Kähler, Ludwig August - Sechs Predigten über den seligmachenden Glauben an Jesum den Sohn Gottes - 1. Am Sonntage Quasimodogeniti.
Über den Beruf eines christlichen Pfarrers.
Eingang. Am heiligen Osterfest sprach ich zu euch, m. Chr. Fr., über die Kraft des ewigen Lebens, wie sie den schwachen Menschen erhebt, dass er göttliche Gesinnung fasst, und so auf Erden zu wandeln vermag, als im Himmel, so dass nicht nur er selbst in seinem Tun sich herrlich und selig fühlt, auch andre mit inniger Bewunderung und Freude, was ihnen selbst noch mangelt, in ihm zu erkennen vermögen. Natürlich war die Frage, auf welchem Wege wir denn diese Kraft, oder, welches gleichviel ist, das Bewusstsein und die innere Überzeugung unsres eignen, durch den Tod nicht unterbrochenen, sondern nur erweiterten und vollendeten Lebens und Wirkens, erlangen können. Alle sehnen sich danach, so gewiss alle überhaupt zu leben begehren, aber freilich auf verschiedene Art und Weise. Die einen suchen es zu erträumen, andre zu erdenken, noch andre zu erkaufen, noch andre zu erwerben. Sie alle sind auf unrechtem und gefährlichem Wege; denn je höher das Ziel, um so gefährlicher der Irrtum. Ich warnte euch vor diesen Abwegen; vor leeren Entzückungen, welche endlich unwillkürlich sich in die Sinnbilder unsres irdischen Lebens verlieren, und unser Gemüt schwächen und verunreinigen, statt es zu veredeln; vor tiefsinnigen Betrachtungen, die uns verwirren, und in Zweifel verstricken, welche kein endlicher Verstand aus sich selbst zu lösen vermag; vor willkürlichen Handlungen, Kasteiungen, Gottesdiensten, Wortglauben, Gnadenmitteln, welche Heuchelei und Schwärmerei, bald sich selbst, bald andern auflegen und anpreisen, und die nur geschickt sind, die Seele in den Kampf heimlicher Angst und lügnerischer Hoffnung zu versetzen; endlich selbst vor dem Tugendeifer, der zwar das Rechte wählt, und das unleugbar Gute mit Aufopferung tut, aber über das, was er also tut, gleichsam Buch und Rechnung hält mit Gott, und seinem vermeintlich weniger tugendhaften Mitmenschen, und so der Gnade vor Gott und der Liebe in seinem Tun zugleich ermangelt. Nur Einer trug das ewige Leben in sich in voller Kraft, um es in jeder Beziehung geben zu können; er ist es, der zu seinen Jüngern sagte: wo ich hingehe, das wisst ihr, und den Weg kennt ihr auch; nur der Glaube an Jesum den Sohn Gottes ist es, welcher die volle Kraft des ewigen Lebens zu geben vermag, anders, und vollkommener, als dichterische Begeisterung, tiefsinniges Nachdenken, fromme Betriebsamkeit, und eigne Tugendkraft sie ohne ihn zu geben vermögen.
Damals nun konnte ich nur sagen: glaubt, und ihr werdet leben, und Kraft des Lebens fühlen; ich konnte euch nur auf die Zeugnisse verweisen, welche von der Kraft des Glaubens an Jesum euch in so mancher dankbaren und ehrerbietigen Erinnerung eures eignen Lebens gegeben sind. Allerdings aber bedarf es einer nähern Erläuterung, was denn dieser Glaube sei, und wie und zu welcher Kraft und Seligkeit er führe: und obschon euch Betrachtungen dieser Art nicht fremd sind, und ich niemals einen andern Weg gezeigt habe als den, welchen Jesus anwies in den Worten: ich bin der Weg, die Wahrheit, und das Leben; so glaube ich doch meiner Pflicht zu genügen, und euch nützlich zu werden, wenn ich einmal ausführlicher über das Wesen des seligmachenden Glaubens zu euch spreche. Zwar es ist schon das Wort vielen anstößig, als eine Veranlassung grober Verirrungen, und ein Vorwand ungeheurer Frevel. Aber umso nötiger und edler ist eine Verständigung darüber, und umso angemessener finde ich zu tun, was unstreitig der Hauptzweck des Christlichen Lehramts ist. Es wird gut sein, wenn ihr euch davon mit mir zuerst überzeugt, wozu der Inhalt unsres Evangeliums uns deutliche Veranlassung gibt. Lasst uns vorher zu Gott beten!
Text. Ev. Joh. 20, 19-31.
Am Abend aber desselbigen Sabbats, da die Jünger versammelt, und die Türen verschlossen waren, aus Furcht vor den Juden, kam Jesus, und trat mitten ein, und spricht zu ihnen: Friede sei mit euch! Und als er das sagte, zeigte er ihnen die Hände, und seine Seite. Da wurden die Junger froh, dass sie den Herrn sahen. Da sprach Jesus abermals zu ihnen: Friede sei mit euch! Gleichwie mich der Vater gesandt hat, so sende Ich euch. Und da er das sagte, blies er sie an, und spricht zu ihnen: Nehmt hin den heiligen Geist; welchen ihr die Sünden erlasst, denen sind sie erlassen; und welchen ihr sie behaltet, denen sind sie behalten.
Thomas aber, der Zwölfen einer, der da heißt Zwilling, war nicht bei ihnen, da Jesus kam. Da sagten die andern Jünger zu ihm: Wir haben den Herrn gesehen. Er aber sprach zu ihnen: Es sei denn, dass ich in seinen Händen sehe die Nägelmale, und lege meinen Finger in die Nägelmale, und lege meine Hand in seine Seite, will ich es nicht glauben. Und über acht Tage waren abermals seine Jünger darinnen, und Thomas mit ihnen. Kommt Jesus, da die Türen verschlossen waren, und tritt mitten ein, und spricht: Friede sei mit euch! Danach spricht er zu Thomas: Reiche deinen Finger her, und siehe meine Hände; und reiche deine Hand her, und lege sie in meine Seite; und sei nicht ungläubig, sondern gläubig. Thomas antwortete, und sprach zu ihm: Mein Herr, und mein Gott! Spricht Jesus zu ihm: Dieweil du mich gesehen hast, Thomas, so glaubst du. Selig sind, die nicht sehen, und doch glauben.
Auch viele andere Zeichen tat Jesus vor seinen Jüngern, die nicht geschrieben sind in diesem Buch. Diese aber sind geschrieben, dass ihr glaubt, Jesus sei Christ, der Sohn Gottes; und dass ihr durch den Glauben das Leben habt in seinem Namen.
Unser Evangelium erzählt, wie Jesus seine Jünger als Apostel aussandte an seiner Statt, und so das Christliche Lehramt stiftete, wie es jetzt durch Christliche Pfarrer verwaltet wird. Lasst uns also heute, m. Chr. Fr., über den Beruf eines Christlichen Pfarrers weiter nach. denken.
Ein Christlicher Pfarrer, meine geliebten Zuhörer, ist zwar jedenfalls kein Priester; er hat keine Wege, und soll und will keine Wege haben, durch gewisse äußerliche Handlungen oder Mittel, die allein in seiner Gewalt sind, den Menschen langsamer oder schneller, schwerer oder leichter in den Himmel zu helfen, oder sie, indem er ihnen seinen Beistand versagt, davon auszuschließen; er muss vielmehr alles äußerliche Priesterwesen für etwas ganz und gar Unchristliches, und, insofern es bei besserem Wissen in die Christliche Kirche eingeführt wird, für ein recht verdammliches Teufelswerk, insofern es aus mangelnder Einsicht damit verbunden wird, für einen beweinenswürdigen Missverstand erklären. Die Heilige Schrift, d. h. Christus so wohl selbst als die Apostel, sprechen darüber ganz deutlich und mannigfaltig, wie ich zu seiner Zeit ausführlich nachweisen werde. Jetzt will ich nur das eine bemerken, dass sie die Seligkeit durchaus nur an den Glauben knüpfen, und zwar an den Glauben an Jesum Christum; nicht, weder im Ganzen noch zum Teil, an den Glauben an irgendeine priesterliche Handlung oder Gewalt. Der Glaube selbst aber setzt allerdings die Erkenntnis der Wahrheit in Jesu Christo voraus, und kann nur in dem Grade ein rechter und kräftiger sein, als diese Erkenntnis selbst eine rechte und kräftige ist. So spricht unser Herr selbst: das ist das ewige Leben, dass Du allein wahrer Gott bist, und den Du gesandt hast, Jesum Christum, erkennen. So spricht der Apostel Paulus Röm. 10, 13: Wer den Namen des Herrn wird anrufen, der wird selig werden. Wie sollen sie aber, spricht er weiter, den anrufen, an den sie nicht glauben? Wie sollen sie aber glauben, von dem sie nichts gehöret haben? Wie sollen sie aber hören ohne Prediger? Und weiter so kommt der Glaube aus der Predigt, das Predigen aber durch das Wort Gottes.
Durch die Predigt des göttlichen Worts also, oder durch die Lehre allein, wollte der heilige Paulus die Menschen selig machen, und ein Lehrer im Namen Christi zu sein, war sein Amt und seine Würde. Und so können und sollen denn auch Christliche Pfarrer nichts anders sein, und dürfen nichts anders sein wollen, als Lehrer des göttlichen Wortes, Lehrer der Erkenntnis dessen, der allein wahrer Gott ist, und den er gesandt hat, Jesum Christum, Lehrer der Wahrheit, welche Menschen zur ewigen Seligkeit führt. Unter keiner Bedingung können und dürfen sie sich unterfangen, oder dazu hergeben, Priester zu sein, die durch vermeinte äußere Heiligtümer den Christen allerhand Nebenwege zeigen, und Nebenmittel gewähren wollten, um zur Seligkeit zu gelangen, welche allein auf gläubiger Erkenntnis beruht. Aber, insofern sie Pfarrer sind, das heißt, insofern sie der kirchlichen Ordnung gemäß, ausdrücklich und vorzugsweise zum Christlichen Lehramt bestimmt sind, können sie doch in diesem Lehramte auf verschiedene Weise betrachtet werden; und sich selbst betrachten. Sie haben zunächst mit einer bestimmten Gemeine zu tun, das heißt, mit einer Menge von Menschen, die an Jahren, an Stand, an Fähigkeiten, an Neigungen, an Gewohnheiten, an Bedürfnissen, an Schicksalen, an Erkenntnissen, an Charakter, nicht nur überhaupt verschieden, die auch heute so, morgen anders gestimmt, heute offenen, morgen versteckten oder doch trägen Herzens sind, und daher zum Glauben niemals auf gleiche Weise, oder mit gleicher Kraft erweckt werden können. Denket nur nach, ob einer von euch zur gottesdienstlichen Feier stets mit gleicher Stimmung kommt? Bald seid ihr heiter, und der Ernst der Wahrheit dünkt euch zu herbe, bald seid ihr trübe, und die Rede, die ihr höret, dünkt euch trocken und nicht tröstlich genug, bald seid ihr zerstreut durch Lustbarkeiten, und vermögt euch nicht zur Andacht zu sammeln, bald kommt ihr mit wollendem Gefühl, und die Worte der Lehre sind euch zu kalt; die einen verlangen Bibelsprüche, die andern sinnreiche Gedanken und liebliche Bilder, noch andre ernste Belehrung, andre schmetternde und hinreißende Reden, andre Sittenlehren, andre Begeisterung des Glaubens, andre milden Trost, andre ernste Ermahnung. Ich sage es nicht zum Vorwurf, euch, die ich alle herzlich liebe; ich sage es nur, dass ihr erkennt, es sei eine eigentümliche und gar nicht leichte Aufgabe des Christlichen Pfarrers, dass er für eine bestimmte Gemeine, sie sei zahlreich oder nicht, ein Lehrer Christlicher Erkenntnis, und ein Vermittler des Christlichen Glaubens sein soll. Denn nicht nur ist es seine Pflicht, dass er ihnen die Wahrheit mitteile, so wie sie dieselbe zu einer beseligenden Überzeugung aufzufassen vermögen, nicht, wie er sie grade für sich selbst zu denken vermag, und liebt; denn sie sollen ja durch seine Predigt glauben und selig werden, nicht er selbst. Es würde auch sein ganzes Wirken aufhören, wenn er nicht danach fragte, ob seine Gemeine ihn gern hört; seine Zuhörer würden verschwinden, oder mit verschlossenen Ohren und Herzen da sein; er würde auf seiner Kanzel, die er nicht verlassen kann und darf, einsam und unfruchtbar stehen, und entweder zu den leeren Wänden, oder zu dem bloßen Schein einer gläubigen Gemeine sprechen. So wäre er dann zwar nicht als Mensch, aber doch gewiss als Pfarrer, doch gewiss als Lehrer, ein ganz unnützes Wesen in dem sichtbaren Reiche Gottes, so wie es die Christliche Kirche darstellt, und darstellen soll. Folglich muss er seine Gemeine durch seine Rede gewinnen, er muss sie festhalten, er muss sich ihrer Herzen bemächtigen; und ihr wisst es wohl, das menschliche Herz neigt sich meistenteils zu seinen eignen nächsten Angelegenheiten, zu seinen unmittelbaren Empfindungen und Wünschen am stärksten, und wendet sich also auch dem Pfarrer am leichtesten und liebsten zu, der ihm am wohlgefälligsten predigt, das heißt, der grade seinen Empfindungen und Wünschen am meisten zusagt. Das also ist die erste Verpflichtung des Christlichen Lehramts, dass der Pfarrer der Gemeine zu Dank und Wohlgefallen lehre; gewiss ein höchst wichtiges, aber auch höchst schweres Geschäft, es mag nun von der eigentlichen Predigt, oder von seinem sonstigen Lehren die Rede sein; denn Lehren ist stets sein eigentlicher Beruf, den er auch außer der Kirche, auch im Umgang, wahrnehmen soll; wovon ich viel sprechen könnte, aber jetzt nicht sprechen kann.
Der Christliche Pfarrer hat aber zweitens sein Lehramt nicht bloß für seine Gemeine, und ist nicht bloß an deren gute Meinung und freudige Aufnahme gebunden; er hat es auch für den Staat, und ist in der Art seiner Lehren auf mannigfaltige Weise ebenso an das Wohlgefallen des Staates und dessen Bedürfnisse gebunden; ja er hat sein Amt, so wie er es zu verwalten vermag, durch den Staat, kann es ohne denselben in kirchlicher Ordnung gar nicht verwalten. Er hat sein Amt für den Staat, oder mit andern Worten, für König und Vaterland, unter allen Bedingungen, König und Vaterland mögen christlich sein oder nicht; aber doch umso deutlicher und vollkommener, wenn sie Christlich sind. Denn der Staat, oder ein durch Obrigkeit regiertes und verbundenes Gemeinwesen, mag es nun Tausende oder Millionen zählen, ist stets Gottes hohe und heilige Ordnung, der die Menschen zur Gemeinschaft berufen hat, und nur einen durch den andern glücklich, stark, reich, weise, und gut werden lässt; der Staat ist das unmittelbare Bild seines. ewigen Reiches, und ein Teil desselben, wodurch die Menschen auf Erden schon zur Gerechtigkeit, zur Treue, zur Pflichtübung, und zum Wohltun gewöhnt, und dadurch zu dem Eintritt in sein höheres Reich, zur geistigen Bürgerschaft im Himmel tätig vorbereitet werden sollen. Ist aber der Staat, oder das Leben unter der Obrigkeit, Gottes Ordnung, so ist diese Ordnung gewiss auch die Ordnung seines Sohnes, oder eine Christliche Ordnung. So zeigt es uns auch die Heilige Schrift an dem Beispiel Jesu selbst. Er hat nie die Obrigkeit gehöhnt, oder ihr gewaltsam widerstrebt; er hat nie sein Volk zum Aufruhr gereizt, oder darin unterstützt; er hat, obschon ein geborener und von Gott erwählter König, sich doch nie zum Könige machen lassen; wie er dem Teufel widerstand, als er ihm die Reiche der Welt zeigte, so hat er nie das Reich, welches er gründete, als ein Reich dieser Welt gründen wollen; er hat selbst die Abgaben gezahlt, die für ihn und seine Jünger gefordert wurden, und es geradezu ausgesprochen: gebet dem Kaiser, was des Kaisers, und Gotte, was Gottes ist; er hat, als das Volk rief, Hosianna dem Sohne Davids, auch nicht das mindeste getan, um es vielleicht zu Gewalttaten für sein Reich zu nutzen; er hat nicht geduldet, dass seine Jünger ihn mit dem Schwert verteidigten, und vielmehr das abgehauene Ohr geheilt, mit dem Ausspruch: wer das Schwert braucht, soll durchs Schwert umkommen; er hat ohne Trotz und Vorwurf gestanden selbst vor seinen ungerechten, feindseligen Richtern, und ist gegangen wie ein Lamm zur Schlachtbank, um den Tod zu leiden, der zunächst eine Unterwerfung unter das seinem Volke gegebene Gesetz war. So kann man auch in dieser Beziehung von ihm sagen, wie der heilige Paulus: obschon er in göttlicher Gestalt war, obschon ihm, als dem verheißenen König, als dem Sohne Gottes, alle auch äußere Gewalt der Erde zu gebühren schien, so hielt er es doch nicht für einen Raub Gott gleich sein, so war er doch weit entfernt, durch irgend eine äußere Gewalt die ihm verliehene Herrschaft begründen zu wollen; sondern er äußerte sich, nahm Knechtsgestalt an, und unterwarf sich dem Tode eines Verbrechers und eines Sklaven, ohne zu murren, oder zu widerstreben. Und so haben seine Apostel in seinem Sinn gehandelt und gelehrt. Wie bescheiden steht Paulus in der Apostelgeschichte vor dem Statthalter und König, wenn er sich gegen ungerechte Anklage verteidigt: er, der im Glauben und Geiste Jesu so weit über sie erhaben war! Wer kennt nicht sein Wort: jedermann sei untertan der Obrigkeit? Wer nicht das Wort Petri: fürchtet Gott, ehrt den König! Wie viel könnte ich davon sprechen, und wie gern spräche ich davon! Nur das will ich noch erwähnen, dass sich den ungerechtesten drei Jahrhunderte lang die Christen und grausamsten Verfolgungen unterworfen haben, wie Jesus, ohne jemals die Pflicht der Untertanentreue zu brechen, oder das zu versagen, was sie an Abgaben, Staats- oder Kriegsdiensten, zu leisten hatten. Denn ein Reich Gottes soll dem andern nicht widerstreben, es nicht zerstören; die Gerechtigkeit, welche der Glaube lehrt, kann die bürgerliche Gerechtigkeit nicht verwirren und hemmen; die Tugend, welche der Geist Christi einhaucht, kann dem Staate, dem Könige, dem Vaterlande nicht gefährlich werden, vielmehr nur zu jedem Verhältnis und Dienst, der ihnen gebührt, mit doppeltem Ernste treiben. Folglich würde das Christliche Lehramt auch dann ein Amt für den Staat sein, und auf dessen Bedürfnisse und Ordnungen Rücksicht fordern, wenn der Staat auch kein Christlicher wäre. Das Christliche Pfarramt aber, wie es jetzt unter uns besteht, ist nicht bloß geistlich, durch innere Pflicht und eignes Wesen, es ist auch äußerlich an den Staat gebunden, es ist zugleich durch den Willen des Staates da, wird von ihm gegeben, und kann ohne denselben nicht in seiner jetzigen, an sich ebenso notwendigen als wohltätigen, Ordnung bestehen. Dadurch entsteht für uns Christliche Pfarrer eine neue wichtige Pflicht, auch dem Staate in unsrem Amte zu dienen, weil es wohl etwas hoch Erfreuliches und Seegenreiches ist, dass das Reich der Welt und das Reich Gottes, dass die bürgerliche und die ewige Gerechtigkeit, dass das Gesetz der äußerlichen Ordnung und das Evangelium der Liebe, dass der Staat und die Christliche Kirche sich freundlich verbinden und brüderlich unterstützen, und die seligmachende Wahrheit von derselben Macht gepflegt wird, welche einst Jesum, der Weg, Wahrheit und Leben ist, eben darum zum schimpflichen Tode führte, und später viele Tausende mit gleichem Unrecht und gleicher Grausamkeit misshandelte. Und wie jeder Pfarrer seiner Gemeine wohlgefallen soll, teils weil es ja sein Beruf ist, auf sie zu wirken, was nicht ohne ihr Wohlgefallen geschehen kann, teils weil sie ihn sonst verlässt, und nicht anhört, und er die Freudigkeit seines Amtes und seine Wirksamkeit ganz oder doch großenteils verliert: so soll und muss auch jeder Pfarrer der Regierung wohl zu gefallen suchen, er muss für sie arbeiten, und die besonderen Bedürfnisse, Angelegenheiten, Ordnungen, Sitten, Schicksale des Staates, worin und durch dessen Auftrag er lehrt, ebenso, wie das alles bei den einzelnen Mitgliedern seiner Gemeine, berücksichtigen, teils, weil er ja auf diese Weise den ihm obliegenden Beruf in einem Christlichen Staate umso besser und vollkommener erfüllt, teils aber auch, weil der Staat in seiner Macht hat, ihn ganz vom Christlichen Pfarramt in der kirchlichen Ordnung auszuschließen, und von seiner Gemeine für immer zu trennen.
Gewiss, meine Freunde, zwei sehr wichtige Rücksichten, welche dem Christlichen Pfarrer obliegen! Er soll die Menschen, welche zu seiner Gemeine gehören, so wie es die persönliche Lage und die Kirchenordnung ihm verstattet, zu möglichst verständigen, frohen, standhaften, gutgesinnten Menschen, und zu friedlichen, gehorsamen, pflichttreuen, König und Vaterland liebenden Bürgern bilden helfen. Durch die Lehre, durch die Gewalt und Eindringlichkeit seiner Rede soll er dazu beitragen; gleichsam tropfenweis soll er ihrem Herzen und Verstande die Nahrung einflößen, wodurch beide Kraft und Gesundheit für das häusliche und bürgerliche Leben gewinnen. Wahrlich etwas Rühmliches, Dankenswertes, wenn ein Mann das sich zum Zweck seiner Lebenswirksamkeit setzt; eine hochachtenswerte Klugheit, welche sich, soweit es Anstand und Tugend erlaubt, in alle Umstände fügt, die eine solche Tätigkeit begünstigen! Ja, meine Freunde, wenn wir es recht betrachten, so ist überhaupt das Höchste, was der Mensch erreichen kann, dass er verständig und gut sei, sobald diese Worte im höchsten Sinn genommen werden; an die menschliche Verständigkeit und Güte ist alles menschliche Heil geknüpft; und derjenige, welcher so gut es gehen und sich mit den Umständen vertragen will, durch Lehre dazu beiträgt, die Menschen für Haus und Staat recht verständig und gut zu bilden, ist gewiss nicht zu verachten. So gibt es auch viele Pfarrer, wenn nicht die meisten, welche sich selbst kein höheres Ziel setzen, als durch Unterricht, in möglichster Anbequemung zu den Wünschen und Bedürfnissen des häuslichen und bürgerlichen Lebens, zur häuslichen und bürgerlichen Ordnung und Glückseligkeit beizutragen, und die von blinden Eiferern deshalb mit Unrecht angeklagt und gescholten werden, als wären sie Verräter an dem Seelenheil der Gemeinen, und nicht wert in der Christlichen Kirche mit begriffen zu sein. Ist denn eine verständige Ordnung der Gedanken und deren Handlungen, ein weises Verhalten in Haus und Staat, nicht etwas ungemein Heilsames? Ja kann beides jemals entbehrt werden? Ist ein Christentum denkbar, wo Unordnung und Empörung herrscht? hat nicht das Christentum die Absicht Menschen verständig und gut zu machen, und dient nicht alles, was dazu hilft, seiner Absicht? Wahrlich, wer den Menschen auch nur nachdenklich über sein zeitliches Wohl und seine zeitliche Pflicht, und tätig für die Seinigen und seinen irdischen Beruf macht, ist ein Freund der Menschen, und darum auch Christi und Gottes; und es ist eine große Übereilung, die im Amt stehenden Geistlichen deswegen zu verachten, und als Mietlinge zu verwerfen, weil und wenn sie hauptsächlich nur Volkslehrer und Staatsdiener zu sein sich bestreben, und das Christentum nur als ein zufälliges Mittel betrachten, um dies leichter zu erreichen.
Und dennoch liegt in dem Vorwurf, welcher solchen Geistlichen gemacht wird, eine tiefe Wahrheit, die nur nicht unbedingt als Vorwurf ausgesprochen, sondern als Wahrheit deutlich gemacht werden sollte. Denn was hilft das Schalten, so lange die Einsicht mangelt, und das tiefe Seelen ergreifende Gefühl der Wahrheit? Ja, geliebte Freunde, das Lehramt eines Christlichen Pfarrers begrenzt sich keineswegs bloß auf seine Gemeine, und die vom Staate gebilligte, oder eingesetzte kirchliche Ordnung; es ist keineswegs sein Geschäft allein, ein nützlicher Volkslehrer und ein eifriger Staatsdiener zu sein; und das Evangelium soll ihm keineswegs bloß ein hergebrachtes, für die Einfältigen passendes Mittel sein, um die Menschen zu guten Hausvätern, und zu nützlichen und gerechten Bürgern, zu den Lasten des Lebens willig, und für dessen Prüfungen fest und mutig zu machen. Das alles will er freilich auch, und zwar recht ernstlich und vollständig, aber er will es nur auf ganz andre Weise, aus ganz andern Gründen, und aus ganz andrem Ansehen, als dem, welches ihm die zweideutige Gunst seiner Gemeine, und die oft ebenso zweideutige Aufforderung und Berechtigung der rechtmäßigen Obrigkeit gibt. Er will und soll die Seelen erheben über alles, was irdisch ist, auch über Haus und Staat; die Wahrheit sollen sie kennen lernen, und als einzige Wahrheit festhalten, welche in gar keinem äußern Verhältnis ganz begriffen werden kann, und Wahrheit bleibt, wenn Eltern, Gatten, Freunde, Kinder, Obrigkeit, Schicksal dagegen streiten wollten; den Mut sollen sie fassen lernen, der durch kein irdisches Schicksal, und durch keine menschliche Gewalt und Gunst von jener Wahrheit abgewendet werden kann; das Recht und die Tugend sollen sie ergreifen und üben, welche mit der äußerlichen Wohlfahrt nichts gemein haben, und dieselbe zu jeder Stunde, wo es deutlich gefordert wird, aufzuopfern bereit sind; die Treue und Liebe sollen sie gegen Menschen, Bürger und Obrigkeit fassen und empfinden, welche selbst dann noch bestehen, wenn sie deren Wohlgefallen gemäß nicht handeln können, und deshalb mit Schmähungen und Misshandlungen belegt werden. Es soll, dass ich es kurz zusammenfasse, der Christliche Pfarrer der Vertreter und Verkünder der ewigen Wahrheit, des unerschütterlichen Mutes, der unveränderlichen Tugend und der reinen Liebe. sein. Wie nun ist das ihm möglich, und wie ist er. dazu berechtigt? Möglich, meine geliebten Freunde, ist es ihm nur dadurch, dass er, hinweist auf den Anfänger und Vollender des Glaubens, auf den, der da ist der Weg, die Wahrheit und das Leben, auf den, welcher sagte: wer mich sieht, sieht den Vater, auf den Gekreuzigten und Auferstandenen, auf Jesus Christus, welcher uns gemacht ist zur Weisheit, zur Gerechtigkeit, zur Heiligung und zur Erlösung. Denn in ihm allein war dieser Geist der Wahrheit, des Mutes, der Tugend und der Liebe; von ihm allein ist er ausgegangen; in ihm allein hat er sich als über alles Erdenschicksal erhaben und über alle Menschenverkehrtheit herrschend und siegend bewährt; er allein hat ihn, und durch ihn die Seligkeit, verheißen und gegeben; nur in dem Glauben an ihn kann dieser Geist recht und lebendig gefunden, erkannt, gefasst und aufgenommen werden. Und wie dieser Geist, dieser hohe, heilige, selige Geist, allein von Christo ausgegangen, und allein durch den Glauben an ihn möglich ist, so kann die Berechtigung, ihn lehrend mitzuteilen, auch von niemand abhängen, und gegeben werden, als von Jesu Christo selbst. Oder kann, geliebte Freunde, der Beifall, womit eine Ges meine ihren Prediger beehrt, diesem die göttliche Glaubenskraft gewähren, die ihn zu einem Diener Jesu Christi macht? War Jesus, was er war, nur darum und dann, weil und wenn das Volk ihn begierig hörte? Oder kann die Wahl durch einen Kirchenpatron, die Ordination, die Händeauflegung, die obrigkeitliche Bestätigung, einem Christlichen Pfarrer die Kraft und das Recht des Glaubens geben? Hat Christus wohl die Kraft und das Recht des Heiligen Geistes vom Hohenpriester, oder vom hohen Rat zu Jerusalem empfangen? Von dem Vater allein hatte es der Sohn, und durch des Vaters Kraft allein behauptete er es; und von dem Sohn allein hat es der Christliche Pfarrer, und ist erst dann nicht bloß Volkslehrer und Staatsdiener, Lehrer der häuslichen und bürgerlichen Ordnung und Glückseligkeit, sondern Christlicher Pfarrer, Bote des ewigen Lebens, Prediger des göttlichen Wortes, wenn er sein Amt so erkannt hat, und behauptet, wie er es von Jesu Christo sich übertragen erkennt. Denn unmöglich ist es keineswegs, dass ein Volk und eine Obrigkeit diesem Geist aus Unverstand oder verdorbenem Sinn widersprechen und widerstreben, dass eine Gemeine oder auch eine Regierung einen Christlichen Lehrer grade um seines in dem Glauben an Jesu begründeten Geistes und Wirkens willen, verachtet, drückt, verfolgt, verjagt. War es ja die Gemeine und die Obrigkeit Christi, welche ihn um der Wahrheit willen verfolgten, und töteten! Und warum habe ich nicht Zeit, so vieler frommen Christen und Christlicher Lehrer zu gedenken, die, seit der Name Christi genannt wird, sein Leiden, ja seinen Tod ganz auf ähnliche Weise auf sich genommen haben um seiner Wahrheit willen! Die Apostel selbst haben es ja ausgesprochen, und jeder kann es lesen: man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen; und hätten sie so nicht gedacht und getan, wir wären wohl alle noch im finsteren Gräuel des Judentums, oder gar des Heidentums. Und hätten Luther und seine Gehilfen, nicht im Glaubensrecht ebenso gedacht und getan, wir würden wohl alle noch im Namen Christi betrogen, gehöhnt, geplündert, gequält, tyrannisiert, entweiht, wie sonst!
Dieser unmittelbare Beruf des Christlichen Pfarrers nun, der aus dem Glauben an Christum stammt, und zum eigentlichen Zweck den Glauben an Christum hat, ist es, den dieser in unsrem Evangelium seinen Jüngern erteilt. Vor seinem Tode sprach er zu ihnen als Lehrer; sie mussten erst die Gedanken fassen, welche die Kraft und das Leben ihrer Seele werden sollten. Jetzt, auferstanden durch die Gnade Gottes in Kraft, spricht er zu ihnen, nicht mehr als Lehrer, er spricht als Herr! Aber nicht bloß als Herr der Macht, sondern als Herr der göttlichen Weisheit und Liebe, als der deutliche lebendige Grund des Glaubens und der Seligkeit für sie und alle, die an ihn glauben würden durch ihr Wort. Wie mich der Vater sendet, so sende ich euch, spricht er. Nehmt hin den heiligen Geist: welchen ihr die Sünden erlasst, denen sind sie erlassen, welchen ihr sie behaltet, denen sind sie behalten. Ich kann und will jetzt, meine geliebten Freunde, diese Worte nicht erklären, obschon der grobe und entsetzliche Missbrauch, welchen ein uns Heiliger Geist damit getrieben hat und noch treibt, eine Erklärung dringend fordert. Genug, sie enthalten eine Berechtigung der Apostel zum Christlichen Lehramt, die über den Beruf eines Volkslehrers und Staatsdieners weit erhaben ist, und haben keineswegs den Sinn ihnen zu erlauben, dass sie bloß im gewöhnlichen Sinn das Volk, soweit es seine häusliche Lage und die Obrigkeit erlaubt und gebietet, verständig und gut machen sollen, sondern ihnen die heilige Verpflichtung dazu aufzulegen, dass sie durch den Glauben an Christum die Menschen zum ewigen Verstand und zur ewigen Güte, und dadurch zur Seligkeit leiten. Und damit steht auch das Folgende in der genausten Verbindung. Denn wozu sagt Jesus dem zweifelnden Thomas: selig sind, die nicht sehen, und doch glauben! Doch nur damit Thomas, der nur zu sehr am äußern Scheine hing, jenen Glauben fassen lerne, dessen Urheber, Bild und Zeuge Jesus Christus war und ist, und welchen er fassen musste, wenn er ein Gesandter Christi sein wollte, wie Christus ein Gesandter des Vaters war. Und warum sagt der Apostel Johannes selbst im letzten Vers: „das ist geschrieben, dass ihr glaubt, Jesus sei Christus, der Sohn des lebendigen Gottes, auf dass ihr durch den Glauben das Leben habt in seinem Namen“? Doch nur darum, weil der Glaube an Jesum Christum, als den Sohn Gottes, das ist, was Christen, was Christliche Lehrer, was die Christliche Kirche macht; also die Behauptung, Verkündigung, Einpflanzung dieses Glaubens, nicht wie ihn Menschen haben wollen, sondern wie er ist, der eigentliche Zweck und Beruf des Christlichen Pfarramts ist.
Wozu, möchte mancher unter euch bei diesem Vortrage denken, wozu das? Ist etwas Verkehrtes an uns, oder. etwas Unrechtes in der kirchlichen Ordnung? Keines von beiden, meine Freunde, und wenn beides wirklich wäre, wie denn sich überall Mängel finden, so habe ich es jetzt nicht im Sinn; ich will sogleich die Absicht und den Sinn dieser euch vielleicht sonderbar scheinenden Rede erläutern. Das werdet ihr wohl von selbst erkennen, dass die kirchliche Ordnung, wie sie jetzt besteht, nach welcher der Pfarrer teils von dem persönlichen Wohlgefallen der Gemeine, teils von den Anordnungen der Landesobrigkeit abhängt, an und für sich keinen Pfarrer hindern kann und soll, im Glauben an Christum die Kraft des Heiligen Geistes in sich zu tragen, und die höhere ewige Wahrheit zu bekennen und zu lehren, sobald er sich selbst nur von dieser Wahrheit erleuchtet, und sie zu lehren fähig fühlt. Noch weniger hätte ich irgend Ursache, mich über euch, oder über die kirchliche-Obrigkeit in dieser Beziehung zu beschweren. Es sind viele unter euch, die von dem ersten Anfange meines Amtes bis heute mit gleichem Zutrauen mich angehört haben, denen ich nicht zu streng, nicht zu hoch, nicht zu kalt, nicht zu warm geschienen habe, die sich mit mir und durch mich, und so mich selbst wieder durch sie, innig erbaut haben. Denn die reine Wahrheit besteht zwar ewig in sich selbst, aber für den Menschen gewinnt sie doch neu strahlenden Glanz, wenn andre sich ihrer mit ihm gleich erfreuen. Sei diese Kirche nicht immer gleich gefüllt: für mich sind eurer genug, um meine Pflicht mit Freude zu erfüllen. Unser König aber, von dessen Willen das äußerliche kirchliche Bestehen abhängt, ist, wie wir alle wissen, Christlich-frommen Sinnes, drückte die Gewissen bisher nicht, und wird, das hoffen wir zu seiner Frömmigkeit und Gerechtigkeit im Namen Gottes und Jesu Christi, und wird sie auch nicht drücken. Mag die kirchliche Ordnung vieler Verbesserungen bedürfen; sie lässt Raum genug, um die Wahrheit des göttlichen Lebens auszusprechen. So ist mir denn volle Gelegenheit und Freiheit verstattet, nicht bloß euch mit möglichstem Nachdruck auf das hinzuweisen, was euch zu guten und frohen Gatten und Hausvätern, und zu nützlichen und treuen Bürgern machen kann, was ich nach meinem Bewusstsein stets eifrig und redlich getan habe; sondern auch euch die höhere Wahrheit des Glaubens, welcher über Haus und Vaterland, ja über die ganze Erde erhebt, und selig macht, des Glaubens an Jesum den Sohn Gottes, in ihrem vollen Lichte darzustellen. Dieses legte habe ich euch heute als den eigentlichen Beruf und das eigentliche Recht des Christlichen Pfarramts dargestellt, und in diesem Lichte habe ich denn schon seit geraumer Zeit meinen eignen Amtsberuf betrachtet. Ja, meine geliebten Freunde, ich stehe nicht an, es vor euch allen auszusprechen, was Jesus in unsrem Evangelium zu seinen Jüngern sagt, das nehme ich für mich an; ich halte mich von Christo gesendet, wie er vom Vater gesendet war, um den Glauben zu verkünden und zu vertreten, der da selig macht in seinem Namen; ich halte mich dazu verpflichtet, wenn auch niemand mehr meine Worte hören, oder die kirchliche Macht es nicht dulden wollte, und ich nur Schimpf und Verfolgung zu erwarten hätte von dem Wort der Wahrheit und Gottes. Aber, wenn ich auch weiß, und viele von euch es wissen, dass ich, obschon mit Achtung gegen euch und die Landesobrigkeit, ja mit Liebe und Verehrung gegen, meine Gemeine und König und Vaterland, doch nie nach Menschengunst oder Menschenfurcht, und nie in buhlender und schmeichelnder Rede, sondern ernst, fest und klar, wie ich immer vermochte, von dem Glauben, der selig macht, gesprochen habe, so hat es doch mit der Verkündigung und Mitteilung dieses Glaubens seine eignen Schwierigkeiten. Darf ich ganz vergessen, meine Freunde, dass ihr bloß hierherkommt, weil und so lange euch meine Rede gefällt? Dass ich euch nicht zu lang, nicht zu ernst, nicht zu trocken, nicht zu tief, nicht zu einförmig sprechen darf, wenn dieses Haus nicht leer werden, und mein an dasselbe gebundenes Wort unnütz verhallen soll? Dass ich eurem Geschmack, eurer Stimmung, eurem Lebensverhältnis, euren Ansichten, eurer sittlichen Laune und Neigung in gewisser Art dienen muss, um eure Aufmerksamkeit für das, was wirklich Not tut, zu gewinnen? Darf ich vergessen, dass, auch wenn euer Zutrauen mir alles übersähe, mir die Ordnung, die Zeit, ja oft selbst der Inhalt meiner Rede vorgeschrieben ist, dass ich an Texte und Feste gefesselt bin? Und doch hat eine einzelne Belehrung und Erweckung so wenig Licht und Kraft, doch macht es diese an sich notwendige und wohltätige Anbequemung an Gemeine, Ort, Zeit, Vorschrift, so unmöglich, die Verständigung des Pfarrers mit der Gemeine über die Hauptsache, über den eigentlichen Kern der Wahrheit, herbeizuführen. Doch ist die einer Predigt bestimmte Zeit so kurz; doch wird so leicht, so schnell, was der vorige Sonntag dargestellt hatte, vergessen; doch entfliegt das Gefühl, verschwebt der Gedanke, verliert sich die Kraft und Verbindung der einzelnen Wahrheit so bald! Das fühlte ich schon damals, als ich zuerst hier auftrat, und legte darum in einer Reihe von Vorträgen die Grundsätze dar, nach welchen ich zu lehren gedächte. Die meisten unter euch werden davon nichts mehr wissen, und in mir selbst ist wohl vieles vollständiger und fester geworden. So will ich es denn noch einmal versuchen, und in einigen Vorträgen den seligmachen? den Glauben an Christum den Sohn Gottes in seinen Hauptbeziehungen erläutern. Meine Absicht dabei ist, diejenigen unter euch, welchen es Ernst um die Wahrheit ist, so einfach und deutlich, als ich immer kann, in den vollen Besitz dessen zu sehen, was für mich Wahrheit ist, und so im eigentlichen Sinn, so lange Gott mich hier wirken lässt, in Einigkeit des Geistes mit ihnen zu leben. Nicht eine kunstvolle oder hinreißende Beredsamkeit habt ihr zu er warten, sondern eine einfache, deutliche, aus Lebenskraft dringende, und hoffentlich geistige Lebenskraft gebende Rede. Es ist weder eurem Verstande noch eurem Herzen fremd, was ich euch mitteilen will; ich will nur streben, es mit eurem Denken und Wollen noch fester und inniger, und dadurch mich selbst mit euch umso vollkommener zu verbinden. Möchtet ihr nicht in eurer Aufmerksamkeit ermüden, ihr, deren Gegenwart hier der Trost und die Freude meines Herzens in Beziehung auf seine edelsten und eifrigsten Bestrebungen ist! Möchte mir Gott und Jesus Christus den Geist der Wahrheit schenken, der von beiden ausgegangen ist über die Menschheit, dass ich die Summe der seligmachenden Wahrheit tüchtig fasse und gedeihlich ausspreche. - Amen!