Markus Minucius Felix - Dialog Octavius (Auszüge)

Markus Minucius Felix - Dialog Octavius (Auszüge)

um 160

VIII, 4; IX, 1-6; X, 2

Sie bilden das Proletariat einer gemeinen Verschwörung. Ihre Verbrüderung besteht in nächtlichen Zusammenkünften, bei feierlichen Festen und unmenschlichen Gelagen. An Stelle heiliger Zeremonien setzen sie unsühnbares Verbrechen. Die Tempel verachten sie als Grabstätten. Die Götter bringen sie in Verruf, über die Opfer lachen sie. Auf die Priester sehen sie herab, wie bemitleidenswert sie auch selbst erscheinen müssen. Ehrenstellen und die Purpuruniformen der hohen Staatsämter lehnen sie ab, während sie kaum in der Lage sind, ihre Blöße zu decken. Und wie das Unkraut immer üppig wuchert, so werden diese abscheulichen Weihestätten einer ruchlosen Gesellschaft durch die täglich zunehmende Verkommenheit auf der ganzen Erde immer häufiger. Gründlich ausrotten und verfluchen muß man unter allen Umständen diese Vereinigung. Sie erkennen sich an geheimen Kennzeichen und Symbolen und lieben sich untereinander, man kann sagen, bevor sie sich kennengelernt haben. Überall üben sie unter sich eine Art von Sinnlichkeitskult. Denn unterschiedslos nennen sie sich Brüder und Schwestern: so wird durch diese geweihten Namen gewöhnliche Unzucht zu Blutschande. Den Kopf eines Esels, dieses verächtlichen Tieres, weihen und verehren sie. Sogar die Geschlechtsteile ihres Vorstehers und Priesters verehren sie und beten darin die Schöpferkraft ihres Vaters an. Dieser Verdacht könnte falsch sein, aber auf jeden Fall paßt er zu dem Charakter ihrer geheimen, nächtlichen Zusammenkünfte. Wer einen Menschen, der als Verbrecher mit härtester Strafe belangt wurde, wer den todbringenden Kreuzesgalgen zum Gegenstand der Verehrung macht, richtet Altäre auf, wie sie verlorenen und verkommenen Existenzen entsprechen. Das Blut des Kindes welch ein Greuel schlurfen sie gieng, seihe Gneefmaßerr verteilen sie mit leidenschaftlichem Eifer. Ihre Schmausereien sind bekannt; auch Cornelius Fronto, der Lehrer des Kaisers Marc Aurel (um 175) legt hiervon Zeugnis ab. Ist nach reichlichem Essen die Tischgesellschaft erhitzt und die Glut unreiner Lust durch Trunkenheit entfacht, so bringt ein Hund, der an den Leuchter gebunden ist, das verräterische Licht zum Umstoßen und Verlöschen. Die Finsternis deckt ihre Schamlosigkeit, und sie schlingen nun Bande unsagbarer Leidenschaft, wie es der Zufall fügt. Alles, was so durch Handlungen einzelner verübt wird, entspricht dem Willen der Gesamtheit, weshalb sonst hätten sie keine Altäre, keine Gotteshäuser, keine Götterbilder? Warum reden sie nicht öffentlich? Warum versammeln sie sich nie ungescheut? Eben nur aus diesem Grunde, daß das, was sie verehren und verheimlichen, strafbar und schandbar ist.

XXVIII, 2,3

Auch wir waren die Gleichen wie ihr. Wir waren verblendet und verstockt und dachten wie ihr, daß die Christen ungeheuerliche Dinge verehrten, Kinder fräßen und unzüchtige Gelage miteinander feierten. Wir übernahmen damals in einzelnen Fällen für Tempelräuber und Blutschänder, sogar für Vatermörder die juristische Verteidigung und Vertretung; sie aber meinten wir nicht einmal anhören zu brauchen. Ja, manchmal wüteten wir im Ringen mit unserem eigenen Mitleid um so grausamer gegen sie und folterten nun die Bekenner um so mehr.

XXIX, 6

Auch Kreuze beten wir nicht an und wünschen sie nicht anzubeten. Ihr allerdings, die ihr hölzerne Götter weiht, betet vielleicht auch hölzerne Kreuze an, die als Bestandteile zu euren Göttern gehören können.

XXX, 1,2,6. XXXI, l, 5

Ich wende mich nun an den, welcher behauptet oder glaubt, wir bewirkten unsere Aufnahme durch Kindsmord und Kinderblut. Kannst du das für möglich halten, daß ein so weicher und kleiner Körper todbringende Wunden empfangen soll, daß jemand so junges Blut eines Neugeborenen, der kaum schon Mensch ist, im Hinmorden vergießen, ausspritzen und einschlürfen könnte? Niemand kann das glauben, wenn er nicht selbst fähig ist, es zu tun. Euch allerdings sehe ich neugeborene Kinder bald den wilden Tieren und Vögeln aussetzen, bald durch Erdrosseln und auf andere jämmerliche Weise aus dem Leben schaffen. Manche Frauen vernichten im eigenen Leib durch eingenommene Arzneien den Keim künftigen Lebens und begehen so einen Kindsmord, ehe sie gebären. Uns hingegen ist es nicht einmal gestattet, Menschenmorden anzusehen oder anzuhören; ja, so sehr haben wir Scheu vor Menschenblut, daß wir nicht einmal das Blut eßbarer Tiere unter unseren Speisen kennen. Femer hat die Dämonenbande über unzüchtige Gastmähler ein großartiges Märchen gegen uns ersonnen, um den Ruhm der Keuschheit durch Verbreitung häßlicher Schmach zu beschmutzen. Durch den Schrecken einer schlechten Meinung über uns suchten sie die Menschen von der Erkenntnis der Wahrheit abzuziehen. Auch Fronto, den du anführst, hat kein durch Belege bestätigtes Zeugnis vorgebracht, sondern sich lediglich in rhetorischen Schmähreden ausgelassen. Die Gastmähler, die wir veranstalten, sind ebenso zuchtvoll wie maßvoll. Wir lieben keine üppigen Essen und ziehen das Mahl nicht durch Trinkgelage in die Länge. Wü wissen den Frohsinn durch Ernst in der Hand zu behalten.

XXXII,l,2,4,7,8,9.

Glaubt ihr, wir halten den Gegenstand unserer Verehrung geheim, weil wir keine Tempel und Altäre haben? Welches Bild soll ich für Gott ersinnen, da doch im Grunde genommen der Mensch selbst Gottes Bild ist? Welchen Tempel soll ich ihm bauen, da diese ganze Welt, das Werk seiner Hände, ihn nicht zu fassen vermag? Und während ich als Mensch geräumiger wohne, sollte ich die Größe solcher Majestät in eine einzige Zelle einschließen? Müssen wir ihm nicht besser in unserer Seele ein Heiligtum errichten? Müssen wir ihm nicht lieber in unserer Brust eine Stätte weihen? Kleine und große Tiere sollte ich Gott opfern? Er hat sie doch zu meinen Nutzen erschaffen, so daß ich ihm nur seine Gabe zurückgeben könnte. Freilich, den Gott, den wir verehren, können wir nicht sehen lassen und nicht selbst sehen. Gerade deshalb ist er uns Gott, weil wir ihn erkennen, aber nicht schauen können. In seinen Werken, in allen Bewegungen der Welt, schauen wir immer seine Macht gegenwärtig, sei es im Donner, Blitz und Wetterleuchten oder sei es bei heiterem Himmel. Du meinst, dieser Gott wisse nichts vom Tun und Treiben der Menschen? Du meinst, er könne von seinem Thron im Himmel nicht zu allen kommen, und er könne nicht alle kennen? Mensch! Das ist Irrtum und Täuschung. Wie kann denn Gott weit weg sein! Der ganze Himmel und die ganze Erde und alles außerhalb des Erdkreises ist von Gott erfüllt. Überall ist er uns ganz nahe, weit mehr als das: Er ist in uns. Sieh wieder die Sonne! Sie steht am Himmel, und doch ist ihr Licht über alle Länder ausgegossen. Überall ist sie in gleicher Weise gegenwärtig. Überall dringt sie in alles ein. Nirgends wird ihr Glanz getrübt. Wie viel mehr ist Gott gegenwärtig, der alles erschafft und erschaut, vor dem nichts verborgen bleiben kann! Er ist gegenwärtig in der Finsternis, gegenwärtig auch in unseren Gedanken, die gleichsam eine Finsternis anderer Art umfassen. Alle unsere Handlungen geschehen unter seinen Augen. Wir leben, ich möchte fast sagen: mit ihm zusammen. -

XXXVI, 3-7

Wenn wir zum großen Teil für arm gelten müssen, so ist das keine Schande, sondern ein Ruhm für uns. Wohlleben schwächt den Geist. Mäßigkeit kräftigt ihn. Doch wie kann arm genannt werden, wer keine Bedürfnisse fühlt, wer nicht nach fremdem Gut begehrt, wer in den Augen Gottes reich ist? Weit mehr ist der arm zu nennen, welcher nach immer mehr begehrt, während er schon viel hat. Doch ich möchte sagen, wie ich denke: niemand kann so arm sein, wie er bei seiner Geburt war. Die Vögel leben ohne Erbgut. Das Vieh findet jeden Tag sein Futter. Diese Geschöpfe sind doch unseretwegen auf der Welt. Wir besitzen alles das, wenn wir es nicht begehren. Gerade wie der, der auf der Landstraße wandert, um so besser daran ist, je leichter sein Bündel ist, so ist auch auf dem Lebensweg am glücklichsten daran, wer es sich durch Armut leicht macht, wer nicht unter der Last des Reichtums seufzen muß. Wir würden die Reichtümer, wenn wir sie für nützlich hielten, von Gott erbitten. Er jedenfalls könnte uns einen Anteil davon geben. Ist doch alles sein Eigentum. Aber wir wollen die Reichtümer lieber verschmähen, als sie in der Hand haben.

XXXVII, 1-5

Welch ein herrliches Schauspiel ist es für Gott, wenn der Christ mit dem Schmerz ringt, wenn er gegen Drohung, Todesstrafe und Marter den Kampf aufnimmt, wenn er das Rasseln der Todeswerkzeuge und das Entsetzen vor dem Henker lächelnd mit Füßen tritt, wenn er Königen und Fürsten gegenüber seine Freiheit hochhält, Gott allein, dem er zugehört, gehorcht, wenn er triumphierend und siegreich selber den herausfordert, welcher gegen ihn das Urteil gesprochen hat! Denn Sieger ist, wer sich am Ziel seines Strebens findet. Welcher Soldat wird nicht unter den Augen seines Feldherrn kühner der Gefahr entgegentreten. Denn nur wer sich bewährt, erhält einen Preis. Und doch kann der Feldherr das nicht geben, was er nicht hat: er kann das Leben nicht verlängern. Er kann nichts als militärische Auszeichnungen geben. Der Streiter Gottes aber sieht sich in seinem Schmerz nicht verlassen und wird durch den Tod nicht vernichtet. So kann es zwar scheinen, als wenn der Christ unglücklich wäre, aber er kann es in Wirklichkeit niemals sein. Ihr selbst erhebt ja Unglücksmänner, wie Mucius Scaevola zum Himmel. Er wäre bei den Feinden zu Grunde gegangen, hätte er nicht seine Rechte geopfert. Aber wie viele von uns haben nicht bloß ihre Rechte geopfert, weit mehr als das, ihren ganzen Körper versengen und verbrennen lassen, ohne einen einzigen Schmerzenslaut hören zu lassen! Und sie hätten es in ihrer Gewalt gehabt, ihre Freilassung zu erlangen. Doch was ziehe ich Männer zum Vergleich mit Mucius oder Aquilius oder mit Regulus heran? Bei uns spotten Knaben und schwache Frauen der Galgenkreuze und der Qualen der Folter, der wilden Tiere und aller sonstigen Schrecken der Hinrichtung! Sie beweisen in ihrem Schmerz eine Ausdauer, die vom Himmel kommt.

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