Harms, Ludwig - Der Psalter - Der 46. Psalm.

Harms, Ludwig - Der Psalter - Der 46. Psalm.

Der Gesang: Ein' feste Burg ist unser Gott, welchen wir eben gesungen haben, ist aus diesem sechsundvierzigsten Psalm genommen, und schon daraus könnt ihr sehen, was für ein mächtiger Psalm das sein muß, der solch ein mächtiges Lied hat hervorbringen können; denn dieser Gesang ist wohl eins der mächtigsten Lieder, die unsere lutherische Kirche besitzt. Luther hat diesen Gesang bei folgender sehr wichtigen Veranlassung gemacht, wie erzählt wird. Als die lutherischen Fürsten und Gottes' gelehrten auf dem Reichstage zu Augsburg versammelt waren, um dem Kaiser und der römischen Geistlichkeit gegenüber ihren Glauben zu bekennen, die vor Wuth gegen die Knechte Gottes schnoben, da schien es nicht anders, als ob die neue Kirche mit Stumpf und Stiel ausgerottet werden sollte. Der Kaiser, und Papst hatten sich gegen die Evangelischen verschworen, der Teufel blies tüchtig ins Feuer und die Scheiterhaufen standen schon bereit, auf denen die treuen Anhänger der Wahrheit verbrannt werden sollten. Luther durfte nicht auf den Reichstag, denn er steckte noch in Bann und Reichsacht, und blieb deßhalb in Coburg, wo ihn sein Kurfürst beschützte. Da gingen wöchentlich Boten von Augsburg nach Coburg und von Coburg nach Augsburg: von Augsburg kamen Klagelieder, und Luther schickte ihnen Glaubensbriefe zurück. Eines Tages kamen auch wieder Klagelieder des Inhalts, daß der Papst und der Kaiser sich verschworen hätten, die Kirche ganz zu vernichten, und daß es den Evangelischen nicht einmal erlaubt sei, ihr Glaubensbekenntniß vorzulesen. Luther wußte in der Noth seiner Seele keinen andern Rath, als den, den er aber meisterhaft verstand, er ging zu seinem Gott und Heiland und redete mit Ihm, als ein Kind mit seinem Vater, als ein Freund mit seinem Freunde, legte Ihm die Noch der Kirche an das Herz und sagte, Er allein könne helfen, denn Menschen Hülfe sei hier nichts nütze, aber Er müsse auch helfen, denn es sei Sein Werk. Als er so gebetet hatte und von den Knieen aufstand, - denn er hielt das Beten auf den Knieen noch nicht für katholisch, wie jetzt viele Leute thun, die sich nach ihm Lutheraner nennen, - da setzte er sich an den Schreibtisch, schlug seine Bibel auf und las den Psalm, der in der täglichen Lection an der Reihe war. Denn Luther las nicht die Bibel heute hierhin und morgen dahin hüpfend, wie jetzt viele Tanzmeister, die nicht bei der Reihe bleiben können, sondern sich immer etwas Besonders aussuchen müssen.. Hatte er gestern den 45. Psalm gelesen, so las er heute den 46. Psalm. Und er las den 46. Psalm einmal und noch einmal und dadurch wurde er herzlich fröhlich. Dann setzte er sich hin und schrieb das herrliche, schöne Lied: Ein' feste Burg ist unser Gott. Das ist der 46. Psalm in Verse gebracht von Dr. Luther, eines der gewaltigsten Lieder, die unsere Kirche besitzt. Der 46. Psalm ist aber auch darnach angethan, ein solches Lied zu gebären. Es heißt zu Anfang desselben: Gott ist unsere Zuversicht und Stärke, eine Hülfe in den großen Nöthen, die uns getroffen haben. Daß der mächtige Kaiser sein bitterer Feind war und daß der mächtige Papst sein noch bitterer Feind war, wußte Luther. Alle, wie es schien, hatten sich verschworen der theuren Kirche des reinen Evangeliums ein Ende zu machen. War da nicht alle Welt gegen ihn? Aber das ist sein Trost: Gott ist unsere Zuversicht und Stärke, eine Hülfe in den großen Nöthen, die uns getroffen haben. Deßhalb kann er getrost weiter singen: Darum fürchten wir uns nicht, wenn gleich die Welt unterginge, und die Berge mitten ins Meer sänken; wenn gleich das Meer wüthete und wallete, und von seinem Ungestüm die Berge einfielen. Dennoch soll die Stadt Gottes fein lustig bleiben mit ihren Brünnlein, da die heiligen Wohnungen des Höchsten sind. Ja, wenn man sagen kann: Gott ist unsere Zuversicht und Stärke rc., dann mag gern meinetwegen die Welt zusammenfallen, die Berge in's Meer stürzen, und das Meer mit seinen Wellen schäumen, die Kirche, die Stadt Gottes muß dennoch bleiben. Ob Himmel und Erde, Kaiser und König, der Papst und die ganze römische Geistlichkeit dagegen stürmen, die Stadt Gottes muß doch fein lustig bleiben. Warum? Hört erstens: In der Kirche sind die Brünnlein Gottes, und die würden weg sein, wenn die Kirche unterginge. Zweitens: Da sind die Wohnungen des Höchsten! Die würden ebenfalls weg sein, wenn die Kirche unterginge. Drittens: Gott ist bei ihr drinnen; es gäbe aber keinen Gott mehr, wenn die Kirche überwunden würde. Darum heißt es erstens: Dennoch soll die Stadt Gottes fein lustig bleiben mit ihren Brünnlein, Gott hilft ihr frühe. Was ist denn das, die Brünnlein Gottes? Das sind die theuren Gnadenmittel, die Predigt des göttlichen Worts und die Verwaltung der Sakramente. Denn wie aus den Brünnlein auf Erden alles Wasser quillt, das zum irdischen Leben nöthig ist, so quillt aus diesen Brünnlein alles himmlische Wasser, das zum geistlichen Leben ersorderlich ist. Es giebt kein recht gesundes geistliches Leben, das nicht aus Wort und Sakrament kommt. So gewiß, wie diese Brünnlein nicht aufhören dürfen, denn Gott will, daß die Menschen selig werden, so gewiß darf auch die Kirche nicht aufhören. Die heilige Taufe muß bewahrt werden, denn dadurch werden dem HErrn Kinder geboren, wie der Thau aus der Morgen, röthe Ps. 110, 3. Die reine Predigt des Evangeliums muß bewahrt werden, denn dadurch werden die Kinder Gottes mit geistlicher Milch getränkt. Das heilige Abendmahl darf nicht aufhören, denn darin bekommen die Kinder Gottes die Himmelsspeise Seines wahrhaftigen Leibes und Blutes. Und eben so gewiß muß die Kirche bleiben, denn in der Kirche und sonst nirgends, ist Taufe, Predigt und Abendmahl zu finden. Zweitens: In der Kirche sind die Wohnungen des Höchsten. Was sind die Wohnungen des Höchsten? O meine Lieben, Wohnungen des Höchsten giebt es allein in der Kirche, und sonst nirgends. Haben wir nicht vorhin zu Anfang des Gottesdienstes gebetet: Hier in der Kirche ist unser Vaterhaus, unsere rechte Wohnung? Heißt es doch im 84. Psalm: Der Vogel hat ein Haus gefunden, und die Schwalbe ihr Nest? Wo denn? An Deinen Altären, HErr Zebaoth, mein König und mein Gott. Mein irdisches Haus kann man mir nehmen, und nimmt man mir's, so kann ich auf die Frage: Wo willst du bleiben, wenn du aus dem Hause gejagt wirst? mit Luther antworten: Unter dem Himmel. Aber die Kirche kann ich nicht entbehren, ohne Kirche hätte ich kein Vaterhaus, keinen Altar des HErrn. Darum muß die Kirche bleiben, wo die Kinder Gottes geborgen sind. Nun heißt es drittens: Gott ist in ihr drinnen. Ist Gott darinnen, so ist sie Gottes Haus, ist sie aber Gottes Haus, so ist sie unser Vaterhaus, denn wir sind Gottes Kinder und Kinder müssen sein wo ihr Vater ist. Darum sagen wir, wenn die Glocken läuten: Wir wollen ins Gotteshaus gehen. Gott kann uns unsre Kirche, d. h, unsere Gottesdienste nicht nehmen, die Kirche sann nicht untergehen, denn sonst müßten die Ungläubigen Gott hinaus werfen, und so stark sind sie doch noch nicht. Darum laß das Meer wüthen, die Stürme toben und die Berge stürzen: die Kirche muß bleiben. In den Stürmen, die jetzt über die Kirche hereingebrochen sind und noch hereinbrechen werden, kann die Stadt Gottes nicht überwältigt werden; der Untergang wird die Feinde treffen, aber nicht die Kirche. Deßhalb heißt es weiter: Die Heiden müssen verzagen und die Königreiche fallen i das Erdreich muß vergehen, wenn Er sich hören läßt. Der HErr Zebaoth ist mit uns, der Gott Jakobs ist unser Schutz. So laß denn immerhin die Heiden, d, h. die Feinde des Reiches Gottes sich zusammen rotten, um gegen die Kirche zu wüthen, laß die Könige sich gegen die Kirche erheben, ja meinetwegen, laß das Erdreich sich dagegen auflehnen, der HErr Zebaoth ist mit uns, Er ist Seiner Gläubigen und Seiner Kirche Schutz. Darum müssen alle Heiden und alle Königreiche vor Ihm sich beugen. Ja, Er handelt mit Seinen Gläubigen noch viel wunderbarer. Er spricht im Folgenden ein Wort, das nur die Gläubigen durch den heiligen Geist verstehen können, allen andern ist es unverständlich. Er sagt: Kommt her und schauet die Werke des HErrn, der auf Erden solches Zerstören anrichtet; der den Kriegen steuert in aller Welt, der Bogen zerbricht, Spieße zerschlägt und Wagen mit Feuer verbrennt. Versteht ihr den Spruch? Kommt her und schauet die Werke des HErrn, der auf Erden solches Zerstören anrichtet. Ich meinte, das Zerstören käme dem Teufel zu, und nicht Gott? Ich meinte, Gott wäre ein Friedensgott und nicht ein Zerstörer?

Ja, das ist ein merkwürdiges Zerstören, was Er thut. Er zerstört die Kriegswaffen, andere Menschen zerstören mit Kriegswaffen. Den Kriegen steuert Er, die Bogen zerbricht Er, die Spieße zerschlägt Er und die Wagen läßt Er mit Feuer verbrennen; es sollen keine Bogen, Spieße und Schwerter mehr sein. Die Kirche Gottes soll nicht eine Kriegskirche, sondern eine Friedenskirche sein, die sich durch Gottes Wort und Sakrament ausbreitet; Sein Reich ist ein Friedensreich. Ist das nicht ein seliges Zerstören? Das stimmt auch mit der ganzen Bibel überem. Was haben die Engel bei Jesu Geburt gesungen? Friede auf Erden! Luc. 2, 14. Jesu erste Predigt lautete: Selig sind die Friedfertigen, denn sie werden Gottes Kinder heißen Matth. 5, 9. Paulus sagt: In der Kirche des HErrn ist Gerechtigkeit, Friede und Freude in dem heiligen Geist Röm. 14, 17. In dieses Friedensreich tritt ein Jeder ein, der sich zu Jesu bekehrt. In Jesu habe ich Vergebung der Sünden, und darum bin ich ein Friedenskind. Denn wo Vergebung der Sünden ist, da ist Friede mit Gott durch. Jesum Christum und Friede mit den Menschen. So merket nun, was der HErr zum Schluß des Psalms sagt: Seid stille und erkennt, daß Ich Gott bin. Ich will Ehre einlegen unter den Heiden, Ich will Ehre einlegen auf Erden. Der HErr Zebaoth ist mit uns, der Gott Jakobs ist unser Schutz. Ja, der HErr will Ehre einlegen auf Erden, Er will Ehre einlegen unter den Heiden. Er ist der Siegeskönig und kann nicht besiegt werden, denn Er ist Gott, und das ist die Ehre, die Er einlegen will auf Erden und unter den Heiden: Er behält den Sieg. Darum fürchte sich nur Niemand, sondern ein Jeder folge dem HErrn Jesu nach durch dich und dünn, durch Dornen und Hecken; die Stadt Gottes kann so wenig untergehen, wie Gott untergehen kann: Der Sieg gehört dem HErrn. Das wäre der schmählichste Unglaube, wenn Jemand an dem Siege des HErrn den geringsten Zweifel haben wollte. Amen.

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