Calvin, Jean - An die Pfarrer von Neuchatel.

Nr. 582 (C. R. – 2966)

Calvin, Jean - An die Pfarrer von Neuchatel.

Farels Verlobung, die nach damaligem Brauch als förmlicher Eheschluss galt, erregte in Neuchatel solches Ärgernis, dass die andern Pfarrer sofortige Scheidung wünschten und disziplinarisch gegen Farel vorgehen wollten.

Ratschläge wegen Farels Verlobung.

Sehr liebe Brüder, ich bin solcher Bestürzung, dass ich nicht weiß, wie ich es anfangen soll, Euch zu schreiben. Wirklich war unser armer Bruder Mag. Guillaume diesmal so unbedacht, dass wir uns alle mit ihm schämen müssen. Aber soviel ich sehe, kann man dem so nicht abhelfen, wie man es schon versucht haben soll; denn da es kein Gesetz gibt, das eine solche Ehe hindert, so weiß ich nicht, ob es erlaubt wäre, sie zu trennen, wenn sie einmal geschlossen ist. Es gäbe nur noch mehr Ärgernis. Handelte es sich um irgendeinen Privatmann, so ginge die Sache wohl eher an; aber hier, sagten da nicht alle Böswilligen und dächten alle Einfältigen, die Pfarrer wollten ein Gesetz für sich haben und ihrem Stande zu lieb brächen sie das festeste Band der Welt? Denn wiewohl Ihr etwas ganz anderes bezweckt, so könnte man eben doch meinen, Ihr wolltet ein Vorrecht vor anderen, als ob Ihr nicht dem gewöhnlichen Gesetz und Recht unterworfen wäret. Wäre man von der Sache rechtzeitig unterrichtet gewesen, so hätte man das törichte Vorhaben hintertreiben müssen, wie das eines Menschen, der den Verstand verloren hat. Da er aber zu allem übrigen sich so in die Geschichte hineingestürzt hat, dass man ihn nicht einmal von seinem Fall wieder aufheben kann, so überlegt Euch doch sehr, ob das Mittel angeht, eine bereits geschlossene Ehe für null und nichtig zu erklären. Sagt man, ein solches Eheversprechen sei wider die ehrbare Ordnung der Natur und brauche deshalb nicht gehalten zu werden, so müsst Ihr eben doch bedenken, ob der Fehler nicht zu ertragen ist wie vieles andere, was man nicht ändern kann. Noch vor einem halben Jahr hätte der arme Bruder selbst kühnlich gesagt, man müsste den als kindisch gewordenen festnehmen, der in so hohem Alter ein so junges Mädchen nehmen wollte; nun aber, da die Sache einmal geschehen ist, ists nicht leicht, sie wieder ganz zu zerstören. Da ich dafürhielt, er könne sich nicht mehr frei machen, noch hätten wir ein Mittel es zu tun, habe ich ihm dann von mir aus gesagt, es sei besser rasch zu handeln, als durch Zögern noch mehr Geschwätz aufkommen zu lassen. Hätte auf der einen oder der andern Seite Betrug oder Umgarnung vorgelegen, so wäre ja gut und leicht abzuhelfen gewesen; da aber das einzige Übel in der Ungleichheit des Alters bestand, so hielt ich die Tat für eine unheilbare Krankheit, die durch alle ärztliche Behandlung nur verschärft und verschlimmert würde. Deshalb habe ich, nachdem ich mich über sein Vorgehen scharf und bitter beklagt hatte, ihm gegenüber geäußert, mehr wolle ich nicht sagen aus Furcht, ihn ganz in Verzweiflung zu stürzen; ich habe wirklich immer befürchtet, es könnte sein Tod sein, wenn ich die Folgen vorausbedachte, die es haben könnte. Hätte er wenigstens meinen Rat befolgt, sich nicht von Neuchatel zu entfernen, so hätte man ein sanfteres und maßvolleres Vorgehen gegen ihn eingeschlagen; nun ist seine Abwesenheit schuld, dass man viel gröber und heftiger mit ihm verfuhr, so dass er mir doppelt leid tut. Aber ich bin auch ganz verwirrt, umso mehr, als er selbst sich jeder Hilfe entziehen zu wollen scheint. Immerhin kann ichs nicht lassen, Euch zu bitten, Ihr wollet Euch daran erinnern, wie er mehr als sechsunddreißig Jahre lang sich redlich gemüht hat, Gott zu dienen und die Kirche zu erbauen, wie reichen Nutzen seine Wirksamkeit gestiftet hat, mit welchem Eifer er stets gearbeitet hat, ja wie viel Gutes Ihr schon von ihm erfahren habt. Das möge Euch doch zu einiger Milde stimmen, nicht so, dass Ihr dem Übel Eure Bestätigung gebt, aber doch, dass Ihr nicht zur äußersten Strenge greift. Da es aber nicht an mir ist, Euch Vorschriften zu machen, will ich nur Gott bitten, Euch so zu leiten in Klugheit und Takt, dass das Ärgernis, so gut es eben geht, gestillt werde und doch der arme Bruder nicht vor Traurigkeit umkomme. Ich bitte, mich den gnädigen Herren von Neuchatel ergebenst zu empfehlen, denen ich nicht besonders schreibe; denn ich bin ganz stumm vor Staunen. Indessen bitte ich nochmals unsern lieben Gott und Vater, er wolle Euch behüten, Euch reich werden lassen in allem Guten und stark in aller Tugend, damit sein Name allezeit verherrlicht werde unter Euch.

Genf, 26. September 1558.
Euer ergebener Bruder
Johannes Calvin.

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