Grafe, Hermann Heinrich - Aus den Tagebüchern

Grafe, Hermann Heinrich - Aus den Tagebüchern

Der traditionelle Glaube ist vielen ein Ablaß für die Notwendigkeit des persönlichen Glaubens, um selig zu werden.

Viele leben für das Wissen und wissen nicht zu leben.

Ich frage mich nicht selten: Wenn du wüßtest, daß diese Nacht die letzte für dich wäre, was würdest du dann tun? - Ich würde nichts anderes zu tun vermögen, als was ich auch sonst tue: ich würde mich dem Herrn Jesus als ein armer Sünder befehlen, der nichts Ihm bringen kann, als ein Herz, das Seiner bedarf und deshalb auch nach Ihm verlangt.

Wenn ich den Glauben vom Standpunkt der reinen Vernunft betrachte, so erscheint mir dieser als der größte Unsinn. Und wenn ich die Vernunft vom Standpunkt des reinen Glaubens ansehe, dann kommt sie mir als größte menschliche Anmaßung vor. Unter diesem wechselseitigen Eindruck wird man leicht dazu verführt, die Pole abzuschwächen: den Glauben etwas vernünftiger und die Vernunft etwas gläubiger zu machen, wodurch sich dann der Unsinn mit der Anmaßung verbindet.

Der Glaube, der sich auf sein Glauben stützt, ist kein Glaube mehr, sondern ein Werk.

Das Bedürfnis nach Liebe weist darauf hin, Gott besitzen zu müssen, um glücklich zu sein; denn Gott ist Liebe (1. Johannes 4,8)

Nicht dadurch wird mir die Sünde vergeben, daß ich sie vergesse; wohl aber kann und darf ich die Sünde vergessen, wenn sie mir vergeben ist, weil Gott selbst ihrer dann nicht mehr gedenkt (Jeremia 31,34)

Die Liebe zur Wahrheit ist der beste Weg zu ihrem Verständnis.

Es ist eine traurige Art von Selbstverleugnung, wenn man von sich wenig hält, um wenig zu tun. Denn wer kärglich säet, wird auch kärglich ernten.

Wenn es wahr ist, daß die „unsichtbare Kirche“ aus allen denjenigen besteht, die von Herzen glauben, dann ist es ebenso wahr, daß die „sichtbare Kirche“ nur aus solchen bestehen soll, die jenen Glauben mit ihrem Munde und ihrem Leben wirklich bekennen.

Nur durch die Erziehung des Heiligen Geistes empfängt der Gläubige jenen christlichen Takt im Leben, der ihn in seiner Handlungsweise das Rechte treffen läßt.

Auch jeder Strich durch mein Leben ist ein Strich der Hand Gottes zur Verherrlichung Seiner unendlichen Gnade an mir. Der Glaube faßt es, die Natur trauert; aber selig ist der Mensch, den Gott straft (Hiob 5,17; vergl. Hebräer 12,5-8)

Der Sieg des Glaubens besteht darin, Glauben zu behalten.

Das Gefühl meiner Unwürdigkeit muß mit dem Bewußtsein meiner Erlösung in Christus immer gleichen Schritt halten, wenn ich nicht stolz werden soll.

Der Mensch hat sich selbst zum größten Feinde; deshalb ist für ihn die Selbstüberwindung auch der größte Sieg.

Wenn Christus mein Leben geworden ist, so sind meine besten Selbststudien die: nicht über mich selbst, sondern über den Heiland nachzudenken.

Ich bin wieder krank und kann deshalb nicht viel lesen noch schreiben; aber ich kann beten, beten, beten - und welch ein Gewinn ist das! Ja, der Geist des Gebetes, der mich stets und allenthalben voll Vertrauen auf den Herrn sehen läßt, senke sich mehr und mehr in mein Herz! Durch ihn wird es mir möglich, „stets in allem Anliegen mit Bitten und Flehen im Geist zu beten“ (Epheser 6,18). Nichts ist davon ausgeschlossen, was ich vor Gott kund werden lassen soll. Die kleinsten wie die größten Dinge, seien sie freudiger oder betrübender Art, darf ich meinem Heiland vortragen.

Es ist nicht nötig, jedesmal viel im Worte Gottes zu lesen; aber was man liest, muß man ganz lesen, ganz in sich aufnehmen, in seinem Herzen unter Gebet erwägen und so zu neuem geistlichen Leben verarbeiten.

Welche Selbstverleugnung gehört nicht oft dazu, einfach und aufrichtig zu sein! Die Neigung, mehr vorzustellen, als man wirklich ist, stammt aus dem Gelüste, wie Gott zu sein, das die alte Schlange unsern ersten Eltern einflößte und das den Sündenfall zur Folge hatte, nachdem Adam und Eva ihre Blöße gewahr wurden und sie durch Feigenblätter zu bedecken suchten und sich vor Gott versteckten.

Ich bin zufrieden, so lange gelebt zu haben, um selig zu sterben.

Der Herr Jesus wird jeden Tag reicher für mich. Je länger ich mit Ihm lebe, desto mehr wird Er mir. Was wird das dereinst im Himmel sein! „Je länger, je lieber!“

Quelle: Wöhrle, Wilhelm - Hermann Heinrich Grafe

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