Böhme, Jakob - An Carl von Endern.

Böhme, Jakob - An Carl von Endern.

Den 15. Januar 1615.

Edler rc. Herr, neben Wünschung von dem heiligen, allen Dingen gegenwärtigen Gott, der da ist die Fülle aller Dinge und die Kraft aller Wesen, eines glückseligen, friedlichen, freudenreichen neuen Jahrs und aller heilsamen Wohlfahrt bevorn. Wiewohl ich als ein einfältiger Mann mir die Zeit meiner Tage niemalen fürgenommen, mit so hohen Leuten mit meiner Gabe, so mir Gott aus seiner Liebe und Gnade gegeben, zu conversiren, oder damit bei ihnen bekannt zu werden, sondern, nachdem in mir das hohe Licht angezündet wurde, und der feurige Trieb mich überfiel, war es allein mein Wille zu schreiben, was ich eigentlich sahe und im Geiste erkannte, und meine Schriften bei mir zu behalten. Weil ich's aber nicht verstanden habe und nun mit Augen sehe, daß Gott es viel anders damit meint, als ich je bedacht hatte; als lerne ich mich erst bedenken, daß vor Gott kein Ansehn der Person gilt, sondern wer ihm anhanget, der ist ihm lieb, und er treibt sein Wesen in ihm: denn er ist allein hoch, und will sich in dem Schwachen offenbaren, auf daß es erkannt werde, wie da allein sei das Reich und die Kraft seine und es nicht liege an Forschung menschlicher Vernunft oder an den Himmeln und ihrer Kraft. Denn dieselben ihn doch nicht begreifen, sondern daß es ihm wohlgefalle, sich zu offenbaren in dem Niedrigen, auf daß er erkannt werde in allen Dingen. Denn auch der Himmel Kräfte arbeiten stets in Bildnissen, Gewächsen und Farben, zu offenbaren den heiligen Gott, auf daß er erkannt werde in allen Dingen: vielmehr höher und heller kann die Offenbarung Gottes in einem Menschen geschehen, dieweil derselbe nicht allein ist ein Wesen aus der geschaffenen Welt, sondern seine Kraft, Materie und eigen Wesen, daß er selber ist, stehet und inqualiret mit allen dreien Principien des göttlichen Wesens. Und ist dem Menschen in seinem Fall an der göttlichen Creatur nichts benommen, als alleine das göttliche Licht, darinnen er sollte in vollkömmlicher Liebe, Demuth, Sanftmut und Heiligkeit in Gott leben, wallen und sein, und also das Himmelbrod von dem Wort und göttlicher Kraft essen und in Vollkommenheit gleich den Engeln leben. Solches Licht, welches in dem andern Principium in Gott ewiglich scheint, welches ist die einige Ursache der Freude, Liebe, Demuth, Sanftmuth und Barmherzigkeit, ist dem Menschen in seinem Fall entwichen und verborgen, indem der erste Mensch seine Imagination, Lust und Sehnung, als er in seiner Mutter der großen Welt gebildet ward, in die Mutter der Natur gesetzt, und begehrte der Speisen des ersten Princips (der Seele), darin der Urkund und die Geburt der Natur stehet, darinnen der Zornquell stehet, und die allerängstlichste Geburt, daraus worden sind alle begreiflichen Dinge dieser Welt: so ist's ihm auch worden, dieweil er auf derselben Wurzel stund. Also ist er nach dem Leibe, sowohl auch nach dem Geiste ein Kind dieser erschaffenen Welt worden, welche ihn nun regieret, treibet und führet, auch speiset und tränket, und hat in sich empfangen die Zerbrechlichkeit und Peinlichkeit, und hat einen thierischen Leib bekommen, welcher wieder in seiner Mutter verwesen muß: denn die monstrosische Gestalt sollte er nicht haben, das Gestirn der großen Welt sollte über ihn nicht herrschen, sondern er hat sein Gestirn in ihm selbst, welches inqualiret mit dem heiligen Himmel des andern Principii göttlichen Wesens, das ist, mit dem Aufgang und Geburt der göttlichen Natur. Nun aber ist der Mensch nicht also zerbrochen, daß er nicht mehr derselbe erste Mensch sei, den Gott schuf. Allein die monstrosische Gestalt hat er bekommen, welche zerbrechlich ist, und ihren Anfang alleine bloß von dem äußersten und dritten Principio hat, und hat die Pforten des ersten Principii, welches ist der ernstliche Quell, in ihm erwecket, welche sonst ohne das in der großen geschaffenen Welt brennet, und in den Verdammten ganz anzündlich wird. Der rechte Mensch aber, den Gott schuf, ist noch in diesem verderbten Menschen verborgen; und so er sich selbst verläugnet in seiner thierischen Gestalt, und lebet nicht nach desselben Trieb und Willen, sondern ergibt sich Gott mit Sinn und Gedanken, so lebet derselbe Mensch in Gott, und wirket Gott in ihm das Wollen und das Thun, denn es ist alles in Gott. Der rechte heilige Mensch ist sowohl im Himmel als Gott, und der Himmel ist in ihm, und das Herze oder Licht Gottes wird in ihm geboren, das ist Gott in ihm, und er in Gott; Gott ist ihm näher als der thierische Leib, denn der thierische Leib ist nicht sein Vaterland, da er daheim ist, sondern er ist damit außer dem Paradiese. Der rechte Mensch aber, welcher in Christo neu geboren, ist nicht in dieser Welt, sondern im Paradies Gottes: und ob er gleich im Leibe ist, so ist er doch in Gott. Obgleich der thierische Leib stirbet, so geschieht doch dem neuen Menschen nichts, sondern er kommt erst recht aus dem Widerwillen und Qualhause in sein Vaterland; er darf keines weit Abscheidens, da er vermeinte hinzufahren, da ihm besser wäre, sondern Gott wird in ihm offenbar.

Nun liegt's nicht an der Creatur Wollen, Rennen und Laufen, die Tiefe der Gottheit zu erkennen, denn der Seele ist unbewußt das göttliche Centrum, wie da geboren wird das göttliche Wesen, sondern es lieget an Gottes Willen, wie sich der will offenbaren. So sich aber Gott in der Seele offenbaret, was hat die Seele dazu gethan? Nichts; sie hat allein die Sehnung zur Geburt, und stehet aus Gott, in dem sie lebet, mit welchem das göttliche Licht in ihr scheinend wird, und das erste ernste Principium, darin der Beweglichkeit Urkund ist, in triumphirende Freude verwandelt wird.

Darum ist's ein Unbilliges, daß die Welt also wüthet, schändet und schmähet, so sich die Gaben Gottes in dem Menschen ungleich erzeigen, und nicht alle einerlei Erkenntniß haben. Was kann ihm ein Mensch nehmen, so es nicht in ihm erboren wird, welches doch nicht in menschlicher Wahl stehet, wie er's begehret? sondern wie sein Himmel in ihm ist, also wird auch Gott in ihm offenbar. Denn Gott ist nicht ein Gott der Zerstörung in der Geburt, sondern ein Erleuchter und Anzünder, und hat eine jede Creatur ihr Centrum in sich, sie lebe gleich in Gottes Heiligkeit oder in Gottes Zorn; Gott will aber in allen Creaturen offenbar sein.

So doch die Welt nicht so blind wäre, würde sie Gottes wunderliches Wesen an allen Kreaturen erkennen; so sie aber nun also wüthet und tobet, das thut sie alles wider sich selbst und wider den heiligen Geist Gottes, vor welchem Lichte sie dermaleinst werden erschrecken: sie werden doch nicht aufhalten den Sohn, den die sehnliche Mutter in ihrem Alter wird gebären, denn das zeiget der Himmel an, Gott wird ihn erleuchten wider alles Wüthen und Toben des Teufels, und wird seinen Glanz vom Aufgang zum Niedergang strecken. Nicht schreibe ich von mir, denn ich zeige nur an, daß es vorhanden sei und kommen wird.

Quelle: Renner, C. E. - Auserlesene geistvolle Briefe der Reformatoren

Cookies helfen bei der Bereitstellung von Inhalten. Diese Website verwendet Cookies. Mit der Nutzung der Website erklären Sie sich damit einverstanden, dass Cookies auf Ihrem Computer gespeichert werden. Außerdem bestätigen Sie, dass Sie unsere Datenschutzerklärung gelesen und verstanden haben. Wenn Sie nicht einverstanden sind, verlassen Sie die Website.Weitere Information
autoren/b/boehme_j/boehme-brief1.txt · Zuletzt geändert: von 127.0.0.1
Public Domain Falls nicht anders bezeichnet, ist der Inhalt dieses Wikis unter der folgenden Lizenz veröffentlicht: Public Domain