Möhrlen, Christoph - Geschichte der Waldenser - Noch ein Wort über die Lehrer der Waldenser.

Möhrlen, Christoph - Geschichte der Waldenser - Noch ein Wort über die Lehrer der Waldenser.

Die Pfarrer der Waldenser hießen Barben, das heißt in ihrem Dialekt, Oheim, Vetter, und ist ein Ehrenname, so wie man in manchen Gegenden des württembergischen Schwarzwaldes die Ortsvorsteher: „Vetter Schultheiß“ anredet. Dieser Titel blieb im Gebrauche bis ins Jahr 1630. Die Geistlichen, welche man damals von fern her kommen ließ, hießen dann: „Herren“1) und von nun an kam jener Name Oheim außer Gebrauch.

Leger sagt von den alten Barben: „Sie waren im Allgemeinen fromme Männer, sanft und friedsam, einfältig im Glauben rein im Leben, fleißig und emsig in ihrem Amt; sie hatten ein wachsames Auge auf ihre Herden, die ihnen anvertraut waren. Sie arbeiteten mit Treue im Weinberg des Herrn, widmeten ihre Zeit und ihre Gaben der Bekehrung der Seelen, setzten sich Schimpf, Schmach, Verfolgungen und jeder Art von Unbill, dem Tod selbst aus, wenn es galt, die Wahrheit zu bezeugen. Sie verschmähten jede Art von Glanz, Eitelkeit, Pomp, Reichtum, Wollust und Ehre, welche die Welt ihnen anbot. Sie erfüllten genau die Pflichten eines Bürgers der menschlichen Gesellschaft.“

Einige unter den Barben verehlichten sich; andere blieben ledig; allein keineswegs, weil sie den ehelosen Stand als eine höhere Stufe der Heiligung betrachteten, sondern weil sie als Verkündiger des Evangeliums keinen festen Aufenthalt hatten. Sie zogen von einem Ort zum anderen, von einer Stadt zur anderen, um ihre Glaubensgenossen zu besuchen, zu trösten, zu stärken im Glauben an den Herrn und in der Treue gegen ihn. Sie reisten umher in Gascogne, in der Provence, in der Dauphine, in Languedoc, bis nach England, Calabrien und Böhmen dehnten sie ihren Wirkungskreis aus. Überall, wohin sie kamen, wurden sie beherbergt und unterstützt. Oft kamen sie in Lebensgefahr; allein, keine Mühe, keine Arbeit, keine Gefahr konnte ihren Eifer hemmen. „Oft wurden die Barben,“ sagt Perrin, „ins Gefängnis gesetzt und hingerichtet durch die mönchischen Ketzerrichter, welche ihnen, selbst in den hohen Alpen nachspürten, wenn sie von einer Herde zur anderen zogen. Obgleich ihre Feinde sich alle Mühe gaben, sie gänzlich zu vertilgen, so hat der Herr doch stets seine Ernte mit Arbeitern versorgt, so oft er derselben bedurfte, so dass noch jetzt in der Dauphine allein und in der Provence mehrere Tausende sich befinden, welche es sich als Ehre anrechnen, von jenen alten Waldensern abzustammen, und sie rühmen sich mehr, deren Eifer und Gottseligkeit geerbt zu haben, als ihre irdischen Güter, deren sich ihre Verfolger bemächtigten.“ Die Barben waren es allein, welche die Laufe und das Abendmahl verwalteten, und regelmäßig das Evangelium verkündigten. Außerdem beschäftigten sie sich mit dem Abschreiben der Bücher der heiligen Schrift, zur Zeit, als noch keine Buchdruckerkunst erfunden war, um so die Bibel in recht viele Hände zu bringen. Andere, da die Ärzte in den Tälern sehr selten waren, gaben sich auch mit der Heilkunde ab; wieder andere trieben mechanische Künste. Ihre Hauptbeschäftigung jedoch bestand im Unterricht der Jugend, besonders derjenigen unter derselben, die sich künftig der Predigt des Evangeliums widmen wollten. Diese lernten das Evangelium des Matthäus und des Johannes, die Briefe der Apostel, einen bedeutenden Abschnitt der Bücher Salomos, Davids und der Propheten auswendig; waren sie tüchtig vorbereitet, so weihten sie dieselben zum Dienst am Evangelium ein, durch Auflegung der Hände. Von allen Seiten her strömten ihnen Jünglinge zu, welche zu jener Zeit der Finsternis das Licht des Lebens suchten. Rom selbst ist hiervon unterrichtet, nach einer Stelle, die Flacius Illyricus anführt: „Sie haben die Gewohnheit von Böhmen nach der Lombardei zu reisen, zu ihren waldensischen Lehrern, wie auf eine Akademie oder Schule, um die Gottesgelehrtheit zu studieren“; und die Geschichte der Märtyrer fügt hinzu: „Die Waldenser aus dem Elsass schickten ebenfalls ihre Söhne, welche zum Predigtamt bestimmt waren, in die Täler, um sie dort studieren und bilden zu lassen.“

Gegenwärtig noch ist die Grotte vorhanden, welche den Barben als Schule diente; sie befindet sich in jenem berühmten Pré-Du-Tour in der Gemeinde Angrogne.

Jährlich hielten die Barben bestimmte Synoden, und zwar wie Basnage bemerkt, im Monat September. Auf einer solchen waren einmal in Pragela 140 Barben versammelt. Jene Kirchenversammlungen dienten dazu, das Wohl der Kirche zu beraten, und die kirchlichen Angelegenheiten zu besorgen. Zur Zeit großer Verfolgungen kamen sie zur Winterszeit zusammen, weil sie dann vor ihren Feinden in ihren mit Schnee bedeckten Alpentälern weit sicherer waren.

Nein, sie verstummen nicht die Zeugen,
Und wenn der Menschen-Zungen schweigen,
Wenn sich erfrecht der Feinde Dräuen,
So müssen tote Steine schreien,

1)
In der Schweiz gilt der Ausdruck: Ich gehe zum Herrn“ soviel,“ als ich gehe zum Pfarrer in den Konfirmanden-Unterricht.
Cookies helfen bei der Bereitstellung von Inhalten. Diese Website verwendet Cookies. Mit der Nutzung der Website erklären Sie sich damit einverstanden, dass Cookies auf Ihrem Computer gespeichert werden. Außerdem bestätigen Sie, dass Sie unsere Datenschutzerklärung gelesen und verstanden haben. Wenn Sie nicht einverstanden sind, verlassen Sie die Website.Weitere Information
autoren/m/moehrlen/waldenser/moehrlen_waldenser_weiteres.txt · Zuletzt geändert: von 127.0.0.1
Public Domain Falls nicht anders bezeichnet, ist der Inhalt dieses Wikis unter der folgenden Lizenz veröffentlicht: Public Domain