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Calvin, Jean - Psalm 147.

Calvin, Jean - Psalm 147.

Inhaltsangabe: Auch dieser Psalm lädt die Gläubigen zum Lobe Gottes ein, und zwar aus doppeltem Grunde, nämlich weil in der allgemeinen Weltregierung sowie in den einzelnen Gebieten des Himmels und der Erde seine Macht, Güte, Weisheit und sonstigen Tugenden leuchten, vor allem aber, weil er die Gemeinde, die er aus Gnade erwählt hat, mit besonderer Huld hegt und schützt, sie aufrichtet, wenn sie zerfallen, sammelt, wenn sie zerstreut ist.

V. 1. Lobet den Herrn! Es werden zwar hier Wohltaten erwähnt, mit denen Gott dem ganzen Menschengeschlecht ohne Unterschied nachgeht; trotzdem richtet sich die Rede ohne Zweifel eigens an die Gläubigen; da sie allein rechte Augenzeugen der Werke Gottes sind, während die Ungläubigen infolge ihres blinden und stumpfen Geistes der Einsicht entbehren. Auch redet der Prophet nicht nur von den allgemeinen Wohltaten Gottes, sondern erinnert hauptsächlich an dessen Gnade, die man am auserwählten Volke erblicken konnte. Damit nun die Gemeinde desto freudiger sich zum Lobe Gottes anschicke, sagt er von solchem Tun, es sei köstlich, lieblich und schön, - mit einem strafenden Seitenblick auf die fast allgemeine, verkehrte Gesinnung, infolge deren den Leuten jede Erwähnung Gottes zuwider ist, deren höchste Lust dagegen, Gott und sich selber zu vergessen, um desto freier sich gehen zu lassen. Damit also die Menschen lernen, an dieser frommen Übung ihre Lust zu haben, hält der Prophet ihnen vor, solch Lob sei „schön“, oder, wie das hebräische Wort auch heißen kann: „begehrenswert“.

V. 2 u 3. Der baut Jerusalem. Voran steht die besondere Gnade, deren Gott seine Gemeinde gewürdigt hat, da er einerseits das eine Volk mit Übergehung der anderen annehmen und anderseits eine bestimmte Stätte der Anbetung erwählen wollte. Dass er nämlich hier als der Erbauer Jerusalems bezeichnet wird, ist nicht sowohl auf die äußere Form des Gottesdienstes und das dafür errichtete Bauwerk zu beziehen, als vielmehr auf den geistlichen Gottesdienst. Die Bezeichnung als Haus oder Tempel ist ein oft gebrauchter, bildlicher Ausdruck für die Gemeinde. Der Sinn des Satzes ist der: die Gemeinde ist nicht von Menschen erbaut worden, sondern durch die himmlische Kraft Gottes. Denn dass Jerusalem die einzige Wohnstätte Gottes auf Erden wurde, das hat nicht die Würdigkeit des Ortes bewirkt. Und ebenso wenig hat die Stadt solch hohe Ehre durch menschlichen Rat oder durch der Menschen Strebsamkeit oder Hilfsmittel erlangt, sondern weil Gott es gefiel, sie seinem Dienste zu weihen. Wohl bedient er sich, als er dort das Heiligtum errichtete, der Arbeit und Dienstleistung von Menschen; allein es geht durchaus nicht an, deswegen seine Gnade ins Dunkel zu rücken, die doch allein die heilige Stadt von allen übrigen auszeichnete. Übrigens nennt der Prophet deshalb Gott als den Baumeister und Schöpfer der Gemeinde, damit wir wissen, dass sie auch durch dieselbe göttliche Kraft in festem Bestande bleibt oder, wenn sie einstürzt, wieder aufgerichtet wird. Und daraus schließt er auch, dass es in desselben Gottes Macht und Willen steht, die Zerstreuten zusammenzubringen. Damit wollte nämlich der Prophet die armen Verbannten, die nach allen Seiten zerstreut waren, trösten. Sie sollten auf eine Wiedervereinigung hoffen, weil Gott nicht umsonst sie zu seinen Kindern angenommen und dazu bestimmt hatte, dass sie zusammenwachsen sollten zu einem Leibe. Die Gemeinde aus der Zerrissenheit und Zerstörung wiedererstehen zu lassen, ist nicht minder Gottes eigenes Werk, als dass er im Anfang ihren Grund legte. Die Absicht des Propheten war also nicht einfach die, im Blick auf die Ursprünge der Gemeinde die freie Güte Gottes zu preisen, sondern er wollte daraus auch den Schluss ziehen, dass Gott einen völligen Untergang seiner Gemeinde nicht dulden wird. Das Werk seiner Hände lässt er ja nicht im Stich. Und dieser Trost soll uns heutzutage bei der heillosen Zerrissenheit der Kirche, die wir überall wahrnehmen, zur Hand sein und die Hoffnung in uns nähren, dass alle Auserwählten, mögen sie noch so jämmerlich zerstreut sein wie zerrissene Glieder, doch als Glieder am Leibe Christi wieder zur Einheit des Glaubens versammelt werden sollen und also der verstümmelte und täglich aufs Neue zerrissene Leib der Gemeinde völlig wiederhergestellt werden soll.

Auch der folgende Vers fährt mit derselben Lehre fort. Denn dahin zielt das hier angewandte Bild: wenn auch die Gemeinde an schweren Krankheiten leidet und ihre Kräfte verzehrt sind, wenn sie auch von vielen Wunden durchbohrt ist, so wird Gott sie doch leicht und schnell heilen. Es wird demnach offenbar dasselbe mit anderen Worten wiederholt: Ob auch der Zustand der Gemeinde nicht immer ein blühender ist, so wird sie doch stets heil und gesund sein; Gott wird sie wunderbar herstellen.

V. 4 u. 5. Er zählt die Sterne. Die Auffassung hat etwas für sich, nach welcher dieser Vers die soeben besprochene, scheinbar unglaubliche Hoffnung auf die Wiedervereinigung des Volkes bestärken soll. Manche Ausleger verbinden deshalb die Worte des Propheten in folgender Weise: Weil es nicht schwieriger ist, verirrte, zerstreute Menschen zu sammeln, als die Sterne am Himmel zu zählen, so ist für die verjagten und verbannten Israeliten kein Grund vorhanden, an ihrer Rückkehr zu verzweifeln, wenn sie nur erst sich zu Gott als ihrem einigen Haupt halten.

Nicht weniger annehmbar wäre auch die Erklärung, dass der Prophet anspielt auf jene Verheißung 1. Mo. 15, 5: „Siehe gen Himmel und zähle die Sterne, kannst du sie zählen? Also soll dein Same werden“. Da aber der Prophet gleich nachher sich über die allgemeine Naturordnung verbreitet, so wird es nach meiner Ansicht einfacher sein anzunehmen, dass auch dieser Vers von der bewundernswerten Schöpfung des Himmels redet, in welcher Gottes unvergleichliche Weisheit leuchtet, indem er die mannigfaltigen, verschlungenen Bahnen der Sterne so lenkt, dass sie auch nicht um Haaresbreite davon abirren. Jedem hat er seine bestimmte, unterschiedliche Stellung angewiesen, so dass trotz ihrer großen Zahl keine Unordnung eintritt.

Mit Recht ruft darum der Prophet gleich darauf aus: Unser Herr ist groß und von großer Kraft; und ist unbegreiflich, wie er regiert. Das lehrt uns auch, dass es nichts Verkehrteres gibt, als den kleinen Maßstab unserer Sinne an Gottes Werke anlegen zu wollen, in denen er so oft eine unfassbare Weisheit und Macht offenbart.

V. 6. Der Herr richtet auf die Elenden. Dieser Lobpreis Gottes ist recht dazu angetan, im Unglück unsere Hoffnung zu stärken, damit in Prüfung und Kreuz unser Gemüt nicht verzage. Wir erkennen daraus auch, dass die Väter, obgleich sie zur Zeit des Gesetzes sanfter gehegt werden sollten, doch nicht von jenem Kriegsdienst befreit waren, in welchem Gott uns heute übt, damit wir die wahre Ruhe anderswo als in der Welt suchen. Wenn uns also in schwerer Trübsalszeit der Zweifel beschleicht, wo denn die von Gott verheißene Hilfe sei, dann wollen wir an dieses Wort denken, das uns sagt, dass wir zu dem Ende erniedrigt werden, damit hernach Gottes Hand uns hoch emporhebe. Müssen wir dann auch bisweilen sehen, wie die Gottlosen ein angenehmes Leben führen, und will uns deshalb der Neid plagen, dann trete uns vor die Seele, was der Prophet hier sagt, dass jene nur emporkommen, um dann jählings niederzustürzen.

Denn mit den Worten: „er stößt die Gottlosen zu Boden“, will der Prophet ohne Zweifel nebenbei auch ihren Übermut strafen, mit dem sie sich bis über die Wolken erheben, als ob sie nicht auch Menschen wären.

V. 7 u. 8. Singet usw. Aufs Neue fordert der Dichter zum Lobe Gottes auf und erinnert zugleich daran, dass es an Stoff dazu durchaus nicht fehlt, indem stets neue Beweise seiner Macht, Güte und Weisheit sich unsern Blicken darstellen. Zuerst sagt er: der den Himmel mit Wolken verdeckt. Dieser Wandel und Wechsel müsste uns die Sinne wecken, wenn wir nicht gar zu stumpf wären. In der Tat, mögen am Himmel auch sonst unzählige Gotteswunder erglänzen, so wäre doch bei ewig heiterem Himmel Gottes Kraft nicht so sichtbar, wie wenn er plötzlich denselben mit Wolken überzieht, den Glanz der Sonne verschwinden lässt und so der Welt gleichsam eine neue Gestalt verleiht. Auf diesem Wege, so erinnert uns der Prophet weiter, trifft Gott Vorsorge für alle lebenden Wesen; denn daher kommt es, dass die Kräuter sprießen und dass ihnen Saft aus der Erde zugeführt wird, der sie fruchtbar macht. So führt uns Gott neben dem Beweis seiner Macht auch ein Kennzeichen seiner Huld und seiner väterlichen Liebe gegen die Menschheit vor Augen; ja noch mehr: er zeigt, dass er auch die wilden Tiere und das Vieh nicht vernachlässigt. Und besonders beachtenswert ist, dass ohne Gottes Befehl kein Regentropfen zur Erde fällt. Die Naturforscher finden zwar den Ursprung des Regens in den Elementen, und es kann auch nicht bezweifelt werden, dass aus den dichten Dünsten, die wie ein Hauch von der Erde und vom Meere emporsteigen, die Wolken entstehen. Aber die Mittelursachen dürfen uns nicht die Vorsehung Gottes in den Schatten stellen, als ob nicht er der Erde die Feuchtigkeit spendete, die zum Hervorbringen der Früchte nötig ist. Endlich, wie die Erde infolge der Hitze sich spaltet und gewissermaßen mit geöffnetem Munde ihren Durst kundtut, so lässt seinerseits Gott im Regen ihr ihren Trank herabträufeln. Er könnte zwar auf andere, verborgene Weise ihr Kraft spenden und sie vor dem Schmachten bewahren, aber in der Bewässerung wird uns seine beständige Fürsorge für uns sozusagen anschaulich gemacht.

V. 9. Der dem Vieh sein Futter gibt. Das vorhin Gesagte, nämlich dass Gott alle lebenden Wesen mit Speise versorgt, weist nun der Prophet noch deutlicher nach an einem Beispiel. Dass er aber statt von den Menschen vom Vieh und von den Raben sagt, sie würden gespeist, das verleiht der Darlegung erhöhten Nachdruck. Es ist zwar der Mensch, um dessentwillen die Welt erschaffen und mit ihrer Fruchtbarkeit und ihren reichen Mitteln ausgestattet wurde; und je näher wir zu Gott herantreten, desto deutlicher lässt er uns seine Wohltätigkeit gegen uns erkennen. Wenn er aber dieselbe auch auf die unvernünftigen Tiere gern ausdehnt, so ist daraus leicht zu merken, dass er für uns in Wahrheit ein Vater und Ernährer ist. Der Prophet nennt deshalb die Raben als die verachtetste Klasse von Vögeln. Zu allen Teilen der Schöpfung dringt die freigebige Güte Gottes. Wenn der Prophet sagt, dass die jungen Raben den Herrn „anrufen“, denkt er natürlich an deren Schreien, erinnert aber daran, dass sie auf diese Weise ihre Bedürftigkeit kundgeben, unter der sie erliegen müssen, wenn nicht Gott vom Himmel herab ihnen Nahrungsmittel darreicht. Wenn alte Ausleger dazu behaupten, die jungen Raben verließen, sobald sie ausgeschlüpft wären, ihre Eltern, da sie in der Baumrinde Würmer zu ihrem Lebensunterhalt fänden, so ist das bloße Verlegenheitserfindung. Uns mag dies genügen, dass die ganze Naturordnung so von Gott regiert wird, dass es auch den jungen Raben nicht an Speise gebricht.

V. 10 u. 11. Er hat nicht Lust usw. Nachdem der Prophet gezeigt hat, dass kein Teil der Welt der Wohltaten Gottes entbehrt, spricht er noch besonders aus, dass die Menschen keine Kräfte besitzen als nur die, die eben Gott selbst ihnen einflößt. Und das fügt er absichtlich bei, um den Stolz zurückzuweisen, von dem so ziemlich alle aufgebläht sind, indem sie sich auf die eigene Macht stützen. Der Sinn der Textworte ist nun der: Mag einer daher kommen mit Kraft ausgestattet und alle die Hilfsmittel herbeiziehen, vermöge deren er sich mächtig dünkt, - es wird alles nur Rauch und Täuschung sein; ja, wenn er sich auch nur das Geringste anmaßt, so wird schon dies als ein Hindernis zwischen ihn und die Gnade Gottes treten, durch die wir doch allein aufrecht erhalten bleiben.

Unter der Stärke des Rosses ist jede Art von Schutz zu verstehen. Nicht als ob an sich die Hilfsmittel, die Gott uns schenkt, ihm missfielen. Aber es ist notwendig, uns vom verwerflichen Vertrauen auf dieselben loszumachen, weil nichts gewöhnlicher ist, als dass wir uns von unsinnigem Hochmut berauschen lassen, sobald wir über irgendwelche Hilfsquellen verfügen. Der Stärke sowohl der Menschen als der Rosse stellt deshalb der Prophet die Furcht Gottes entgegen und die Hoffnung, die sich auf sein Erbarmen verlässt. Mit anderen Worten: es wird von uns vor allem die Selbstbescheidung verlangt, dass wir in frommer, reiner Ehrfurcht vor Gott an seiner Gnade hangen. Verdammt wird also nur die Stärke, die den Herrn um seine Ehre betrügt.

V. 12 bis 14. Preise, Jerusalem, den Herrn. Nachdem der Prophet sich über die Wohltaten Gottes im Allgemeinen ausgesprochen, richtet er seine Worte wieder an die Gläubigen, von denen wir früher sagten, dass sie allein mit gesundem, empfänglichem Sinn begabt sind, so dass sie solche Güter, wie sie die Welt gierig verschlingt, mit wahrer Dankbarkeit annehmen. Die ganze Gemeinde ruft er unter dem Namen Jerusalem auf. Denn dort feierten die Gläubigen damals ihre Gottesdienste und strömten dort gleichsam unter Gottes Panier zusammen. Bald nachher kommt zwar der Prophet wieder auf die Weltregierung im Allgemeinen zu sprechen; hier aber preist er die Gnade, die Gott nur gegen seine Gläubigen an den Tag legt, indem er seine Gemeinde verteidigt, sie freundlich fördert, sie reichlich mit allem Guten beschenkt, überhaupt ihr Heil und Ruhe vor jeglichem Schaden gibt.

Die Worte: Er macht fest die Riegel deiner Tore – wollen besagen, dass die heilige Stadt durch Gottes Schutz aufs Beste befestigt ist, so dass sie von Feinden nichts zu fürchten hat. Dasselbe ist gemeint in der bald darauf folgenden Aussage: Er schafft deinen Grenzen Frieden, d. h. die Feinde werden von Gott zurückgehalten, dass sie keinerlei Belästigung oder Verwirrung anrichten dürfen. Nicht als ob die Gemeinde immer nach allen Seiten im Frieden leben könnte und keine Einfälle auszuhalten hätte; aber sie kann in Sicherheit auf die Feinde ringsum herabsehen, weil Gott denselben sichtbar seine Macht entgegenstellt und ihre Angriffe zurücktreibt. Das Wort „Frieden“ könnte man ebenfalls in dem weiteren Sinne fassen, den es oft hat, nämlich als Bezeichnung eines glücklichen, gedeihlichen Zustandes. Da aber die Grenzen erwähnt werden, so scheint mir der erst genannte Sinn passender. Anschließend ist vom Segen Gottes im Innern des Landes die Rede, der zur Folge hat, dass die Bürger darin in Glück und Wohlstand leben und nebeneinander reichliche Nahrung finden bis zur Sättigung. Nicht dass die Kinder Gottes immer ein Herrenleben hätten, - das wäre ihnen verderblich; ist doch das Fleisch nur allzu sehr zur Üppigkeit geneigt, - aber sie erblicken in ihrem täglichen Unterhalt Gottes Gütigkeit klarer als die Ungläubigen. Diese macht entweder ihr Bauchdienst blind, oder die Armut plagt sie mit erbärmlicher Sorge, oder es brennt in ihnen immerfort eine unersättliche Begier. Den Vätern zur Zeit des alten Bundes ist aber Gottes Huld hauptsächlich durch reichliches Spenden des Lebensunterhaltes geoffenbart worden; sie mussten eben mit solch einfachen Mitteln zu höherer Erkenntnis emporgeführt werden.

V. 15 bis 18. Er sendet usw. Die Rede berührt wiederum einige Beispiele von Werken Gottes, wie solche überall im Naturlauf sich glänzend offenbaren. Weil aber die Welt von den wechselnden Vorgängen in der Luft und auf der Erde, in denen wir Zeugen seiner Macht sehen sollten, die Meinung hat, sie geschähen durch Zufall, so redet der Prophet von Schnee, Reif und Frost nicht, ohne zuvor zu betonen, dass die Erde durch Gottes Wink regiert wird.

Dass Gott seine Rede sendet, ist lediglich eine Beschreibung des verborgenen Triebes, durch den er alles lenkt und regiert. Denn ohne seinen Befehl und ordnenden Willen gäbe es in den Elementen keinen Umtrieb: aus eigenem Antrieb würden sie nicht sich dahin und dorthin bewegen. Gottes Auftrag muss ihnen den Weg weisen.

Sein Wort läuft schnell, d. h. sobald Gott seinen Willen kundgibt, wetteifert alles in der Bereitschaft zum Gehorsam. Wenn wir nicht diese Grundwahrheit festhalten, so mögen wir noch so scharfsinnig die Mittelursachen erforschen, - es wird doch unsere ganze Einsicht eitel sein. Wie denn ein Aristoteles an den Himmelserscheinungen seine Verstandesschärfe so übte, dass er über die natürlichen Ursachen die zutreffendsten Urteile abgeben konnte; aber er geht an diesem vornehmsten Hauptstück vorbei, in welchem der ungebildetste Tropf über ihm steht, falls er nur von echter Frömmigkeit erfüllt ist. Es muss ja einer mehr als unverständig sein, den solch plötzlich einfallender Schnee und Reif nicht von der schnellen Wirkung des göttlichen Wortes überzeugt. Eine richtige Wissenschaft von Gottes Werken geht also immer von dem Grundsatz aus, dass die Welt in allen ihren Einzelheiten auf Gottes Willen achtet, dass also alles, was in der Natur vorgeht, nichts anderes ist als ein bereitwilliger Vollzug seiner Befehle.

Wenn die Gewässer sich mit Eis überziehen, wenn der Hagel wie ausgesät durch die Luft daher fährt, wenn der Frosthauch den Himmel verdunkelt, so staunen die Kinder der Welt solche Wunder meistens an; wir aber wollen uns dadurch zur Bewunderung der Macht Gottes bewegen lassen. Der Umschwung von der ausdörrenden Sommerhitze im Sommer zu der alles zusammenziehenden Kälte des Winters, - ein Wechsel, den wir niemand glauben würden, wenn wir ihn nicht aus Erfahrung kennen würden, - verkündigt klar und deutlich, dass im Himmel ein göttliches Wesen regiert.

V. 19 u. 20. Er zeigt Jakob sein Wort. Hier ist eine andere Art von „Wort“ erwähnt als kurz vorher. Denn gegenüber den vernunftlosen Geschöpfen, die Gott stillschweigend durch eine verborgene Neigung zum Gehorsam lenkt, ist sein Gebieten ein anderes als gegenüber den mit Einsicht begabten Menschen, die er deutlich anleitet, so dass sie mit Wissen und Willen dahin folgen, wo er sie hinruft. Wenn nun auch die früher erwähnten Wohltaten nicht gering zu schätzen sind, so werden sie doch weit überstrahlt von dieser einen, da Gott die heilsame Lehre, diesen Schatz zum ewigen Heil, mitteilen und dabei das Lehramt beim auserwählten Volk selbst versehen wollte. Welch geringen Wert hätte es doch für die Gemeinde Gottes, an vergänglichen Gütern Überfluss zu besitzen und vor der Wut der Feinde geschützt zu werden, wenn ihre Hoffnung sich nicht über die Welt emporschwänge! Das also ist der höchste Erweis seiner Gnade, dass Gott uns in seinem Worte das Licht des himmlischen Lebens vorhält. Das wird darum auch hier mit gutem Grunde beigefügt als Gipfel des wahren, dauerhaften Glückes. Lernen wir aber daraus, Gottes Lehre nicht nur mit Ehrfurcht und frommer Aufmerksamkeit aufzunehmen, sondern auch mit Liebe ins Herz zu schließen! Man kann sich ja nichts Angenehmeres, Willkommeneres denken, als dass Gott die Sorge um unser Heil übernimmt und dies freundlich dadurch bezeugt, dass er uns die Hand entgegenstreckt und uns zu sich hinleitet. Darauf ist ja die Lehre angelegt, dass in der tiefen Finsternis dieser Welt und unter so vielen Ränken und Irrtümern, mit denen Satan die Menschheit ziellos umhertreibt, der Vater uns voranleuchtet, bis wir in das himmlische Erbteil gesammelt werden. Man bemerke übrigens, dass hier dem Herrn die Tätigkeit zugeschrieben wird, die auf seine Anordnung Mose und die Propheten ausübten. Die heilsame Lehre wird eben erst dann gebührend geehrt und richtig geschätzt, wenn wir dabei unsere Gedanken auf Gott richten, der, wenn er sich der Arbeit von Menschen bedient, doch das oberste und einzige Lehramt keineswegs aus seinen Händen geben will. Es wird also hier dem Wort die Würde beigemessen, die seinem Urheber zukommt.

Zuletzt hebt der Prophet die geschilderte Gnade noch besonders durch eine Verheißung hervor, indem er erinnert: So tut er keinen Heiden. Wenn nämlich nach der Ursache gefragt wird, warum Gott das eine Volk den übrigen vorzog, so führt uns in der Tat gerade diese Bevorzugung auf die Gnadenwahl als ihre Quelle. Denn wir werden finden, dass die Kinder Israel sich nicht durch eigene Vortrefflichkeit von der übrigen Welt unterschieden, sondern Gott hat für gut gefunden, sie allein zu Kindern anzunehmen, während er die anderen überging.

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