Schlachter, Franz Eugen - Samuel und Saul - 7. Das Gericht über das Haus Eli und über das Volk Israel.

Schlachter, Franz Eugen - Samuel und Saul - 7. Das Gericht über das Haus Eli und über das Volk Israel.

1. Sam. 4.

Die Erweckung des jungen Samuel sollte nach Gottes weisem Ratschluss das Mittel zur Neubelebung Seines ganzen Volkes sein. Gottes Wert ist wunderbar. ER fängt es in stiller Nacht im Herzen eines Knaben an, und mit der Zeit ergreift das heilige Feuer, das aus dem glimmenden Docht im Heiligtum angefacht worden ist, ein ganzes Volk. Freilich geht das nicht so schnell, wie es gesagt oder geschrieben wird.. Es ging über 20 Jahre lang seit jener Nacht, in welcher Sich der HErr dem Samuel offenbarte, bis die Bußbewegung so hoch ging, dass, wie es in Kap. 7,2 heißt das ganze Haus Israel dem HErrn nachgejammert hat. Die Entstehungsursache dieser Bußbewegung erzählen uns die Kapitel 4, 5 und 6. Das Mittel, durch welches sich der Lebensfunken dem Volk mitteilte war das Wort Samuel 8. „Das Wort Samuels geschah an das ganze Israel,“ Kap. 4,1., d. h. das Wort des Herrn, welches durch Samuel gepredigt war, verbreitete sich unter dem ganzen Volk. Es wurden in die Herzen der Kinder Israels Samenkörner niedergelegt, aus denen mit der Zeit eine liebliche Saat hervorsprossen sollte. Aber nicht, ohne dass es zuvor durch Sturm und Wetter ging, ja, es brach ein schweres Gericht über Israel herein, ehe es zur allgemeinen Umkehr kam.

Dieses Gericht fing an dem Haus Gottes an, an dem Priesterhause Elis, das durch seine Gottlosigkeit und Unbußfertigkeit Gottes gerechten Zorn auf sich herabgezogen hatte. Gott hatte diesem Hause geschworen, dass seine Missetat nicht sollte versöhnt werden, weder durch Opfer noch durch Gaben, ewiglich, Kap. 3,14. Jetzt nahte die Zeit, nachdem alle Warnungen, auch die letzte durch Samuel, vergeblich gewesen waren, wo Gott an die Ausführung Seiner Drohung schritt. Eli selbst, der schwache Vater, der nie ernstlich gegen die Sünde seiner Söhne eingeschritten war, wurde aufbehalten für diese Gericht. Er ward nicht weggerafft vor dem Unglück, wie es sonst etwa den Gerechten vergünstigt wird, sondern kam um in demselben Sturm, der seine Söhne ins Verderben riss. Sonst galt wohl ein hohes Alter, wie Eli es erreicht (er wurde 98 Jahre alt) in Israel als eine göttliche Gunst, für ihn aber sollte es eine Strafe sein. Denn er musste das Unkraut reifen sehen, das er auszureuten versäumt hatte, und musste ein Zeuge sein von dem Unglück, das seine Nachlässigkeit über ganz Israel gebracht. Seine Söhne nehmen ein Ende mit Schrecken, und der Schreck darüber tötete ihn selbst. Gott bewahre uns vor einem Ende, wie er es genommen hat, aber um nicht so zu sterben, müssen wir frühe guten Samen säen und das Unkraut nicht so ins Kraut schießen lassen, dass es nachher nicht mehr ausgerottet werden kann.

Das Gericht fing bei Eli übrigens schon vor seinem Tode an. Blindheit ist nicht immer eine Strafe für Sünden (Joh. 9,3), aber für den alten Eli war es ganz gewiss eine Strafe, dass seine Augen dunkel wurden, und er nicht mehr sehen konnte (V. 15): Er hatte einst nicht sehen wollen, als seine Augen noch gut waren, jetzt konnte er nicht mehr. Zu allen Sünden seiner Söhne hatte er immer wenigstens ein Auge zugedrückt, jetzt drückte ihm Gott endlich beide Augen zu. Wer nicht sehen will, wenn er soll, kann zuletzt nicht mehr, wenn er möchte. Die Verdunklung seiner Augen war freilich noch das geringste, was Eli in seinem Alter erlitt. Viel schwerer war es für ihn, noch immerfort Zeuge von der Missetat seiner Söhne sein zu müssen, unter deren Betragen er gewiss unsäglich litt. Er wusste, dass ihr Untergang unausbleiblich sei, und doch war das Verderben schon so weit fortgeschritten, und er nun so schwach, dass an ein Eingreifen und an eine Besserung nicht zu denken war. Wir können hoffen, dass die Vorwürfe, die er sich bei alledem zu machen hatte, den alten Mann zur Buße führten für sich selbst, und es traf ihn das Strafgericht wenigstens nicht unvorbereitet und verstockt, als es nun endlich kam. Sein Wort: „Es ist der HErr, Er tue, was ihm wohlgefällt,“ verrät wenigstens einigermaßen einen bußfertigen Sinn, und sein großer Schmerz über den Verlust der Bundeslade, der eigentlich die Ursache seines Todes ward, beweist, dass ihm die Sache Gottes am Herzen lag. Bei allem Nachteiligen, das von ihm und seinem Haus zu sagen ist, verdient doch das als ein schöner Zug hervorgehoben zu werden, dass weder Eli noch seine Schwiegertochter aus Schmerz über den Tod der beiden Priestersöhne stirbt, sondern es heißt von ihm: Als er aber der Lade Gottes gedachte, fiel Eli rücklings vom Stuhl und brach das Genick und starb,“ und ebenso brach seiner Schwiegertochter der Schmerz über den Verlust der Lade Gottes das Herz.

Gottes Strafgericht blieb aber nicht nur auf das Priesterhaus beschränkt, es traf ganz Israel eine schwere Demütigung, und das Volk erlitt einen unersetzlichen Verlust.

Eine Niederlage, wie sie an jenem Tage Israel von den Philistern erlitt, eine schwere Demütigung für das Volk. Eine Niederlage bedeutete beim Volk Gottes nicht nur einen Schlag für den Nationalstolz oder bloß einen materiellen Verlust, sondern war für sie immer ein Beweis, dass etwas in ihrer Stellung zu Gott nicht im Reinen sei. Andere Völker mögen es ihrer mangelhaften militärischen Ausrüstung zuschreiben, wenn sie unterliegen, Israel sollte wissen, dass ein Bann unter ihm sei, wenn es vor seinen Feinden nicht stehen konnte. Das merkten sie nun freilich bei ihrer ersten Niederlage, wobei sie 4000 Mann verloren, noch nicht. Sie fragten zwar: „Warum hat uns der HErr heute vor den Philistern lassen geschlagen werden?“ Sie fühlten, dass der HErr nicht mit ihnen sei. Aber anstatt nun Buße zu tun und sich ernstlich zu prüfen, wo der Fehler steckt, wollten sie die Hilfe des HErrn gleichsam erzwingen, indem sie die Bundeslade ins Lager kommen ließen, dass sie ihnen helfe von der Hand ihrer Feinde. Schon aus diesem Ausdruck, den sie brauchen, geht hervor, dass es nicht das Bewusstsein der Gegenwart des Herrn, sondern ein abergläubisches Vertrauen auf die Anwesenheit der Bundeslade war, welches sie beseelte. Die Bundeslade, als der Ort, wo der HErr Zebaoth über den Cherubim thronte (V. 4), war ja freilich das sichtbare Zeichen Seiner Gegenwart; aber hier eben sehen wir, dass wir das sichtbare Zeichen der Gegenwart des HErrn haben können, während der HErr selbst doch nicht in unserer Mitte ist. Für uns ist die Bibel dieses sichtbare Zeichen und auch der Tisch des Herrn; beides verkündigt uns die bleibende Gegenwart des HErrn in Seiner Gemeinde. Nun kann aber die Bibel an einem Ort sein, und der HErr ist doch nicht dort; und der Tisch des HErrn kann in einer Kirche stehen, während der HErr selbst doch nicht gegenwärtig ist, sondern dort verleugnet wird. Wie sollte ER da zugegen sein, wo Sein Opfer für ungültig erklärt, Seine Auferstehung in Abrede gestellt. Sein Geist in Nebel aufgelöst wird, und wo man doch gar keinen lebendigen, sondern nur einen toten Christus will? Oder aber, wie sollte der HErr da hilfreich nahe sein, wo man neben Ihm noch andere Götter hat? Das letztere war bei Israel der Fall. Sie wollten den HErrn in ihrer Mitte haben, Er sollte ihnen helfen, und doch steckten sie im Götzendienst. Das war auch der Grund, warum ihnen der HErr trotz der Anwesenheit der Bundeslade in ihrem Lager nicht beigestanden ist; sie waren im Bann wegen ihrem Götzendienst.

Und da half ihnen auch die herrliche Bundeslade nichts, so wenig als uns der Besitz der Bibel und der Genuss des heiligen Abendmahles dann etwas hilft, wenn wir im Bann sind. Ja, wir sollen die Bibel lesen, damit wir unsere Sünden erkennen, und beim Tisch des HErrn prüfe sich der Mensch, ob kein Bann in ihm ist, aber wir sollen nicht mit unbußfertigem Herzen auf diese heiligen Dinge ein abergläubisches Vertrauen setzen, sonst erweisen sie sich wirkungslos, oder sie dienen uns gar zum Gericht, und der HErr nimmt sie uns weg, wie Er den Kindern Israels die Bundeslade wegnehmen ließ.

Die Israeliten nahmen nun zwar die Bundeslade mit großem Jubel auf, als dieselbe in ihr Lager kam, und ob diesem Jubelgeschrei, vor dem die Erde erbebte, gerieten die Philister in nicht geringe Furcht, „Gott ist in das Lager der Israeliten gekommen!“ so sprachen sie; „wehe uns, denn es war zuvor nicht so, wehe uns, wer will uns von der Hand dieser mächtigen Götter erretten? das sind die Götter, die Ägypten mit allen Plagen in der Wüste schlugen!“ Wenn die Philister sich so fürchten vor der Bundeslade, und die Israeliten sich so übermütig freuten, wie groß musste da die Enttäuschung auf Seite der letzteren und dafür der Stolz auf Seite der ersteren gewesen sein, als es den Philistern nun trotz dieser „ mächtigen Götter“ gelang, die Israeliten so gänzlich zu schlagen, dass sie 30.000 Mann verloren! Enttäuschung ist etwas Schweres, besonders dann, wenn man auf den HErrn vertraut zu haben glaubt. Aber das Jubelgeschrei der Israeliten war eben gar kein echtes Vertrauen auf den HErrn gewesen. Daher hielt auch ihr Glaube gegenüber dem verstärkten Angriff der Philister nicht Stand. Der Feind erschrak zwar auf die erste Runde von der Ankunft der Bundeslade wohl, aber sobald er eben von einer Verstärkung des Volkes Gottes hört, verstärkt er sich auch, und da zeigt es sich dann, ob unsere Kraft bloß eine eingebildete oder eine wirkliche ist. Die Philister ermutigten sich gegenseitig und sagten zu einander: So seid nun tapfer und männlich, ihr Philister, dass ihr den Hebräern nicht dienen müsst, wie sie euch gedient haben, seid Männer und streitet!“ Und ehe sichs die Israeliten in ihrem Jubel versahen, griffen die Philister sie an und schlugen sie in die Flucht. Das ist eine ernste Warnung für uns, dass wir nicht meinen, der Sieg könne uns nicht fehlen, wenn wir nur die Gnadenmittel besäßen. Es ist eine traurige Tatsache, dass leider viele Christen vom Feind geschlagen werden, trotzdem sie die Gnadenmittel gebrauchen und glauben, der HErr sei mit ihnen. Wie kommt denn das? Kommt es nicht daher, dass man sich nur auf ein äußerliches Christentum verlässt, wie die Kinder Israels auf die Bundeslade, dabei aber doch eigentlich ohne wahre Gemeinschaft mit dem HErrn bleibt? Man hat zwar den Glauben, aber das gute Gewissen fehlt, und das ist der Grund, warum auch der Glaube nicht standhaft ist. Paulus schreibt an Timotheus, dass, wer den guten Kampf kämpfen wolle, zwei Dinge haben müsse, nämlich den Glauben und ein gut Gewissen, welches etliche von sich gestoßen und infolgedessen am Glauben Schiffbruch erlitten haben, 1. Tim. 1,18.19. Ohne ein gutes Gewissen können wir nicht bestehen vor dem Feind. So war es bei Israel. Sie hatten ihren Götzendienst und ihren Abfall von dem HErrn auf dem Gewissen, und die Priester überdies die gottlose Entweihung des Heiligtums. Die Bundeslade hatten sie noch, aber der HErr war von ihnen gewichen, sie hatten Ihn erzürnt durch ihre Gottlosigkeit.

Zum Zeichen dessen, dass Er von ihnen gewichen sei, verloren sie nun auch die Bundeslade noch. Das bedeutete für das Volk Gottes einen unersetzlichen Verlust, aber einen Verlust, durch den es allmählig zur Besinnung kam, bis das ganze Haus Israel dem Herrn nachjammerte, den es so tief betrübt. Man muss oft schweren Verlust erleiden, bis man zur Besinnung und zur Buße kommt. Der Verlust der Bundeslade bedeutet für Israel den Verlust des sichtbaren Zeichens der Gegenwart des HErrn. Nun, diese Strafe kann auch jetzt noch verfügt werden über einen Menschen, dass ihm der HErr jedes Gefühl und jedes Zeichen Seiner gnadenreichen Gegenwart und Seiner beseligenden Nähe wegnimmt. Wir können auch andere Verluste erleiden müssen, durch die es uns scheint, als ob der HErr selbst von uns gewichen sei, vielleicht den Verlust geliebter Angehöriger, Vermögensverluste oder den Verlust der Gesundheit. Prüfen wir uns da, was der HErr uns damit zu sagen hat. Fangen wir, wie Israel, an, Ihm nachzujammern, aber versinken wir auch nicht in allzu große Traurigkeit, als hätte der HErr uns wirklich verlassen, als fragte Er nicht mehr nach uns. Nein, bei all der tiefen Demütigung, die über Israel kam und bei dem schweren Verlust, den es erlitt, war und blieb es doch das Volk des HErrn. Der HErr hatte nur Seine Hand an das Volk gelegt, um es zu reinigen von seiner Abgötterei und es zuzubereiten für die Zeiten der Erquickung, die durch Samuels Wirken und hernach durch David ihnen noch sollten bereitet werden. So hat auch der HErr für uns Gedanken des Heils, und wir können glauben, dass die Hand, die uns geschlagen hat, den Verlust auch wieder ersetzen kann.

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