Tauler, Johannes - Auf Ostertag oder die Feyertage.

Tauler, Johannes - Auf Ostertag oder die Feyertage.

Die zweyte Predigt.

Wie wir mit Christo aller Dinge, auch uns selbst, Willen und Wissen, müssen abgehen und sterben, und also mit Christo auferstehen und eins werden.

Vater, ich bitte, daß sie eins seyen, wie du und ich eins sind, daß sie werden vollbracht in eins.

Was hat St. Paulus empfangen, da er schrieb: Ich lebe, aber nicht ich, sondern Christus lebt in mir. Wie sollen wir nun auch hierzu kommen, daß wir mit Gott eins werden. Nicht eher, denn wenn wir uns selbst verlieren und vergessen, und übergeformt werden in Gott, durch den Geist Gottes. Denn dieweil der Mensch sich selbst hat, findet, und sich in Gott weiß, und Gott in sich, so ist er nicht eins; denn er hat und weiß zwey, das ist Gott und sich selbst. Das ist Mannigfaltigkeit und nicht vollkommene Einigkeit; denn in Einigkeit verliert man alle Mannigfaltigkeit. Aber das ist wahre Einigkeit, da man sich gänzlich in dem Einen findet (das Gott heißt und ist), daß man nicht lieb hat, noch meinet, noch weiß, noch auswendig sich selbst wirke, noch Gott, noch Creatur, denn er hat sich selbst in Gott verloren. Dieß ist in dem in Gott vereinigten Menschen alles ein Wesen und e i n Leben, und er weiß von keinen Dingen. Dieser Einigkeit jagen alle Creaturen nach; daß diese Einigkeit geschehe, das meinet dahin strebt alle Mannigfaltigkeit; nichts sticht sie als Einigkeit. Eine jegliche Creatur kommt ohne Mittel aus dem Einen, und will wieder in das ungetheilte Eins, nach ihrem Vermögen in ihrem Wesen. Und darum sind alle Werke, alle Liebe, alle Unruhe um Ruhe, und diese Ruhe ist nirgends, denn in dem einen, einigen, einfältigen Gott. Alle Ausflüsse sind um den Einfluß. Der Ausfluß meinet nichts, denn den Wiedereinfluß in unsern Ursprung, das ist in Gott; und wenn der Wiedereinfluß allzumal geschehen ist, dann ist erst Ruhe und Stille. Wenn alle Dinge in dem Menschen ganz eins in Gott werden, so ist gänzlich Friede, da schweiget alles Geschrey, Unruhe, Werke und Wille. Dieß suchen alle Dinge von Natur, und um dieß zu erlangen, verzehren sie Wesen und Leben, und alle Dinge, und können doch nimmer zu wahrer Ruhe kommen, nur in dem Einen, das ist in Gott. Ach, wie sorglich und unsicher steht der Mensch ausser dieser Einigung! Wie darf er einen Augenblick hier aussen bleiben, und sich selbst wissen, lieb haben und finden, ausser Gott!

Welches ist nun die beste Weise, einzugehen und mit Gott eins zu werden? Fürwahr keine andere, als sich selbst, das ist, aller Eigensucht und Mannigfaltigkeit zu sterben und sie zu verlassen. Willst du weißer werden, so mußt du das Schwarze abwaschen, je minder schwarz, je mehr weiß; je minder mannigfaltig, je mehr einfältig. Gott wirkt nicht eigentlich in dich in Mannigfaltigkeit; es muß Eins seyn. Je mehr die Kräfte der Seele abgeschieden und von aussen geeinigt sind, je mehr sie geweitet und gebreitet von innen werden, je mehr wird das Werk Gottes kräftiger, göttlicher und vollkommner.

Dieß kann man nicht erlangen, denn mit einem gründlichen Sterben seiner selbst. Je eher, wahrlicher und vollkommener man stirbt, je eher, wahrlicher und vollkommener man dieß Leben in sich bekennet und erlanget. Dieß mußte Christus voran thun, leiblich, auf daß wir es geistlich bekenneten und nachfolgten. Sollte er in Unsterblichkeit auferstehen, so mußte er in der Tödlichkeit sterben (in dem was zu sterben ist). Wollen wir uns in Einigkeit finden, so muß es uns alle Mannigfaltigkeit kosten; wir müssen der Tödlichkeit, aller Eigenschaft des Unterschieds sterben, denn Eins hat keinen Unterschied, es verliert und ihm wird alle Mannigfaltigkeit benommen, es vereinigt auch alle Mannigfaltigkeit. Von Christo lesen wir: daß er gestorben ist und auferstanden, und nicht mehr sterben wird, der Tod wird nicht mehr über ihn herrschen. Aus dem Tod kommt dieß Leben, das nicht mehr stirbt; denn es ist kein wahres, unwandelbares Leben in uns, als das aus dem Tode kommt. Soll Wasser heiß werden, so muß die Kälte sterben; soll Holz Feuer werden, so muß es seiner Natur sterben. Das Leben kann wahrlich in uns nicht seyn, noch uns werden, noch wir nie es werden, wir müssen erst dessen entwerden und es mit einem Sterben erlangen.

Es ist nicht mehr in der Wahrheit, denn eigentlich ein Tod, und ein Leben, wie mancher Tod es auch scheint, es ist nicht mehr, denn einer, und sie dienen alle zu einem Tod, daß der Mensch ganz und zumal gestorben sey, all seinem Willen, aller Eigenschaft, allem Unterschied und Geschaffenen, so viel es den Creaturen möglich ist. Also ist nicht mehr als ein einiges Leben, ein göttliches, überwesentliches, überbekenntliches, ungeschaffenes, wesentliches Leben. Und zu diesem Leben eilen, jagen und quellen alle Leben, daß sie dieß Leben erkriegen, und je näher sie diesem Leben kommen, und ihm gleicher werden, je wahrlicher leben sie, denn in und aus diesem Leben leben; alle Leben und anders nichts. Ohne dieses Leben kann man zu allen andern Leben sprechen, wie geschrieben steht: Du hast den Namen, daß du lebest, und bist doch in der Wahrheit todt. Wer nun dieß Leben allerwahrlichst, allereigentlichst und gründlichst in seines selbst Grund will treffen, der muß wahrlich, eigentlich und gründlich sterben; denn wer des Todes gebricht, der gebricht des Lebens, und wenn man gänzlich ausgestorben ist, so wird man ganz lebendig, ohne Unterschied. Dieß Sterben hat manchen Grad, wie auch das Leben. Der Mensch könnte in einem Tage tausend Tode sterben, und dieser Tod ist keiner, ihm antwortet zuhand ein wonnigliches Leben. Dieß muß vonnöthen seyn, Gott kann dem Tod das nicht weigern, noch widerstehen. Wie der Tod auch starker, kräftiger und gründlicher ist, so wird auch das Leben stärker, kräftiger und gründlicher, das dem Tode antwortet; je eigener der Tod, je eigener das Leben. Jegliches Leben bringt dem Menschen Kraft, und stärket ihn zu einem viel stärkern Sterben.

Wenn ein Mensch eines schmählichen Wortes stürbe, leidend das um Gottes willen, oder stürbe auch einer Zuneigung, inwendig oder auswendig, zu thun oder zu lassen, wider seinen eigenen Willen, an sich selbst oder an einem andern, was das sey, in Liebe und in Leid, in Worten, in Werken, im Gehen, im Stehen, oder eine Lust, in Geschmack oder Gesicht zu lassen, oder sich nicht zu entschuldigen, wenn man ihm Unrecht erzeigt, oder anderes, was es auch sey, woran man noch ungestorben ist, so thut dieß zuerst einem ungewohnten und ungestorbenen Menschen leider, als einem gestorbenen und auch wie es ihm selbst nachmals thut, wenn er sich daran gewöhnt hat. Dieser Tode stirbt er nimmer einen so kleinen, mit Ernst, ihm antwortet ein solches Leben, das ihn stärkt, zuhand einen größern Tod zu sterben, so lange und so viel, daß es ihm nachmals viel wonniglicher, lustlicher und fröhlicher ist, zu sterben, als zu leben; denn er findet das Leben in dem Tod, und das Licht leuchtet in der Finsterniß.

Also stirbt er so lange auswendig, bis er ganz gestorben ist, und nicht mehr den auswendigen Dingen zu sterben bedarf, wie sie auch seyen, dann hat er einen guten Kampf gekämpft, aber dann hat er inwendig noch viel zu sterben. Einem gestorbenen Menschen sind alle Dinge eigen, und er kann sie recht billig und wonniglich gebrauchen. Niemand werden die Creaturen je recht lustlich, inwendig-noch auswendig, er wäre ihrer denn vorher aus Liebe zu Gott ganz ausgegangen, und sie wären ihm und er ihnen ganz gestorben. Dann allererst kannst du dich ohne Sorge umwenden. Nie gewann ein Mensch seiner Vater, Mutter, Schwester, Bruder oder anderer Freunde rechte Liebe und Freundschaft in Gott, er sey ihrer erst aus Liebe zu Gott ganz ausgegangen und ihrer ganz gestorben; anders wären sie ihm feindlich, nicht freundlich. Darum sprach unser Herr: Ich bin gekommen, daß ich das Kind von dem Vater, die Tochter von der Mutter abscheide, und was des Menschen Hausgesinde oder ihm heimlich ist, das ist sein Feind.

Dieß ist noch ein kleiner Tod, daß man den auswendigen, tödlichen Menschen tödte und dem sterbe, denn es ist dem sehr leicht den auswendigen Dingen zu sterben, der sich treulich von weltlichen und unnützen Dingen in ein inwendiges, neues, göttliches Leben abkehrt. Dem wird der Tod in dem Leben bedeckt, daß er nichts weiß von Bitterkeit, weil er nichts als Süßigkeit vor sich hat; er hat nicht zu streiten, denn er ist den Feinden entlaufen und einen andern Weg gegangen. Wenn der recht eingekehrt ist, wie viel auswendige Dinge ihm auch begegnen, sie berühren sein Gemüth nicht inwendig. Maria war zu Christus eingekehrt, darum war sie dessen unbekümmert, was Martha auf sie klagte und schalt; sie dachte wenig, sich zu entschuldigen, sie dachte, schmeckte und fühlte anders. Also in aller Weise, wäre der Mensch von allen vergänglichen Dingen einwärts gekehrt, in ein Unbild, er wollte oder er wollte nicht, so müßte er alle Dinge vergessen, und in ihm verstürben während dem alle Bilde; denn in ihm lebt fortwährend Gleichheit und kein Bild; er stehet derer ganz ledig, und hat weder Stätte für sie, noch fremde Einfälle, noch einige Ungleichheit. Also ist dieser Mensch aller Dinge entbildet, und ihn können keine fremde Dinge einbilden. Diese Menschen möchte St. Paulus meinen, da er sprach: Ihr seyd todt und euer Leben ist verborgen, mit Christo in Gott. Sie sind m i t Christo verborgen, sie haben noch einen mit, und darum sind sie nicht eins, denn wo einer mit ist, da sind zwey. Christus, unser Herr, hat gesprochen: Vater, ich will, daß sie eins seyen, wie wir eins sind; nicht, wie ich Sohn und du Vater bist, und ich also mit dir vereinigt bin, sondern wie wir ein lauteres, einfältiges Eins sind, ein Wesen, ein Leben, ein Wirken, daß sie also eins und in dem einen vollbracht werden. Fürwahr, hierzu muß tausendmal ein näherer Tod gehören, dem solches Wesen, Leben und Wirken antworten soll, denn soll Gott aufs nächste ein, so muß die Natur aus, bis auf den letzten Punkt, ganz aus; Feuer und Wasser vertragen sich nimmer in Einem. Der muß gar geschwind und nahe aller Dinge sterben, dessen Leben Gott seyn soll. Ein Mensch, dem dieses (irdische) Leben zuwider, dem ist leichter zu sterben, denn soll der Mensch gänzlich sterben, so muß er auch des äußern Vorwurfs und alles innern Enthaltens zumal sterben, denn wenn man aller auswendigen Dinge todt ist, und sie uns todt sind, so will und muß Gott in uns leben, und ist dann unser Aufenthalt und Trost. Das Leben liegt in dem Tod und der Trost in dem Untrost verborgen.

Wenn der auswendige Mensch schweigt, so wird der inwendige leben und gar eigentlich und wonniglich sprechen, wie der Prophet sprach: Meine Seele hat den Trost verachtet, ich gedachte Gottes mit Lust, und bin wohl geübt und mein Geist fiel in Ohnmacht. Der auswendige Mensch will in allen Dingen, darin er lebt, oben seyn, und allezeit einen Vorwurf haben, wie geschrieben steht: Es ist mir gut, Gott anhangen; und auch diese Eigensucht muß ausgestorben seyn.

Soll der Mensch in der Wahrheit mit Gott eins werden, so müssen alle Kräfte des inwendigen Menschen auch sterben und schweigen. Der Wille muß selbst des Guten und alles Willens entbildet und willenlos werden, der Verstand oder die Vernunft seines Bekennens der Wahrheit, das Gedächtniß und alle Kräfte ihres eigenen Vorwurfs oder Gegenwurfs. Darum sprach unser Herr: Wer seine Seele will behalten, der soll sie verlieren, und wer seine Seele verliert um meinetwillen, der soll sie finden. Dieß ist ein harter Tod, wenn alle Lichter (der Seele) erloschen sind, und dann der reinen Seele wunderbar viele (himmlische) Lichter in ihre Kräfte einleuchten, und das alles durch der Seele Lichter, und lustliche, befindliche Gaben sind, denen sie allen sterben muß, denn sie sind noch nicht Gott allein; es ist noch ein Theil und nicht Eins. Denn wenn man allem dem stirbt, was in uns lebet und leuchtet, so findet man allererst die Seele eigentlich und nimmer eher zurecht. Wie hat der Mensch nun seine Seele verloren, der noch einige Freyheit und Eigenschaft in seiner Seele behalten hat, das er thun oder lassen mag? Und steht seine Seele noch in ihren eigenen Kräften, Willen und Werken, er will und will nicht, er wählt und verwirft, dieß that Christus, unser Vorbild, nicht. Er sprach in seiner höchsten Noth: Vater, nicht wie ich will, sondern wie du willst! recht als ob er sprechen wollte: ich habe keinen Willen; aber du, Vater, sollst meinen Willen haben, denn meines Willens bin ich entbildet und gestorben, und in deinen Willen gebildet und geboren.

Der Mensch, der noch ein Anhangen und einen Enthalt von Gott, ein Zukehren, ein Andenken und einen Willen haben will, der ist noch nicht eins worden. In welchem Menschen noch Hoffen und Fürchten, Liebe und Leid, Wahlen und Verwerfen steht, der steht nicht in dem Einen. Da ist auch nicht ein Werk; denn so fern als es eins ist, so ist weder Kennen, noch Liebhaben mit Unterschied, wie in dem göttlichen Wesen nichts ist, als eine Stille und eine Rast; aber Kennen, Liebhaben, Gebären, geboren werden, Wirken ist in den Personen, und nicht in Einigkeit der Natur, denn das macht Unterschied. Und waren die Personen in Gott nicht, so wäre kein Unterschied, und wäre nicht Natur in Gott, so wäre keine Einigkeit. In diesem Einen sind alle Werke geendet und geeinigt, und wir werden auch in Gott Eins durch Christum.

Der zweyte Theil der zweyten Predigt auf Ostern.

Wie man aller Bilde entledigt, und in das Eine verwandelt werde, und welche große Frucht darin gelegen sey.

Vater, ich bitte dich, daß sie eins seyen, wie wir eins sind; so sprach unser geliebter Herr und Erlöser, denn es ist vonnöthen. Darum soll der Mensch Vater und Mutter verlassen, und sich zu dem Einen halten, das ist, wenn der Mensch alle Dinge und Mannigfaltigkeit, aus- und inwendig, auch sich selbst, seine Sinne und Kräfte in Gott gelassen und verloren hat, so muß er auch Vater und Mutter, das ist die Dinge, die die Innigkeit in ihm geboren haben, vergessen und ihrer entbildet werden. Er muß der Tugend, die ihn geboren hat, überbildet werden, so fern als sie m Unterschied, in Werken und in Bilden steht; sie muß entbildet und wesentlich werden, und wieder eingebildet, daraus sie geboren und ausgeflossen ist, wo alle Bilde und Werke enden, das ist in Gott. Denn wo ein Bild der Tugend in der Seele steht, da könnte auch ein Bild der Untugend stehen. Wäre nicht Liebe, so wäre nicht Haß; wäre die Hoffart nicht, so erkennet man die Demuth nicht; hätte man nichts Niedriges, so wüßte man auch nichts Höheres, Darum muß mau alles Unterschieds und Bildung sterben, soll man aufs Höchste in Gott eins und also wesentlich überbildet werden. Alle Bilde nehmen dieß und das, und alle Wege trennen, und wenn man nun das Ende erreicht hat, so bedarf man der Wege nicht. Die Tugend wird uns nimmer so eigen, so wahrlich und wesentlich, als wenn wir ihrer in diesem Einen entbildet werden, denn da hat sie kein Hier, noch Da, noch kein Ansehen einiger Eigensucht, denn sie wirkt sich selbst, um sich selbst. Sie meinet nichts ausser sich selbst, das ist ausser Gott, denn Gott ist das Wesen aller Tugend; sie wirkt Gutes, um Gutes, sie ist Ursache ihrer selbst, und weiß kein anderes Warum, denn Gutes, weil es gut ist. Sie liebet um der Liebe, sie ist wahr um der Wahrheit, gerecht um der Gerechtigkeit willen.

Man fraget, warum unser Herr dem Pilatus nicht antwortete, was die Wahrheit wäre? darauf antwortet man gemeiniglich: Er ging hinaus, darum war er der Antwort nicht würdig. Also ist es auch hier, wer aus dieser göttlichen Einigkeit hinausgeht, der ist nicht würdig, die Wahrheit zu erkennen. Man kann nicht besser darauf antworten, als Wahrheit ist Wahrheit. Ihr ist nichts zu-, noch abzuthun, denn eine einfältige Wahrheit, ein einfältiges Gut, ein einfältiges Eins, das ist Gott, dem nichts ab-, noch zugeht. Die Creatur hat wohl Gutes, wie ein guter Engel, ein guter Mensch, ein guter Himmel; Engel, Mensch, Himmel haben wohl Gutes, Wahrheit, Wesen, aber alles in Weisen und Maßen und ein Ende.

Willst du alles Gute, Wahrheit und Wesen nehmen, so nimm sie in dem einfältigen Eins, in ihrem Ursprung, in dem Wesen ohne Weise. Laß Engel, Mensch und Himmel liegen, und nimm das wesentliche Gut, Wahrheit und Wesen, blos in sich selbst, denn was du dazu setzest, das vertreibt und bedeckt die Einigkeit, und weiset auf ein Ende, ein Schloß, ein Gefängniß. Eins sieht nicht nach aussen, es weiß nichts Fremdes, weder weit, noch nahe, es hat weder Breite, noch Länge. Dieses Eine, das Gott ist, hat alles Gute in sich selbst; nichts ist ausser ihm. Er giebt Gut und Wesen den Creaturen, und sie nicht ihm, also ist auch allem dem, was göttlich ist, es sey ein Mensch, ein Werk, eine Weise. Eine Weise, so fern sie göttlich ist, ist nicht ausser ihm, in ihm ist alles Gute, ohne Breite, ohne Länge, einfältiglich, wesentlich und wahrlich; nichts ist ihm fremd, noch ferne.

Ein göttlicher Mensch, der also durch Liebe aller Eigensucht gestorben, und Eins ist in Gott und Gott in ihm, also daß da weder ab- noch zugeht; was dieser Mensch thut, oder läßt in und durch Gott, das ist allezeit das allerbeste Werk, denn er thut es aufs Beste und Vollkommenste. Darin versäumt er sich nicht, in keinen Dingen, denn seine Werke sind in Gott gethan, nach seinem allerliebsten Willen, es sey Thun oder Lassen. Er hat auch so viel in dem allergeringsten, als im allermeisten Werke, denn es nimmt seine Güte nicht von aussen, es hat sie wesentlich von innen, und ist nicht besser durch die Länge und Breite. Es hat ein Ave Maria so viel Gutes in sich, mit gleicher Güte gesprochen, als ein Psalter, und ein Schritt gegangen, als über das Meer gefahren; aber der auswendigen größeren Arbeit antwortet großer zufallender Lohn. Das auswendige Werk nimmt seine Güte nach der Größe der Liebe in dem Wesen, und nicht von aussen, wie andere zeitliche Dinge. Ein Korn Goldes hat so viel von des Goldes Natur, als tausend Mark; aber wenn man in dem Golde nicht allein das Wesen sucht, dann begehrt man auch die Menge. Nicht also ist es in göttlichen Dingen, die ihre Güte von innen nehmen, nicht von aussen; darum ist so viel in dem Mindesten, als in dem Meisten, in einem, wie in allen, wenn der Grund gleich ist.

Das Auswendige ist nichts, denn ein Zeichen des Inwendigen. Ein Schild ausgesteckt, bezeichnet, daß da Wein im Keller ist; es kann aber auch da wohl Wein seyn, wo kein Schild hängt; der Wein ist darum auch dem Herrn nicht minder werth. Also ist es auch in der Wahrheit; habe ich einen guten, ganzen, göttlichen Willen, Gutes zu thun und alle die guten Werke und alle Güte, ja, was auch alle Heiligen und Menschen gethan haben und thun könnten, und alle Pein zu leiden, alle Almosen zu geben, und was ich durch Gott gerne thäte, gebricht es mir aber allein an meiner Macht, so habe ich dieses vor Gott ganz gethan, da geht mir nicht ein Haar breit ab, so fern mir es nicht an dem Willen gebricht. Was vor tausend Jahren geschehen ist, das ist in Gott eben so gegenwärtig, als was jetzt in einem jeglichen göttlichen Willen eines guten Menschen geschieht; was er also will, das hat ganz Wesen vor Gott. Augustinus spricht: Kehre in dich selbst, da findest du Gott allein; wie du dich in dich selbst kehrest, so kehrest du dich in Gott, denn er ist in dir und du in ihm, ein einig Eins.

Alle Dinge waren in ihm, ein Leben, spricht St. Johannes, und: Er kam in das Seine, und alle, die ihn empfingen, denen gab er Macht, Söhne Gottes zu werden. Gottes Sohn ist mit dem Vater eins in der Natur; also ist auch ein göttlicher Mensch aus Gnade mit Gott eins, in dem, worin er göttlich ist; aber lebt, oder ist irgend etwas anderes in ihm, so ist es auch anders mit ihm. Denn in dem, worin er göttlich ist, ist er wahrlich Gottes Sohn, und eins mit Gott, wie sein eingeborner Sohn, also daß Gott ausser ihm nichts thut, und der Mensch nichts ausser Gott thut. In der Wahrheit, so wenig sich Gott von seinem Sohn und von sich selbst scheiden könnte, so wenig könnte er sich von diesem Menschen scheiden, derselbe scheide sich denn zuerst von Gott; und, wo Gott diesen Menschen verlassen wollte, da müßte er sich selbst verlassen, und wo er sich selbst nimmt, da nimmt er diesen Menschen, denn er ist Eins im Einen. Ein Meister sprach: Ich mißgönne dem eingebornen Sohn nicht alles Gute, was ihm sein Vater gegeben hat, denn derselbige Sohn kann ich aus Gnade werden, aus welchen, durch welchen und in welchem alle Dinge sind. Da wird mau also eins, daß da keine Theile mehr sind.

Man spricht gemeiniglich, Gott wirkt, und nimmt nichts ausser sich selbst; also ist der Mensch gut und göttlich, den nichts beweget, ausser Gott, also daß Gott die Ursache aller seiner Werke sey, den er lauterlich darin meinet. Aber ich sage mehr: ein göttlicher Mensch nimmt nimmer Gott, noch denkt er an Gott, ausserhalb seiner selbst, denn wo er Gott nimmt, da nimmt er auch sich selbst, da Gott und er Eins geworden sind. Er findet Gott in sich selbst, er sieht nicht hinaus, er weiß nichts Fremdes, noch Fernes ausser Gott, denn gebiert er irgend etwas ausser Gott, so sind das Abgötter.

Wenn Gott sich in dem Menschen nimmt, und alle seine Werke durch ihn rührt und wirkt, und den Menschen nimmt, wie sich selbst (denn sie sind Eins im Einen), da nimmt und rührt er auch den Menschen, und wirkt durch ihn, und folglich nicht der Mensch, wie Jesus sprach: Der Vater, der in mir wohnet, wirket die Werke. Diesem Menschen (als Menschen) sind alle seine Werke fremd und so ferne, als einem, der über dem Meere ist, und er als er selbst nimmt sich ihrer nicht an, denn er ist es nicht, und wirkt es nicht, sondern Gott ist es, und dieser wirket in ihm. Wenn sich der Mensch annähme, Wesens oder Wirkens mit einiger Eigenschaft in Unterschied, so verdürbe er es, und bliebe in diesem Einen nicht.

Unser Herr Jesus sprach: Ich bin nicht allein, der Vater ist in mir und ich in ihm; also ist auch dieser Mensch mit dem Vater eins, dessen Sohn er wahrlich ist, wie St. Augustinus spricht: Darum ward Gott Mensch, auf daß ich Gott wurde; er ward darum des Menschen Sohn, auf daß ich Gottes Sohn würde. David spricht: Ihr seyd Götter und Söhne des Allerhöchsten. Was Gott daher seinem eingebornen Sohn gab, das giebt er diesen Menschen; aber daß ich das nicht annehme, noch bereit bin es zu empfangen, das ist seine Schuld nicht. Was vermag die Sonne, wenn einer die Thüre seines Hauses zuschließt, oder kranke, blinde Augen hat, daß er ihre Klarheit nicht sieht?

Die menschliche Natur, welche unser lieber Herr annahm, ist mir so nahe und eigen, wie ihm, und deren habe ich so viel, als er, oder du, oder irgend ein Mensch, oder als alle Menschen, die Natur ist mir so nahe, als unserm Herrn Christo; aber nicht die Person. Diese Natur (die auch meine Natur ist) nahm er an sich, und zog mich da in der Natur gänzlich in sich; und wenn ich mit meiner Person zurück bleiben will, was kann er dafür? Alle unsere Natur zog er so ganz an sich, daß er auch mit dieser Natur also wahrhaft Gottes Sohn ist, wie er das ewige Wort ist; darum kann man mit Wahrheit sagen, daß auch der Jungfrau Sohn Gott ist, wie die ewige, göttliche Geburt Gott ist, wegen Einheit der Personen. Damit hat er sich selbst, mit allem, was ihm der Vater gegeben hat, mir mitgetheilt, daß es so mein, wie sein eigen ist; aber wehe nur, wenn ich ihm in der Natur gleich bin, und mich nicht fürder zu seiner Person neige, mit lieblicher Einung. Nach der Natur sind mir der Sultan über Meer und alle Menschen so nahe, wie ich mir selbst; in der Natur stehen alle Menschen gleich eigen und gleich nahe, der mindeste wie der höchste, der thörichtste wie der weiseste, also ist auch unseres Herrn menschliche Natur ihm so nahe, wie Mir, und mir wie ihm; aber wehe mir, wenn ich ihm in der Natur gleich dir, und mir selbst mit eigener Liebe und Eigensucht näher bin, denn einem andern, der über tausend Meilen ferne von mir, und doch ein Mensch ist. Denn zu allen Menschen muß mein Herz und Liebe seyn, wie zu mir selbst, also, daß mir ihr Wesen, ihr Gut, ihr Gemach und Trost so lieb seyn soll, als mein Wesen, Gut, Trost und Gemach, und ihr Ungemach soll meins seyn, nicht mehr, noch minder, auf alle Weise. Des Meinen soll ich so ganz ausgehen, daß ich es nicht minder, noch mehr meine und schätze, noch es mehr genieße, darum, weil es mein ist, als das eines andern, den ich nie gesehen.

Darum ist jedoch nicht noth, daß ich die Werke allen Menschen gleich erweise, denn Gott liebet uns gleich, und erweiset das doch nicht allen gleich. Eine Ordnung ist in der Erweisung der Liebe, daß man an seinen Aeltern, Freunden, Kindern und andern Nächsten anfangen soll, und ihnen und allen Menschen so viel thue, als man kann. Man kann allen Menschen nicht gleich genug thun, ein jeder muß wohl denen genug seyn, die ihm empfohlen sind, auf daß sie nicht verderbt oder versäumt werden, es soll seyn darum, nicht weil es sein Vater oder Freund ist. Die Meinheit muß ab seyn, und dann thue die Werke, und wie es einem Menschen über Meer, den du nie gesehen hast, gefällt, dir das zu thun, so soll es dir gegen den seyn, wie gegen dieses Vater und Freunds, und gegen dich selbst, in aller Weise. Die Liebe und der Grund, und die Gunst soll allezeit in deinem Herzen zu allen Menschen ,gleich seyn, wiewohl die Erweisung auswendig nicht gleich seyn kann. Bist du in der Wahrheit gleich, und aus dir selbst gänzlich ausgegangen, daß du des Deinen nicht meinest, in keinen Dingen, noch in keiner Weise wollest oder haltest, so gehest du recht gleich in dieser Einung, wovon hier gesprochen ist, in alles, was Gott hat und ist; sein Wesen Mögen, Gebrauchen, gleich er selbst, das wird dir so eigen, wie ihm und alles, was alle Menschen, Engel und Creaturen an Gut, Freuden und Seligkeiten haben, das wird dein, wie es ihnen ist, weder minder, noch mehr, denn haben sie etwas Böses und Peinliches, das behalten sie selbst und bleibt ihnen, und bist du mehr ausgegangen und gelassen, und meinest des Deinen, deines Nutzens und Gewinnes minder denn sie, so ist ihr Gutes so viel mehr dein, denn ihnen, und du sollst dessen wonniglicher, eigentlicher und seliglicher gebrauchen, als sie. In der Wahrheit, wer mehr aus seiner Eigenliebe und seinem Eigenwillen ausgehet, der gehet mehr in göttliche Einigkeit ein; aber selbst dieses Gut und diesen Nutzen muß er nicht meinen, denn je minder man des Seinen meint, je mehr man dessen findet. Wer gänzlich ausginge, der müßte ohne allen Zweifel gänzlich eingehen, nicht allein, daß er gleich würde, sondern auch daß er gänzlich Eins würde, und alle Dinge gänzlich sein eigen, weder minder, noch mehr. Denn er steht und nimmt alle Sachen gleich von Gott, Liebe und Leid, und wird in keinen Dingen mit Ungleichheit berührt.

Darum sprach unser Herr: Nehmet mein Joch über euch, das ist, sein Wille soll allezeit weit über den unsern gehen. Damit hat er uns alle Dinge abgesprochen, denn nichts ist dem Menschen lieber, als er selbst und sein eigner Wille. Fürwahr, wer in dieser Einigung recht steht, der weiß so wenig von sich selbst, als von dem Sultan über Meer, denn er ist seiner selbst und andern Dingen ausgegangen, in aller Weise, daß er weder mehr, noch minder hat, darum ist er auch gleich eingegangen und steht im Gleichen; nicht daß er Gott gleich sey, denn er ist eingegangen in die Einung, und ist eins geworden, und hat Gleichheit vergessen. Eins ist eins und nicht gleich, darum ist dieser Mensch eins und innen, also lauter, ledig und blos, daß da nichts erscheint, als Eins. Nicht daß der Mensch sein natürliches Wesen in Gott verliere, denn wirklich, empfindlich und gebräuchlich weiß er sich nicht, als sich, sondern er weiß Gott allein; wie der Prophet spricht: Ich bin verändert und zu nichte geworden, und ich wußte es nicht. Von diesem Entwerden findet er nimmer ein Bild, denn er ist seiner selbst überbildet und aller Dinge in dem ungeschaffenen Bild, wo ein lauteres Wesen ohne Bild ist. Er weiß und wirkt nicht; Gott weiß und wirkt in und durch ihn, nach seinem göttlichen Willen, ohne alle Hindernisse, mehr denn er selbst oder einige Creaturen wissen. Es ist noth, daß ich hievon schweige. Dieß meinte unser Herr, da er seinen Vater bat, daß sie Eins mit ihm würden, wir er und der Vater Eins sind und vollbracht in Einem. Gott verleihe uns allen dieses selige Eins. Amen.

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