prophet Elias von neuem leibhaftig auf Erden kommen; sowie bald nachher die Angst des bösen Gewissens dem Herodes eingab: Jesus sei kein anderer als der wiederauferstandene Täufer Johannes, den er hatte enthaupten lassen. Weil man also das Wort in einem so verkehrten Sinn verstehen konnte, hatte Johannes selber, da ihn die Priester fragten: bist du Elias? ablehnend geantwortet: ich bin es nicht. Der Herr Jesus aber spricht: so ihr es wollt annehmen: er ist es dennoch.

Er sagt damit großes von Johannes dem Täufer. Er sagt noch größeres von sich selber. Ja, wer Ohren hat zu hören, der höre! Johannes ist Elias. Wer ist aber der, welchem Elias den Weg bahnt? Wer Ohren hat, der höre! Wer Gedanken hat, der denke nach! Der Herr Jesus sagt hier kein ausdrückliches Wort von sich selber, und dennoch Hat er seine eigene göttliche Majestät nie feierlicher verkündiget als jetzt, da er spricht: Johannes ist Elias. Elias aber war verheißen als der Vorläufer und Wegbereiter Gottes des Herrn. Wahrlich, wer Ohren hatte zu hören, der hörte hier, wie nahe das Himmelreich ihm gekommen sei, der spürte in diesen Worten, wie es ihm an's Herz griff: das Heil ist hier! der Herr ist hier! nicht mehr nur zukünftig und fern, sondern herbeigekommen, gegenwärtig, allen nahe. Er suchet dich, so laß dich finden. Suche ihn, du wirst ihn finden. Jetzt tonnet ihr nicht nur hoffen, sondern haben. Das war die neue Zeit, die der Herr Jesus verkündete. Das ist die neue Zeit, in der wir leben. Denn sie hat ja nicht wieder aufgehört.

II.

Ist dem also, was haben wir denn nun zu thun? Wer Ohren hat zu hören, der höre! mit diesem letzten Wort laßt uns beginnen. Haben wir denn nicht alle Ohren, und wozu denn anders als zum Hören? dennoch brauchen wir sie nicht alle und immer, wie der Herr es meint. Wir hören wohl auf mancherlei, aber gar oft nicht, was der Geist uns sagt. Wir hören auf mancherlei menschliches Hin- und Wiederreden, auf mancherlei Getöse dieser Welt, auf mancherlei Stimmen des Fleisches und Blutes; aber es handelt sich darum, zu hören, was Gott zu uns reden will. Wenn das Himmelreich uns nahetritt, wenn die Ewigkeit uns an's Herz greift, wenn die Fragen in uns erwachen: wo kommst du her? wo gehst du hin? wie stehst du vor deinem Gott, dem heiligen und lebendigen? wie wirst du vor ihm bestehen, wenn das Gericht dein Leben nicht nach dem leichtfertigen Maßstab der Menschen, sondern nach Gottes heiliger Ordnung prüft? O dann laßt uns die Herzen diesem Anklopfen nicht verschließen, diesem Angreifen nicht widersetzen! wenn das Himmelreich uns diese Gewalt anthut, dann laßt auch uns Gewalt thun, daß wir's an uns reißen. Es ist ja doch alles Menschenleben ein eitles, verfehltes, im tiefsten Sinn zweckloses, verlorenes Leben, wenn es ausläuft, ohne daß der Mensch diesen großen, einzigen Gewinn gemacht hat: Gewalt zu thun, daß er das Himmelreich an sich reiße.

Aber warum Gewalt thun? warum gewaltsam an sich reißen? Weil's eben ohne Gewalt nicht geht. Es stehen der Hindernisse zu viel im Wege, es sind der Bollwerke zu mächtige und große, die müssen bezwungen sein, als daß es ohne gewaltiges Durchbrechen, nur ganz gemächlich und leichten Kaufes könnte gelingen. Was für Hindernisse denn? wir können äußere und innere unterscheiden. Schon die äußern sind nicht gering zu schätzen. Wie leben doch manche in Umgebungen, die dem Eingehen in's Himmelreich so ganz und gar nicht förderlich sind! Da sind tägliche Feindseligkeiten, Neckereien, Spöttereien zu überwinden, wenn einer will gottselig leben. Da hat er gegen tägliche Reizungen von außen zu allerlei Bösem zu kämpfen. Das braucht ein ernstliches Ringen und Gewaltthun! Fasset Muth! brechet durch! Es kann ja schwere Lagen geben, wie sie z.B. Jeremias erfuhr, der da klagen muß: wir gesellen uns nicht zu den Spöttern und freuen uns nicht mit ihnen, aber warum währet doch unser Schmerz so lange und unsre Wunden sind so gar böse, daß sie niemand heilen kann? Aber hört, was der Herr zu ihm spricht: wo du dich zu mir hältst, so will ich mich zu dir halten; und wo du die Frommen lehrest sich sondern von den bösen Leuten - nicht ihre bösen Wege gehen - so sollst du mein Lehrer sein. Und ehe du solltest zu ihnen fallen, so müssen sie eher zu dir fallen. Also die ihr in ähnlicher Lage seid: fasset Muth, brechet durch! nicht nur die Lehrer, sondern jedes Glied der Gemeinde. Ihr habt euch in den letzten Tagen gerechter Maßen über die Bosheit entrüstet, welche die öffentlichen Zierden unserer Stadt so arg geschädiget hat1). Der obrigkeitliche Aufruf mahnte euch, daß nicht nur die bestellten Wächter der öffentlichen Ordnung, sondern jeder Bürger dagegen sein Mögliches müsse thun. Wohlan, wem die noch viel gerechtere Entrüstung im Herzen brennt über alles gottlose Wesen, wodurch das Ebenbild Gottes geschändet wird, der wanke nicht, der helfe nicht durch sein Schweigen mit, der warte nicht auf andere, die das Ansehen haben: selber stehe er fest wie eine eherne Mauer. Ich weiß junge Kaufleute, ich weiß Soldaten, ich weiß junge Aerzte, sie dulden in ihrer Gegenwart auch keine schändlichen, schlüpfrigen Reden; und Gott ist mit ihnen. Habt ihr's auch schon versucht? zwar nicht im Dünkel: ich will's ihnen zeigen, aber in der Treue: meinen Herrn will ich nicht verleugnen, in diesem Sinne müßt ihr's thun. So kann's gelingen.

Das ist es freilich. Auf den rechten innern Sinn kommt es an. Die äußern Hindernisse hätten so gar viel nicht zu sagen, wenn die innern nicht noch viel größer wären. Die Welt liegt im Argen. Aber das ärgste ist die Welt im eigenen Herzen. Daß da so wenig himmlischer Sinn ist, so viel Weltlust und so wenig Furcht Gottes, so viel Sorge dieser Welt und so wenig Vertrauen auf Gott, so viel Neigung des Fleisches und so wenig Kraft des Geistes, so viel Gesuch des eigenen Ich und so wenig herzliche, verzeihende, tragende Liebe zu dem Nächsten, so viel Liebhaben nur wo wir dabei unsere Rechnung finden, und so wenig göttlicher Sinn, der auf das Seelenheil des Nächsten geht, mit einem Wort, daß das Himmelreich unserm eigensten natürlichen Dichten und Trachten so wenig gemäß ist, darin steht unser schwerster, täglicher, stündlicher Kampf; das sind die härtesten Bollwerke, die müssen gebrochen sein; dagegen gilt es am meisten Gewalt zu thun, um das Himmelreich an sich zu reißen.

Aber wird's gelingen? ist nicht das alles ein vergebliches Ringen? bleibt nicht allen Vorsätzen, Anläufen, Anstrengungen zum Trotz unsere Natur wie sie ist? ja wird nicht unser alter Mensch täglich älter, das heißt aber nicht schwacher, sondern vielmehr zäher, hartnäckiger, eingefleischter, und die alte Gewohnheit eine stets härtere Fessel? Es ist so; und es ist dennoch nicht zum Verzagen. Vielmehr gilt es hier am allermeisten Muth zu fassen, durchzubrechen, aber in der rechten Kraft; nicht nur in der Kraft des Johannes, sondern in der Kraft dessen, der nach ihm kommt.

Johannes, so ihr es wollt annehmen, ist Elias, der da soll zukünftig sein. Elias aber hat als ein Held Gottes den Kampf gegen die Baalspriester und ihre Abgöttereien gekämpft, und auch den Kampf gegen die Halbherzigkeit des Volks, das zwischen dem Herrn und Baal schwankte. Wie lange hinket ihr auf beiden Seiten? sprach er. Und als das Feuer vom Himmel, das er heruntergebetet, sein Opfer angezündet hatte, da riefen sie erschüttert und erfreut: der Herr ist Gott! der Herr ist Gott! Das muß den Anfang machen. Die Götzen der Zeit, alles woran wir das Herz hängen, das doch nicht Gott ist, muß von uns im rechten Licht erkannt werden, daß auch wir uns gesagt sein lassen: ist der Herr Gott, so wandelt dem Herrn nach; hinket nicht auf beiden Seiten.

Dann aber liegt es nicht an unserm Wollen und Laufen, sondern an Gottes Erbarmen. Dann ist es nicht mit dem Feuer des Elias zu erzwingen, und Sturm und Erdbeben thun's auch nicht, sondern erst was auf Sturm und Erdbeben und Feuer folgt, nämlich das stille sanfte Säuseln, worin der Herr selber ist. Wohl sagt er diesmal: die Gewalt thun, reißen das Himmelreich zu sich; aber kurz vorher hatte er gesagt: den Armen wird das Evangelium gepredigt, und kurz nachher folgt sein Ausspruch: Ich preise dich, Vater, daß du solches den Weisen und Klugen verborgen hast und hast es den Unmündigen geoffenbaret. Kommet her zu mir Alle, die ihr mühselig und beladen seid, Ich will euch erquicken.

Diese Worte zeigen uns, was die Seele des Kampfes ist, den wir zu kämpfen haben. Wenn ihr es wollt annehmen: er ist Elias, der da soll zukünftig sein. Nehmet es an, lasset den Elias sein Werk in euch thun und euch rufen von den Abgöttern weg zum lebendigen Gott. Aber dann ergebt das Herz nicht dem Elias, sondern dem Herrn, der nach ihm kommt. Auf Ihn vertraut, nicht auf euch selber. Das ist vor allem die Gewalt, die ihr thun mutzt: euch selber müßt ihr die Gewalt anthun, daß ihr dem Trachten, durch eure eigene Gerechtigkeit selig zu werden, von Grund aus absaget. Den Herrn laßt eure Gerechtigkeit und Stärke sein. Die Gnade unseres Herrn Jesu Christi ergreifet als den alleinigen Grund euerer Seligkeit. Thut Gewalt, ringet und kämpfet nicht als solche, die erst in's Himmelreich hinein wollen, sondern die durch die Gnade Jesu Christi schon darin sind. Das allein gibt rechten Muth ohne Verzagen. Ihr müßt euer Heil nicht erst machen, es ist vollbracht. Jesus nimmt die Sünder an, das ist der alleinige Grund desselben. Aber nun als solche angenommene Sünder, als solche durch Christi Gnade Begnadigte, als solche denen ihre schlimmsten Sünden nicht mehr schaden können, denn er spricht zu euch: ich habe auch deine Sünden getragen und vergebe sie dir, als solche kämpfet nun den guten Kampf des Glaubens; als solche gehet nun hin und sündiget nicht mehr; als solche thut nun Gewalt, das Himmelreich, das euch aus Gnaden geschenkt ist, festzuhalten. Ihr braucht nicht zu verzagen, wenn auch der alte Mensch noch da ist und euch viel Noth bereitet: er gilt nichts mehr. Wenn ihr nur in Christo bleibet, so ist er abgethan. Aber freilich eben so gut: ihr dürft nicht müde noch verdrossen werden im Kampf gegen euern alten Menschen. Er muß herunter, er muß ganz und gar gekreuzigt werden. Es gilt Ernst, es gilt ganzen, völligen, täglichen Ernst. Gerade weil Gott Gnade gibt, gerade weil er Wollen und Vollbringen in euch wirket, so nehmet es an, so brauchet es, so schaffet, daß ihr selig werdet, mit Furcht und Zittern. Und Er, der Herr, wird mit euch sein.

Wer Ohren hat zu hören, der höre! Amen.

1)
Es war unter andern, (im Spätherbst 1863) das Standbild Oekolampads verstümmelt worden.
Cookies helfen bei der Bereitstellung von Inhalten. Diese Website verwendet Cookies. Mit der Nutzung der Website erklären Sie sich damit einverstanden, dass Cookies auf Ihrem Computer gespeichert werden. Außerdem bestätigen Sie, dass Sie unsere Datenschutzerklärung gelesen und verstanden haben. Wenn Sie nicht einverstanden sind, verlassen Sie die Website.Weitere Information
autoren/r/riggenbach/ein_kapitel_aus_dem_evangelium_st._matthaei/riggenbach_ekadesm-3.txt · Zuletzt geändert: von 127.0.0.1
Public Domain Falls nicht anders bezeichnet, ist der Inhalt dieses Wikis unter der folgenden Lizenz veröffentlicht: Public Domain