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Calvin, Jean - Psalm 4.

Calvin, Jean - Psalm 4.

Inhaltsangabe: Zuerst bittet David den Herrn, dass er ihm helfe. Dann wendet er sich aber sofort gegen seine Feinde, und im Vertrauen auf Gottes Verheißung triumphiert er wie ein Sieger. So lehrt er uns also durch sein Beispiel, dass wir immer, wenn Unglück uns drückt oder wenn wir in großer Angst sind, an Gottes Verheißungen denken müssen, die uns Hoffnung auf Erlösung zeigen. Mit diesem Schilde bewaffnet, können wir alle Versuchungen überwinden.

V. 1. Es ist ungewiss, wann dieser Psalm verfasst ist. Nach dem Inhalt ist es wahrscheinlich, dass David damals flüchtig und verbannt war. Ich setze ihn deshalb in die Zeit der Verfolgung durch Saul. Falls jemand ihn aber auf die andere Flucht beziehen will, zu der David durch Absaloms Verschwörung getrieben wurde, so habe ich dagegen nicht viel einzuwenden. Da er aber alsbald (V. 3) sagt, dass er einen langen Streit gehabt habe, so passt die erstere Annahme am besten. Wir wissen ja, dass David von der Zeit an, da Sauls Feindschaft anfing, gar mannigfach herumgeworfen wurde, bis er nach geraumer Zeit wieder aufatmen konnte.

Dem Vorsteher im Saitenspiel. Diese Vorbemerkung wird auch vielfach anders übersetzt. Am wahrscheinlichsten ist, dass wir es mit einer Notiz für den Musikvorsteher zu tun haben. Wir sehen daraus, dass dieser Psalm nicht nur mit lauter Stimme gesungen, sondern auch mit Saitenspiel begleitet wurde.

V. 2. Mit diesen Worten bewährt David seinen Glauben. Es war mit ihm bis zum Äußersten gekommen. Durch die lange Dauer seiner Leiden war er fast aufgerieben; dennoch unterliegt er der Trauer nicht. Sein Mut ist noch nicht gebrochen, so dass er zu Gott als zu seinem Erlöser flieht. Durch sein Gebet bezeugt er, dass er, obwohl er aller Hilfsmittel beraubt ist, doch noch auf Gott hofft. Er nennt den Herrn den Gott seiner Gerechtigkeit, weil er der Beschützer seines Rechts ist, während ihn alle ohne Ausnahme verfolgten und sein guter Name durch die Schmähungen seiner Feinde und durch die verkehrte öffentliche Meinung geschändet war. Dieses ist wohl zu beachten. Denn nichts ist bitterer für uns, als ungerecht verdammt zu werden und zugleich mit der Ungerechtigkeit auch die Schmach tragen zu müssen. Doch das trifft die Heiligen täglich. Wenn sie Gutes tun, so werden sie deswegen getadelt. Aber solche Erfahrungen sind ihnen nützlich, damit sie sich von allen Ergötzungen der Welt abwenden und ganz von Gott abhängig bleiben. Gerechtigkeit steht für gute Sache. Für diese ruft David Gott als Zeugen an und beklagt sich darüber, dass die Menschen übel gesinnt und unbillig gegen ihn sind. Durch sein Beispiel lehrt er uns, dass wir den Mut nicht verlieren dürfen, wenn einmal unsere Unschuld vor der Welt nicht offenbar wird: denn wir haben im Himmel einen Verteidiger. Weltweise pflegen zu sagen, dass die Tugend sich getrost sehen lassen könne, wenn ein gutes Gewissen ihr Beifall gibt. Aber ein noch viel größerer Trost ist es, zu wissen, dass Gott und die Engel auf uns herniedersehen, wenn die Menschen uns ungerecht beleidigen. Darauf ruhte auch die Tapferkeit eines Paulus: als bei den Korinthern verkehrte Gerüchte über ihn verbreitet waren, da berief er sich auf Gottes Gericht (1. Kor. 4, 4). Mit derselben Zuversicht verachtete auch Jesaja (50, 6 ff.) die Beschimpfungen, womit seine Feinde ihn überschütteten. Dadurch müssen wir unsere Geduld stärken, dass wir, wenn Billigkeit auf Erden nicht mehr zu finden ist, auf Gott sehen und mit seinem Urteil uns zufrieden geben. Es kann aber die Frage aufgeworfen werden, ob die Gläubigen es wagen dürfen, ihre Gerechtigkeit vor Gott zu bringen, da ja die ganze Reinheit der Menschen vor Gott nur Schmutz ist. Was David angeht, so ist die Lösung leicht, da er seine Gerechtigkeit nur mit Rücksicht auf seine Feinde rühmt. Er war sich wohl bewusst, nichts ohne Gottes Berufung und Befehl unternommen zu haben. Deshalb nennt er den Herrn mit gutem Grund den Beschützer seiner Gerechtigkeit. Diesen Ehrentitel braucht er offenbar gerade deshalb, weil er Gott wider die ganze Welt stellen will. Dass er kurz hinter einander zweimal um Erhörung bittet, ist uns ein Zeichen seines Schmerzes und seines Gebetseifers. Die zweite Bitte zeigt uns auch, woher er das Vertrauen auf Erhörung schöpft, nämlich aus der Barmherzigkeit Gottes. Und gewiss, wenn wir etwas bitten, so müssen wir immer damit beginnen, dass Gott nach seiner gnädigen Güte uns in unserem Elende helfen möge.

In Drangsal hast du mir Raum geschafft. Einige meinen, dass David sich hier etwas verspreche, was er noch nicht erfahren hatte, und dass er mit seiner Hoffnung der göttlichen Gnade zuvorkomme. Aber nach meiner Ansicht erinnert er vielmehr an die früheren Wohltaten Gottes, um sich dadurch für die Zukunft zu stärken. So pflegen auch sonst die Gläubigen sich das ins Gedächtnis zurückzurufen, was zur Stärkung ihres Glaubens dienen kann. Noch vielen ähnlichen Stellen werden wir später bei David begegnen, wo er, um seinen Glauben in der Angst und in den Gefahren zu stärken, sich die verschiedenen Erfahrungen zusammenstellt, durch die er gelernt hat, dass Gott den Seinen immer nahe ist und dass ihre Gebete nicht umsonst sind. Übrigens ist die Ausdrucksweise bildlich: David erinnert daran, dass er gleichsam von allen Seiten umlagert und eingeschlossen war, dass aber Gott ihm einen Ausgang eröffnete. Die Drangsale, von denen er redet, sind nach meiner Ansicht sowohl innere als äußere. Denn David war nicht so gefühllos, dass Unglück ihn nicht in traurige Angst versetzt hätte.

V. 3. Das war die süßeste Frucht von Davids Gebet, dass er nicht nur mutig die Wut der Feinde abweisen, sondern sie überdies noch angreifen und furchtlos alles verachten konnte, was sie gegen ihn unternahmen. Wollen wir ein festes Vertrauen haben, so müssen auch wir nur mit diesen Waffen ausgerüstet den Kampfplatz betreten, wenn wir von den bösen Menschen angegriffen werden. Der Hauptgedanke ist: da Gott David mit seinem Schutze beistehen will, so werden alle Sterblichen sich vergeblich abmühen, ihn zu verderben, selbst wenn sie alle ihre Kräfte zusammennehmen, um ihm zu schaden.

Liebe Herrn! Wörtlich übersetzt heißt es: „Männer-Söhne“. David sagt also nicht: Söhne Adams oder Söhne des Menschen, sondern nennt sie Männer-Söhne. Es scheint, dass er damit ihre Anmaßung geißeln will. Es ist dieses Spott. Er verhöhnt damit ihre Frechheit, dass sie sich für edel und beherzt halten, während sie doch nur durch eine blinde Wut zu den schändlichen Unternehmungen getrieben werden. Mit den Worten: „Wie lange?“ verurteilt er ihre Halsstarrigkeit, dass nicht nur eine plötzliche Erregung sie treibt, sondern dass ein hartnäckiger Eifer zu schaden fest in ihrem Herzen eingewurzelt ist. Denn wenn die Schlechtigkeit ihnen nicht die rechte Besinnung geraubt hätte, so würden sie erkennen, dass Gott sich schon oft als Davids Beschützer gezeigt hatte. Hatte er doch schon oft seine Feinde gezwungen, von ihrem Unternehmen abzustehen. Da es nun ihr Vorsatz ist, den zu stürzen, den Gott auf den königlichen Stuhl gesetzt hat, so hält David ihnen die Frage entgegen, wie lange sie seine Ehre schänden wollen. Zu beachten ist aber, dass er, obwohl er vor hoch und niedrig mit jeglicher Schmach belastet dasteht, doch seine Ehre, die ihm Gott ihm zuerkannte, mutig festhält und nicht daran zweifelt, dass Gott sie ihm einmal wiederherstellen wird, obgleich sie augenblicklich durch viele Flecken beschmutzt ist.

Wie habt ihr das Eitle so lieb! Mit diesen Worten tadelt David einesteils die verkehrte Begierde seiner Feinde, durch die sie offensichtlich sich treiben ließen, obgleich sie dieselbe unter dem Schein eines heiligen Eifers zu verdecken suchten, - andernteils verlacht er ihre Torheit, dass sie sich Erfolg versprechen, obgleich sie gegen Gott ankämpfen. Es ist dieses ein ernster Tadel. Wenn die Gottlosen sich auch mit offenbarer Schlechtigkeit in jedes Verbrechen stürzen, so täuschen sie sich doch selbst durch falsche Schmeicheleien, damit ihr Gewissen sie nicht quäle. David ruft daher aus: Wenn sie auch mit Willen blind sind und ihre Ungerechtigkeit mit falschem Schein schmücken, so werden sie doch nichts erreichen. Und fürwahr, mögen die Gottlosen sich auch noch so sehr schmeicheln, - wenn es zur ernsten Prüfung kommt, wird es offenbar werden, dass sie sich selbst betrogen haben, und zwar deswegen, weil es ihr Vorsatz war, trügerisch zu handeln. Diese Stelle gibt uns ein Mittel, sieghaft standzuhalten, auch wenn wir sehen, dass die Feinde uns durch Klugheit und Schlauheit überlegen sind. Mögen sie mit allen Kunstgriffen uns angreifen, so wird Gott doch auf unserer Seite stehen, wenn wir nur ein gutes Gewissen haben; und gegen ihn vermögen sie nichts. Mögen sie noch so klug sein, mag ihnen alle Macht, uns zu schaden, zur Verfügung stehen, mögen sie zu jeder Zeit schlagfertig und gerüstet sein: was sie ersinnen, kann nur Nichtiges sein, womit sie sich selbst betrügen.

V. 4. Erkennt doch, dass der Herr sich einen Gnädigen auserkoren hat! Damit bekräftigt David, was er soeben sagte: seine Zuversicht hat einen guten Grund, weil er sich auf Gott stützen kann, der ihm das Königreich gab. Und sicherlich dürfen wir nur dann kühnlich uns wider alle unsere Feinde rühmen, wenn wir gewiss sind, dass Gott uns in unseren Beruf stellte. Darum prahlt auch David hier keineswegs mit seinen Kräften, Mitteln und Heeren, als hätte er durch sie sein Königreich gewonnen, sondern spricht aus, dass die größten Anstrengungen seiner Feinde nichts ausrichten werden, weil er von Gott erwählt wurde: sie werden spüren, dass sie auf Gott stoßen, dessen Macht sie unterliegen müssen. Vor allem betont David nun, dass er von Gott „auserkoren“, buchstäblich „abgesondert“ oder an einen überragenden Posten gestellt wurde. Hier wirkte also nicht menschliche Willkür oder eigenes Belieben, sondern Gottes Rat. Es ist, als riefe David seinen Feinden zu: Ihr wollt nur einen solchen als König gelten lassen, der durch eure Stimme erwählt ist und euch gefällt, aber es ist Gottes eigentliches Amt, einen jeglichen zu erhöhen, den er will. Wenn David sich selbst als „einen Gnädigen“ bezeichnet, so deutet er auf ein besonders hervorstechendes Kennzeichen seines Berufs, dessen Vorhandensein unwiderleglich darauf schließen lässt, dass ihm wirklich die königlichen Rechte zustehen. Sagt doch mit Recht ein altes Sprichwort: „Gnade ist die rechte Ausstattung eines Königs.“ Gott aber pflegt Menschen, die er zu besonderer Ehrenstellung beruft, auch mit den hierzu nötigen Gaben auszustatten, damit sie nicht wie tote Götzen dastehen. Manche Ausleger übersetzen freilich, Gott habe sich „einen Begnadigten“ erwählt. Da mir aber kein sonstiges Beispiel für solche passive Bedeutung des Wortes bekannt ist, bleibe ich bei dem gewöhnlichen Sinn: Gott hat sich einen König erkoren, der gnädig und wohltätig ist, dessen Eigenschaften also seiner Berufung entsprechen. Daraus schließt David nun: der Herr hört, wenn ich ihn anrufe. Denn Gott beweist seine Treue vor allem darin, dass er das Werk, das er angefangen hat, nicht fahren lässt. Welche er einmal angenommen hat, die schützt er auch immerdar. Dies lehrt uns, dass wir getrost unseren Weg gehen können, da das, was wir auf Gottes Wink hin unternommen haben, nie umsonst sein wird. Wir müssen immer daran festhalten, dass Gottes Hilfe denen, die aufrichtig wandeln, nie fehlen kann. Ohne diesen Trost müssten die Gläubigen jeden Augenblick zusammenbrechen.

V. 5. Zittert usw. Damit mahnt David seine Feinde zur Buße: vielleicht können sie doch noch von ihrem Wahnsinn geheilt werden. Sie sollen zittern, oder buchstäblich: „in Erregung geraten“. Dies Wort enthält einen Tadel über ihre stumpfe Gleichgültigkeit, die sie ohne Gottesfurcht und überhaupt ohne jedes lebendige Gefühl ins Verderben rennen lässt. Und sicherlich sind alle Gottlosen deshalb so frech und skrupellos, gegen Gott den Krieg zu beginnen, weil die tolle Sicherheit sie verhärtet hat und ein selbstgewollter Stumpfsinn sie in ihrer Sorglosigkeit bestärkt. David sagt nun, dass das beste Heilmittel gegen ihre Wut sei, um nicht mehr zu sündigen, wenn sie von ihrem Schlafe erwachen, erschüttert werden und anfangen, zu zittern. Er gibt ihnen also zu verstehen: Sobald ihr euren Stumpfsinn und eure Unempfindlichkeit abgelegt habt, wird auch die Lust zum Sündigen bei euch nachlassen. Denn die Gottlosen machen nur darum den Guten und Einfältigen so viele Unruhe und Aufruhr, weil sie mit sich selbst nur zu wohl zufrieden sind. So empfangen sie die Mahnung: Redet mit eurem Herzen, d. h. rechnet in der Stille und gleichsam in tiefster Zurückgezogenheit mit euch selber ab. Das wäre das genannte Gegenteil der jetzigen unüberlegten Wut. Endlich heißt es: und schweigt! Darin würde sich die innere Erregung und das Zittern kundtun, welches ihnen soeben zugemutet wurde. Denn wenn wahnsinniger Leichtsinn die Menschen zur Sünde fortgerissen hat, so ist der Anfang der Rückkehr zur gesunden Vernunft, dass sie aus dem Taumel erwachen und von Furcht und Schrecken erfasst werden. Dann folgt die ruhige Überlegung, wobei sie hin und her überdenken, wohin sie gekommen sind. So lernen solche, die früher vor nichts zurückscheuten, Besonnenheit. Und wenn sie ruhig geworden sind, so zügeln sie wenigstens ihre wahnsinnigen Begierden. Dass diese Selbstbesinnung auf dem Lager vor sich gehen soll, entspricht der gewöhnlichen Erfahrung. Wir wissen ja, dass unsere Sinne, wenn wir unter Menschen uns bewegen, zu zerstreut sind, und dass wir dann auch oft verkehrt urteilen, weil wir auf den äußeren Schein sehen. Dagegen in der Einsamkeit sind wir gesammelt, und dort hindert uns auch keine falsche Scham, aufrichtig über unsere Fehler nachzudenken. David führt also seine Feinde von allen Zeugen und Richtern weg, damit sie sich aufrichtig und einfältig prüfen. Diese Ermahnung gilt aber für uns alle. Denn sehr oft täuscht der eine den andern durch leeren Beifall; stattdessen sollte ein jeder lieber Einkehr halten und mit sich selbst reden. Paulus zitiert diese Stelle im Epheserbrief (4, 26) oder spielt wenigstens auf sie an. Dabei folgt er der griechischen Übersetzung, welche liest: „Zürnt und sündigt nicht.“ Treffend und geschickt fügt er aber den Spruch in seinen besonderen Zusammenhang ein. Er will einprägen, dass die Menschen, statt sündhafter Weise ihren Zorn wider den Nächsten auszulassen, lieber in sich selbst die Dinge finden sollen, über die es zu zürnen gilt: dann würden wie von ihren Sünden loskommen. Man soll sich mehr über die Sünde als über die Sünder ereifern.

V. 6. Opfert Gerechtigkeit. Viele meinen, dass David seine Feinde ermahne, ihre Buße auch öffentlich zu bezeugen. Ich gebe zu, dass die Opfer zum Teil auch deswegen verordnet waren, um das Volk anzutreiben, ein neues Leben zu beginnen. Aber wenn ich erwäge, was es für Leute waren, die David bekämpften, so zweifle ich nicht, dass er hiermit ihre Heuchelei tadelt und ihr falsches Rühmen abweist. Da David als ein Flüchtling in den Wüsten, Höhlen, Bergen und fernen Gegenden herumirrte, so konnte es scheinen, dass er von der Gemeinde Gottes abgeschnitten sei. Und gewiss hielten ihn auch viele für ein faules Glied, das von dem Leibe der Heiligen abgetrennt sei. Indessen hatten seine Feinde die Bundeslade bei sich, sie besaßen die Stiftshütte und waren die ersten bei der Darbringung der Opfer. Deshalb rühmten sie sich gegen David mit jener falschen Zuversicht, von der die Heuchler, wie bekannt, immer erfüllt sind. Es ist auch als gewiss anzunehmen, dass sie hierbei den Namen Gottes missbrauchten, als wären sie allein die Verehrer Gottes. Aber wie Jeremias (7, 4) den Gottlosen vorwirft, dass sie mit Unrecht sich auf den Tempel berufen, so sagt auch David ihnen, dass Gott durch äußere Zeremonien nicht versöhnt werde, da er reine Opfer fordert. „Opfer der Gerechtigkeit“ stehen also im Gegensatz zu allen leeren und verunreinigten gottesdienstlichen Handlungen, in denen die Heuchler sich gefallen. David will sagen: Ihr rühmt euch, dass Gott auf eurer Seite stehe, weil euch der Zugang zu seinem Altar offen steht, um dort eure Opfer mit großem Gepränge darzubringen; dagegen meint ihr, dass ich von Gott verlassen sei, weil ich aus dem heiligen Lande verbannt und verhindert bin, zum Heiligtum zu kommen. Aber ihr müsst Gott in ganz anderer Weise verehren, wenn ihr auf ihn hoffen wollt. Mit euren unreinen Opfern, womit ihr seinen Altar besudelt, reizt ihr ihn vielmehr zum Zorn, als dass ihr ihn euch geneigt machtet. Aus dieser Stelle ist zu lernen, dass wir, wenn wir es mit Verderbern des wahren Gottesdienstes zu tun haben, ihr eitles Rühmen getrost zurückweisen können, wenn sie mit vollem Munde Gottes Namen ausrufen und sich mit ihrem äußeren Gottesdienst brüsten, - da sie keine rechten Opfer darbringen. Zugleich müssen wir aber auch selbst auf der Hut sein, auf dass nicht ein eitles Zurschautragen der Frömmigkeit eine verkehrte Zuversicht an Stelle des wahren Glaubens in uns nähre.

V. 7. Viele sagen usw. Manche Ausleger meinen, dass David sich mit diesem Hinweis über die grausame Schlechtigkeit seiner Feinde beklage, sie so begierig nach seinem Leben standen. Aber nach meiner Ansicht stellt David hier den einen Wunsch, der ihn beseelt, den verschiedenartigen Wünschen gegenüber, von denen sonst fast alle Menschen bewegt und hin und her getrieben werden. Denn da die Kinder dieser Welt dieses wichtige Stück nicht erkannt haben, dass nur der Besitz der göttlichen Gnade ein allseitiges Glück schafft, und dass man hier auf Erden ein Fremdling werden muss, um mit Hoffnung und Geduld nach einem besseren Leben zu trachten, so bleiben sie an den vergänglichen Gütern hängen. Daher kommt es, dass sie, wenn es ihnen nur nach dem Fleische gut geht, nicht viel nach Gott fragen. Da solche Leute wie das Vieh bald hier bald dort das Glück suchen, so trennt David sich mit Recht von ihnen, indem er sich ein ganz anderes Ziel setzt. Dabei verwerfe ich die Annahme nicht, die einige machen, dass David über seine Genossen Klage führe, weil diese, da sie den Mühen nicht gewachsen waren, in Unlust und Kummer seufzten und sich Ruhe wünschten. Aber ich glaube, dass wir hierbei nicht stehen bleiben dürfen, sondern weitergehen müssen, nämlich dass David, weil er mit Gott allein zufrieden ist, nicht auf das schaut, was andere sich wünschen, noch sich darum kümmert. So zeigt der Vergleich mit voller Deutlichkeit, welches Glück die Gläubigen daran besitzen, dass sie unter Geringschätzung aller Güter dieser Welt in Gott vollkommene Befriedigung finden und die Erfahrung der göttlichen Gnade als das Höchste schätzen. David sagt uns also zunächst, dass alle töricht sind, die sich ein frohes Glück wünschen und nicht mit der Gnade Gottes beginnen. Denn die Folge davon ist, dass sie durch Täuschungen unstet umher getrieben werden. Damit geißelt er den Fehler der beschränkten, irdisch gesinnten Menschen, die der Ruhe und der Bequemlichkeit des Fleisches so sehr ergeben sind, dass sie, wenn sie nur diese genießen, nach nichts Höherem verlangen; und die deshalb auch, wenn ihnen alles nach Wunsch geht, Gott so gering achten, als ob sie seiner gar nicht bedürften. Diesen gegenüber bezeugt er, dass wenn er auch alle anderen Güter entbehren müsse, die väterliche Liebe Gottes ihm für alles reichen Ersatz biete. Seine Meinung ist also folgende: Obgleich die Menschen im Allgemeinen voll Begierde nach den Ergötzungen und Annehmlichkeiten dieser Zeit verlangen, so halte ich trotzdem allein Gottes Gnade für das höchste Gut.

Erhebe über uns das Licht deines Antlitzes, d. h. dein leuchtend freundliches Angesicht. Umgekehrt erscheint Gottes Antlitz uns dunkel und umwölkt, wenn er einen Beweis seines Zorns gibt. Dass das Licht des göttlichen Angesichts „erhoben“ wird, ist eine schöne bildliche Beschreibung davon, dass es in unsere Herzen hineinstrahlt und dort Zuversicht und Hoffnung erzeugt. Es ist nämlich nicht genug, dass wir von Gott geliebt werden, wir müssen diese Liebe auch fühlen. Wenn er nun mit seinem Geiste unsere Herzen erhellt, dann erfüllt er sie mit einer wahren dauernden Freude. Diese Stelle lehrt uns, dass alle unglücklich sind, die nicht den Vorsatz haben, in Gott ihre Befriedigung zu suchen, wenn sie auch vielleicht an allen Dingen Überfluss haben. Dagegen sind die Gläubigen, wenn sie auch viel Ungemach zu erdulden haben, doch aus dem einen Grunde glücklich, dass Gottes väterliches Antlitz ihnen leuchtet, das alle Finsternis erhellt, ja sozusagen den Tod lebendig macht.

V. 8. Du hast Freude in mein Herz gegeben. Ein zweiter Vergleich drückt die herzliche Liebe des Frommen zu seinem Gott noch besser und deutlicher aus. David sagt nämlich, dass er im Besitze dieses seines höchst erwünschten Gutes die anderen durchaus nicht um ihren Reichtum und ihre Freuden beneide, sondern mit seinem Lose sehr zufrieden sei. Gottes gnädiger Anblick ist ihm mehr wert, als wenn er alle Keller voll Wein und alle Scheunen voll Getreide hätte. Er sagt, dass er an Gottes Gunst allein mehr Freude habe, als die irdisch gesinnten Menschen, wenn sie alle die Güter genießen, nach denen sie meistens ein brennendes Verlangen haben. Früher hat er gesagt, dass diejenigen, die nach einem äußerlich-glücklichen Leben trachten und diesem ergeben sind, nicht viel nach Gott fragen. Jetzt setzt er noch hinzu, dass sie, wenn sie auch reichen Ertrag an Wein und Getreide haben, doch nicht so glücklich sind wie er es allein durch die Empfindung der göttlichen Gnade wird. So enthält dieser Vers eine sehr nützliche Lehre. Wir sehen hier nämlich, dass die irdisch gesinnten Menschen, welche die göttliche Gnade verachten und sich ganz in eitle Vergnügungen stürzen, durch dieselben doch keine wahre Befriedigung erlangen: die größte Fülle zündet immer neue Begierden an, so dass mitten in der Sattheit blinde Unruhe sie aufregt. Wir werden daher nur dann ruhigen Frieden und dauernde Freude haben, wenn Gottes Gunst uns leuchtet. Gewiss wünschen sich auch die Gläubigen ein ruhiges Vorwärtskommen, aber sie trachten danach nicht mit verkehrtem Eifer, so dass sie es geduldig ertragen, wenn es ihnen nicht zuteilwird, falls sie nur merken, dass Gott für sie sorgt.

V. 9. Damit spricht David seine letzte Schlussfolgerung aus: er fühlt sich ruhig und sicher, weil Gottes Hand ihn deckt, als wären alle Schutzmauern der Welt um ihn gezogen. Und wir wissen, dass es ein vor allem erwünschtes Glück ist, von aller Furcht frei zu sein und von keiner Sorge gequält und geängstigt zu werden. Es ist dieses eine Bestätigung des vorhergehenden Gedankens, dass die Freude, die das Licht der göttlichen Liebe bringt, mit Recht allem anderen vorzuziehen ist, weil der innere Friede alle nur erdenkbaren Güter übertrifft. Übrigens stehen die beiden Vershälften in einem feinen Gegensatz: David kann ruhig schlafen, als wäre er zusammen mit einer großen schützenden Schar; denn auch, wo er tatsächlich allein ist, bleibt Gott sein Schutz. Denn man darf nicht etwa übersetzen: „Du allein, Herr“ usw.1) Alles in allem: David rühmt, dass ihm der bloße Schutz Gottes völlig genüge, dass er unter demselben auch ohne jeden menschlichen Schutz sicher schlafen könne, als wären viele Wachtposten rings um ihn aufgestellt oder als wäre er von zahlreichen Freunden umgeben. Wir lernen also von ihm, dass wir, auch wo kein Mensch sich als unser Verteidiger zeigt, Gott die Ehre geben müssen, dass seine Hand allein uns ebenso gut im Frieden bewahren kann wie ein großes Heer.

1)
Darin hat Calvin sicher recht. Dagegen wird das „zusammen“ einfach sagen wollen, dass David sich sowohl niederlegt, als auch sofort schläft.
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