Bomhard, Georg Christian August - Am heiligen Weihnachtsfeste

Bomhard, Georg Christian August - Am heiligen Weihnachtsfeste

An dein gnädiges Kommen in diese Zeit, an deine hilfreiche und wunderbare Erscheinung in diesen Hütten des Todes - Sohn Gottes und des Menschen Sohn, daran gedenken heute deine Millionen Erlösten auf Erden mit der höchsten Freudigkeit, mit der dankbarsten Bewegung der Herzen! Nach Bethlehem, wo einst Gottes größtes Wunder zu unserm Heil geschehen ist, wenden wir heute wieder unsere Blicke voll heiliger Rührung und sagen: Kommet herzu, lasset uns dem Herrn frohlocken und jauchzen dem Gott unseres Heils; lasset uns mit Danken vor sein Angesicht kommen und mit Psalmen ihm jauchzen; lasset uns anbeten und knieen und niederfallen vor dem Herrn, der uns gemacht hat, denn er ist unser Gott und wir sind das Volk seiner Weide und Schafe seiner Hand. Schaaren von himmlischen Geistern verherrlichten einst die Stunde deiner Geburt und unzählbare Mengen durch dich erlöster, durch dich selig gewordener Seelen bringen im Himmel dir Lob- und Dankgesange dar für den Segen, den deine Herabkunft aus des Vaters Schooße den Menschenkindern gebracht hat. Wir sind zwar noch sehr schwache unvollkommene Geschöpfe - aber wir lieben dich als unsern besten Seelenfreund und Wohlthäter, wir ehren dich als unsern Herrn und Heiland, wir bestreben uns dir anzugehören und dein ewiges Eigenthum zu sein, wir bauen auf deine Macht und Gnade unsere höchste Zuversicht. Nimm unser schwaches Lob in Gnaden an, und behalte uns in deinem Schutz, in deiner Liebe zum ewigen Leben.

Hier kann ich schwaches Lob nur geben,
Nimm es, mein Gott, in Gnaden an,
Bis ich in jenem bessern Leben
Dich würdiger erheben kann.
Dort steiget mit der Engel Chor
Mein Lobgesang zu dir empor. Amen.

„Jauchzet, ihr Himmel, und freue dich, Erde, lobet, ihr Berge mit Jauchzen! denn der Herr hat sein Volk getröstet und erbarmet sich seiner Elenden.“ Mit diesen Worten fordert der große Prophet Jesaias im 49. Capitel seiner Weissagungen die ganze Schöpfung, den Himmel und die Erde, alle Kreaturen zur Freude, zum Frohlocken, zum dankbarsten Preise Gottes auf. Was sah der Mann Gottes in den Fernen der Zukunft, das ihn mit solch einem heiligen Entzücken erfüllte, das ihm solch eines allgemeinen Lobes und Dankes werth schien? Was zeigte der Geist Gottes seinem Geiste, weßwegen Jesaias Himmel und Erde zum seligen Jauchzen, zum fröhlichen Preisen und Danken auffordert? Ist das nicht etwa nur eine dichterische Redensart, welche hohe, prächtigtönende Worte wählt, ohne daß es damit gerade buchstäblich genau zu nehmen wäre? Ist auch jemals etwas auf dieser Erde geschehen, was alle Bürger des Himmels und alle Bewohner der Erde mit der höchsten Freude erfüllen konnte, zum gemeinschaftlichen, dankbaren Lobe Gottes erweckt hätte? Der heutige Tag, geliebte Christen, beantwortet uns diese Frage. Der Lobgesang der himmlischen Heerschaaren, der einst über Bethlehem gehört worden ist und heute aufs Neue so süß in alle Christenherzen klingt, hat die Erfüllung dieser, wie so vieler anderer herrlicher Weissagungen der Propheten von Christo gebracht. Da jauchzten die Himmel, da glänzten seine erhabenen Bürger, die heiligen Engel des Lichtes, heller von Freude, als sie das größeste, gnadenreichste, unerforschlichste aller Wunder und Werke des Höchsten, als sie den eingebornen, ewigen Sohn Gottes in unser Fleisch und Blut gekleidet, von einer Jungfrau geboren zu Bethlehem in einer Krippe liegen sahen. Da preiseten sie Gott, da wünscheten sie den Menschen Glück, als die, welche den kannten, der dort in solcher Niedrigkeit und Armuth in diese Welt gekommen war, als die da wußten, welch eine göttliche Hoheit und Majestät in diesem Kinde verborgen war, welche Reichthümer der Erbarmung Gottes, welche Segnungen für Zeit und Ewigkeit in ihm dem gefallenen Geschlechte Adams geschenkt werden sollten. Da erschallte ihr froher, herrlicher Lobgesang aus der Höhe, da war erfüllt: „Jauchzet ihr Himmel!“ „Und freue dich, Erde, lobet ihr Berge mit Jauchzen,“ setzt der Prophet hinzu. Sie fieng an, diese Freude über die Menschwerdung des Sohnes Gottes, sie fieng damals ganz im Kleinen und Stillen auf Erden an, in dem seligen Herzen der gebenedeiten Mutter, in der Seele Josephs, denen etwas davon geoffenbaret war, was das für ein Kind sei, das sie dort in eine Krippe legten; in den Gemüthern der frommen Hirten, denen die Engel diese frohe Botschaft verkündeten. Und ist sie von dort an gewachsen, immer allgemeiner, größer, weitverbreiteter, umfassender geworden, diese Freude, sie hat von einem Jahre und von einem Jahrhundert zum andern immer mehr Seelen ergriffen, geheiliget, beseliget, zum frohesten Preise Gottes erweckt. Und wenn wir heute diese Aufforderung des gottbegeisterten Jesaias vernehmen: „Jauchzet ihr Himmel und freue dich Erde, lobet ihr Berge mit Jauchzen, denn der Herr hat sein Volk getröstet und erbarmet sich seiner Elenden;“ in wie viel tausendmaltausend Seelen findet sie einen frohen Wiederhall, wie viele Millionen wissen es nun, warum die theilnehmenden Engel damals so jauchzeten, worüber die Erde bei dem Gedächtnisse dieser Geburt sich zu freuen hat, genießen die Wohlthaten, die der Sohn Gottes den Menschen gebracht hat. Wie viele erlöste Seelen preisen droben mit den himmlischen Heerschaaren den Herrn, daß er sein Volk getröstet und sich seiner Elenden erbarmet hat.

O Tag der Wonne, Tag des Heils, an welchem diese Weissagung erfüllt worden ist! O glückliches Geschlecht der Menschen, das von dem Herrn so getröstet worden ist, dessen die ewige Liebe sich so erbarmet hat! Das ist, sagt Arndt, unser Ehrentag, unser Freudentag, unser Hochzeittag, an welchem der Herr des Himmels und der Erde uns seine Verheißung erfüllet hat: Ich will mich mit dir verloben in Ewigkeit; ich will mich mit dir vertrauen in Gerechtigkeit und Gericht, in Gnade und Barmherzigkeit. Ja im Glauben will ich mich mit dir verloben und du wirst den Herrn erkennen. - O daß unser aller Herzen von dieser Freude, zu welcher Himmel und Erde sich an diesem Tage vereinigen, recht durchdrungen und beseelt wären! Das wäre der sicherste Beweis, daß wir der unaussprechlichen Wohlthaten theilhaftig sind, die der eingeborne Sohn Gottes uns aus des Vaters Schooße gebracht hat, daß wir durch ihn wiedergeboren, gerechtfertigt, geheiliget, zu Kindern und Erben Gottes gemacht sind. Sei uns allen zum Empfinden dieser Freude und zum Wachsthum in derselben dieses Fest von Gott gesegnet; werde es uns allen durch eigene Erfahrung immer klarer und gewisser, daß der Herr sein Volk getröstet und sich seiner Elenden erbarmet hat! Wir erflehen uns hiezu seinen Beistand in einem frommen Vater unser.

Evangel.: Luc. 2, 1-14.

Die Geschichte von der Geburt unsers geliebten Heilandes haben wir wieder vernommen; über das größte Wunderwerk der göttlichen Allmacht und Gnade, das sich unsere Seelen denken können, über die Menschwerdung des Sohnes Gottes, sollen wir miteinander nachdenken, soll ich wieder mit euch reden in dieser heiligen Stunde. Aber wohin sollen wir unser Augenmerk hauptsächlich richten, um uns mit unsern Gedanken und Empfindungen nicht ganz zu verlieren in dieser unermeßlichen Welt voll Herrlichkeit, wo immer ein Gegenstand schöner, wichtiger, beherzigungswerther, als der andere ist, vielmehr, wo alles, was wir ansehen können, gleich groß, anziehend, herzerfreuend und anbetungswürdig ist? Man weiß nicht, soll man die Niedrigkeit oder die Hoheit bei der Geburt Christi betrachten, die Menschen, unter denen sie geschieht, oder die Engel, die ihr Halleluja darüber singen, die Weissagungen, die dadurch erfüllt, oder die Hoffnungen, die dadurch gegeben worden sind; die Erde, die dadurch verklärt, oder den Himmel, der dadurch aufgeschlossen worden ist; die Höhe der göttlichen Barmherzigkeit, oder die Tiefe der menschlichen Unwürdigkeit, die Gnade des Vaters, oder die Liebe des Sohnes, oder die Wirkungen des heiligen Geistes. Man möchte gern alles auf einmal sehen, hören, durchdenken, empfinden, aussprechen, was sich der bewegten Seele hier darbietet, und fühlt doch sein gänzliches Unvermögen, auch nur eines von dem allen richtig genug fassen, tief genug erwägen, würdig genug bewundern, loben und verdanken zu können. Ich finde mich allemal auf's Neue und von Jahr zu Jahr mehr von diesem Gefühle beunruhigt und bewegt, so oft ich an den hohen Festtagen des Herrn von den großen Wundern Gottes reden soll, am meisten an dem heutigen Tage. Lasset uns denn nach unserer Gewohnheit nur einige der wichtigsten Punkte, von denen hier billig zunächst die Rede sein soll, in frommer Betrachtung erwägen, indem ich euch unter Gottes Beistand kürzlich vortragen will:

Wozu uns der Gedanke an die Menschwerdung des Sohnes Gottes erwecket.

Erweckt fühlen wir uns durch den Gedanken an die Menschwerdung des Sohnes Gottes, ergriffen, aufgeregt in allen Tiefen unserer Seele. Denn wen das Weihnachtsfest, der Blick auf das, was einst an diesem Tage zum Heil der Menschen geschah, nicht mehr zu edeln, göttlichen Gedanken erwecken kann, der muß mehr als gleichgültig, leichtsinnig, träge, unverständig, der muß erstorben an allen Gliedern und Sinnen des inwendigen Menschen, der muß lebendig todt in Sünden sein. Erweckt fühlen sich Christen darüber zu einer Reihe von Betrachtungen, Rührungen, Freuden, Hoffnungen, Entschließungen, die alle den heiligen Geist selbst zum Urheber haben, die alle von der erhabensten, edelsten, eines unsterblichen Geistes würdigsten Natur sind, die alle von dem gewaltigsten, beglückendsten Einfluß auf unser Denken und Wollen, auf unser ganzes Herz und Leben sein können, wenn wir ihnen Raum und Dauer in unsern Seelen geben. Nur einige wenige davon will ich jetzt zum klareren Bewußtsein in euch bringen, denn man kann von keinem dieser Gegenstände so bald hinwegkommen; sie werden genug sein, um diesem Feste seine rechte Weihe und seinen Segen für uns zu geben. Erweckt fühlen wir uns durch die Menschwerdung des Sohnes Gottes zunächst:

Zur gerührten Betrachtung der Niedrigkeit, in welcher der Herr erschienen ist.

Wie bewegt es uns das Herz, wie führt es unsere Gedanken in die schönsten Rathschlüsse der göttlichen Weisheit und Liebe ein, wie erweckt es alles, was in uns ist, zur Bewunderung, Dankbarkeit, Freude und Liebe, daß der König aller Könige so entblößt von allen Gütern und Ehren der Erde, so arm und anspruchlos in diese Zeit gekommen ist! Wäre es ein schimmernder Königspalast, wäre es eine goldene Wiege und ein Lager von Purpur und köstlicher Leinwand, wo wir dieses Kind bei seiner Ankunft auf dieser Erde erblicken, wären die Schätze, Bequemlichkeiten, Ehren und Hilfen dieser Welt reichlichst um dasselbe her gestellt, würden wir mit solch einer demüthigen Beugung des Herzens, mit solchen Empfindungen der Ehrfurcht, der Dankbarkeit und Rührung ihm nahen, wie wir jetzt im Geiste jenen dunkeln Stall betreten und jene armselige Krippe betrachten? O tief bewegender Anblick, o erhabene Niedrigkeit, reiche Armuth, seliges Elend! O König der Könige, eingeborner Sohn des ewigen Vaters voll Gnade und Wahrheit, woher und wohin bist du um unseretwillen gekommen! Aus dem Himmel auf die Erde, aus den Wohnungen des ewigen Friedens in die Behausungen der Unruhe, der Mühe, des Jammers, aus den Auen des Paradieses auf den Acker des Fluchs, aus der Umgebung der Engel in die Gesellschaft sündiger, sterblicher Menschen, aus den Lobgesängen der Cherubim und Seraphim in die Stimme des Seufzens und Klagens, aus dem Schooß der Allmacht und der seligsten Freuden in den Schooß der bittersten Armuth, des mannigfaltigsten Elends, von dem Throne der Majestät Gottes in die Gestalt des sündigen Fleisches, in eine Herberge zu Bethlehem, die dir nicht Raum gibt, in einen Stall, in eine Krippe! „Das habt zum Zeichen, ihr werdet finden das Kind in Windeln gewickelt und in einer Krippe liegen.“ Ja, das sind seine Zeichen, woran man ihn erkennen, nach denen man ihn suchen soll; denn ob er wohl reich ist, ward er doch arm um unseretwillen, auf daß wir durch seine Armuth reich würden. Er hat sich in jede Bitterkeit unseres Erdenlebens hinabgesenkt, auf daß er desto mehr Mitleid mit uns habe, auf daß er sie uns versüßete, wie jener Baum, den Moses auf Gottes Befehl in das bittere Wasser zu Mara legte, wodurch es süß und trinkbar wurde. Er hat sich in unsere Armuth, Verachtung, Elend, Schmerz und Jammer eingewickelt, um uns in seine Hoheit Gerechtigkeit, Freude und Herrlichkeit zu kleiden; er fängt sein Erdenleben in einer Krippe an und beschließt es an einem Kreuze, um den kümmerlichsten Eintritt in dieses Leben und den schmerzlichsten Austritt aus demselben zu weihen, zu schmücken und zu verklären mit seinem göttlichen Vorgang. Der erste Audienzsaal, worin dieser König die Seinigen empfängt, ist ein Stall, und der Thron, wo man ihn anbetet, eine Krippe, damit auch die geringen, armen Hirten sich nicht fürchten, zu solch einem Herrn zu kommen.

„Das habt zum Zeichen, ihr werdet finden das Kind in Windeln gewickelt und in einer Krippe liegen.“ - Er hat noch andere Zeichen, dieser König, woran man ihn erkennen kann, und den möchte ich sehen, der diese Zeichen alle recht zu nennen und zu beschreiben vermöchte; vom Gnadenwort der Weissagung im Paradiese an bis zur Verkündigung Gabriels, bis zum Lobgesang aller himmlischen Heerschaaren; von der Klarheit über Bethlehems Fluren an bis zur Verklärung auf Tabor, bis zu der Blitzesgestalt, in welcher der Engel den Stein von seines Grabes Thüre wälzte, bis zu den Feuerflammen, in welchen sein Geist auf seine Apostel sich herniederließ; von der Sehnsucht Adams, von der Hoffnung Lamechs, von dem Seufzer Jakobs an bis zu dem frohen Schauen der Hirten, bis zu dem frommen Preise Simeons, bis zu der demüthigen Anbetung der Weisen aus Morgenland, bis zu der erhabenen Predigt Johannes des Täufers, bis zu dem heiligen Hosianna vor Jerusalems Thoren, bis zu dem seligen „Halleluja, denn uns ist heut ein göttlich Kind geboren,“ welches heute durch alle Länder des Erdbodens schallt und aus viel tausendmaltausend dankenden Herzen zu ihm emporsteigt. - Er hat noch andere Königszeichen, dieser große König, - vom stillen ersten Erwachen der Liebe zu ihm in zarten Kindesherzen an bis zu dem Triumph, mit welchem ein grauer Paulus bekennt: Ich weiß, an wen ich glaube, und bin gewiß, daß er mir meine Beilage wohl bewahren wird bis an jenen Tag, - bis zu dem Himmelsblick, mit welchem ein sterbender Stephanus den Himmel offen und Christum zur Rechten Gottes sieht. Er hat noch andere Königszeichen - von jenen hellen Stimmen an, mit welchen einst, längst vor Erschaffung der Welt, die Morgensterne ihn mit einander lobeten, und alle Kinder Gottes ihm jauchzeten, bis zu der letzten Posaune, mit welcher er einst die Todten erwecken wird, bis zu dem Klang der goldenen Harfen, mit welchen die vier und zwanzig Gerechten am Throne ihm lobsingen von Ewigkeit zu Ewigkeit. Aber heute gibt er uns die Krippe und die Windeln zum Zeichen, und unsere Dankesthränen fließen ihm dafür, und sie sind uns so heilig, so herrlich, so anbetungswürdig, als das Scepter seines Reiches in seiner Hand, das ein gerades Scepter ist, als die Herrschaft auf seiner Schulter und der Name geschrieben auf seine Hüfte: Ein König aller Könige und ein Herr aller Herren. - Es erweckt uns aber der Gedanke an die Menschwerdung des Sohnes Gottes, wenn wir sehen, wie er zu Bethlehem geboren wurde, auch:

Zum ernstlichen Nachdenken, ob er auch in uns schon geboren sei.

Das wisset ihr, daß die Geburt unseres Heilandes zu Bethlehem uns nichts hilft, wenn er nicht auch in unsern Herzen geboren ist, und darin wächset, lebet und herrschet, daß der Sohn Gottes, wie er einst in diese große Welt außer uns kam, zu suchen und selig zu machen, was verloren ist, also auch in die kleine Welt unseres inwendigen Menschen kommen soll, um darin sein göttliches, seligmachendes Werk zu treiben; er muß nicht nur in den Ohren, auf den Zungen, im Gedächtniß, sondern er muß vornehmlich in den Herzen der Menschen sein, und darinnen Heiligkeit, Freude, Friede und Leben schaffen. Der Herr ist ja nicht ohne Kraft; - ein Bissen Brods, sagt Scriver, ein Trunk Wassers hat seine verborgene Kraft und beweiset sie, wenn er mit unserm Leibe vereiniget wird; sollte der Sohn Gottes nicht eine Kraft haben und sie beweisen, wenn er durch den Glauben mit unserer Seele wirklich vereiniget ist? Lasset uns darum nicht uns selber betrügen; wo kein neues geistliches Leben, keine göttliche Freude, kein innerlicher Friede, keine Lust an Gottes Wort, keine Liebe zu dem Erlöser, kein froher Preis seines göttlichen Verdienstes, keine Verschmähung der Welt und ihrer Eitelkeit, kein rechtes Verlangen nach der Seligkeit ist, da ist Christus noch nicht geboren, da wohnet er nicht, da kennet man ihn noch nicht. Die Kennzeichen, woran man sehen kann, daß er in uns geboren ist, sind, nach der Angabe des erleuchteten Arndts, leicht aus der Geschichte seiner Geburt zu Bethlehem zu entnehmen. Wie Christus geboren wurde, zur Zeit der ersten römischen Schatzung im jüdischen Lande, da die Juden mußten den römischen Kaiser für ihren Herrn erkennen, so wird er in unsern Herzen geboren, wenn wir ihn in Wahrheit für unsern Herrn, Heiland, Erlöser und König, für unsern Mittler zwischen Gott und den Menschen, für unsern Versöhner und Fürsprecher bei dem Vater, der gerecht ist, für unsere Weisheit, Gerechtigkeit, Heiligung und Erlösung erkennen; wenn wir ihm den Schoß und Zoll, den Dank, die Liebe, die Zuversicht, die Ehre geben, die ihm gebührt; wenn wir ihm demüthig unsere Kniee beugen und bekennen, daß er der Herr aller ist, zur Ehre Gottes des Vaters. Wie Christus zu der Zeit, als durch Gottes wunderbare Regierung ein allgemeiner Friede in der ganzen Welt war, zu Bethlehem geboren wurde, so wird er in uns geboren, wenn wir den himmlischen, göttlichen Frieden in uns empfinden.

Wir empfinden aber diesen Frieden erst, wenn wir die große Liebe Gottes gegen uns bedenken und erwägen, daß er durch die Menschwerdung seines eingeborenen Sohnes das menschliche Geschlecht auf's Höchste begnadiget und geehret hat. „Sehet, welch eine Liebe hat uns der Vater erzeiget, daß wir Gottes Kinder sollen heißen.“ Wir empfinden ihn, wenn wir der Vergebung der Sünden und der Gerechtigkeit, die aus dem Glauben kommt, uns trösten, also daß wir es an uns selber erfahren: „Nun wir denn sind gerecht worden durch den Glauben, haben wir Frieden mit Gott durch unsern Herrn Jesum Christum.“ Wie Christus in großer Armuth, von einer dürftigen Jungfrau, in einem Stalle geboren, in eine Krippe gelegt und in Windeln gewickelt wurde, so wird er in uns geboren und wir empfinden die Frucht seiner Menschwerdung, wenn wir geistlich arm und von Herzen demüthig sind, und unser Herz nicht einem stolzen Palast, sondern einer armen Hütte gleicht. Geistlich arm sein, heißt unser Elend erkennen, unsere Unwürdigkeit, Nichtigkeit und verborgene, innere Bosheit fühlen, uns nicht selbst für fromm, gerecht und heilig halten, sondern bedenken, daß alles, was wir Gutes sind und haben, lauter Gnade und Barmherzigkeit Gottes ist. Wo ein Christ so geistlich arm ist und sich selbst erkennet, da senket sich der Herr mit seiner reichen Gnadenfülle in solche Armuth und Demuth, nach seinem Wort: „Selig sind, die da geistlich arm sind, denn das Himmelreich ist ihrer; wer sich selbst erniedrigt, der soll erhöhet werden.“ Wie Christus zwar in Erdenfinsterniß, aber unter dem Glänzen eines hellen, süßen Freudenlichts von oben, unter dem Lobgesang aller himmlischen Heerschaaren geboren wurde, so wird er auch in uns geboren, wenn der Himmel anfängt, lieblich in unsere Augen zu glänzen als unser Vaterland, und wir es nicht mehr vergessen, daß unser Wandel im Himmel ist; wenn wir uns freuen auf jene glücklichen Wohnungen, wenn unser ganzes Leben hienieden immer mehr ein schönes Lob Gottes wird. Diese Anerkennung unserer Hilfsbedürftigkeit, diese geistliche Armuth und Niedrigkeit, dieser innere Friede, diese himmlische Gesinnung, die nach dem trachtet, was droben ist, ist der Beweis, der einzig gültige Beweis, daß der Sohn Gottes auch unsere eigene persönliche, menschliche Natur mit seiner göttlichen Natur vereiniget hat, daß er in uns ist, und wir in ihm sind. Hat solches in uns angefangen zu geschehen, dann fühlen wir uns bei dem Gedanken an die Menschwerdung des Sohnes Gottes auch erweckt:

Zur dankbarsten Freude über Gottes herrlichste Wohlthat.

„Siehe, ich verkündige euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird; denn euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus der Herr in der Stadt Davids.“ Viel Gutes erzeigt uns der allmächtige Gott hier auf Erden, aber dieses ist bei weitem das Beste; viele süße, große Freuden schenkt uns seine Güte und Liebe schon hienieden, und wer zählet die Wohlthaten seiner Vaterhand für unsern Leib und für unsere Seele - aber diese ist über allen Vergleich die höchste und beglückendste. Darum wird sie uns auch von Engelsmund verkündiget und die Menge der himmlischen Heerschaaren vereiniget sich mit ihm, sie uns zu rühmen und uns dazu Glück zu wünschen. Groß ist diese Freude, denn die Menschheit hat sich lange darnach gesehnt, und sich ihrer bedürftig gefühlt, das ängstliche Harren der Kreatur hat lange darauf gewartet, viel Propheten und Könige haben mit Augen des Glaubens, des Gebets und Verlangens darnach hinausgeblickt. Große Freude ist es, denn es ist ein großer Herr, der dieselbige bringt, der, vor dem Freude die Fülle ist und liebliches Wesen zu seiner rechten Hand immer und ewiglich; der das Angesicht fröhlich macht und gibt Gesundheit, Leben und Freude. Große Freude - denn in ihr ist alles, alles, was unsern schmerzlichsten Bedürfnissen abhilft und unsere höchsten, kühnsten Wünsche erfüllt, was allen unsern Jammer stillt und alle unsere Traurigkeit in Freude verwandelt. Große Freude, denn sie muß nicht von uns verdienet, theuer erkauft, sauer erworben werden, sondern sie wird uns frei gegeben, angeboten, geschenkt, ohne all unser Verdienst und Würdigkeit aus lauter Gnade und Barmherzigkeit, wir dürfen nur annehmen, was uns geboten wird, nach dem Wort des Herrn: Thue deinen Mund weit auf, und laß mich ihn füllen. Große Freude - denn sie soll allem Volke widerfahren, sie wird verkündiget beides denen die nahe sind und denen die ferne sind; es ist Niemand von ihr ausgeschlossen, als wer sich selbst davon ausschließt, und je ärmer, geringer, gedrückter, trauriger Jemand ist, je gnadenhungriger eine Seele sich fühlt, desto reichlicher und erquicklicher soll ihr diese Freude zu Theil werden, die den Betrübten in Zion Schmuck für Asche, Freudenöl für Traurigkeit und schöne Kleider für einen betrübten Geist gibt. Große Freude ist es, denn ihre Dauer ist ewig, sie wird nicht für eine kurze Zeit geschenkt, sie flicht nicht treulos von uns mit den schnellen Jahren, sie hebet an auf Erden und wird vollkommen im Himmel werden, sie soll nie von uns genommen werden, denn sie heißt ja das ewige Leben. Große Freude - denn sie soll auch unsern Kindern zu Theil werden, sie soll hier fortgeerbt werden von einem Geschlecht zum andern; Euer und eurer Kinder ist diese Verheißung.

Worin besteht diese Freude?

Euch ist heute der Heiland geboren - hiemit ist alles gesagt. Kommet her ihr Gewaltigen und ihr Geringen, hier ist der wahre Herr und König über alle Völker, dem alle Gewalt gegeben ist im Himmel und auf Erden, deß Reich nie vergehet, welches Herrschaft ist auf seiner Schulter und er heißet: Wunderbar, Rath, Kraft, Held, Ewigvater, Friedefürst. Kommet her ihr Gelehrten und ungelehrten, ihr Weisen nach dem Fleisch und ihr Unweisen - hier ist die rechte Weisheit Gottes, die uns selig macht, der, in welchem alle Schätze der Weisheit Gottes verborgen liegen, auf welchem ruhet der Geist der Weisheit und des Verstandes und des Erkenntnisses aller göttlichen Geheimnisse, das wahrhaftige Licht, welches alle Menschen erleuchtet, die in diese Welt kommen; hier ist der Weg, die Wahrheit und das Leben. Kommet her, ihr erschrockenen Gewissen, ihr zagenden Sünder - hier ist der Gnadenstuhl, von welchem Gott freundlich mit euch redet, der, durch welchen die Sünde zugesiegelt und die Missethat versöhnet ist, dessen Blut besser redet denn Abels, und uns rein macht von allen unsern Sünden, den man nennt: Herr, der unsere Gerechtigkeit ist. Kommet her, ihr angefochtenen Seelen - hier ist der gebenedeite Weibessamen, durch welchen der Schlange der Kopf zertreten ist, der Stärkere, dem die Starken zum Raube werden, der Sohn Gottes, der dazu erschienen ist, daß er die Werke des Teufels zerstöre. Kommet her, ihr Schwachgläubigen - hier ist der, der das zerstoßene Rohr nicht zerbricht und den glimmenden Docht nicht gar auslöscht, dessen Kraft in den Schwachen mächtig ist, der, wenn ihr Glauben habt als ein Senfkorn, Wunderdinge in euch wirket. Kommet her ihr, die da hungert und dürstet nach der Gerechtigkeit - ihr sollet satt werden; hier wird das rechte Brod vom Himmel kommen und das rechte Wasser des Lebens; er füllet die Hungrigen mit seinen Gütern und erquicket die durstige Seele. Kommet her, ihr Verachteten, Gedrückten, Zurückgesetzten in der Welt - hier ist der König der Ehren, der euch das Reich bescheiden wird, wie es ihm sein Vater beschieden hat, der goldene Kronen für euch bereit hält, der was schwach ist vor der Welt, und das Unedle und was da nichts ist, erwählet hat, auf daß er zunichte mache, was etwas ist. Kommet her ihr Verlassenen und Notleidenden, ihr weinenden Augen, ihr mühseligen und beladenen Seelen - hier ist Immanuel, Gott mit uns; ist Gott mit uns, wer mag wider uns sein? Hier ist der Friedefürst, er will euch erquicken und euch Ruhe geben für eure Seelen; hier ist der rechte Noah, der uns trösten wird in unserer Mühe und Arbeit auf Erden; hier ist der, von welchem der Erzvater sagte: Ich habe Gott von Angesicht gesehen, und meine Seele ist genesen. Kommet her ihr Siechen und Kranken, ihr Alten und Schwachen, ihr Sterblichen allzumal, deren Tage einer Hand breit sind, denen die Gewalt des Todes bange macht, die da seufzen: „Nun Herr, weh soll ich mich trösten?“ Sprechet: „Ich hoffe auf dich!“ Hier ist der, welcher, gleichwie die Kinder Fleisch und Blut haben, also es gleichermaßen theilhaftig geworden ist; auf daß er durch den Tod die Macht nehme dem, der des Todes Gewalt hatte, das ist dem Teufel, und erlösete die, so aus Furcht des Todes im ganzen Leben Knechte sein mußten; hier ist der Fürst des Lebens, der die Schlüssel der Hölle und des Todes in seiner Hand hat, der die Seinigen im Frieden dahin fahren läßt, denn ihre Augen haben den Heiland gesehen, der den erlösten Geist in seine starken, treuen Hände aufnimmt und unsern Staub einst verklären wird, daß er ähnlich werde seinem verklärten Leibe nach der Wirkung, womit er kann alle Dinge ihm unterthänig machen. - Das ist die große Freude, die uns widerfahren ist, das heißt: Euch ist heute der Heiland geboren! So ist denn nichts gewisser, als daß der Gedanke an die Menschwerdung des Sohnes Gottes uns noch schließlich erweckt:

Zum seligen Einstimmen in den Lobgesang der himmlischen Heerschaaren.

Jauchzen die Himmel, so soll die Erde sich freuen, geben die Engel den Ton an, so sollen die Menschen darin einstimmen; loben sie Gott in der Höhe, so müssen wir noch viel froher die Hände aufheben hier in der Tiefe; denn unser Heiland ist geboren. Was die Engel dort so hellstrahlend und fröhlich singend verkündigten, empfinde mit, töne es nach, begnadigtes Christenherz; was sie dort zum Preise Gottes gerühmt haben, summe ein, erlöste Seele, in ihren Lobgesang: Ehre sei Gott in der Höhe, Friede auf Erden, und den Menschen ein Wohlgefallen. Ehre sei Gott in der Höhe; denn er hat seine ganze Barmherzigkeit uns geoffenbart; er ist die Liebe, er ist allen gütig und erbarmet sich aller seiner Werke; er sendet Zion seine Hilfe, seinem Volke eine Erlösung. Kann auch ein Weib ihres Kindleins vergessen, daß sie sich nicht erbarme über den Sohn ihres Leibes? Und ob sie sein vergäße, will ich doch deiner nicht vergessen, siehe, in die Hände habe ich dich gezeichnet. Ehre sei Gott in der Höhe! denn er hat seine Gerechtigkeit hoch verherrlicht; er war in Christo und versöhnte die Welt mit ihm selber, er hat seinen eingeborenen Sohn unter das Gesetz gethan, auf daß er das Gesetz erfüllete und uns erlösete vom Fluche desselben; denn er sandte seinen Sohn in der Gestalt des sündigen Fleisches und verdammete die Sünde im Fleische; er hat den, der von keiner Sünde wußte, für uns zur Sünde gemacht, auf daß wir würden in ihm die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt. Ehre sei Gott in der Höhe: denn er hat seine Weisheit majestätisch geoffenbaret. O welch eine Tiefe des Reichthums beide der Weisheit und der Erkenntnis Gottes. Wie gar unbegreiflich sind seine Gerichte und unerforschlich seine Wege. Er hat eine Erlösung gestiftet, ein Mittel gefunden, seine Heiligkeit und Gnade, seine Gerechtigkeit und Barmherzigkeit mit einander zu vereinigen, die Sünde zu strafen und den Sünder zu begnadigen, und wie durch Eines Ungehorsam viel Sünder worden sind, also durch Eines Gehorsam werden viele Gerechte. Ehre sei Gott in der Höhe! Denn er hat sein Wort erfüllt; des Herrn Wort ist wahrhaftig und was er zusagt, das hält er gewiß; du wirst deine Wahrheit treulich halten im Himmel. Ehre sei Gott in der Höhe, denn er hat ein Gedächtniß gestiftet seiner Wunder, der gnädige und barmherzige Herr, größer als in der Schöpfung des Himmels und der Erde; du hast dein Volk ausgeführet, du hast dein Volk erlöset gewaltiglich; wunderbar, wunderbar sind deine Werke, das erkennet meine Seele wohl. Friede auf Erden! Preis dir, o gütiger Heiland für deinen Frieden, den du von oben herab uns gebracht hast, den die Welt nicht geben kann, denn sie kennet ihn nicht, der höher denn alle Vernunft ist, den Niemand von mir nehmen kann, der mein Gewissen stillet, der meine Thränen trocknet, der die Todesfurcht aus meiner Seele vertreibt, der mein Herz und meine Sinnen in dir bewahret zum ewigen Leben! In der Welt haben wir Angst, aber in dir haben wir Frieden. O gieße nur einen Tropfen dieses süßen Friedens in jeden herben Trübsalskelch, den ich hier trinken muß, bis du mich dort mit deinen Freuden tranken wirst, gleich als mit einem Strome.

Und den Menschen ein Wohlgefallen! Sei gelobt, o heiliger Geist, der über uns reichlich ausgegossen worden ist, durch Jesum Christum unsern Heiland! Du machest, daß wir Christum einen Herrn heißen und eignest jedes Heil seiner Menschwerdung unsern Seelen zu; du leitest uns auf ebner Bahn und lehrest uns thun nach deinem Wohlgefallen; du erfüllest uns mit Früchten der Gerechtigkeit, die durch Christum in uns geschehen zur Ehre und zum Lobe Gottes, und machest uns angenehm in ihm dem Geliebten. O Menschentröster, weiche nicht von uns, beweise dich uns allen als der Geist der Herrlichkeit, verkläre uns in das Bild unseres Erlösers von einer Klarheit zu der andern, und mache uns so mit Leib und Seele zu seligen Bürgern deines Reiches, das da ist Gerechtigkeit, Friede und Freude in dem heiligen Geiste! Amen.

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