Calvin, Jean - Apostelgeschichte - Einleitung.

Calvin, Jean - Apostelgeschichte - Einleitung.

Damit alle Frommen zum Lesen dieses Geschichtsbuches desto mehr Aufmerksamkeit und Eifer beibringen, lohnt es sich, kurz darauf hinzuweisen, wie viel Nutzen man daraus schöpfen darf. Bei weltlichen Schriftstellern ist es der oberste Ruhmestitel der Geschichte, dass sie eine Lehrerin für das Leben heißt. Wenn schon jede Geschichtserzählung, die doch nur im Blick auf menschliche Taten daran erinnert, was man fliehen und was man suchen soll, solch herrliches Lob verdient, - welcher Titel wird dann erst für die Geschichte der Apostel hinreichend würdig sein, die nicht nur das äußere Leben der Menschen bilden will, damit sie durch ihre Tugend Lob gewinnen, die vielmehr dartut, was uns noch viel höher gelten muss, wie Gott seit Anbeginn für seine Gemeinde sorgte, wie er als gerechter Beschützer denen zur Seite stand, welche zu seiner Obhut ihre Zuflucht nahmen, wie er armen Sündern sich gnädig und erhörlich zeigte! Indem diese Geschichte den Glauben lehrt, hebt sie uns über den Himmel empor. Weiter will ich nicht davon reden, wie sie im Allgemeinen Gottes Vorsehung ins Licht setzt, die wahre Verehrung Gottes vom Götzendienst unterscheidet, über Laster und Tugenden ein niemals irrendes Urteil abgibt. Auch von dem Lob, welches sie mit der heiligen Geschichte insgesamt teilt, will ich jetzt nichts weiter sagen. Nur das will ich andeuten, was dem jetzt zur Verhandlung stehenden Buche eigentümlich ist. Was Lukas uns hier lehrt und vorstellt, hat seinen großen und seltenen Nutzen. Indem er zuerst von der Sendung des heiligen Geistes berichtet, bekräftigt er, dass Christus sich nicht nur wahrhaftig in seiner Verheißung zeigte, sondern auch der Seinen gedachte und sich seiner Gemeinde zum ständigen Regierer gab: denn eben zu diesem Zweck kam der heilige Geist herab. Wir schließen daraus, dass der Abstand des Ortes den Herrn Christus nicht hindert, den Seinen gegenwärtig zu sein, wie er verheißen hat. So wird uns hier der Anfang des Reiches Christi und damit gleichsam die Erneuerung der Welt beschrieben. Gewiss hatte der Sohn Gottes, schon ehe er die Welt verließ, durch seine Predigt etwas wie eine Gemeinde gesammelt; in Wahrheit aber hob die rechte Gestalt der christlichen Kirche doch erst zu existieren an, als die Apostel, mit neuer Kraft ausgerüstet, jenen einigen Hirten als den von den Toten Erstandenen verkündigten, damit unter seiner Herrschaft alle zu einer Herde zusammenwüchsen, die vorher verirrt und zerstreut waren. Die Himmelfahrt Christi also, durch welche er zum obersten König des Himmels und der Erde erklärt ward, ist der Punkt, von welchem anhebend uns Lukas hier den Ursprung und die weitere Entwicklung der Gemeinde erzählt.

In alledem leuchtet sowohl Christi wunderbare Macht als auch die Wirkungskraft und Macht des Evangeliums selbst. Denn dass Christus durch Menschen ohne jedes Ansehen und Vermögen sich den ganzen Erdkreis so leicht durch den bloßen Schall des Evangeliums unterwarf, während sich doch Satan mit so gewaltigen Hindernissen dagegen erhob, darin hat er ein leuchtendes Beispiel seiner göttlichen Kraft gegeben. Auch die unglaubliche Kraft des Evangeliums erkennen wir daran, dass es gegen den Widerspruch einer ganzen Welt nicht bloß emporkam, sondern auch zum höchsten Ruhm alles, was unbezähmbar schien, unter den Gehorsam Christi zwang. So ist von jenen wenigen und verachteten Menschlein durch den geringen Schall ihres Mundes mehr gegen die wütendsten Stürme der Welt ausgerichtet worden, als wenn Gott offensichtlich vom Himmel seine Blitze geschleudert hätte. Übrigens erinnert uns der heilige Geist auf der anderen Seite, dass sich niemals Christi Reich erhebt, ohne dass sich Satan wütend dagegen stellt und alles aufbietet, es umzustürzen oder zu erschüttern. Und nicht bloß dies hören wir hier, dass der Satan feindlich wider Christus steht, sondern dass auch beinahe die ganze Welt von derselben Wut ergriffen ist und alles in Bewegung setzt, dem Herrn Christus das Reich nicht zu lassen. Ja, es muss festgestellt werden, dass die gottlosen Leute mit ihrem Aufruhr wider die Lehre des Evangeliums dem Satan Kriegsdienste tun und durch seine Kunst zu so blinder Wut angestachelt werden. Daher die vielen schweren Erregungen, feindlichen Verschwörungen und verbrecherischen Anschläge, mit welchen frevelhafte Leute den Lauf des Evangeliums hemmen wollen, von denen Lukas allenthalben berichtet.

Wie nun die Apostel durch die Tat erfahren mussten, dass die Lehre des Evangeliums ein Feuer und ein Schwert ist, so sollen wir aus ihrer Erfahrung lernen, dass die verstockte Bosheit Satans und die verhängnisvolle Widerspenstigkeit der Menschen allezeit gewaltige Kämpfe gegen das Evangelium erregen werden, wodurch dann schreckliche Erschütterungen entstehen müssen. Auf der anderen Seite aber berichtet Lukas, dass die Apostel trotz alledem mit unbesiegter Geistesstärke und Beharrlichkeit ausgerichtet haben, was sie als ihren göttlichen Auftrag erkannten. Zugleich erzählt er, mit welcher Dulderkraft sie zahllose Beschwerden, ekelhafte und unwürdige Dinge hingenommen haben, wie geduldig sie grausame Fluten von Verfolgungen aushielten, wie sie endlich sich gerecht zeigten im Ertragen von Vorwürfen und allerlei Plackereien. Solche Beispiele unterweisen uns zur Geduld. Wenn der Sohn Gottes verkündigt hat, dass das Kreuz der ständige Begleiter seines Evangeliums sein werde, so dürfen wir uns nicht an der eitlen Hoffnung weiden, als werde der Zustand der Gemeinde ein ruhiger und blühender sein. Auch wir mögen uns also rüsten, Ähnliches zu ertragen. Es wird aber der nicht geringe Trost hinzugefügt, dass Gott auch heute uns beistehen wird, wie er einst seine so vielfältig gequälte und bedrückte Gemeinde gerettet hat. Lehrt doch dies ganze Buch, dass die Gemeinde, da sie durch ununterbrochene Todesgefahren hindurchging, allein durch Gottes Hand geschützt ward. So stellt Gott selbst uns seine einzigartige Vorsehung und Sorge für ihr Wohlergehen vor Augen.

Des Weiteren wird uns hier von mehrfachen Predigten der Apostel berichtet, welche über Gottes Barmherzigkeit und Christi Gnade, über die Hoffnung auf die selige Unsterblichkeit und die Anrufung Gottes, über Buße, Gottesfurcht und andere Hauptstücke der christlichen Lehre in einer Weise gehandelt haben, dass man die ganze Summe der Frömmigkeit aus keiner andern Quelle zu schöpfen braucht. Wollte ich aber auch von der Entwicklung der gesunden und reinen Lehre schweigen, so wäre es außerdem vor allem nützlich, zu wissen, wie der Anfang der christlichen Kirche beschaffen war, wie die Apostel die Predigt des Evangeliums in die Welt einführten und welche Fortschritte sie damit erzielten, wie sie bei alledem kämpfen mussten, wie sie wacker und tapfer wider alle Hindernisse vordrangen, wie herrlich sie unter der Schmach des Kreuzes über allen Stolz der Welt triumphierten und wie wunderbar Gott ihnen beistand. Dies alles muss uns dies Buch besonders wert machen. Denn wenn wir es nicht hätten, wäre das Gedächtnis von alledem begraben oder wenigstens in Dunkel und Zweifel gehüllt. Was sonst von den Taten der Apostel Petrus und Paulus, insbesondere von einer Disputation des ersteren mit dem Magier Simon, überliefert ist, bietet durch Satans Betrug lauter Lügen und abgeschmackte Fabeln. Hätten wir nicht das Werk des Lukas, so könnte es scheinen, dass der gen Himmel gefahrene Christus auf Erden keine Frucht seines Todes und seiner Auferstehung zurückgelassen habe. Wir wüssten nicht, dass er trotz seiner Aufnahme in die himmlische Herrlichkeit das Regiment über die ganze Welt antrat, dass die Lehre des Evangeliums durch den Dienst der Apostel verbreitet und durch verschiedene Hände bis zu uns überliefert wurde. Wir wüssten nicht, dass sie unter dem Anhauch des heiligen Geistes die lautere, göttliche Wahrheit predigten, auf welche sich nun unser Glaube sicher stützen kann. Wir wüssten nicht, dass jene Weissagung des Jesaja (2, 3) erfüllt ward, das Gesetz werde von Zion ausgehen und das Wort des Herrn von Jerusalem. Da unser gewiss aus dem heiligen Geist gebornes Buch uns über diese Dinge zweifelsfreien Bericht gibt, sollen wir es für einen großen Schatz halten.

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