Brief des Bischofs Bonifatius an den Bischof Daniel.

Brief des Bischofs Bonifatius an den Bischof Daniel.

Daniel war Abt des Klosters zu Winchester im Königreich Wessex.

Dem vielgeliebten Bischof: Daniel sagt Bonifatius, Knecht der Knechte Gottes, den erwünschten Gruß der Liebe in Christo.

Die Gewohnheit der Menschen ist bekannt, wenn ihnen etwas Trauriges und Drückendes begegnet, Rat und Trost für das geängstete Herz bei denen zu suchen, auf deren wahre Freundschaft, Einsicht und Treue sie vertrauen. So klage auch ich Euch im Vertrauen auf die bewährte Weisheit Eures väterlichen Herzens die Angst meiner gedrückten Seele und suche den Rat und den Trost Eurer Liebe. Denn wir haben, um mit dem Apostel1) zu reden, nicht bloß auswendig Streit, inwendig Furcht, sondern auch zugleich inwendig Furcht und großen Streit durch die falschen Propheten2) und Heuchler, welche Gott widerstehen, ins Verderben fallen und das Volk durch viele Ärgernisse und mancherlei Irrtümer verführen, indem sie nach dem Worte des Propheten sagen: Friede, Friede! und ist doch kein Friede, und den Samen des Wortes, welchen wir, aus dem Schoß der katholischen und apostolischen Kirche genommen und empfohlen, auszustreuen trachten, mit Lolch zu übersäen und zu ersticken oder in verderbliches Unkraut zu verwandeln suchen. Und was wir pflegen, wässern sie nicht, damit es wachse, sondern suchen es auszureißen, damit es verdorre, indem sie den Völkern neue Spaltungen und mancherlei Irrtümer lehren, und sich zum Teil von Speisen enthalten, welche Gott zum Genuss geschaffen hat. Einige leben auf eine eigentümliche Weise von Honig. und Milch und verachten Brot und andere Speisen, andere aber behaupten, was sehr nachteilig auf das Volk wirkt, dass Mörder und Ehebrecher, wiewohl sie in ihren Verbrechen sogar verharren, gleichwohl Priester werden könnten. Die Leute aber halten sich nicht nach dem Wort des Apostels an die gesunden Lehren, sondern sammeln sich Lehren, welche ihnen nach Wunsch die Ohren kitzeln. Da wir Schutz und Hilfe am fränkischen Hof suchen, so können wir zwar nach kanonischer Vorschrift den äußerlichen Verkehr nicht umgehen und vermeiden, ausgenommen, dass wir bei der Feier der heiligen Messe und dem heiligen Genuss des Leibes und Blutes Christi keine Gemeinschaft mit ihnen halten. Aber wir hüten uns auch vor ihren Ratschlägen und Meinungen. Mit solchen Menschen, wie mit den Heiden und der gemischten Volksmenge, haben wir unsere äußerlichen Mühsale und Kämpfe; die innerlichen aber sind, wenn ein Priester oder Helfer aus dem Schoß der Mutterkirche, Weltgeistlicher oder Mönch, von dem Glauben und der Wahrheit abfällt, dann zu Schmähungen der Kirchen-Angehörigen mit den Heiden übergeht und für das Evangelium und die Ehre Christi ein ungeheures Ärgernis entsteht. Um ohne Schaden für unsere Seele die Laufbahn des Predigtamtes zu vollenden, verlange ich nach der Fürbitte Eures väterlichen Herzens bei Gott. Bei Gott bitte ich Euch inständig, für uns angelegentlich zu beten, dass Gott, der barmherzige Tröster der Leidenden, unter solchen Stürmen verschiedener Umstände unsere Seele wohl und unversehrt vor Sünden bewahren möge. Über die oben genannte Gemeinschaft mit den erwähnten Geistlichen wünsche ich angelegentlich Euern heilsamen Rat zu hören und zu befolgen. Doch ohne den Schutz des fränkischen Fürsten kann ich weder das Volk regieren, noch Priester oder Helfer, Mönche oder Nonnen schützen, und ohne seinen Befehl und die Ehrerbietung vor ihm kann ich die Religionsgebräuche der Heiden selbst und den Kirchenraub der Götzendiener in Deutschland nicht verhindern. Wenn ich aber mit der Bitte um Hilfe in diesen Angelegenheiten zu ihm komme, so vermag ich nicht, den Kirchensatzungen gemäß, die äußere Gemeinschaft ohne ihre Zustimmung zu vermeiden. Ich besorge nämlich wegen dieser Gemeinschaft eine Beschuldigung, weil ich gedenke, zur Zeit meiner Weihe nach der Vorschrift des Papstes Gregor beim heiligen Petrus geschworen zu haben, die Gemeinschaft mit Solchen zu meiden, wenn ich sie nicht auf den rechten Weg zurückbringen könnte. Aber von der anderen Seite fürchte ich einen größeren Schaden für die Belehrung, welche ich den Völkern widmen soll, wenn ich nicht an den fränkischen Fürsten halte. Was Eure väterliche Gesinnung dem trauernden und zweifelnden Sohne für Entscheidungen, Urteile und Ratschlage gibt, wollt Ihr mir gewogentlichst anzeigen.

Ich glaube nämlich größtenteils von ihnen geschieden zu sein, wenn ich von ihnen in der Gesinnung, Überzeugung und Amtsführung getrennt bleibe, sofern sie nicht rechtgläubig sind. Außerdem wollte ich Eure väterliche Güte um den einzigen Trost zu meiner Reise inständig bitten, wenn ich sie vornehme, nämlich mir das Propheten Buch, welches Abt Winbert, mein vormaliger Lehrer, bei seinem Hingang zum Herrn hinterlassen hat, in welchem sechs Propheten mit deutlichen und vollkommenen Buchstaben in einem Band zusammen geschrieben sind, zu überschicken. Und wenn Gott Solches Euer Herz tun lässt, so könnt Ihr meinem Alter keinen größeren Trost und kein größeres Unterpfand eigener Belohnung überschicken, weil ich mir in diesem Land ein solches Propheten-Buch, wie ich es verlange, nicht verschaffen und mit dunkel werdenden Augen kleine und verschlungene Buchstaben nicht lesen kann. Derohalben bitte ich um das erwähnte Buch, weil es mit so deutlichen und ausführlichen Buchstaben geschrieben ist.

Unterdessen schicke ich Eurer Liebden durch den Priester Forther diesen Brief und einige kleine Geschenke als Merkmal aufrichtiger Liebe: ein Tuch nicht ganz von Seide, sondern mit einem Einschlag von Ziegenhaaren und Trotteln zur Fußwaschung.

Vor einiger Zeit habe ich durch einen Priester, der von Euch nach Deutschland kam, erfahren, dass Euch ein leiblicher Verlust betroffen hat. Doch Ihr wisst, ehrwürdiger Herr, wer es gesagt hat, oder durch wen: Welchen Gott liebt, den züchtigt er3) usw. Und der Apostel Paulus: wenn ich schwach bin, so bin ich stark, und die Stärke wird durch Schwachheit vollendet. 4) Und der Psalmist: der Gerechte muss viel leiden5) usw. Du hast, mein Vater, wie Antonius vom Didymus gesagt haben soll, Augen, mit welchen Gott gesehen und seine Engel und die herrlichen Freuden des himmlischen Jerusalems geschaut werden können. Deshalb vertraue ich auf Deine Weisheit und Geduld und glaube, dass Dir Gott Solches zur Vollendung Deiner Tugend und Erhöhung Deiner Verdienste zugeschickt hat, und dass Du um so mehr mit den Augen des Geistes das siehst und verlangst, was der Herr gebietet und liebt, und um so weniger das ansiehst und begehrst, was der Herr nicht liebt, sondern verboten hat. Denn was sind in dieser gefahrvollen Zeit die leiblichen Augen anders, als größtenteils, so zu sagen, Öffnungen zu Sünden? durch welche wir auf Sünden und Sünder blicken, oder, was noch schlimmer ist, wir durch die Betrachtungen und Begierden in Untaten verfallen. Eure Heiligkeit lebe wohl und bete für mich in Christo.

1)
2 Kor. 7,5.
2)
Jer. 6,14, 8,11.
3)
Spr. 3,12.
4)
2 Kor. 12,10, 7,20.
5)
Ps. 7,20
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