Blumhardt, Christoph - Andachten zum 1. Brief des Paulus an die Korinther

Blumhardt, Christoph - Andachten zum 1. Brief des Paulus an die Korinther

1 Korinther 1,25.

Die göttliche Thorheit ist weiser, denn die Menschen sind, und die göttliche Schwachheit ist stärker, denn die Menschen sind.

Die Griechen nannten das Evangelium von dem Gekreuzigten eine Thorheit. Im höchsten Grade thöricht und lächerlich kam es ihnen vor, daß ein Gekreuzigter sollte der seyn, an den man glauben müßte, um Heil und Leben für Zeit und Ewigkeit zu finden. Die Juden nannten's eine Schwachheit, und nahmen großes Aergerniß daran, weil sie einen gewaltigen König erwarteten und nur von einem solchen etwas Großes glaubten sich versprechen zu dürfen. So sahen sie es als eine Gotteslästerung an, daß man einen so armseligen Heiland ihnen anpreisen wolle, der als Missethäter gestorben und da in seiner ganzen Ohnmacht dargestellt worden sei. Nun ist aber doch solch Evangelium vom Gekreuzigten eine göttliche, von Gott befohlene Predigt; und so nennt es Paulus, indem er Gottes Rath und der Menschen Urtheil darüber zusammenstellt, eine göttliche Thorheit und eine göttliche Schwachheit.

Diese göttliche Thorheit aber, sagt er, sei weiser, denn die Menschen sind, d. h. es liege mehr Weisheit darin verborgen, als alle Menschen miteinander ersinnen könnten. Die Klugen dieser Welt wollen's freilich heute noch nicht fassen, schütteln über Vielem den Kopf, und meinen, es sei mit der Vernunft nicht sehr im Einklange, was man von JEsu predige, namentlich auch, was man von der Bedeutung Seines Todes sage. Es wird sich aber einmal herausstellen, welche Tiefen der Weisheit in diesem göttlichen Heilsplan verborgen liegen; und auch jetzt schon kann man Weisheit genug darin finden, wenn man nur die Augen aufthun wollte, so viel Weisheit, daß ein darin erfahrener Christ nun umgekehrt nur lächeln kann über die menschliche Thorheit, die sich in der Weisheit der Weisen herausstellt.

Nennen's die Juden Schwachheit, so sagt Paulus, sei diese göttliche Schwachheit stärker, als die Menschen sind, stärker als Alles, was menschliche Macht und Größe zu Stande bringen mag. Man will freilich dem Evangelium oft wenig Macht zutrauen; und gar manche andere Predigt halten Viele für wirksamer, als die Predigt vom Kreuze. Aber wir können's ja sehen, wie die Kirchen immer voller werden, wo man vom Kreuze Christi redet, und immer leerer, wenn man davon schweigt, ein Beweis, daß jenes eine Macht hat über die Herzen, wie sonst nichts Anderes. Ein Blick zum Kreuze hat schon die härtesten Herzen gebrochen. Was anders als das Kreuz Christi, hat die alte Welt in kurzer Zeit umgewandelt? Was anders hat dem Evangelium Bahn gemacht in unsern Tagen in allen Ländern, als seine Lehre vom Kreuze? Mit der Schwachheit des Fleisches, die allerdings beim Kreuzestode Christi hervortrat, ist eine neue Zeit der Kraft angebrochen; und weil Er ja doch wieder auferstanden ist, gewinnt's nun die Schwachheit des Kreuzes über die ganze Schöpfung, bis ein neuer Himmel und eine neue Erde da stehen.

Wollen wir denn auch uns, die wir daran glauben, gerne Thoren und Schwache nennen lassen; denn wir sind mit solchem Glauben gleichfalls weiser und stärker, als die Menschen sind. Solcher Glaube macht uns weiser, um richtig zu wandeln in einer Welt voll Dunkel und Aergernissen, und stärker, um Alles siegreich zu überwinden, an dem Andere jämmerlich unterliegen.

Mel. Freu dich sehr, o meine. Aber wißt ihr meine Stärke,
Und was mich so muthig macht,
Daß mein Herz des Fleisches Werke
Und des Satans Grimm verlacht?
JEsu Lieb' ist mir gewiß,
Seine Lieb' ist stark und süß!
Was ist, das mich noch betrübe?
Der am Kreuz ist meine Liebe!

1. Korinther 3, 8. 9.

“Ein jeglicher wird seinen Lohn empfangen nach seiner Arbeit, denn wir sind Gottes Arbeiter.“

Merken wir uns, wonach der Lohn ausgeteilt wird: nach der Arbeit, nicht nach der Faulheit oder faulem Frommtun, - nach der Arbeit, wie eins für den HErrn und Seine Sache arbeitet. Es giebt aber heutzutage viele Christen, denen das Arbeiten für den HErrn und Seine Sache gar nicht einfällt, obwohl sie an einem fort schmeichelig tun mit dem Heilande, immer für sich, wer weiß wie viel ansprechen, immer nur wollen, daß es ihnen innerlich wohl sei, Frieden wollen und Ruhe wollen, und wenn etwas ihnen wehe tut, das nur gleich weg haben wollen. In dieser Weise sind sie Christen, tun aber sonst rein nichts, wodurch die Sache Christi, etwa auch am Andern, gefördert wird. Bei ihnen wird einmal der Lohn schmal ausfallen, wie die Arbeit gering oder gewesen ist.

Deswegen müssen wir sehr darauf achten, daß wir, wenn wir wollen des HErrn Diener sein, Ihm auch etwas nütze sind in unserem Teil, nicht wie wir's uns ausdenken und auswählen, sondern nur auch, wie Er's uns gelegentlich anweist. Wenn Er ruft, sollen wir laufen; wenn Er winkt und Andeutungen giebt, - und der Fleißige merkt das schnell, - sollen wir nicht lange uns besinnen, oder grübeln, bis wir endlich den Kopf schütteln und sagen: „Das mag ich nicht! Das ist mir zu unbequem, das bringt mich aus der Fassung, das übersteigt meine Kräfte!“ - wie's eben mancher tut, der nicht dran will und lieber in süßer Ruhe sein Leben hinbringt. Diese Weigerung gegen den HErrn, dieses Nichtwollen, wenn Er winkt, dieses sich Zurückziehen in den Winkel, etwa mit dem Vorgeben, man tauge ja doch nicht, andere verständen das besser, - das wird einmal angerechnet werden. Denn der HErr wird danach fragen; und es wird nicht gar leicht werden, bei Verschuldungen dieser Art so gar gut durchzukommen.

Bei der Arbeit für den HErrn übrigens kommt auch wieder viel darauf an, ob man's mit eigenem Geist tut, oder mit demütiger Selbstverleugnung rein nach dem Sinn und Geist und Willen des HErrn. Man kann auch ungeheißen mit Eigenliebe, Selbstgefälligkeit, fleischlicher Anmaßung, Eigensinn und Großtuerei viel anfangen; und da verderbt man dem HErrn oft mehr, als man gut macht, weil man da nicht Gottes Mitarbeiter ist, wie der Spruch sagt. Also nicht auf jede Arbeit, sondern je nachdem die Arbeit ist, folgt einst der Lohn. Bisweilen scheint der liebe Gott schon hienieden zu manchen Arbeitern, auf die wir viel halten, zu sagen: „Geh' beiseite, ich kann dich nicht brauchen!“ und es könnte, wenn nur auch je und je, - denn wir dürfen nicht richterisch werden, - wohl begriffen werden, warum sie Gott krank werden läßt, weil sie, wenn sie gesund wären, viel mehr schaden, als nützen würden; - oder werden sie gar abgerufen. Wenigstens wird's nicht verkehrt gedacht sein, wenn je und je bei eintretender Unfähigkeit zur Arbeit, da einer sagt: „Ich möchte so gerne für den Heiland etwa tun und kann nicht,“ überlegt würde, ob der liebe Gott nicht etwas sagen wollte über die Art der Arbeit, daß diese eben besser nach Seinem Sinn werden sollte, damit man wirklich Sein Mitarbeiter würde. Also auch die Art und Weise, mit der man arbeitet, ist wichtig; und wie viel haben wir doch da zu lernen, ob nun unsre Arbeit Berufssache oder freie Wahl sein mag! Die Rechenschaft aber an jenem Tage über Untätigkeit oder verkehrte Tätigkeit wird immerhin eine ernste sein! Ach, daß wir nur immer in der Demuth blieben, mit welcher wir leicht zu Gnaden kommen könnten!

Mel. Freu' dich sehr.

Treuer JEsu, miß dem Willen
Auch Vollbringungskräfte zu;
Hilf den Vorsatz bald erfüllen,
Meine Schwachheit stärke Du,
Meine Trägheit muntre auf,
Bis ich schließe meinen Lauf.
hilf mir siegen, hilf mir kämpfen,
Satan, Welt und Fleisch zu dämpfen.

1. Korinther 6,15.

Wisset ihr nicht, daß eure Leiber Christi Glieder sind?

Der Apostel will lockeren Vorstellungen und Grundsätzen entgegentreten, wie sie manche Christen damals noch nicht ganz überwunden hatten, weil sie vorher nach heidnischer Weise wandelten und ungescheut den Lüsten des Fleisches dienten. Noch sahen sie ja die Heiden um sich her so leben, auch solche, von denen sie sich um der Verwandtschaft willen nicht ganz abtrennen konnten. Mit Leichtigkeit konnten sie wohl auch vieles vollbringen, was christliche Zucht und Lehre verbot. Und weil verbietende Gesetze im Übrigen nicht da waren - auch allerwärts die Lockungen nur zu offen vor ihnen lagen -, so regte sich in den Christen leicht wieder die alte Natur, oft bald nach der Bekehrung. Da fingen dann ihrer etliche an, den Lüsten gar das Wort zu reden und Unzuchtssünden geradezu zu verteidigen, als hätten sie nicht so viel zu sagen und seien etwas Natürliches und Erlaubtes. Sie machten dabei wohl auch die christliche Freiheit geltend, indem sie sagten: „Ich habe es alles Macht“ - wobei aber Paulus hinzusetzt: „Aber es frommt nicht alles“ („Es ist nicht alles zuträglich“)! Machen's doch heutzutage manche lockeren Leute auch so - namentlich mit Berufung auf das Alte Testament -, um ihr strafendes Gewissen vor sich und andern zu beschwichtigen. Hiegegen nun sagt Paulus sehr ernst: „Wisset ihr nicht, daß eure Leiber Christi Glieder sind?“ Wissen sollten sie es, so daß ein Apostel nicht erst nötig haben sollte, es ihnen zu sagen. Das eigene Gefühl sagt's allen, die Christus liebhaben, von selber, daß man den Heiland nur betrübe durch Mißbrauch seines Leibes zur Unreinigkeit. Wie leicht aber lassen sich viele durch lose Geschwätze betören und Wissen und Gewissen übertäuben!

Merken wir's uns aber überhaupt, daß unsre Leiber Christi Glieder sind! Wir dürfen sie nicht nach eigener Willkür gebrauchen, weil sie nicht unser, sondern Sein sind. Er ist mit uns auch leiblich verwandt, weil Er Fleisch und Blut mit uns gleichermaßen angenommen hat, und zwar so, daß Er mit uns sogar einerlei Blut hat: indem alle von dem einen Menschen (Adam) leiblich abstammen. Es besteht also eine Einheit der Leiber unter den Menschen, so auch mit Christus. Was wir daher uns und andern am Leibe wehtun, das tun wir Ihm zuleide, der uns mit Seinem Blute auch erkauft hat und unsern Leib an Sich heiligen wollte. Solches ist so wichtig, daß Paulus daraus den Schluß zieht, daß Gott auch unsre Leiber wie den Leib Christi - weil sie auch Seine Glieder sind - einmal auferwecken werde. Wir kurzsichtigen Menschen haben freilich in dergleichen Dingen wenig Einsicht und Verstand; aber es ist, als wollte Paulus sagen, Christus sei erst dann ganz auferstanden, wenn Er auch uns, Seine Glieder, auferstanden sehe.

Lernen wir daher unsre Leiber achten als nicht unser Eigentum, sondern als Christi Glieder! Lernen wir sie schonen, daß wir sie nicht durch verkehrte Behandlung und durch ungeordnetes lüsternes Wesen verderben - und so Christus an uns wehe tun! Es macht sich ohnehin gleich erkennbar, daß der ganze Mensch verdirbt, wenn leibliche Unordnung mit Essen und Trinken und anderem eintritt! Jede Unordnung des Leibes hat einen Einfluß auf das Verderben des ganzen Menschen, indem auch der Geist dadurch angegriffen wird. Auch Überreizung des Leibes durch Arbeit und Anstrengung, ferner Unreinlichkeit und Verwahrlosung des Leibes, ebenso Bequemlichkeit und Faulheit kann Einfluß haben auf den Ruin des ganzen Menschen nach Leib und Seele. Solches ist tägliche Erfahrung; und wie viel verderben wir da an uns dem HErrn, der beides, unsern Leib und unsre Seele, durch Sein Blut Sich zu Seinem Eigentum erkauft hat!

Lernen wir doch fleißig - besonders, wenn Versuchung naht - bei uns selber sagen: „Mein und Anderer Leib ist Christi Glied; Ihm darf ich an meinem und Anderer Leibe nicht wehe tun!“ Es mag eine Macht in solchem Gedanken liegen.

1. Korinther 12,26.

So ein Glied leidet, so leiden alle Glieder mit, und wenn ein Glied wird herrlich gehalten, so freuen sich alle Glieder mit.

Wie die Glieder des menschlichen Leibes angenehme und schmerzliche Empfindungen miteinander teilen, so soll kein Glied der Gemeine für sich allein sein und empfinden; sondern es soll eine so innige Gemeinschaft unter ihnen bestehen, daß durch alle hindurch einerlei Gefühl zu erkennen ist und daß eine Art Schwingung - wie bei einem Instrumente - durch alle hindurch fühlbar wird, namentlich soweit sie auch in einer äußeren Beziehung zueinander stehen. Trübsal und Kummer des einen sollte den andern allen nachgehen, und Freude und Erquickung des einen wiederum die andern alle freudig stimmen. Das Abgetrenntstehen voneinander, da jedes für sich seine Sache hat, ist nicht das vom HErrn Gewollte.

Dem entgegen hatte es sich bald in der christlichen Gemeine so gemacht, daß einer, wenn er recht fromm sein wollte, dies damit zu werden glaubte, daß er sich ganz abgesondert hielte. So machen's heute noch viele, die in einer besonderen Gemeinschaft mit Gott stehen und sich ganz fromm und andächtig bezeigen wollen. Sie haben ihre Sache nur für sich und schließen sich ein und halten sich verborgen, wollen alle Einflüsse von außen her von sich abwenden und verlieren allmählich alles Gefühl für ihre Mitwelt - sowohl in der Freude als im Leid. Schon darin sieht man das Verkehrte dieser Art von Andacht und Frömmigkeit: denn wo bleibt da die Bruderliebe? wo die allgemeine Liebe?

Auch sonst ist es gar häufig, daß jedes für sich seinen Heiland will, aber in der Gemeinschaft keinen Fuß hat. Da bleibt immer die Liebe zurück, namentlich die Liebe, die andern auch gerne ins Licht hinein helfen würde - und was ist alle Andacht ohne solche Liebe? Bei den meisten, die ernster sein wollen, muß es hierin besser werden, daß sie einen Zug zur Gemeinschaft der Kinder Gottes bekommen, daß sie sich mit allen freuen, mit allen leiden, sich für die andern zu opfern verstehen. Solches ist die echte, wahre Frömmigkeit. Ist sie doch so der Anfang dessen, was im Himmel werden soll, da alle zusammen eines sind in Gott dem Vater und Seinem Sohne Jesus Christus durch den Heiligen Geist.

Wollen wir's denn so machen! Wollen wir uns ineinander finden, unser Herz auch für andere schlagen, unser Gemüt auch für anderer Leid und Freude offen lassen und nicht immer selbstsüchtig nur in uns hineinsehen - dabei wir des Segens der Gemeinschaft mehr oder weniger verlustig gehen! Der größte Segen ist immer der, den man mit vielen gemein hat; und den wolle der HErr uns schenken nach Seiner Barmherzigkeit!

1. Korinther 13,13.

“Nun bleibet Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei, aber die Liebe ist die größte unter ihnen.“

Die genannten drei: Glaube, Hoffnung, Liebe, bleiben, d. h. sie können uns nicht genommen werden, wenn wir sie nicht freiwillig hergeben. Es sind Güter des Herzens, die dem Menschen ganz eigen sind, über die Niemand anders gebieten kann. Wenn wir unsern inneren Menschen darauf hin richten, dann kann kein König und Kaiser da eingreifen. Welt und Satan können uns alles nehmen, aber diese drei Stücke nimmermehr, wenn wir einmal im Glauben JEsum ergriffen haben, oder wenn wir's eben uns nicht nehmen lassen wollen. Sie haben wir in unserer Gewalt; und es ist Untreue oder Krankheit, wenn sie sich bei uns verlieren. Wer bei gesunden Sinnen sich diese drei: Glaube, Hoffnung, Liebe, nehmen läßt, der giebt sich selbst auf, und muß immer sagen, es fehle eben an ihm, und sei ganz seine Schuld. Warum lässest du dir's nehmen? Etwa den Glauben an den, der droben im Himmel waltet, warum lässest du dir denn den nehmen? Das ist ein schlechtes Kind, das sich das nehmen läßt. Einem leiblichen Kinde fällt es nicht ein, daß es je denken sollte, sein Vater und seine Mutter seien sein Vater und seine Mutter nicht. Wenn der Vater, wie es denn unverständige, harte Väter giebt, sein Kind fast totschlägt, so sagt das Kind immer noch Vater; und wenn die Mutter es fast verhungern läßt, so nennt das Kind sie doch noch Mutter, und weiß es doch eigentlich nicht, glaubt es nur, weil man's ihm gesagt hat, daß es sein Vater und daß es seine Mutter sei. Darum sage ich noch einmal: Wenn wir bei gesunden Sinnen uns den Glauben, daß wir Kinder des Vaters im Himmel sind, nehmen lassen, wenn wir das Kindschaftsgefühl, wie wir's namentlich um JEsu willen haben dürfen und sollen, uns nehmen lassen, so geben wir uns selbst ans: und wer ist schuld an allem Elend, das daraus folgt? So ist es auch mit der Hoffnung. Wenn wir uns ans Jenseits, das Ziel unserer Hoffnung, nicht mehr anzuklammern wissen, wie mögen wir in den Stürmen dieser Welt bestehen? Da müssen wir wohl untersinken; aber warum lassen wir uns die Hoffnung nehmen?

Am allermeisten aber fehlt's, wenn die Liebe nicht bleibt, wie sie sollte und könnte, wenn wir sie festhalten wollten. Von dieser Liebe heißt es: „Sie ist die größeste unter ihnen.“ Bekommt ein Mensch ein kaltes Herz, giebt er sich dem Ärger, Neid, Zorn, der Rachsucht hin, dann wankt alles. Verliert ein Mensch sein Gemüt, - denn dieses erstirbt, wenn die Liebe weicht, - dann kann man ihm für nichts mehr stehen, auch nicht für seinen Glauben und nicht für seine Hoffnung. Im Gemütsleben liegt ja auch der Glaube, sofern er ein Vertrauen, eine Zuversicht ist; und im Gemütsleben liegt die Hoffnung, die vor Sehnsucht das Herz schwellen macht. Wenn nun dieses Gemütsleben sich nicht liebend äußert und liebend Herzen anzuziehen weiß, dann kommt der Mensch zurück, immer weiter zurück, auch im Glauben und in der Hoffnung. So gibt‘s allerdings Menschen genug, die von diesen drei Hauptstücken rein nichts mehr haben.

Gott bewahre uns und helfe uns, daß wir uns nicht Eines von den Dreien nehmen lassen. Die Liebe festhalten muß aber das Wichtigste seyn. Denn wenn auch, etwa durch Anfechtungen der Finsternis, unser Glaube wanken will, wenn unsre Hoffnung verdunkelt werden will, lasset uns nur die Liebe uns nicht nehmen. Das ist das Kläglichste, wenn man sich die Liebe nehmen läßt, die man schon damit festhalten könnte, daß man sie nur übte. Ist sie da, dann ist der Glaube nicht weit, und ist die Hoffnung nicht weit; und am Ende reicht man, wenn das Gefühl von Glauben und Hoffnung, wie es in krankhaften Anfechtungen wohl geschehen mag, gewichen scheint, mit der Liebe aus. Gott helfe uns neben Glauben und Hoffnung vornehmlich lieben!

Mel. Freu dich sehr, o meine.

Nun wohlan, so bleib' im Leiden
Glaube, Liebe, Hoffnung fest!
Ich will treu seyn bis zum Scheiden.
Weil mein Gott mich nicht verläßt.
Herr, den meine Seele liebt,
Dem sie sich im Kreuz ergibt,
Sieh', ich fasse Deine Hände:
Hilf mir treu seyn bis zum Ende!

1. Korinther 15,20

“Christus ist auferstanden von den Toten, und der Erstling worden unter denen, die da schlafen.“

Wenn Christus der Erstling von den Toten genannt wird, so widerspricht das dem nicht, was wir kürzlich in der Leidensgeschichte hörten, daß auf den Tod Christi hin viele Heilige auferstanden und nach Seiner Auferstehung in die heilige Stadt gekommen und vielen erschienen seien. Denn wenn es auch diesen, die lange geharret hatten, jetzt im Voraus gegeben wurde, so geschah es doch in Folge dessen, was es mit Christo werden sollte. Christus bleibt dennoch der Erstling, der Gründer der Auferstehung. Er will aber alle, die durch des Teufels List dem Tode verfallen waren, verfallen sind, und hätten noch verfallen sollen, ans den Banden des Todes herauswinden und zur Herrlichkeit Seines Vaters führen, zu der sie von Anfang an bestimmt gewesen sind. Wie es vom ersten Adam an immer weiter hinabgegangen ist, bis in die tiefste Höllenkluft hinunter, so geht's vom zweiten Adam an wieder aufwärts, und hebt sich eines nach dem andern aus nach oben, zuerst geistlich und bei der Auferstehung auch leiblich; und der Tod wird zuletzt ein Spott, daß es heißen darf: „Tod, wo ist dein Stachelt Hölle, wo ist dein Sieg?“ (1. Kor. 15, 55.)

Vorbildlich erfahren wir es hier schon, was es um Auferstehungskräfte ist; denn wer an Christum glaubt, bei dem wird vieles anders. Es erneuert sich vieles, seine Gedanken und Sinne verändern sich; und demgemäß gestaltet sich sein ganzes Benehmen und Wesen verschieden gegen dem, was es weiland gewesen ist. Es kehren bei ihm ein: Frohsinn, Liebe, Friede, Ruhe, ein besonnener Wandel, Heilung von Gebrechen Leibes und der Seele; er ist einem Auferstandenen ähnlich. Wenn wir freilich besser glaubten und kindlicher würden, auch um ein neues Wesen mehr eiferten, würde das Auferstehen des Menschen zu göttlicher Kraft viel sichtbarer seyn, als es in der Regel ist, wiewohl es immerhin bei Einzelnen, besonders wenn sie schnell aus tiefem Verderben erwachen, sehr auffallend ist, wie sie sich nach allen Seiten zu ihrem Vorteil verändern.

Ein Wiederbringen des Verlorenen ist es, was JEsus erzielt; und wenn endlich alle, die in den Gräbern sind, werden auferstanden seyn, freilich nur der eine Teil zur Auferstehung des Lebens, wenn sodann aller Tod wird aufgehoben sein, dann ist die Auferstehung Christi zum vollen Sieg gekommen. Unterdessen bleibt uns noch viel Seufzen auch darüber übrig, daß uns in unsern Tagen viel von den jetzt schon vorrätigen Auferstehungskräften Christi abhanden gekommen ist. Möchten die Gläubigen darum kämpfen, daß uns alles wieder erstattet werde, was zur Verherrlichung des Christi unter allen Völkern dienlich und nötig ist!

Mel. Jesus, meine Zuversicht.

Seid getrost und hoch erfreut,
JEsus trägt euch, Seine Glieder;
Gebt nicht statt der Traurigkeit!
Sterbt ihr, JEsus ruft euch wieder,
Wann einst die Posaun' erklingt,
Die auch durch die Gräber dringt.

Cookies helfen bei der Bereitstellung von Inhalten. Diese Website verwendet Cookies. Mit der Nutzung der Website erklären Sie sich damit einverstanden, dass Cookies auf Ihrem Computer gespeichert werden. Außerdem bestätigen Sie, dass Sie unsere Datenschutzerklärung gelesen und verstanden haben. Wenn Sie nicht einverstanden sind, verlassen Sie die Website.Weitere Information
autoren/b/blumhardt_d_a/blumhardt-1._korintherbrief.txt · Zuletzt geändert: von 127.0.0.1
Public Domain Falls nicht anders bezeichnet, ist der Inhalt dieses Wikis unter der folgenden Lizenz veröffentlicht: Public Domain