Kähler, Carl Nikolaus - Auslegung der Epistel Pauli an die Philipper in 25 Predigten - Vierzehnte Predigt.

Kähler, Carl Nikolaus - Auslegung der Epistel Pauli an die Philipper in 25 Predigten - Vierzehnte Predigt.

Was kann mich jemals scheiden
Von Gottes Liebe? - Noth?
Verfolgung? Trübsal? Leiden?
Schwert? Hunger? Krankheit? Tod?
Nichts! nichts! ich überwinde
Durch Jesum, der mich liebt,
Mich frei macht von der Sünde,
Mir selbst den Himmel gibt.

Du hast Recht, mein Christ, wenn du sagst: unter allen irdischen Gütern ist Gesundheit das größte Gut. Sage nur nicht: unter allen Gütern; denn es gibt irdische und himmlische Güter, als Vergebung der Sünden, Gerechtigkeit, Friede, Freude im heiligen Geist, das kleinste aber unter den Gütern des Himmelreichs ist köstlicher als das größte unter den Gütern der Welt. Scheidet man nun diese von jenen, so ist's wahr: unter allen ist kein größeres Gut als die Gesundheit. Was half dem Hiskia sein Königreich, was halfen ihm seine königlichen Gemächer und seine Millionen Unterthanen, da er todtkrank war, da er winselte wie ein Kranich und girrete wie eine Taube? Und auch noch in unsern Tagen: was hilft dem Reichen sein Gold und Silber, was hilft dem Vornehmen sein Stand und Ansehen, wenn der Schmerz in seinen Gebeinen wühlt und Krankheit die Stunden für ihn zu Tagen, die Tage zu Monaten, die Monate zu Jahren macht? Glücklicher ein Tagelöhner, der gesund ist, ob er gleich arbeiten muß und nur ein kärgliches Brot hat, glücklicher ist er dennoch, als ein auf dem Siechbette seufzender Reicher, der so viele Güter hat, daß er sie nicht zählen kann! Darum sorget, klaget, jammert nicht, ihr Gesunden, ob auch dies oder jenes andere Gut euch fehlt, sondern danket Gott, wenn er euch, euren Gattinnen, euren Kindern die Gesundheit schenkt, diese Krone aller irdischen Güter. Aber wie, wenn dies Gut fehlt, und es fehlt ja in so manchem Hause, wo die Gattin in Thränen gehet um des kranken Gatten oder der Gatte um der kranken Gattin, oder der Vater um des kranken Kindes, oder das Kind um der kranken Mutter willen! Nun, wisset, der die Gesundheit gibt - Gott thut es, - der gibt sie euch wieder; Gott, der Geber der Gesundheit, ist auch der Arzt der Kranken. Das ist es, was der heutige Text uns lehrt.

Phil. 2, V. 25 - 30: Ich habe es aber für nöthig gehalten, den Bruder Epaphroditus zu euch zu senden, der mein Gehülfe und Mitstreiter, und euer Apostel, und meiner Nothdurft Diener ist; sintemal er nach euch allen Verlangen hatte, und war hoch bekümmert, darum, daß ihr gehört hattet, daß er krank war gewesen. Und er war zwar todtkrank, aber Gott hat sich über ihn erbarmet; nicht allein aber über ihn, sondern auch über mich, auf daß ich nicht eine Traurigkeit über die andere hätte. Ich habe ihn aber desto eilender gesandt, auf daß ihr ihn sehet, und wieder fröhlich werdet, und ich auch der Traurigkeit weniger habe. So nehmet ihn nun auf in dem Herrn, mit allen Freuden, und habt solche in Ehren. Denn um des Werkes Christi willen ist er dem Tode so nahe gekommen, da er sein Leben so geringe bedachte, auf daß er mir dienete an eurer Statt.

Paulus wollte den Timotheus nach Philippi senden, und auch er selbst hoffte zu kommen. Für nöthig jedoch hielt er es, zunächst den Epaphrodit, den die Philipper mit einer Liebesgabe zu dem Apostel gesandt hatten, zu den Seinigen zurückkehren zu lassen. Warum? Weil sie gehört hatten, daß er in Rom erkrankt sei und sie daher seinetwegen in großer Sorge gingen. Aber waren denn keine Ärzte in Rom? und was mehr sagen will: war nicht Paulus da, dieser von Gott mit der Wundergabe, Kranke gesund zu machen, in dem Maße ausgestattete Mann, daß, wie wir in der Apostelgeschichte lesen, nicht nur jener Lahme zu Lystra durch ihn gesund wurde (Cap. 14), sondern in Kraft seiner Fürbitte und Handauflegung sogar alle Kranke auf der Insel Malta genasen (Cap. 28)? Dennoch erkrankt nicht nur Epaphrodit, sondern seine Krankheit hält an und nimmt in dem Maße zu, daß der Mann dem Tode nahe ist? - Nun, das ließ Gott geschehen, auf daß offenbar würde, daß weder Kraut noch Pflaster, noch selbst ein Apostel helfen kann, wo Gott nicht hinzutritt mit seiner Hülfe. „Ich bin der Herr, dein Arzt“, hören wir Gott sagen zu Israel (2 Mos. 15). Unser Text bestätigt das.

Gott der Arzt der Kranken.

Lassen wir das unsere weitere Betrachtung sein. Wir fragen nun 1. welcher Kranken Arzt ist Gott? und 2. wodurch heilet er sie? O, lehre es uns erkennen, großer Gott, daß, wie du ein Helfer bist in aller Noth, wir so auch in unsern Krankheiten vor Allem dich anrufen und auf deine Hülfe vertrauen

1.

In unserm Texte finden wir einen Kranken, der uns allen zum Muster dienen kann. Sein Name ist Epaphrodit. Aber achtet nicht so sehr auf diesen Namen, als auf die fünf andern, die der Apostel ihm gibt. Er nennt ihn seinen Bruder. Das war er in Christo, der ihn samt dem Apostel und allen andern Gläubigen zu Gottes Kind gemacht hatte. Sind wir in Christo Gottes Kinder, so sind wir ja auch unter einander Brüder. Weiter heißt er des Apostels Gehilfe, weil er mit ihm in Einer Arbeit stand, nämlich im Dienste für das Evangelium. Eben darum nennt er ihn auch seinen Mitstreiter; denn wer im Dienste des Evangeliums steht, der hat auch die Kämpfe und Gefahren zu bestehen, die damit verbunden sind; Epaphrodit bestand sie als ein treuer Streiter Christi. Zum Vierten und Fünften heißt er der Philipper Abgeordneter und Diener des Bedürfnisses Pauli, denn er hatte sich hergegeben zu der beschwerlichen Reise von Philippi nach Rom, wo er dem gefesselten Apostel mit mancherlei Dienstleistungen zur Seite stand, wo und wie immer er seiner bedürftig war. Da seht ihr nun, welch ein Mann es war, den Gott vom Tode errettete: ein gläubiger Christ, ein wahrhaftiges Kind Gottes, ein dem Evangelio treu ergebener, ein zu allen Dienstleistungen der Liebe bereitwilliger Mann. Solche Leute läßt Gott krank, todtkrank werden? Ja! ihr Glaube schützt sie gegen die Krankheit nicht, auch nicht gegen hundert andere Leiden dieser Welt. Krankheit gehört zu den Dornen des Weges, auf welchem die Kinder Gottes nach dem himmlischen Jerusalem wandern. Das thut Gott, damit, wenn sie nun in der Trübsal sind, seine Herrlichkeit an ihnen offenbar werde. Denn er führt sie zwar in die Trübsal, und führt sie oft tief hinein, aber er hilft ihnen auch wieder heraus. Von Gottes wunderbarer Hülfe in Krankheiten würde mehr unter uns geredet werden, wenn mehr Gleichgesinnte des Epaphroditus unter uns wären. Aber wie viele Kranke gibt es, die doppelt krank sind, nicht nur am Leibe, sondern auch an der Seele! Da fehlt der Glaube, da fehlt die Kindschaft, da fehlt die Liebe zum Evangelium, da fehlt der brüderliche Sinn, Summa, da fehlt Alles, was wir bei unserm Kranken in Rom finden. Wie wird's nun mit der Hülfe? Der himmlische Arzt steht vor der Thür, aber der Kranke sieht ihn nicht und spricht nicht: Komm herein und hilf mir! Also stirbt Mancher hin, dem Gott helfen würde, wenn er Glauben bei ihm fände, oder wenn Gott dennoch seiner sich erbarmt, so wird's nicht als Hülfe Gottes erkannt und als Gnade Gottes gepriesen. Christen, rüstet euch doch im Voraus mit den Epaphroditischen Eigenschaften auf euer Krankenbett. Die Krankheit bleibt nicht aus, aber auch der himmlische Arzt wird nicht fehlen, wenn ihr fromm und gläubig seid, wie jener Mann es war. Es gibt doch gewiß etliche unter euch, die in dieser Rücksicht nicht arm an Erfahrung sind. Gedenket jener Tage, wo entweder ihr selbst unter großen Schmerzen auf eurem Siechbette lagt, vielleicht schon aufgegeben von eurem Arzte, von den Eurigen; oder einer der Eurigen, mochte es nun der Sohn oder die Tochter oder die Gattin oder sonst Jemand sein, stand nahe an der Grenze der Zeit und Ewigkeit; aber ihr vertrautet auf Gott, ihr faltetet eure Hände, ihr betetet, und stehe! der barmherzige Gott half euch, half den Eurigen. Solche Erfahrungen hättet ihr nicht gemacht? Gott hilft noch jetzt, wie er vor achtzehnhundert Jahren half; aber Glauben und christlichen Sinn fordert er von den Kranken.

So verschieden die Kranken nach ihrer Gesinnung sind, so verschieden sind sie auch nach dem Grund ihrer Krankheit. Auch in diesem Betrachte kann uns Epaphrodit zum Vorbild dienen. Wie war er krank geworden? Paulus sagt: Um des Werkes Christi willen kam er dem Tode nahe, weil er nämlich dem Apostel dienen wollte, der für die Sache Christi wirksam war. Er setzte sein Leben in Gefahr, damit er ersetzte, was von Seiten der Philipper fehlte an der Hülfeleistung für den Apostel. Er that, was sie selbst gern gethan hätten, aber wegen ihrer Entfernung von Rom nicht thun konnten. Also sein Liebesdienst war der Grund seiner Krankheit. Darum preist auch der Apostel diesen Mann, empfiehlt ihn den Philippern und spricht: Nehmt ihn auf im Herrn, das heißt, wie sich's ziemt den Heiligen, mit aller Freude, und haltet solche Männer in Ehren. - Wollte Gott, aller Kranken Krankheit hätte einen solchen Grund! Aber wie Viele gibt es, die nicht durch ihre Tugend auf's Krankenbett kommen, sondern vielmehr durch ihre Untugend! Was hat jenen Unglücklichen um die Kraft seines Leibes und die Fülle der Gesundheit gebracht? Das hat die Wollust gethan, diese Menschenmörderin, die Tausende von Jünglingen und Jungfrauen in's Verderben stürzt. Wie blühte jenes Jünglings Jugend! Ach, er vergaß den Weg der Tugend und seine Kräfte sind verzehrt! Die böse Fleischessaat, vielleicht schon in früher Jugend gesäet, trägt ihre Frucht, sie zerrüttet die Seele und verwandelt das Haus, das Gott ihr zur Wohnung gegeben hat, in eine baufällige Hütte. Die wie lebendige Leichen umherschleichen und von Munterkeit, Frieden und Freude des Herzens längst nichts mehr wissen, fragt sie, woher diese Verwüstung rühre, so werden Viele von ihnen bekennen müssen: das ist die Frucht auf dem Acker der bösen Lust. - Andere zerstören durch Üppigkeit und Wohlleben ihre Gesundheit; sie gehören zu denen, welche sagen: Wohl her nun und lasset uns wohlleben, weils noch geht, und unsers Leibes brauchen, weil er noch jung ist. Sie haben ihr Gut verpraßt, sie haben ihrer Ehe und ihres Hauses Glück mit Füßen getreten; nun leiden sie Mangel und stehen mit Sorge auf, gehen mit Sorge in die Nacht. Kurz, die Sünde ist es, die Tausende siech und elend macht. Ist der Tod der Sünde Sold, wie sollte es nicht die Krankheit sein! Die Krankheit ist ja der Anfang des Todes und der Tod das Ende der Krankheit. Könnt nun ihr, die ihr leidet, was eure Thaten werth sind, mit kindlichem Vertrauen gen Himmel blicken und sprechen: Gott ist unser Arzt? Nein! das Gewissen stellt sich zwischen euch und Gott, und statt euch Muth zu geben, nimmt es euch den Muth. Und doch will Gott auch euch heilen, wenn ihr euch von ihm heilen lassen wollt. Warum sucht er euch mit Krankheit heim? Nicht, um euch zu verderben, sondern euer Siechthum ist die Kanzel, worauf der Herr euch Buße und Vergebung der Sünden predigt. Schlagt in euch; erkennet eure Schuld und geht mit mit Reue und Glauben zu dem, welcher spricht: Kommet her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid, ich will euch erquicken. Eure Krankheit ist nicht eine Krankheit zum Tode, wenn ihr nur Buße thut; und ob auch der Leib müßte sterben, so stirbt doch die Seele nicht, wenn nur der Herr das tröstliche Wort zu ihr spricht: Sei getrost, dir sind deine Sünden vergeben. Viele bedenken nicht, daß hierin allein die Möglichkeit ihrer Rettung liegt. Es heilet sie weder Kraut noch Pflaster, sondern weil die Wurzel ihrer Krankheit in der Seele ist, so sollten sie vor Allem ihre Zuflucht zu Christo nehmen und bei ihm Vergebung der Sünden suchen. Ist nur die Seele geheilt, so kehrt der Muth, so kehrt die Freude und Hoffnung zurück, und vielleicht gibt Gott dann auch dem Leibe die Gesundheit wieder. O sorgt doch, Christen, daß ihr in euren kranken Tagen vor allem ein gesundes Herz in euch habet, welches in kindlichem Glauben mit Gott reden kann. Ist die Sünde noch da, so lasset euch versöhnen mit Gott, damit sie weiche; ist sie aber bereits gewichen, so haltet sie von euch fern und verschließet ihr die Thür, daß sie nicht Krankheit, Tod und Verderben über Leib und Seele bringe. Wer wie Epaphrodit auf dem Krankenbette liegt, der mag getrost sein, denn Gott ist sein Arzt.

2.

Wie hilft denn Gott den Kranken? Wir treten mit dieser Frage in den zweiten Theil der Predigt. - Epaphrodit genas, obwohl er dem Tode nahe war. Nun wird des Arztes nicht erwähnt, auch nicht äußerlicher, irdischer Mittel, die man bei ihm angewandt, sondern bloß gesagt: Gott erbarmte sich über ihn. Aber der Apostel gedenket überhaupt dessen nicht, was von Menschen geschehen ist, selbst nicht des Gebets. Verwirft er denn etwa alle und jede menschliche Hülfe? Nein, er verweiset uns nur kurz auf das, was die Hauptsache ist, nämlich daß man Gott die Ehre geben soll, wenn einem Kranken geholfen wird. Ich zweifle nicht, wenn ein Lukas oder sonst ein Arzt zur Hand war, daß der Apostel ihn zu Rathe zog; noch weniger zweifle ich, daß Paulus samt den übrigen Gläubigen that, was auch sonst bei Krankheiten geschah, nämlich daß sie für den Kranken Herz und Hand zu Gott erhoben und mit brüderlicher Fürbitte die Hülfe von oben erflehten. Wo in der Schrift wird uns gelehrt, daß wir die irdischen Mittel verachten, und ungebraucht lassen sollen? Ärzte gab es auch in Israel, von Anfang an, und Kraut und Pflaster wurden gebraucht auch von den heiligsten Männern in Israel. Jesajas hieß den Hiskia ein Pflaster auf seine Drüse legen, daß er gesund würde (Jes. 38). Ihr wißt, wie Jesus Sirach die Ärzte preiset. „Laß den Arzt zu dir, denn der Herr hat ihn geschaffen.“ „Der Herr läßt Arznei aus der Erde wachsen, und ein Vernünftiger verachtet das nicht“ (Sir. 38). Ist nicht die Welt samt allem, was in der Welt ist, Gottes Werk und Gabe? Der uns speiset, wenn uns hungert, der speiset uns nicht ohne das Korn, das er auf dem Acker wachsen lässet; der uns kleidet, der kleidet uns mit Flachs und Wolle, und der uns gesund macht, der weiset uns an den Arzt und an die heilenden Mittel und Kräfte der Natur. Auch unser Heiland selbst weiset uns in die Natur hinein: die Kranken, spricht er, bedürfen des Arztes. Sollten wir nun etwa so trennen, daß wir sagten: Was von Gott kommt, das kommt nicht aus der Natur, und was aus der Natur kommt, das kommt nicht von Gott? O nein! auch der kranke Wurm auf dem Erdboden wird nicht gesund ohne Gott, und auch die Lilie auf dem Felde wird nicht gekleidet ohne ihn. Was ist die Natur, was ist die ganze Welt anders als eine göttliche Vorrathskammer, in der auch nicht das Geringste gefunden wird, das nicht Gott hätte hineingelegt? Darum sollst du Gott preisen, auch wenn die Mittel aus der Welt kommen, womit dir geholfen wird. Fürwahr, weder das Brot könnte dich sättigen, noch die Arznei dich heilen ohne die Hand Gottes, die Beides gemacht, und ohne die Kraft Gottes, die in Beidem ist. So wenig wir die irdischen Mittel verachten sollen, so wenig und noch viel weniger sollen wir aus der Natur eine Göttin machen, der wir die Ehre geben, die Gott gehört. Was thun die, welche keinen Glauben, also auch keinen Gott haben? Sie vertrauen, wenn sie krank sind, allein auf Menschen, wie Assa, der in seiner Krankheit nicht den Herrn suchte, sondern die Ärzte - also entschlief Assa (2 Chron. 16). Welcher Arzt, selbst wenn er nicht reich in Gott wäre, sondern bloß reich an Erfahrung, wird sich zu einem Gott machen, in dessen Hand Leben und Tod der Menschen läge, und nicht viel mehr bekennen: Mit meiner Macht ist nichts gethan? So sollst auch du weder ihn noch die Natur vergöttern, sondern alle deine Hoffnung auf Menschen in den Glauben fassen, welcher zu Gott flehet, ehe ihm geholfen ist, und Gott kindlich danket, wenn ihm geholfen ist. O das sei ferne, mein Gott, daß ich je, wenn ich krank bin oder mit sonst einer Noth zu kämpfen habe, mein Herz und mein Vertrauen von dir abziehen, und mit Menschenhülfe Abgötterei treiben sollte.

Thut einen Blick in's Neue Testament, wenn ihr wissen wollt, woher die Hülfe kommt. Da findet ihr den, welcher hinweiset auf seine Werke, die er gethan. Welche Werke sind's? „Die Blinden sehen, die Tauben hören, die Lahmen gehen, die Aussätzigen werden rein, die Todten stehen auf.“ Christus heilete allerlei Seuche und Krankheit im Volk (Matth. 4), und die sonst nirgends Hülfe finden konnten - denkt an jenes Weib, Marci 5, welches viel erlitten von den Ärzten, und hatte all ihr Gut darob verzehret, und half ihr nichts, sondern vielmehr ward es ärger mit ihr, - auch solche kamen und wurden durch ihn gesund. In welcher Kraft half er denn den Kranken? In der Kraft des allmächtigen Gottes, der Himmel und Erde geschaffen hat, und der die Todten auferweckt. Er hat nicht Feder und Papier in seiner Hand, schreibt nicht Recepte und läßt die Kranken damit in den Arzneiladen geben; sondern von Gott, seinem Vater, legt er Zeugnis ab, und verkündigt das heilsame Wort, welches die Seele heilet und von der Seele aus auch den Leib.

Schon zu Israel hatte Gott gesagt durch Moses: Wirst du der Stimme des Herrn, deines Gottes, gehorchen, und thun was. recht ist vor ihm, so will ich der Krankheiten keine auf dich legen, die ich auf Ägypten gelegt habe, denn ich bin der Herr, dein Arzt (2 Mos. 15). Hier nun, in Christo Jesu, beweiset es. Gott mit vielen Thaten, die durch den Heiland geschehen und auch durch seine Jünger, daß er der Arzt der Seinen ist. Aber Gottes Weise ist es, daß er nicht von außen nach innen, sondern von innen nach außen die Kranken heilt. Er will ein Volk, das sich abwendet von aller und jeder Abgötterei und sich im Glauben ganz zu ihm, dem lebendigen Gotte, bekehrt; er will ein Volk, das auf ihn vertraut und fleißig ist zu guten Werken. Werdet solch ein Volk, so werdet ihr erfahren, daß Gott noch immer ein Arzt der Kranken ist. Selbst an Wundern wird es dann nicht fehlen. Wähnet nicht, die Zeit der Wunder sei vorbei. Gott thut seine Werke nicht wie die Menschen ihre Werke thun, die gern Gepränge damit machen vor der Welt; nein, die Wunder Gottes gehen bescheiden einher und kleiden sich gern in das Gewand der Natürlichkeit; so scheinen sie von unten zu kommen, und kommen doch wahrhaftig von oben. Unsere Gebete in der stillen Kammer, wie unsere Gebete in diesem Gotteshause, für uns und Andere, was nützen sie; wenn kein Gott wäre, ohne dessen Willen kein Haar von unserm Haupte fällt? So mögt ihr denn immerhin die Mittel zur Hülfe in der Schatzkammer der Natur suchen und Menschen herbeirufen in eurer Noth; aber Alles, was ihr thut, das thut im Namen Gottes, zu dem ihr beten und auf den ihr vertrauen sollt. Dazu werden wir auch allenthalben ermahnet in der heiligen Schrift. Betet, spricht sie, und lasset über euch beten, wenn ihr krank seid; des Gerechten Gebet vermag viel, wenn es ernstlich ist. Auch Sirach spricht: Wenn du krank bist, so bitte den Herren; laß von der Sünde und reinige dein Herz von aller Missethat; darnach (sagt er) laß den Arzt zu dir. „Es gibt ja Tausende, denen wegen Armuth oder anderer Ursachen die Hülfe der Menschen verschlossen ist, obgleich sie sie gerne suchten: Sollten diese Alle Kinder des Verderbens sein? Auch ihnen hilft Gott, wie er dem Reichen hilft, an dessen Krankenbette zehn Menschenhände thätig sind. Nun, mein Gott, das soll immer, wenn ich krank bin oder die Meinigen erkranken, mein Erstes sein, daß ich im Glauben zu dir gebe, und auch wenn durch Menschen mir geholfen wird, will ich sprechen: Du bist mein Arzt. -

Hilft uns denn Gott allezeit auf unsere Bitte? Er thuts vielleicht erst auf die zehnte, auf die zwanzigste Bitte, damit wir nicht, wenn er sofort hälfe, unser Vertrauen auf und selber stellen, sondern auf ihn, der die Todten auferweckt. Auch Epaphrodit kam dem Tode nah, und je größer das Vertrauen der Philipper zu der Wunderkraft des Apostels gewesen war, desto größer wurde ihre Sorge, als sie hörten, daß der Kranke, obwohl zu den vielen Ärzten in Rom auch noch der Apostel Paulus zugegen war, dennoch dem Sterben nahe gekommen sei. Siehe; so muß es oft bis zum Äußersten kommen, damit, wenn schon der Tod auf den Lippen schwebt und alle Hoffnung verloren scheint, Gott durch seine Hülfe sich an dem Kranken verherrliche. Laßt denn euer Vertrauen und euren Muth nicht sinken, liebe Christen, sondern wisset, daß Gott auch aus dem kleinsten Lebensfunken wieder ein Feuer machen kann. Der dem Hiob half, wie krank er auch war; der den Aeneas heilete, der acht, und den Kranken zu Bethesda, der achtunddreißig Jahre krank gewesen war, der Gott lebet noch.

- Aber wenn nun dennoch die Krankheit mit dem Tode endete? Es hat vielleicht in diesem Betrachte der Eine und Andere von euch schon traurige Erfahrungen gemacht. Die Gattin erkrankte oder der Sohn oder sonst ein theurer Mensch; dein Leben hättest du hingeben mögen für dieses Kranken Genesung, aber trotz deines Flehens zu Gott riß der Tod ihn von dir hinweg und erfüllte mit großer Traurigkeit dein Herz. Aber, mein Christ, stehst du mit deinem Leid nicht auf dem Boden des Himmelreichs? Siebe, es muß ja der Tod zu einem Jeglichen von uns kommen, nur daß er früher zu dem Einen, als zu dem Andern kommt. Was ist denn aber der Tod für einen Christen anders als die völlige Genesung? Es muß der Weisheit Gottes überlassen bleiben, welche Genesung er auf die Krankheit folgen lassen will, ob die Genesung zum irdischen oder die zum ewigen Leben, auf die kein Tod mehr folgt. Die nun in Gott entschlafen sind, die rühret keine Krankheit und keine Qual mehr an, und bist du gleich von ihnen getrennt, so bist du's doch nur äußerlich und auch dies nur auf kurze Tage. Lerne von deinem Heilande die Kunst, Gott zu preisen, magst du am Bette des Genesenden oder am Sarge des Entschlafenen stehn. Was aber dich selbst betrifft, o so werde ein gläubiger Christ, bevor es mit dir zum Krankwerden und zum Sterben kommt, damit du alsdann eine feste, kindliche Zuversicht zu Gott haben könnest als zu deinem Arzt, der dir gewißlich zur Seite stehen und dir helfen wird, sei es vom Tode zum Leben oder durch den Tod zu seinem himmlischen Reich.

Hilf mir auf meinen Heiland schauen,
O Gott, und kindlich ihm vertrauen;
Krank und gesund ihm ähnlich sein.
Du magst Gesundheit, Krankheit, Leben
Alsdann mir nehmen oder geben:
So darf ich deiner Huld mich freu'n.

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