Textor, Gustav Adolph - Am Sonntage nach Weihnachten.

Textor, Gustav Adolph - Am Sonntage nach Weihnachten.

Das alte Jahr vergangen ist,
Wir danken Dir, Herr Jesu Christ!
Daß Du uns in so groß'r Gefahr .
Behütet hast lang' Zeit und Jahr'.
Wir bitten Dich, Du ew'ger Sohn,
Des Vaters in dem höchsten Thron,
Du woll'st Dein' arme Christenheit,
Bewahren ferner alle Zeit. Amen!

Durch Deine Gnade sind wir hier beisammen, Du heiliger und allein gewaltiger Gott, und Deine Fügung ist es, daß wir noch in diesen letzten Stunden des ablaufenden Jahres unsre Herzen vor Dir sammeln, zu Dir erheben sollen. So gib denn, daß uns Dein Wort noch einen hellen Schein ins Herz gebe! Laß uns unsern Lebensweg klar vor die Augen treten im Lichte Deines Wortes, erwecke zur Buße, die in Sicherheit schlafen; ermuntre die müde gewordenen Seelen; rufe die Wankenden zur Gewißheit, und die da zween Herrn dienen wollen, daß sie die Welt hassen, und Dir anhangen! Laß auch in uns das Alte vergehen, und ein Neues werden nach dem Bilde, nach welchem Du uns geschaffen hast. Amen! -

Geliebte Christen! Als das Volk Israel durch Gottes Hand von Moses aus Aegypten geführt, da waren sie anfänglich noch als die jungen Kinder im Glauben, gutes Muthes, so lange es ihnen wohl ging, und voll Verzagtheit, wenn die Noth sich zeigte. Die Aegypter jagten ihnen nach, und ereilten sie (da sie sich gelagert hatten am Meer) mit Rossen und Wagen und Reitern, und allem Heer des Pharao. „Und da Pharao nahe zu ihnen kam (2. Mos. 14,10) hoben die Kinder Israel ihre Augen auf, und siehe, die Aegypter zogen hinter ihnen her, und sie fürchteten sich sehr, und schrien zu dem Herrn.“ Sie konnten nicht anders, als voll Furcht sein, weil sie voll Unglaubens waren, und wohl wußten, daß sie mit ihrer Macht dem streitbaren Heere der Aegypter nicht gewachsen waren. Wir wollen diese Geschichte heute nur als ein Bild und Gleichniß gebrauchen. Wir stehen am Schlüsse eines Jahres, sind eben Willens, unsre Augen aufzuheben und zurückzusehen auf den Weg, den wir bis Hieher gekommen sind, und es könnte leicht sein, daß wir auch hinter uns ein Heer von streitbaren Aegyptern gewahr würden, die uns Verderben drohen, wir meinen, ein Heer von Sünden, die noch nicht versöhnt sind, und welche uns zu verderben drohen. Ich sage, es könnte leicht sein, daß diese Sünden, die in der Vergangenheit liegen, noch nicht ausgetilgt sind, daß wir sie vergessen haben, ehe sie versöhnt sind. Die Israeliten sahen das Heer der Aegypter erst nicht, und mochten wohl denken, daß sie ihnen entronnen wären, bis daß sie plötzlich die ganze Macht gewahr wurden. So geht es in dieser Welt auch, man vergißt die vorigen Sünden, und bildet sich leicht zu früh ein, daß man ihrem Verderben entronnen ist, bis uns dann unverhofft ihre ganze Macht offenbar wird. So ist es mit uns, wenn wir nicht die rechte, von Gott verordnete Versöhnung durch Jesum Christum im aufrichtigen Glauben ergriffen haben; so ist es mit uns, wenn wir uns nicht durch rechtschaffene Buße von dem falschen Wege bekehrt haben. Dadurch daß wir die Sünde vergessen, ist sie noch nicht versöhnt; sie sammelt sich vielmehr zu einem starken Heere an, das uns überfällt zu der Stunde, da wir es nicht meinen. Wir sollen zwar, wie Paulus, vergessen, was dahinten ist, aber doch nicht eher, als bis sich unser ganzes Herz und Gemüth gestreckt hat nach dem, das da vorne ist, nämlich nach dem himmlischen Kleinod, welches Jesus Christus uns vorhält, nicht eher, als bis wir von Herzen zu Gott bekehrt nach dem himmlischen Erbe jagen.

Es zeigt sich uns hieraus, daß es heilsam ist, prüfend und richtend in das vergangene Leben zurückzusehen, damit wir nicht in falsche Sicherheit gerathen; und wer bei einem solchen ernstlichen Rückblick ein Heer von Feinden gewahr werden sollte, der lerne von den Israeliten: „Sie schrieen zu dem Herrn.“ Gebe uns nun Gott an dem heutigen Tage einen solchen ernstlich prüfenden Blick in unser Herz und Leben, wir, wollen uns dazu seine Gnade erflehen in einem stillen und andächtigen Gebete.

Text: Lucä 13, 6-7.

Er sagte ihnen aber dies Gleichniß: Es hatte einer einen Feigenbaum, der war gepflanzt in seinem Weinberge; und kam und suchte Frucht darauf, und fand sie nicht. Da sprach er zu dem Weingärtner: Siehe, ich bin nun drei Jahre lang alle Jahre gekommen, und habe Frucht gesucht auf diesem Feigenbaum, und finde sie nicht? haue ihn ab; was hindert er das Land?

Daß dies Gleichniß uns Christen zur Warnung gesagt ist, darf euch nicht erst angedeutet werden. Wir haben heute nur die erste Hälfte davon gelesen, und wollen am Neujahrstage, so Gott will, die zweite Hälfte desselben zu Herzen nehmen. Wir sind solche Feigenbäume in des Herrn Weinberg gepflanzt, an uns sucht der Herr Frucht, über uns spricht er, wenn er uns unfruchtbar findet, das Urtheil: „Haue ihn ab, was hindert er das Land.“

Wir stehen am Schlüsse eines Jahres, und wenn wir zuerst im Rückblick auf die Vergangenheit die Frage aufwerfen: woran hat es denn der Herr des Weinberges etwa fehlen lassen, das er nicht an uns gethan hätte, um uns durch Ernst und Liebe zu sich zu ziehen? werden wir wohl Alle antworten müssen: „An nichts hat er es fehlen lassen.“ Sind wir nicht in seinem Weinberge gepflanzt? Der Weinberg des Herrn ist die Christenheit, welcher wir angehören, wenn auch zum Theil nur dem Namen nach. Hat er uns etwa sein Wort genommen, die Brunnen des Lebens verschlossen? Wir müssen „Nein“ antworten, sondern im Gegentheil aufgeschlossen. Oder hat er uns die heiligen Sacramente entzogen? Wir müssen „Nein“ sagen, denn wir haben sie nach seinem Worte und Christi Einsetzung. Oder hat er denen, die in aufrichtiger Buße um Gnade flehten, nicht geholfen? Hat er seinen Schutz, seine Hülfe entzogen denen, die ihn von Herzen fürchteten? Er hat uns vielmehr als seinen Augapfel gehalten, wie er einst Jacob's Geschlecht wie seinen Augapfel behütete. Wir sind in seinen Weinberg gepflanzt, und was der Herr an einem sündigen Geschlechte thun kann nach seiner großen Barmherzigkeit, um es zu einem lebendigen Beweise seiner Gnade und Liebe zu machen, das hat er auch an uns, auch in dem abgelaufenen Jahre gethan, so daß wir mit David sagen müssen: „Wer bin ich, Herr, Herr, und was ist mein Haus, daß Du mich bis Hieher gebracht hast.“ Es ist doch gewiß, daß selbst die Züchtigungen, die Schicksale, welche Manchem unter uns widerfahren sind, nichts als Heimsuchungen seiner väterlichen Liebe gewesen sind, denn „welchen der Herr lieb hat, den züchtiget er, und wo ist ein Sohn, welchen der Vater nicht züchtiget!“ (Ebr. 12, 6) und daß wir ganz andere Dinge würden erfahren haben, wenn der Herr uns nach unsern Werken und Verdienst behandelt haben würde. Wollten wir von irdischen Dingen nur Eines nennen, den theuren, kostbaren Frieden nun schon seit 22 Jahren, wer hat ihn gegeben? wer bis Hieher erhalten? Er hat uns in seinen Weinberg gepflanzt, und wer kann die Wunder seiner Güte und Treue alle erzählen, von dem ersten und größesten an, daß er den Rathschluß faßte, seinen eingebornen Sohn in die Welt zur Erlösung zu senden, bis zu dem heutigen Tage? Wir müssen bekennen, wie schon Moses bekannte: „Barmherzig und gnädig ist der Herr, geduldig und von großer Güte und Treue, der da bewahret Gnade in Tausend Glied, und vergibt Missethat, Uebertretung und Sünde.“

Der Herr im Himmel aber ist nicht darum so reich von Barmherzigkeit, daß wir in unsern Sünden sicher und ruhig beharren sollen, sondern daß er uns zur Buße leite; er hat uns in seinen Weinberg gepflanzt, daß er Frucht an uns suche und finde zu seines Namens Ehre. Seine Barmherzigkeit kann auch ein Ende haben, und wenn er lange genug vergebens Früchte gesucht hat, so spricht er: Haue den Baum ab, was hindert er das Land. Die Frucht aber, welche er jährlich an uns sucht, heißt Besserung des Lebens, Reinigung des Herzens, Heiligung des Wandels, daß wir im Glauben stärker, in der Liebe inniger, in der Demuth begründeter, und im Trachten nach den zukünftigen Gütern ernstlicher und beständiger werden; den alten Menschen ausziehen, den neuen anziehen, Schätze im Himmel sammeln, Sünde hassen, Gerechtigkeit lieben, die Welt aus dem Herzen vertreiben und Jesum aufnehmen, das Fleisch kreuzigen, im Geiste wandeln, den breiten Weg verlassen, den schmalen suchen, und durch Geduld in guten Werken durch Christum trachten nach dem ewigen Leben. Dazu lebt ein Christ, dazu steht er von einem Jahre zum andern im Weinberge Gottes, diese Frucht sucht der Herr bei denen, die seinen Namen bekennen, und wenn er sie lange genug vergebens gesucht hat, so spricht er: „Siehe ich bin nun drei Jahre lang alle Jahre gekommen, und habe Frucht gesucht auf diesem Feigenbaum, und finde sie nicht; haue ihn ab, was hindert er das Land?“

Daß dies Urtheil Ernst sei, lehren uns die Beispiele der vorigen Zeiten bestimmt genug. Von der ganzen ersten Welt hieß es, da sie sich den Geist Gottes nicht mehr wollten strafen lassen: „Haue sie ab, die unfruchtbaren Bäume,“ und wurden durch die Sündfluth schnell umgebracht bis auf wenige Seelen. Sodom und Gomorrha werden als Wahrzeichen der göttlichen Gerichte bis an's Ende der Welt genannt werden. Der König Saul mußte dies Urtheil erfahren, als der Herr keine Frucht mehr an ihm fand. Judas, der Verräther, ward als ein unfruchtbarer Baum verworfen, nachdem der Herr ihn lange gepflegt, und keine Frucht an ihm gefunden hatte; der König Herodes ward unverhofft von dem Engel des Herrn getroffen, und so hat der Herr seine Hand nicht ruhen lassen, und hat auch im verflossenen Jahre manchem Baume die Axt an die Wurzel gelegt, und manchen unfruchtbaren Baum, d. i. manchen unbußfertigen Sünder mitten in seinen Sünden weggerafft.

Was ist denn nun unser Leben bis Hieher gewesen? O meine Brüder, wir dürfen es uns nicht verhehlen, es steht noch mancher unfruchtbare Baum unter uns, dem die Axt an der Wurzel liegt, auch mancher, der es von sich nicht meint, und Frucht genug findet der Herr wohl an Wenigen unter uns. Wenn ich einen ernstlichen Blick zurückwerfe auf das, was ich in dem nun abgelaufenen Jahre an mir selbst, und an denen, mit welchen ich es verlebt habe, gewahr geworden bin, und dann wieder an den großen Ernst gedenke, mit welchem das heilige, göttliche Wort uns antreibt, rechtschaffene Früchte der Buße zu thun, und mit Furcht und Zittern unsre Seligkeit zu schaffen; so kann ich mich der Sorge und Furcht nicht erwehren, daß der Herr uns für unfruchtbare Bäume erklären, und das Urtheil sprechen müsse: „Haue sie ab, was hindern sie das Land.“ Wie so manches Menschen Leben hat seinen Lauf auch mit keinem Schritte nach dem Ziele, das droben ist! Die Welt und was in der Welt ist, ist ihr Himmelreich. Wenn du nun das verflossene Jahr überblickst, es ist dahin, du hast es durchlebt, und der Herr fragt nach den Früchten. Da findet sich nun bei den Meisten, daß die vornehmste Sorge gewesen ist, was die geringste sein sollte, und die geringste gewesen ist, was die vornehmste sein sollte. Prüfe dich doch, o Christ, ist es nicht etwa der Fall, daß die ganze Kraft deines Lebens nach Leib und Seele dieser Welt zugewendet ist? Was stillet dir Kopf und Herz? Nach dem Laufe dieser Welt fasset es sich in drei Worte zusammen, die heißen: Haben, Genießen und Gepriesen werden; das sind die Glückseligkeiten dieser Welt. Mit vollem Herzen treiben sie den unbekehrten Jüngling in das Leben, er will genießen, oder will gepriesen werden, nicht selten wissen auch seine Aeltern kein höheres Gut des Lebens: auf alle Weise feuern sie seinen Ehrgeiz an, er soll sich einen Namen erwerben, soll glänzen vor Andern, daß die Leute auf ihn sehen, und sagen: „Siehe, das ist der.“ Daneben lodert von selbst in seinem Herzen die Flamme der Begierden auf, ein Leben in Ehren und Würden, oder im Genüsse der Welt stellt sich als das höchste Gut vor seine Seele. Tritt er als Mann in das Leben ein, so erhebt sich auch das Verlangen, nach Besitz; er will gewinnen, um zu genießen, und meinte das sei der Gipfel des Glückes, wenn er es Vielen zuvorthun kann, und sich Viele vor ihm bücken. Von einem Jahre zum andern fragt der Herr nach seinen Früchten, aber vergebens. Da spricht er endlich: „Haue den Baum ab, was hindert er das Land.“ -

O ihr Alle, die ihr noch in den Jahren der Jugend stehet, gedenket an die Axt, die auch euch an der Wurzel liegt; gedenket au das himmlische Kleinod, und daß wir hier nicht für die Erde leben, sondern als Gäste und Pilgrimme, die ein besseres Vaterland suchen sollen. Seht, das Jahr ist hin, wo ist, nun eure Frucht für das Himmelreich? habt ihr an die Besserung des Lebens, Reinigung des Herzens, Heiligung des Wandels gedacht? Und ihr, die ihr aus den Jahren der Jugend in ein reiferes Alter getreten seid, nach dem Laufe dieser Welt heißen auch eure Götzen: Haben, Genießen und Gepriesen werden. Ihr werdet vielleicht Rechenschaft geben können, was ihr in dem abgelaufenen Jahre erworben, wie ihr euer Gut gemehrt, wie manche Lust des Lebens ihr genossen habet, wie manchen Beifall und Lob ihr eingeerndtet. Vielleicht wird eure Seele mit Wohlgefallen sich zurückerinnern, wie ihr diesen, oder jenen guten Zug gethan habt, und euren Vortheil wahrgenommen, wie ihr klüglich hier und da gewonnen, oder wie euch das sogenannte Glück dies und jenes in die Hände gespielt hat. Ihr werdet vielleicht mit Lust zurückdenken an die mancherlei Vergnügungen, die euch das Jahr gebracht hat, wie ihr hier oder da wohlgelebt, und wie ihr die Freuden des Lebens nicht ungenutzt habt vorübergehen lassen. Euer Herz wird sich vielleicht mit Wohlbehagen daran erinnern, wo man euch Beifall gezollt hat, wo eure Klugheit oder Geschicklichkeit gerühmt ist, wo euer Witz geglänzt hat, wo eure Talente bewundert sind. Aber nun ist das Jahr hin, und der Herr des Weinberges fragt nach alle dem nichts, sondern fragt nach seinen Früchten; er fragt nun schon manches Jahr nach der Besserung des Lebens, Reinigung des Herzens, Heiligung des Wandels. Er fragt abermal vergebens, und sein Urtheil heißt: „Haue den Baum ab, was hindert er das Land?“ O richtet doch einen ernstlichen Gedanken auf das Wort des Herrn: „Es ist dem Menschen gesetzt, einmal zu sterben, darnach aber das Gericht.“ Da fragt ja Niemand danach: Wie reich war er? wie genoß er sein Leben? was für Titel und Würden trug er? - sondern wie trachtete er im Glauben nach dem Reiche Gottes und nach seiner Gerechtigkeit? - Und auch ihr, deren Leben sich zum Abend neigt, nach dem Laufe dieser Welt heißen auch eure Götzen: Haben, Genießen und Gepriesen werden. Während die Jugend diese alle Drei zu umfassen pflegt, so pflegt gegen das Alter hin das Herz enger zu werden, und nur für Einen von diesen Götzen noch Raum zu haben. Was gebet denn ihr für Rechenschaft von dem abgelaufenen Jahre? Der Herr gebe euch, daß ihr nie vergesset, daß „Geiz ist eine Wurzel alles Uebels, welche hat etliche gelüstet und sind vom Glauben irre gegangen, und machen ihnen selbst viele Schmerzen; die da reich werden wollen, fallen in Versuchung und Stricke, und viel thörichte, schädliche Lüste, welche versenken die Menschen in Verderben und Verdammniß.“ Der Herr gebe euch, daß ihr allezeit daß bedenket: „Die Welt vergehet mit ihrer Lust, und wer auf sein Fleisch säet, der wird von dem Fleisch das Verderben erndten.“ Für alle Lebensalter gilt das Wort Johannis des Täufers, aber für das Alter gilt es zwiefältig, da er spricht: „Es ist schon die Axt den Bäumen an die Wurzel gelegt, welcher Baum nicht gute Frucht bringt, der wird abgehauen, und ins Feuer geworfen.“ Das Jahr ist hin, und der Herr fragt bei euch nach seinen Früchten, wie habt ihr es benutzt zur Besserung des Lebens, Reinigung des Herzens, Heiligung des Wandels. Fragt er noch umsonst, wohlan, so steht sein Urtheil geschrieben: „Haue den Baum ab, was hindert er das Land.“

Gleichsam klagend spricht der Herr: „Siehe ich bin nun drei Jahre lang alle Jahre gekommen, und habe Frucht gesucht auf diesem Feigenbaum, und finde sie nicht.“ Höret es doch Alle, die ihr euch dessen rühmt, Christen, Christi Jünger zu sein, und in seinen Weinberg gepflanzt zu sein. Den Namen tragt ihr ja freilich, und in seinem Weinberge stehet ihr. Aber viele haben den Namen, daß sie leben, und sind doch todt, sind abgestorbene, mitunter zweimal erstorbene Bäume, wie der Apostel Judas schreibt. Das Jahr ist nun hin, und der Herr fragt nach seinen Früchten. Habt ihr das abgelaufene Jahr im Dienste dieser Welt, oder im Dienste der zukünftigen genutzt? Er fragt besonders, woran sich euer Herz geweidet und gestärkt hat, ob an den irdischen, oder an den himmlischen Gütern? wonach euer Herz sich gesehnt und gesucht hat, ob nach den zeitlichen, oder nach den ewigen Schätzen? Prüfe dich, ob es nicht also ist, daß du über der Erde den Himmel, über dieser Welt die Zukünftige vergessen hast; oder ob es nicht also ist, daß du Beiden hast dienen wollen; so doch der Herr sagt, daß Niemand zween Herrn dienen kann. Siehe, wie manches Jahr ist der Herr nun schon gekommen, und hat seine Frucht an uns gesucht! Das Jahr ist hin; haben wir abermal die Besserung des Lebens, Reinigung des Herzens, Heiligung des Wandels als eine Nebensache angesehen, so steht auch unser Urtheil geschrieben: Haue den Baum ab, was hindert er das Land? - Das ist geschrieben, damit aufwachen, die da schlafen, und damit wir uns aus der Herzensträgheit aufraffen, unser Heil und Seligkeit mit Ernst zu suchen. Wer aber das Heer der Feinde hinter sich stehet, wie Israel, der lerne, wie Israel Hülfe fand, „sie schrieen zu dem Herrn!“ Amen! -

Durch Deine Gnade sind wir hier noch einmal beisammen. Du heiliger und allein gewaltiger Gott, und Deine Barmherzigkeit ist es, daß wir auch noch in diesen letzten Stunden des ablaufenden Jahres unsere Herzen haben vor Dir sammeln und zu Dir erheben dürfen. So hilf denn, daß uns Dein Wort noch einen hellen Schein in's Herz gebe! Laß uns unsern Lebensweg klar vor die Augen treten im Lichte Deines Wortes, damit wir uns nicht selbst betrügen, und uns Dein Gericht bereiten. Erwecke zur Buße, die noch in Sicherheit schlafen; ermuntre die müde gewordenen Seelen; rufe die Wankenden zur Gewißheit, und die da zween Herrn dienen wollen, daß sie die Welt hassen, und Dir anhangen. Laß in uns Allen das Alte vergehen, und ein Neues werden nach dem Bilde, nach welchem Du uns geschaffen hast. Amen! -

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