Spurgeon, Charles Haddon - Ein Brunnen lebendigen Wassers - Das Verscheuchen der Geier vom Opfer.
Gehalten am Donnerstag den 3. November 1887.
Und die Raubvögel fielen auf das Aas; aber Abram scheuchte sie davon.“
1. Mos. 15, 11.
„Und wenn die Vögel auf die Male hernieder kamen, trieb Abram sie hinweg“ (n. d. engl. Übs.).
Abram empfing, als er kinderlos war, die erstaunliche Verheißung, dass sein Same an Zahl den Sternen des Himmels gleichen sollte. Dies glaubte er, und sein Glaube an Jehovah ward ihm zur Gerechtigkeit gerechnet. Gewiss, es ist mehr Gerechtigkeit in dem Vertrauen auf den Herrn, als in allen Werken des Fleisches! Die, welche leichtfertig vom Glauben sprechen, sind anderen Sinnes als der Herr, dessen Gericht nach der Wahrheit ist.
Um den Glauben des Patriarchen zu befestigen, beschloss der Herr, ihm eine Gnadenerweisung zu teil werden zu lassen, die als feierliche Schließung eines Bundes angesehen werden sollte und zugleich als Weissagung der künftigen Geschichte des verheißenen Samens. Dem Abram ward geheißen Opfer zu bringen: eine Kuh, eine Ziege, einen Widder, eine Turteltaube und eine Taube. Die Ausdrucksweise ist eigentümlich. Der Herr sprach zu ihm: „Bringe mir eine dreijährige Kuh“; und im nächsten Verse heißt es: „Und er brachte ihm solches alles.“ So nahmen Gott und sein Knecht beide Anteil an dem Opfer; sie stellten so im Sinnbild die Gemeinschaft dar, die Gott der Herr in dem Gnadenbunde mit seinem Volke hat, wenn sie sich begegnen in dem einen großen Opfer unseres Herrn Jesu, das die Seele und das Wesen aller äußeren Opfer ist. Es war ein Gott dargebrachtes Opfer, das der Herr annahm, aber es war auch ein Opfer, das Abraham für sich annahm, er, der den Tag Christi sah, ihn sah und froh war.
Der Mann Gottes gehorchte dem Befehl Gottes mit großer Genauigkeit und Überlegung, er legte die Stücke des Opfers in die gehörige Ordnung und harrte dann, bis es Gott gefallen würde, sich ihm weiter zu offenbaren. Aber was ist dies? Der feierliche Gottesdienst wird durch faule Vögel gestört. Die inbrünstigste Andacht ist Unterbrechungen der schlimmsten Art unterworfen. Wenn im Orient ein Kamel in der einsamen Wüste tot niederfällt, so ist fast augenblicklich die Luft voll von geflügelten Tieren. Geier, von denen vorher nicht ein einziger sichtbar gewesen, erscheinen plötzlich wie durch Zauber von allen Seiten und kreisen über dem Aas. „Wo aber ein Aas ist, da sammeln sich die Adler.“ Diese und andere fleischfressende Vögel sind die Gassenkehrer der warmen Länder und lassen nicht zu, dass Fleisch lange ungefressen bleibt. Als die von dem Patriarchen Abram dargebrachten Opfer auf den Altar gelegt waren, erspähten sie daher dieselben ohne Zweifel von weitem und eilten zu ihrer Beute. Den Geiern war es gleich, ob es Opfer, die für Gott geschlachtet, oder Tiere, die auf der Ebene tot niedergefallen, waren, denn ihrem Instinkte treu erspähten sie die toten Körper und flogen hin, wie es im Buche Hiob von dem Adler heißt: „Wo ein Aas ist, da ist er.“ Schwärme von Weihen, Geiern und Aaskrähen erschienen in der Luft und wären auf die Opfer niedergeschossen, würden sie verunreinigt oder stückweise davongetragen haben, wenn der Patriarch, der die Opfer dargebracht, nicht am Altar Wache gehalten hätte. Dies tat er ernstlich und kräftig, so dass wir im Texte lesen: „Wenn die Vögel auf das Aas hernieder kamen, trieb Abram sie hinweg.“ Wenn wir Gott begegnen, so müssen wir ernst und entschlossen in seiner Verehrung sein; und wenn sich Schwierigkeiten erheben, so müssen wir sie mit aller Kraft bekämpfen und uns vornehmen, Gott ein Opfer darzubringen, das nicht durch störende Einflüsse in Stücke zerrissen ist.
Beachtet, dass Abram, nachdem er getan, was Gott geboten, die Opfer gebracht und an ihren Ort gelegt hatte, nicht eilig heimging und sagte: Die Sonne geht gleich unter, Sara wird mich im Zelt erwarten. Nein, er blieb bei dem Opfer. Er nahm sich gern die Zeit dazu und fühlte auch keine Müdigkeit; er liebte den Gottesdienst und weilte deshalb am Altare, bis die Sonne unterging. Nichts sollte bei der Andacht eilig getan werden; nirgends ist die Hast weniger am Platze als beim Gottesdienste. Die Gewohnheit, ruhig vor Gott zu kommen, niemals eiligst wieder fortzugehen, die Willigkeit, Zeit und Gedanken dem Dienste Gottes zu widmen, ist nicht so allgemein, wie man wünschen könnte. Aber wenn ein Mann tiefe Frömmigkeit besitzt und Gottes Geist mit ihm gesprochen hat, so ist er nicht damit zufrieden, bloß die bestimmte Zeit dem Gottesdienst oder der einsamen Andacht zu widmen, er trennt sich ungern davon. Er möchte der erste im Hause des Herrn sein und der letzte beim Hinausgehen. Er kann bleiben, solange es dem Herrn gefällt und wird nicht ungeduldig, selbst wenn Stunde auf Stunde der Verkehr mit dem Herrn nicht aufhört. Je länger, je besser, wenn Gott uns nahe ist. Und wenn der Segen sehr ferne scheint und nicht sogleich kommt, so wartet der Andächtige, bis er kommt, denn er will nicht ohne den Segen des Herrn weggehen.
Wenn wir dem Herrn dienen, darf unsere heilige Sorgfalt nicht nachlassen, bis der Dienst gebührend zu Ende gebracht ist. Abram hatte die Opfer auf den Altar gelegt, aber bis jetzt hatte noch kein Feuer vom Himmel sie verzehrt und deshalb blieb er da, um zuzusehen, dass alles bis zum Ende gut ginge. Der Diener des Herrn verlässt seinen Platz nicht, bis er die Sache ganz zu Ende gebracht. Aus Furcht, dass alles noch verdorben werden könnte, hält er Wache. Wenn also die Geier und Aaskrähen herunterkommen, ist der wartende Patriarch da, sie zu verscheuchen. Wäre er eilig hinweggegangen, um seine gewöhnlichen Pflichten zu erfüllen, so wäre das Opfer gestohlen oder verunreinigt worden. Aber er wartet und tut wohl zu warten. Meine Seele, sieh du nur auf den Herrn, wie die Augen der Magd auf die Hände ihrer Frauen! Wache und bete, und wache immerzu. „Wohl allen, die seiner harren.“ Die, welche sich Zeit bei Gott lassen können, nicht rasch über das hinwegeilen, was sie zu tun haben und fühlen, dass ihre Zeit Gottes Zeit ist, die sind die wahren Söhne Abrahams. Wenn ein weltliches Geschäft sie hinwegdrängen will, so gestatten sie das nicht; sie vernachlässigen lieber die Höflichkeit gegen Menschen, als dass sie ihren Herrn berauben und sich selbst berauben durch eiligen Gottesdienst. Bis ihre Unterhaltung mit Gott vorüber ist, stehen sie keinem Menschen zur Verfügung. Sie können ihr Beisammensein mit Gott nicht unterbrechen, sondern müssen warten und harren, bis seine Zeit vorüber ist. Aus Furcht, dass irgendetwas Unvorhergesehenes sich ereignen und ihren Dienst schädigen möchte, warten sie, bis die Sonne untergeht, und sogar wenn der Schlaf sie überfällt, sind sie da, wo der Herr in den Nachtwachen zu ihnen kommen wird, falls er sie so begnadigen will. Es ist weise, mit unserer Andacht niemals aufzuhören, bis Gott selber uns durch einen Gnadenspruch entlassen, einen vollen Segen gegeben und so seine Diener geheißen hat, in Frieden zu gehen.
Ich denke, dieses Bleiben Abrams zur Beschützung des Opfers gegen die Raubvögel können wir uns in dreierlei Weise zur Lehre nehmen. Erstens, lasst uns eifrig das große Opfer Christi hüten. Wenn die faulen Vögel, die besonders gerade jetzt so zahlreich sind, auf das Opfer herniederkommen, lasst uns sie hinwegtreiben. Zweitens, lasst uns jenes geringere Opfer hüten, das dankbare Opfer unserer selbst. Wenn die Vögel der Versuchung darauf herabkommen, lasst uns sie hinwegtreiben. Drittens, lasst uns sorgsam jene einzelnen Opfer der Andacht hüten, die aus unserem Gott geweihten Leben entspringen. Wenn irgendetwas herniederkommt, uns im Gebet oder Lob Gottes zu stören, lasst uns beschließen, dass wir es hinwegtreiben wollen. O, möchte der Geist aller Gnade diese Rede an uns segnen, dass wir dadurch zu heiliger Wachsamkeit angeregt werden!
I.
Zuerst das große Opfer unseres Herrn Jesu Christi. Dies ist für die Feinde Gottes stets der große Gegenstand des Angriffs gewesen und wird es immer sein. Man hätte meinen können, wenn man die menschliche Natur nicht kennte, dass die Lehre von dem stellvertretenden Opfer, von Christo, der an unserer Statt stirbt, jedenfalls allen menschlichen Herzen Liebe und Vertrauen einflößen würde. Es ist ein so wunderbarer Heilsrat, dieser Plan, durch den die Gerechtigkeit aufrecht gehalten und die Gnade verherrlicht wird, dass man instinktmäßig erwartet, alle Menschen würden ihn ehrfurchtsvoll annehmen. Es möchte eine zu schwere Anklage gegen unser abgefallenes Geschlecht scheinen, dass es sich damit beschäftigt, dies göttliche Auskunftsmittel zu bekritteln und so an dem eigenen Heil zu mäkeln, und zu versuchen, der freundlichsten Hoffnung, die Gott selber ihm darbieten konnte, zu widersprechen. Aber es ist so gewesen. Das Wort vom Kreuze ist eine Torheit denen, die verloren werden. Es ist immer noch den Juden ein Ärgernis und den Griechen eine Torheit, obwohl es in Wahrheit die Kraft Gottes und die Weisheit Gottes ist. Es ist nach dem Wort des Herrn geschehen: „Siehe da, ich lege in Zion einen Stein des Anstoßes und einen Fels der Ärgernis.“ Deshalb, liebe Freunde, ihr alle, die ihr durch den Glauben euch dem Opfer unseres Herrn Jesu naht und eure Hoffnung auf den Himmel darauf gründet, wacht, damit die Geier nicht auf das Opfer herniederkommen, und seid bereit, sie zu verscheuchen.
Beachtet wohl, dass das Opfer, welches Abram bewachte, von Gott verordnet war. Jehovah selbst hatte ihm gesagt, was für Tiere er schlachten, wie er sie teilen und wie er die Stücke auf den Altar legen solle. Er tat nichts nach eigener Erfindung, es war keine selbsterwählte Gottesverehrung; er tat alles, wie es ihm vorgeschrieben war. Weil dies Opfer von Gott bestimmt war, konnte er nicht ertragen, dass Geier und Krähen daran picken und es nach ihrem Gefallen zerreißen sollten. Es ist ebenso mit dem Opfer unseres Herrn Jesu Christi; mir kocht das Blut, dass so viele wagen, das anzugreifen, was der Herr, Jehovah, verordnet hat. Es war Gott, der den Plan entwarf; es war Gott, der den Sohn, der in seinem Schoße war, in den Tod dahingab; es ist Gott selber, der diesen Heilsrat uns ans Herz gelegt hat und uns unser Vertrauen auf sein großes Opfer sehen lässt. O, es bringt die Tränen in unser Auge und das Blut in unsere Wangen, dass manche das kostbare Blut mit Füßen treten und von dem stellvertretenden Leiden Christi übel reden! Wer immer die Männer sein mögen, ja, ob sie Engel vom Himmel wären, wir könnten keine Geduld mit ihnen haben. Wir können nicht umhin, diejenigen für schlimmer als Aaskrähen anzusehen, die diese erhabenste, obwohl einfachste, aller Lehren antasten, dass Jesus Christus unsere Sünden an seinem eigenen Leibe am Holze getragen hat. Sie wagen zu behaupten, es sei unsittlich, anzunehmen, dass unsere Sünde auf Christum übertragen werden könne oder seine Gerechtigkeit auf uns. So die höchste Gnadentat der Unsittlichkeit anklagen, heißt das Opfer Gottes entheiligen und das Blut Jesu unrein achten. Es ziemt uns nicht, freundlich von denen zu sprechen, die niedrig gegen Christum handeln. Wenn sie Feinde Christi, unseres Opfers, sind, so können sie nicht unsere Freunde sein. Wir schütteln den Staub von unseren Füßen ab auf die, welche die Lehre von einem gekreuzigten, an des Sünders Statt getöteten Heiland verwerfen. Wir wünschen diejenigen wegzutreiben, die an unseres Herrn stellvertretendem Opfer picken, weil dieses Opfer von Gott verordnet ist.
Wir sehen einen weiteren Grund zur Bewachung des Opfers darin, dass es von sehr ernster Wichtigkeit ist. Das war dies Opfer für Abram. Es bedeutete, wie ihr wisst, einen Bund. Das Opfer, wie Abram es nach Gottes Bestimmung dargebracht hatte, war das Zeichen, dass er in ein Bundesverhältnis zu Gott getreten war. Nach meinem Gefühl ist es eine der köstlichsten, obwohl sehr vernachlässigten Wahrheiten der Schrift, dass Gottes Volk in einem Bunde mit Gott ist, durch einen Gnadenbund. Ein alter schottischer Theologe pflegte zu sagen, wer den zwiefachen Bund verstehe, der verstehe die ganze Wissenschaft der Theologie, und ich glaube, es ist so. Der wahre Kern der ganzen Sache liegt in jenem gebrochenen Bund der Werke1), durch den wir ins Verderben gestürzt wurden, und in jenem ewigen Gnadenbund, „in dem alles wohl geordnet und gehalten wird“, und durch den wir errettet werden. Das Blut unseres Herrn Jesu Christi ist das „Blut des ewigen Bundes“, so wie er am Abendmahlstische zu uns spricht: „Dieser Kelch ist der neue Bund in meinem Blut.“ Wenn ihr sein Opfer hinwegnehmt, so nehmt ihr natürlich den Bund hinweg. Die, welche das stellvertretende Opfer leugnen, haben keinen Glauben an den Bund; in der Tat, sie reden nie von einem solchen, sondern rechnen den Ausdruck unter die veralteten, von ihren Vorvätern gebrauchten; sie selber haben ihn ganz abgeschafft. Aus ihrer Lehre ist der Bund geschwunden, und wenn der geschwunden ist, meine Brüder, was ist dann noch übrig? Wenn der Bund vergessen ist, was bleibt uns dann als Stütze, wenn wir wie David zu unserem Sterbebett kommen? Wehe uns, wenn wir alsdann nicht ausrufen können: „Ob mein Haus gleich nicht so mit Gott ist, dennoch hat er mit mir einen ewigen Bund gemacht, wohl geordnet in allen Dingen und gewiss.“ (2. Sam. 23, 5. n. d. engl. Übs.) Wir können die Geier dieses Opfer nicht zerreißen lassen, denn es ist für uns das Zeichen des Bundes; und wenn es keinen Gnadenbund gibt, so ist unsere Predigt eitel und euer Glaube ist auch eitel, und wir sind noch unter dem Fluch des gebrochenen Gesetzes. Wenn ihr noch außerhalb des Bundes mit Gott seid, was für Hoffnung, was für Sicherheit, was für Frieden, was für Freude gibt es dann für euch? Hinweg, ihr Geier, die ihr in böser Absicht über dem Opfer schwebt! Ihr mögt vorgeben, so harmlos wie Tauben zu sein, aber wir können euch nicht gestatten, den Bund zu entweihen und an dem Opfer zu picken.
Und weiter müssen wir dies Opfer bewachen, weil Gott da am völligsten seine Gnade entfaltet. Die Stätte, wo Abram Gott das Opfer darbrachte, war es, wohin Gott kam und sich dem Patriarchen offenbarte, wie er es vorher nicht getan. „Als nun die Sonne untergegangen und finster worden war, siehe, da rauchte ein Ofen und eine Feuerflamme fuhr zwischen den Stücken hin. An dem Tage machte der Herr einen Bund mit Abram.“ Die Stätte des Opfers ist die Stätte der Offenbarung. Wo das Blut vergossen wird, da tut die Gnade sich kund. Wenn sie Gott in der Wüste sehen wollten, so mussten sie zu der Stätte gehen, wo die Opfer dargebracht wurden, denn die war es, wo Gott mit seinem Volke zusammenkam. Der Gnadenstuhl, wo Gott seine Gnade den Menschen bezeugte, war mit Blut besprengt. Es muss immer so sein. Gott kann mit sündigen Menschen nicht zusammenkommen, außer in dem, welcher der eine Mittler zwischen Gott und Menschen ist, dessen Opfer uns mit ihm versöhnt hat. „Ohne Blutvergießen geschieht keine Vergebung“, und ohne Vergebung ist keine Gemeinschaft. Deshalb, wenn wir die Gnade Gottes lieben, so müssen wir für das Opfer Christi streiten, und dürfen nicht dulden, dass man in Unwissenheit darüber bleibt, noch weniger, dass es herabgesetzt wird. Wahre Religion ist geschwunden, wenn das stellvertretende Werk Christi angezweifelt wird.
Im Vordergrund aller Predigt muss das Kreuz stehen. „In diesem Zeichen siegen wir“, wie Konstantin in seinem Traume sah. Man kann die Menschenherzen nicht anders überwinden, als durch die Erzählung von dem Tode Jesu für die Sünden der Menschen. Raubt uns das Opfer, und siehe, ein Heer, das sowohl seine Banner als seine Kriegswaffen verloren hat! Dem Schuldigen sind die Pforten der Hoffnung verschlossen, wenn die Versöhnung geleugnet wird. Die Fenster, durch welche das Licht zu dem Bußfertigen hineindringen sollte, sind gegen jeden Hoffnungsstrahl vermauert, sobald ihr den Opfertod Jesu Christi, unseres Herrn, hinwegnehmt. Deshalb wollen wir die Raubvögel verscheuchen, so lange wir eine Hand bewegen können. So wahr wir die Seelen der Menschen lieben, wollen wir unsern letzten Odem verzehren in der Verteidigung der Stellvertretung unseres Herrn. Können wir's ertragen, zu sehen, dass dem Menschen die letzte Zuflucht genommen wird? Gott behüte! Hinweg, ihr bösen Vögel! Die alten Heroen jagten die Harpyien von ihren Mahlzeiten fort, weit mehr noch möchten wir euch von dem Altar unseres Gottes verscheuchen.
Wir wollen dies umso mehr tun, weil, wie ich euch schon früher gesagt, dies der Hauptpunkt des Angriffes ist. Gegen jedwede Lehre der Offenbarung ist gekämpft worden, aber der Schlachtbefehl, den der schwarze Fürst zu dieser Zeit ergehen lässt, lautet: „Ihr sollt nicht streiten wider Kleine noch Große, sondern wider den gekreuzigten König Israels allein.“ Wenn sie das Bollwerk der Stellvertretung erstürmen können, wenn sie die große Wahrheit der Versöhnung niederreißen können, dann wird alles Übrige von selber fallen. Das Kreuz hinweggenommen, in der Tat, dann bleibt nichts, was des Verteidigens wert ist. Wenn die Arche des Herrn genommen ist, was bleibt Israel übrig? Schreibt Ikabod, denn die Herrlichkeit ist dahin“. Darum lasst uns unsere Kraft zusammennehmen und energisch die Geier von dem Altar Gottes verscheuchen.
,Wie sollen wir es tun?“ fragt jemand. Nun, wir alle können in diesem Kampfe helfen. Zuerst, durch unsern eigenen standhaften, unbeweglichen Glauben an Jesum Christum, unsern gekreuzigten Heiland. O, ruhet in ihm, meine Geliebten! Ruhet in seinem großen Opfer mehr und mehr jeden Tag, ruhet immer verständnisvoller, fröhlicher, unbedingter in jenem, seinem vollbrachten Werke, das er für sein ganzes Volk getan hat. Auf Jesum sehen, zu Jesu kommen, in Jesu ruhen, Jesu folgen: das lasst eine vollständige Beschreibung eures Lebens sein. Jeden Tag lasst euer Herz mehr vereinigt werden mit dem himmlischen Bräutigam; liebt ihn am meisten, wenn ihr ihn in seinen Wunden und seinem blutigen Schweiße seht. Ist dies nicht sein schönster Schmuck? Ich bin gewiss, euer Herz ist nie so bewegt von heiligem Gefühl, als wenn ihr auf Golgatha weilt und den Bürgen des Bundes für euch sterben seht. Denkt mehr und mehr an ihn, der euch bis zum Tode geliebt und euch dadurch von dem Tode erlöst hat, den eure eigenen Sünden verdienten. Singt nach ernster, lieblicher Melodie:
„Was deine Liebe duldet, Ist alles meine Last,
Ich habe es verschuldet, Was du getragen hast.“
Lasst eure Zuversicht stark sein und dann gebt sehr häufig eine offene Erklärung eures Glaubens an das Versöhnungsopfer ab. Ich sage „sehr häufig“, denn ich meine, wir sollten in jetziger Zeit beständig die Opfergabe unseres Bekenntnisses Christi darbringen. Je häufiger wir die Wahrheit von der Versöhnung uns vor Augen stellen, desto besser, wenn so viele sie verdecken, daran mäkeln oder ihr widersprechen. Viele unserer nonkonformistischen Kirchen sind gewohnt, einmal im Monat2) eine Kommunion zu haben und halten dies für ganz hinreichend; es mag so sein, aber unsere Freude ist es, an jedem ersten Tag der Woche die Zeichen von dem Opfer des Erlösers den Menschen vor die Augen zu bringen. Die Zeichen sind nicht Gegenstände abergläubischer Verehrung für uns, aber dennoch sind sie uns sehr teuer als Erinnerung an seinen für uns gebrochenen Leib und sein für unsere Erlösung vergossenes Blut. So lange diese Anordnung beobachtet wird, ist ein sehr lehrreiches und eindringliches Andenken an den Tod Christi da.
Aber ob ihr die Sinnbilder gebraucht oder nicht, verkündet die Wahrheit selber. Lasst eure Unterhaltung voll von Christo dem Gekreuzigten sein, und wenn irgendwo ein Zweifel an dieser Sache ist, so stehet fest und lasst alle wissen, dass ihr das Lamm Gottes gesehen habt, welches der Welt Sünde trägt. Über diesen Punkt kann es keine Verschiedenheit unter wahrhaft Wiedergeborenen geben. Dies ist einer von denen, welche die Spreu vom Weizen scheiden. Dieser große Magnet wird nichts an sich ziehen, als das ihm verwandte Metall. Hütet euch vor jedem Schwanken über diese Wahrheit. Wenn die Vögel auf das Opfer fallen, so nehmet euren kindlichen Glauben an Christum und eure klare Darlegung der Wahrheit zu Hilfe, sie hinweg zu treiben. Die, welche diese Lehre nicht lieben, werden nicht lange eure Gesellschaft begehren. Einige von uns fühlen es als eine Pflicht, diese unvergängliche Wahrheit so kühn zu verteidigen, als wir nur können, und wenn wir noch deutlichere Worte kennen, wollten wir sie beständig gebrauchen.
Es sei aber ferne von mir, rühmen, denn allein von dem Kreuz unseres Herrn Jesu Christi, durch welchen mir die Welt gekreuzigt ist, und ich der Welt.“ Stehet fest, jeder Mann an seinem Platz, in der Verteidigung dieser Wahrheit, die den Mittelpunkt unseres teuren Glaubens bildet, und seid bereit, für dieselbe alles von dem Gegner zu erdulden. Abram war ein alter Mann; und ein Geier, oder gar ein Dutzend nach ihrer Beute gierige Geier sind nicht leicht zu verscheuchen; es sind sehr hässliche Gesellen, sie zeigen keine Achtung vor dem Opfer und sicherlich nicht vor denen, die sie hindern wollen, das Opfer zu schänden. Zornig und entschlossen und frei von jedem Gefühl der Ehrfurcht gibt es kein schöneres Spiel für sie, als das große Opfer Gottes in Stücke zu reißen. Wenn wir ihnen in den Weg kommen, so würden sie uns gern die Augen aushacken, und sie zerreißen uns Gesicht und Hände. Lasst sie herbeikommen, wir sind auf ihre schlimmsten Angriffe gefasst. Seid willig, alles für die Lehre von einem gekreuzigten Heiland zu dulden, der für uns zur Sünde gemacht ist, obwohl er von keiner Sünde wusste, auf dass wir würden in ihm die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt, der für uns ein Fluch geworden ist, denn es stehet geschrieben: „Verflucht ist jedermann, der am Holz hänget.“ Der Tag wird kommen, wo sich der für sehr gesegnet halten wird, der für Christum starb, und die Rubinenkrone derjenigen gewann, die ihr Blut um seinetwillen vergossen. Lasst uns ihnen nacheifern, indem wir willig sind, Ruf und Freundschaft und Stellung und alles andere aufzuopfern, um in zweifellos klarer Weise diese glorreiche Wahrheit, den Artikel, mit dem eine Kirche steht oder fällt, zu verkünden. In dem Maße, wie die Kirchen diese Wahrheit annehmen, stehen sie; wie sie dieselbe verwerfen, sind sie außerhalb des Bereiches wahrer Glaubensgenossenschaft. „Und das Gevögel fiel auf das Aas, aber Abram scheuchte sie davon.“ Diesem Werke wollen wir uns widmen, bis die Sonne untergeht und wir entschlafen, um das Angesicht Gottes zu schauen.
II.
Aber jetzt trete ich vielleicht einigen von euch, lieben Freunden, näher, wenn ich dieses Beispiel Abrams auf uns anwende in Bezug auf das dankbare Opfer unseres Lebens. Es ist unser „vernünftiger Gottesdienst“, dass wir uns als ein lebendiges, heiliges und Gott durch Jesum Christum wohlgefälliges Opfer darbringen, und wir müssen diese unsere Hingabe bewahren vor den Versuchungen, die sie überfallen werden.
Ich spreche heute Abend zu vielen, die sich bewusst sind, in einen Bund mit Gott durch Jesum Christum getreten zu sein. Ihr seid fortan und auf ewig in den Bund Jehovahs aufgenommen und infolge davon, durch das Opfer Christi, seid ihr des Herrn geworden. Erinnert euch an den Text letzten Sonntagabend, der mit den Worten schloss: „Und du wurdest mein“. Es war für mein Ohr ein süßer Klang in dem: „Du wurdest mein“. Ihr seid nicht euer selbst, ihr seid erkauft mit einem Preis.“ Ihr kennt das Hohnlächeln über die merkantilische Versöhnung, aber o, ich liebe das Wort „erkauft“, und um es noch kaufmännischer zu machen, hat der Heilige Geist es noch deutlicher ausgedrückt: „erkauft mit einem Preis“. Wir nehmen all diese Vorwürfe über die kaufmännische Theorie in unsern Busen und verbergen sie da als größere Reichtümer denn die Schätze der Philosophie. Wir schämen uns nicht der Worte, die Gott selber braucht. Und von nun an geliebt, bekennen wir, dass wir ganz Christo angehören vom Scheitel unseres Hauptes bis zur Sohle unseres Fußes; Leib, Seele und Geist, Zeit, Talent, Denken, Vermögen, alles was wir sind und alles was wir haben. „Wir sind mit einem Preis erkauft“ und hinfort erheben wir keinen Anspruch für uns selbst, denn wir gehören ganz und gar dem Herrn an, der uns erkaufte. Jetzt, jetzt werden die Geier kommen! Die Aaskrähen und Geier werden von weitem dies Opfer sehen und zu ihrer Beute eilen. Ihr seht sie heute Abend vielleicht nicht. Nein. Auch der Reisende sieht diese bösen Vögel nicht, bis plötzlich der Himmel von ihnen verdunkelt scheint. Die entsetzlichen, abscheulichen Geschöpfe kommen schnell wie der Blitz und sind hungrig wie der Tod, wenn sie anlangen. Ihr, die ihr Gott geweiht seid, könnt erwarten, dass, ob ihr sie auch nicht seht, doch Geier auf das Opfer niederblicken, und ihr müsst darauf vorbereitet sein, sie hinweg zu treiben.
„Was für Geier werden das sein?“ fragt einer. Nun, es werden Zweifel an den ewigen Dingen aufsteigen. Es werden Fragen entstehen, ob es weise gewesen, euch Gott hinzugeben. Ich hoffe, euch sind solche Raubvögel fremd geblieben, aber einigen von uns sind sie es nicht: Zweifel, ob es einen Gott gebe, dem man dienen könne; Zweifel, ob es einen Himmel, eine ewige Zukunft, einen seligen Lohn gebe; Zweifel, ob es gut sei, diese Welt für die nächste daranzugeben oder nicht. Treibt sie hinweg, Brüder! Treibt sie hinweg! Wenn die Vögel auf das Opfer fallen, treibt sie hinweg, wie er es tat, dem alle Schätze Ägyptens angeboten wurden, und der sich doch an den hielt, „den er nicht sah, als sähe er ihn“. Dies ist es, was ihr und ich tun müssen; fühlen, dass es unser gesunder Menschenverstand ist, geheiligter, gesunder Menschenverstand, nach dem zu trachten, was ewig dauern wird, und diese zeitlichen Dinge gehen zu lassen, falls es nötig ist, dass sie gehen, damit wir die unverwelkliche Krone gewinnen.
Vielleicht werden euch Jüngeren liebliche Träume des Ehrgeizes kommen. Jetzt bist du es zufrieden, ein Christ zu sein; befriedigt, wenn du mit armen Leuten im heiligen Dienst dich vereinen kannst; ganz froh über eine Gelegenheit, in einer Lumpenschule zu lehren. Ah! es mag ein Augenblick kommen, wo Satan dir die Reiche dieser Welt zeigen wird und sprechen: „Dies alles will ich dir geben, so du niederfällst und mich anbetest“; und du magst das Gefühl haben, als wenn der Dienst Christi doch im Grunde nicht sehr respektabel wäre, als wenn du es besser in der Welt haben würdest, feinere Gefährten dort finden und in auserlesenere Gesellschaft aufgenommen werden könntest. Aber treibt, treibt diese Aaskrähen hinweg, meine Brüder und Schwestern, es kann nichts in der Welt mit dem Dienste Gottes verglichen werden; nichts ist eurer edelsten Natur so würdig, als wahrhaft die Jünger des Herrn Jesu Christi zu sein. Wenn diese Vögel auf das Opfer herniederkommen, so verscheucht sie.
Eine andere elende Art Krähen fällt indes die Menschen noch häufiger an: sie kommt in der Gestalt der Sorgen des Lebens - der Sorge ums Brot, der Mühe der Arbeit. Mancher Mann hat gesagt: „Nun wohl, ich habe viele Kinder, arbeite schwer und bin arm; gewiss, ich kann nicht zuerst nach dem Reich Gottes und seiner Gerechtigkeit trachten“; und sofort beginnt er die Versammlungen des Volkes Gottes zu vernachlässigen und meint, dass er einen Teil des Sabbats mit Arbeiten zubringen müsse, und Zeit, die er dem Gebete zu widmen pflegte, verwendet er jetzt an geringere Dinge. Aber ach! wenn ein Mensch je mehr an Christo hängen sollte, zu irgendeiner Zeit, mehr als zu einer andern, so ist es dann, wenn er arm ist. Ihr, die ihr mit Sorgen beladen seid, ihr seid die Leute, die Christum am meisten nötig haben. Wenn ein Mann in einem Palaste wohnte und keinen Christus hätte, zu dem er gehen könnte, so würde ich ihn ein elendes Wesen nennen; aber wenn ihr ohne die Annehmlichkeiten dieses Lebens euch mühen und plagen müsst, so ist umso mehr Grund dafür da, dass ihr euch des ewigen Ersatzes freuen solltet, der euch helfen kann, in euren Kämpfen euch aufrecht zu halten. O, lasst nicht, ich bitte euch, die Sorgen dieses Lebens euch von Christo abbringen! Lebt für ihn, ihr könnt nicht ohne ihn leben, versucht es nicht! Je größer eure Schwierigkeiten, desto mehr Gnade bedürft ihr. Hängt euch umso fester an euren Herrn, wenn Leiden kommen. Wenn die Vögel auf das Opfer niederfallen diese nagenden Sorgen, die Ermattung und die Leiden des Lebens treibt sie hinweg.
Vielleicht spreche ich zu Männern und Frauen, die sich Gott geweiht haben, und die anderen grauenvoll schmutzigen Vögeln begegnet sind. Natürlich saht ihr nie Geier in ihrem Naturzustande; wenn ihr sie einmal gesehen, so würdet ihr nie wünschen, sie wieder zu sehen, es sind so ekelhafte Geschöpfe. Aber es kommen zuweilen Versuchungen zur Sünde an gottesfürchtige Menschen heran. Die Reinsten sind zur Unreinheit versucht worden, die Frömmsten zur Lästerung; Menschen voll Lauterkeit sind zur Unredlichkeit versucht worden, und die Wahrheitsliebendsten zur Falschheit. Wir können nicht sagen, wozu wir versucht werden mögen. Aber hier ist das Einzige, was wir mit diesen Geiern zu tun haben: lasst uns sie hinwegtreiben. Ihr könnt es den Vögeln nicht wehren, über eurem Kopfe in der Luft zu fliegen, aber lasst sie nicht herabkommen und ein Nest in eurem Haar bauen. Versuchungen werden kommen, aber beherbergt sie nicht. Treibt sie hinweg! Hebt den Knotenstock gegen die Geier auf, lasst diese scheußlichen Geschöpfe fühlen, dass ihr ihnen nicht gestatten wollt und könnt, irgendwo in eurer Nähe sich niederzulassen. Abram trieb sie weg, er wollte keine Unterhandlung mit ihnen. Er warf seinen Stock nach ihnen, schrie sie an, hieb nach ihnen und scheuchte sie fort. Gott helfe uns, das Gleiche mit jeder faulen Versuchung zu tun!
Auch gibt es eine hässliche, schläfrige Art Geier, Trägheit genannt; einer von den Geiern, die stundenlang sitzen und schlafen und ich glaube, ich habe sie hier irgendwo gesehen. Dieser Geier kommt zu einigen guten Leuten, die sagen, dass sie Christo angehören, aber diese Frage müssen wir ihrem eigenen Gewissen überlassen. Es ist ein Schlafgeier, sie sagen, „sie dächten, sie hätten lange genug gearbeitet.“ Sie pflegten in der Sonntagsschule zu lehren, als sie jünger waren, aber jetzt sind sie solcher beständigen, schweren Arbeit müde. Sie pflegten sehr eifrig in den Vorderreihen zu kämpfen, aber jetzt scheint ihre Stellung die zu sein, in einem Lehnstuhl zu sitzen, der Schlacht zuzuschauen und zu sehen, wie andere Leute fechten. Ich bin nicht sonderlich aufgemuntert worden durch eine große Anzahl Brüder, die kürzlich ungemein mit mir sympathisiert haben und mir geholfen, des Herrn Kriege zu führen, indem sie tapfer zuschauten3). Sie erinnern mich an Mr. Goughs Geschichte von Betty und dem Bären. Sie schlug den Bären mit dem Besen, so stark sie nur vermochte, und ihr tapferer Eheherr, der die Leiter. auf den Boden hinaufgeklettert war, half ihr großartig, indem er sie hieß den Bären immer stärker zu schlagen, während er zusah. Ich hoffe, ich werde noch bessere Hilfe erhalten, als diese. Lasst uns alle aufstehen und etwas tun und unsern vollen Anteil an dem Kriege nehmen. Ich ermahne euch, wenn der Geier der Gleichgültigkeit euch in den Weg kommt, so jagt ihn fort. Ein hässliches, schmutziges Geschöpf ist es im Grunde doch, wenn es einen Mann Gottes, der in hohem Grade zu christlichem Dienst befähigt ist, veranlasst, still zu sitzen, die Arme zu falten und zu sprechen: „gibt nichts mehr für mich zu tun“.
Ein Geier, der auch verscheucht werden muss, ist der, sich selbst nach anderen Leuten zu messen. Manche meinen, sie täten alles, was man von ihnen erwarten könne, wenn sie andere Leute nachahmen. Bei einer Sammlung für wohltätige Zwecke steht ihre Gabe unter der Gabe irgendeines anderen. Wenn sie das Zehnfache gäben, würde es für sie nicht zu viel sein; aber sie sind befriedigt, so lange sie ebenso gut handeln wie andere Leute. Lasst uns davon loskommen.
Wenn wir nur sein wollen, was andere Leute sind, so laufen wir große Gefahr, unnütze Knechte zu sein.
„Dieweil sie sich untereinander messen“, sagt der Apostel, „sind sie nicht weise.“ (2 Kor. 10, 12.) Ich will weder am Tage des Gerichts, noch am heutigen an der Stelle eines anderen stehen; denn, obwohl ich häufig fühle, als wenn ich der Seligkeit anderer gewisser wäre als meiner eigenen, so würde ich doch niemals wagen, die Gefahr zu laufen, mit einem andern zu tauschen, denn ich weiß etwas von mir selber, aber ich weiß nichts von dem Herzen eines andern Menschen. Möge niemand einen anderen zu seinem Maßstabe und seiner Richtschnur nehmen. Ich bitte euch, tut dies nicht, denn sonst wird es ein Geier sein, der euer Opfer verunreinigt. Der, welcher am völligsten für Gott leben kann, wird der Glücklichste, selbst in diesem Leben, sein. Ein Mann, dessen Herzenswunsch, nur ist, darzulegen und dargelegt zu werden für Christum, wird finden, dass er Frieden im Herzen gewinnt; und dies ist der Vorschmack des Himmels. Ich meine nicht, dass wir suchen sollten, diese armselige und elende Welt zu gewinnen, die Gott absichtlich unter unsere Füße getan hat, sondern ich meine, dass die „Sanftmütigen das Erdreich besitzen werden“ in dem höchsten und wahrsten Sinne. Der wird am meisten wahre Glückseligkeit haben, der willig ist, die Glückseligkeit zu verlieren und alles zu verlieren, so dass er Christum gewinne und in ihm erfunden werde, dass er nicht habe seine eigene Gerechtigkeit, die aus dem Gesetz, sondern die, die von Gott dem Glauben zugerechnet wird. Deshalb, wenn die raubgierigen Vögel des Bösen auf das Opfer eures Lebens hernieder kommen, so treibt sie hinweg.
III.
Und nun muss ich mit ein paar Worten über diesen Punkt schließen: Hütet alle Opfer eurer Andacht. Wenn die Vögel auf eure Opfer des Betens, Lobens und Nachdenkens fallen, so scheucht sie davon. Habt ihr bemerkt, dass, wenn auch den ganzen Tag keiner an eure Türe geklopft hat, jemand es tun wird, sobald ihr euch zum Gebet zurückzieht? Es ist weise zu tun, wie der Heiland sagt: „Gehe in dein Kämmerlein, und wenn du die Türe geschlossen hast, so bete zu deinem Vater im Verborgenen.“ Dies Schließen der Türe bedeutet, dass wir Verborgenheit suchen. und Unterbrechung verhindern sollen. Ein kleiner Knabe, der gewohnt war, täglich eine Zeitlang im Gebet zuzubringen, ging auf den Heuboden, und wenn er hinaufgeklettert war, zog er die Leiter hinter sich hinauf. Jemand fragte ihn, warum er dies täte, und er antwortete: „Weil keine Tür da ist, zieh' ich die Leiter hinter mir hinauf.“ O, könnten wir immer die Verbindung abschneiden zwischen unserer Seele und den störenden Dingen, die unten lauern. Es wird eine Geschichte erzählt von mir und einem anderen, ich habe nie gewusst, wer es gewesen, der mich an einem Samstagabend zu sehen wünschte, als ich mich zurückgezogen, um mich für den Sabbat vorzubereiten. Er tat sehr groß und wichtig, deshalb kam die Magd, mir zu sagen, dass jemand mich zu sprechen wünsche. Ich ließ ihm antworten, es sei meine Regel, niemand um diese Zeit zu sehen. Darauf tat er noch wichtiger und dringender und sagte: „Sagen Sie Mr. Spurgeon, dass ein Diener des Herrn Jesu Christi ihn augenblicklich zu sehen wünsche.“ Die erschreckte Magd überbrachte die Botschaft; aber der sie zu mir gesandt, gewann wenig dadurch, denn meine Antwort war: „Sagen Sie ihm, ich sei mit seinem Herrn beschäftigt und könne jetzt keine Diener sehen.“ Zuweilen müsst ihr starke Maßregeln gebrauchen. Befahl nicht unser Herr seinen Boten bei einer Gelegenheit, niemanden auf dem Wege zu grüßen? Die Höflichkeit muss der Andacht weichen. Es liegt dir ob, allein mit deinem Herrn zu sein, und wenn Überlästige sich mit Gewalt dazwischen drängen wollen, so müssen sie fortgeschickt werden.
Ach! wenn ihr auch Menschen fortschickt, so werden doch böse Vögel damit noch nicht abgewiesen. Abschweifende Gedanken und innerliche Unruhe wie können diese verjagt werden? Die Türe muss wohl verwahrt sein, die den Teufel ausschließt. Er kommt durch die kleinste Öffnung hinein, denn er ist eine Schlange und Schlangen kommen durch, wo andere Geschöpfe es nicht können, sie wissen sich zu krümmen. Satan wird sich in uns hineinwinden, auch wenn wir hoffen, über seinen Bereich hinaus zu sein. Treib' ihn hinweg, Bruder! Er wird gehen, wenn du ihm widerstehst. Widerstehet dem Teufel, so fliehet er von euch.“ Er wird dem Feuer nicht Stand halten, wenn ihr entschlossen seid, einen Schutz auf ihn zu tun. Und was die eitlen Gedanken anlangt, die euch plagen und zerstreuen, so beschließt ernstlich, sie fortzuscheuchen. All' eure traurigen Gedanken, verbannt sie vor dem Gnadenstuhl. Und alle Geschäftsgedanken, gebt ihnen keinen Raum. Sprecht, wie Abram zu den Knechten sprach: „Bleibet ihr hier, bis ich dort hingehe und anbete.“ Sprecht zu der Welt: „Bis hierher darfst du kommen, aber nicht weiter ich muss, ich will mein Opfer des Preises und Gebetes vor den Herrn bringen. Sir Thomas Abney war gewohnt, zu einer gewissen Zeit Hausandacht zu halten. Er wurde Lord Mayor von London. Da seine Stunde für Hausandacht in die Zeit des Festmahls fiel, so bat er, ihn auf eine Weile zu entschuldigen, denn er hätte eine notwendige Zusammenkunft mit einem speziellen Freunde. Er ging dann hin und rief seine Familie zusammen, um mit Gott im Gebet zu reden. Tut das Gleiche; selbst wenn ein Festmahl auf euch herabkommen sollte, verlasst den Tisch um des Altares willen und eure Gäste um Gottes willen. Wenn unsere Zeit zum Gebete da ist, so sollten wir es nicht aufgeben, sogar nicht um alle zwölf Apostel zu hören, falls sie in unserer Straße predigten. Wenn die Vögel auf das Opfer niederkommen, so treibt sie hinweg, wie schön sie auch aussehen mögen; treibt die Goldadler hinweg sowohl als die Krähen. Dies erfordert große Wachsamkeit. Werft euch auf die Macht des hl. Geistes. Er allein kann uns helfen, sogar bei unserer Schwachheit, viel mehr noch bei unserer Zerstreutheit. Lasst uns ihn anrufen, dass seine göttliche Überschattung uns sowohl Schild, als großer Lohn sein möge, während wir versuchen, uns Gott in einsamer Andacht zu nahen.
Nun, meine lieben Hörer, ich will euch nicht länger aufhalten, nur noch dies sagen: ich bitte euch, die ihr heute Abend gekommen seid, das Wort zu hören, geht nicht fort ohne einen Segen. Das eine oder andere ist vielleicht vorgefallen, was euch zerstreut hat; treibt es hinweg. Das Opfer Christi ist das, worauf ihr zu blicken habt. Blicket auf den Herrn Jesum, so werdet ihr errettet; und wenn etwas zwischen euch und seinen Versöhnungstod kommt, treibt es hinweg. Kommt heute Abend zu Jesu. Warum solltet ihr nicht? Es ist das letzte Mal für eine Zeitlang, dass der Prediger hier am Donnerstagabend sein wird. Bat er nicht um einen abschließenden und frönenden Segen? Der wird reichlich gespendet werden, wenn ihr heute Abend errettet werdet. Ihr könnt errettet werden, ihr sollt errettet werden, wenn ihr auf Jesum, das große Sündopfer blicket. Gebet euch dem Heiland jetzt hin, auf der Stelle.
Ihr, die ihr an Jesum zum ewigen Leben geglaubt und eben das göttliche Leben angefangen habt, es wird nicht lange dauern, bis ihr von mannigfachen Versuchungen angefochten werdet. Seid vorbereitet auf diese Vögel, deren vornehmster der Fürst ist, der in der Luft herrscht, und bemüht euch sie zu verscheuchen. Ihr meint, weil ihr bekehrt seid, würde es jetzt alles glatt abgehen. Ihr irrt euch; jetzt erst beginnt der Kampf. Seid bereit zum Streite. Ich habe keinen Zweifel, dass Abram, da er ein Fürst war, einen guten Stab trug. Habt einen von dem guten Hirten geborgten Stab bereit, um die Versuchungen hinweg zu treiben, die sicher junge Gläubige anfallen werden.
Und ihr liebe alte Heilige, ihr habt euer Opfer dargebracht, und es ist gegen Abend, und die Sonne geht unter, wundert euch nicht, wenn ein Schrecken großer Finsternis euch überfallen sollte, selbst zuletzt noch; seid indes versichert, dass der Herr kommen und eure Finsternis mit einem Gesicht von seiner Bundesliebe erhellen wird. Treibt diese Zweifel hinweg und diese Todesfurcht. Ihr geht heim, fürchtet euch nicht. Jesus kommt euch entgegen, darum verbannt jede Furcht. Stehet bei dem Opfer den ganzen Tag; stehet bei dem Opfer, wenn die Nacht herankommt, ob Vögel da sind oder nicht. Stehet bei dem Opfer, ob ihr ein Gesicht der Herrlichkeit seht oder nicht. Stehet bei dem Opfer, bis ihr das Lamm auf seinem Throne schauet. Zu einem bin ich entschlossen, ob ich gegenwärtig Freude oder Schmerz, Lob oder Tadel dafür finde, ich will meinem Herrn treu sein und bei dem Opfer stehen, bis ich sterbe, die eine Hand auf diesem Buche und die andere auf den Hörnern des Altars. Ich möchte heute Abend in den Vorhöfen des Hauses Gottes in Gegenwart seines ganzen Volkes ausrufen: „Bindet das Opfer mit Seilen, ja mit Seilen, an den Altar.“ (n. d. engl. Übers. Ps. 118, 27.) Ich will ein Opfer für Jesum sein, weil er ein Opfer für mich ist. Ich achte es für eitel Freude, ihn und sein Kreuz zu predigen, wenn ich nur Seelen gewinnen kann und zuletzt in ihm erfunden werde. Der Herr segne euch und sei mit euch, meine Brüder, um Christi willen.