Calvin, Jean - An einen unbekannten französischen Herrn.

Nr. 245 (C. R. – 1084)

Calvin, Jean - An einen unbekannten französischen Herrn.

De la Riviere ist das Pseudonym für Francois Perrucel, den frühern Novizenmeister der Pariser Barfüßer, der sich der Reformation anschloss.

Genf kein Paradies, aber ein sicheres Asyl.

Monsieur, durch Herrn Francois de la Riviere habe ich teilweise von Ihrer Absicht gehört und lobe unsern Herrn, dass er Ihnen guten Mut gegeben, ihm zu dienen bis in den Tod. Da wir uns ihm ganz hingeben müssen und ohne Hintergedanken, wenn wir als die Seien anerkannt sein wollen, so bleibt für Sie nur noch übrig, zu wissen, wie Sie sich am besten in seinen Dienst stellen können. Wahr ists, die Erde ist sein und wir dürfen überall wohnen, wenn wir uns nur sorgfältig unbefleckt halten zu seiner Ehre an Leib und Seele. Wenn uns gesagt wird, dass die ganze Erde heilig ist, so mahnt uns das ja gerade, dass wir sie nicht beflecken sollen durch ein böses Leben. Es ist nun in Betracht zu ziehen, ob Sie durch die Verheimlichung Ihres Glaubens, wie Sie sie üben, nicht teilhaft werden der Befleckung, die Sie mit Recht an den Ungläubigen verurteilen. Ich weiß wohl, Ihr Herz ist weit davon entfernt zuzustimmen, aber indem sie scheinbar an diesem Wesen teilnehmen, geben Sie zweifellos Zustimmung vor. Wie wir nun aber vor Gottes Angesicht den Götzendienst verabscheuen sollen, so schickt es sich auch, im Angesicht der Menschen alles zu vermeiden, was den Schein geben könnte, als billigten wir den Götzendienst. Es ist ebenso nötig, dass unser Leib ganz rein für Gott erhalten wird, wie unsre Seele, denn er ist ein Tempel des heiligen Geistes und hat die Verheißung unvergänglicher Herrlichkeit, die an ihm offenbar werden soll am jüngsten Tage. Nun ist es aber unmöglich, Leib und Seele ganz dem Dienste Gottes zu widmen und daneben dergleichen zu tun, als habe man Gemeinschaft mit den Götzendienern bei einer Handlung, von der wir wissen, dass sie Gott die Ehre raubt. Da genügt nun die Antwort nicht, Sie bekennten ja nichts mit dem Munde, sondern seien vielmehr sogar bereit, im Gegenteil Einspruch zu erheben, wenn man es von Ihnen verlange; denn Sie wissen wohl, dass Sie in keiner andern Absicht hingehen, als um den Feinden Gottes zu zeigen, dass Sie ihr Tun nicht verwürfen. Wollten Sie ihnen nicht den Gefallen tun, um dadurch den Verdacht zu vermeiden, als seien Sie ein Gegner ihrer kultischen Gräuel, so gingen sie gewiss nie hin. Und das ist nichts anderes, als ihrem Götzen aus Heuchelei huldigen, wenn schon Sie es nicht wollen. Wenn Sie finden, ich sei zu scharf in meiner Rüge, so bitte ich Sie, einmal in sich zu gehen, und Sie werden finden, dass ich nichts vorgebracht habe, was Ihnen nicht auch Ihr Gewissen schon vorwirft. Urteilen Sie danach, ob Gott Ihnen nicht noch viel mehr vorzuwerfen hat, denn er sieht deutlicher als wir. Daher kann ich nach dem Urteil, das Gott mir gegeben hat, einem Christenmenschen einfach nicht raten, in solchem Zustand zu verharren, und kann nicht anders sagen, als dass erst der ganz glücklich ist, der frei ist von solcher Gebundenheit. Wer also die Möglichkeit hat, sich frei zu machen, darf sie meines Erachtens nicht verschmähen. Freilich, nie wird einer die Umstände so ganz nach Wunsch finden, dass er ohne Schwierigkeit davon kommt, ja selbst nicht ohne viel Schererei, Schaden und Verlust an Geld und Gut. Aber wir müssen eben lernen, Gottes Ehre allem andern vorzuziehen. Was Sie persönlich angeht, so halte ich dafür, Gott habe Sie bis hierher gebracht, damit Sie nun fest entschlossen sein sollen, nicht an dem Ort zu versumpfen, wo Sie Gott willentlich beleidigen, und ich enthalte mich daher längerer Ermahnungen. Nur achten Sie wohl darauf, den guten Willen, den Ihnen Gott gegeben, nicht zu ersticken in Ihnen, sondern vielmehr anzufeuern. Seien Sie sich selbst ein Mahner, der Sie stets daran erinnert, Ihren guten Vorsatz auszuführen. Denn ich weiß, und die Erfahrung wird es auch Sie lehren, wie viele Abhaltungen es gibt, die Ihren Vorsatz in Vergessenheit bringen wollen oder ihn so verzögern, dass er kalt wird. Was den Lebensunterhalt angeht, um dessentwillen mich Herr Francois angefragt hat, so habe ich ihm geantwortet, und er wird es Ihnen, denke ich, schon ausrichten. Aber Ihr Auszug muss doch sein, wie der der Kinder Israel aus Ägypten, nämlich mit Sack und Pack. Und dazu braucht es, das sehe ich ein, festen, unwandelbaren Mut. Aber Sie vermögen alles in dem, der Sie stark macht. Hat er Sie einmal hierher gebracht, so werden Sie schon sehen, welche Anweisung er Ihnen gibt. Ich meinerseits werde mich von Herzen gerne für Sie verwenden, wie es meine Pflicht ist. Ich hoffe, da Sie schon mit bedeutenden Dingen zu tun gehabt haben, wird es Ihnen auch hier daran nicht fehlen. Aber es gefällt Gott manchmal, unsern Glauben in der Weise zu üben und zu prüfen, dass wir lassen müssen, was bisher unser Handwerk war und nicht wissen, was wir neues finden sollen. Da haben wir als Beispiel unsern Vater Abraham. Gott befiehlt ihm, sein Vaterland und seine Freundschaft und alles Übrige zu verlassen, und zeigt ihm dafür keinen Entgelt in der Gegenwart, sondern vertröstet ihn auf später [1. Mos. 12, 1]. Ziehe aus, sagte er ihm, in das Land, das ich dir zeigen will. Wenn es ihm nun heute gefällt, das gleiche an uns zu tun, dass wir unser Heimatland verlassen müssen, um umzusiedeln in ein unbekanntes Land, ohne zu wissen, wie wir es dort finden werden, so wollen wir uns ihm übergeben, dass er unsere Schritt lenke, und wollen ihm die Ehre antun, zu hoffen, dass er uns zum sichern Hafen führe. Sie müssen freilich wissen, dass Sie nicht in ein Paradies auf Erden kommen und sich in Gott freuen können ohne alles Leid. Sie werden vielmehr ein ziemlich rohes Volk finden, Sie werden ärgerliche Versuchungen auch hier erfahren. Kurz, erwarten Sie keine Besserung Ihrer Stellung, außer der, dass Sie frei werden von der unseligen Gefangenschaft Leibes und der Seele und in Freiheit Gott in reiner Weise dienen können. Sie haben die reine evangelische Lehre hier, Sie können seinen Namen anrufen in der Gemeinschaft der Gläubigen, Sie können die Sakramente recht genießen. Aber das muss Ihnen durchaus genügen, wenn wir es annehmen, wie es sich gehört. Von andern Lebensgütern nehmen Sie, was Gott Ihnen gibt, und verzichten auf das, was er nicht will, dass Sie es haben sollen. Bereiten Sie sich also darauf vor, in der Nachfolge Jesu Christi dem Kreuz nicht zu entfliehen, denn mit dieser Flucht würden Sie ja auch gar nichts gewinnen, das Kreuz würde Sie doch finden. Aber wir wollen zufrieden sein mit der unschätzbaren Wohltat, dass es uns nicht allein möglich ist, mit ruhigem Gewissen zu leben, sondern auch uns täglich zu üben in der Heilslehre und im rechten Brauch der Sakramente zu unsrer Stärkung. Wer auf diesen Grund baut, der errichtet einen guten Bau, und tatsächlich können Sie gar nicht anders zeigen, ob Sie Jesum Christum verehren oder nicht, als wenn Sie die ganze Welt für Dreck achten, wenn Sie nur ihn finden.

So empfehle ich mich denn, Monsieur, Ihrer Gewogenheit angelegentlich und bitte den lieben Gott, er möge Sie erfüllen mit dem Geist des Rates und der Klugheit, dass Sie erkennen, was gut und nützlich ist, er möge Sie befestigen in wahrer Standhaftigkeit, damit Sie seinen Willen auch ausführen, in andern Worten, er möge Sie leiten an seiner Hand, Ihren Ausgang und Eingang segnen und alles zu gutem Ende bringen.

Den 18. Oktober 1548.
Ihr ergebener Bruder und Diener im Herrn.
Ch. d´ Espeville.

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