Beecher, Henry Ward - X. Gottes Mitarbeiter.
Text: 1. Kor. 3,9.
“Denn wir sind Gottes Mitarbeiter.“
Wir dürfen zweifeln, ob in der Seele des Apostels eine so umfassende Vorstellung von der Jahrtausendlangen Arbeit Gottes auf Erden Raum fand, als sie sich nach und nach bei uns entwickelt hat. Die Meinung, dass die Apostel die Wahrheiten des Christentums in jeder Beziehung besser als wir verstanden haben, ist unbegründet. Unzweifelhaft war den Aposteln klar, was einst die Propheten nur unklar ahnten, unbestreitbar hat dagegen das Leben und die Erfahrung eine reifere Auffassung von vielen Wahrheiten in der Kirche entwickelt, als sie in der Seele der Apostel vorhanden war. Mit anderen Worten: die Wahrheit selbst birgt in sich eine Fähigkeit, sich zu erweitern und zu wachsen; sie entfaltet sich durch die ihr innewohnende Kraft und wird in jedem Zeitalter mächtiger. Die Wahrheit ist wie ein Baum, welcher derselbe bleibt, auch wenn er seine Zweige noch so weit ausbreitet, und noch so viel Früchte bringt. So wie ein Baum durch das Wachsen sich nicht verändert, sondern nur zu seiner völligen Entfaltung kommt, so ist es mit der Wahrheit. Die früheren Briefe von Paulus zeigen, dass er sicher erwartete, der Herr werde noch in seinen Tagen wiedererscheinen und das Ende aller Dinge herbeiführen; aber die Andeutungen dieser Erwartungen treten allmählig zurück, der Apostel spricht viel weniger von dem Kommen des Herrn, als von seinem Gehen zu ihm und von dem ewigen Leben. Diese späteren Briefe beweisen uns, dass seine Anschauung sich erweitert hatte; er verweilt weniger bei der Vollendung des Reiches Christi auf Erden, und mehr bei seiner Herrlichkeit und Größe in himmlischen Sphären.
Eins ist klar, nämlich, dass Paulus, wie auch seine Ansichten in Hinsicht auf die Gegenwart und Zukunft gewesen sein mögen, sich über die Engherzigkeit und fanatische Beschränktheit seiner Sekte erhoben hatte. Denn wie er selbst sagt, gehörte er zu der strengsten Sekte der Pharisäer. Er war dazu gelangt, die Arbeit Gottes als eine gewaltige anzusehen, welche unerschöpfliche Kräfte und unermessliche Mittel in sich schließt. Und ich vermute, dass der Apostel zuletzt die Zeit als einen sehr bedeutenden Faktor in der Geschichte der Zukunft ansah. Vielleicht hatte Paulus mehr als irgend ein Anderer einen Begriff von Gottes Gegenwart in der Zeit und in dem ganzen Verlauf der Geschichte. Er sah in demselben einerseits die menschliche Tätigkeit, andererseits den Einfluss von Naturbedingungen hervortreten; aber es gab für ihn noch ein drittes, was zu diesen beiden Elementen der Geschichte hinzukam. Hinter den äußeren und sichtbaren Ursachen gab es für ihn noch unsichtbare und geistige. Krieg und Friede, Regierung und Anarchie, Industrie, Landwirtschaft und Handel - alles dies hatte für ihn nicht bloß seine unmittelbare, sinnlich vor Augen liegende Bedeutung, sondern dies Alles baute mit oder diente als Material für den Bau des großen geistigen Reiches, des göttlichen Königreiches. „Alle Dinge,“ sagt der Apostel, „wirken zusammen zum Guten.“1) Die Zeit mit ihrer wechselnden Geschäftigkeit, mit ihrer Unruhe und Verwirrung, mit ihrem Streit und Kampf, die ganze lärmende Welt arbeitete nicht für das, wofür sie selbst zu arbeiten glaubte, sondern für das, wofür Gott sie bestimmte. Paulus fühlte, dass hinter jeder Regung der Zeit eine Universalkraft vorhanden wäre, aus welcher die Menschen den Antrieb zur Arbeit erhielten, und zu welcher alles das, was sie recht vollbracht hätten, zurückströmte. Diese allumfassende Macht und Allgewalt Gottes in allen Dingen dieser Welt; die unverbrüchliche Bedeutung durchgreifender allgemeiner Gesetze für alles menschliche Tun, und die höheren Formen dieser Gesetze erfüllten die Seele des Apostels. Nirgend ist klarer als in den Briefen dieses außerordentlichen Mannes das Bewusstsein von dem alldurchdringenden, unmittelbaren Einfluss göttlicher Kräfte ausgesprochen, die dazu bestimmt sind, das menschliche Tun ebenso wohl anzuregen, als das durch menschliche Tat Vollbrachte in sich aufzunehmen und weiter zu gestalten. Für Paulus war Gott im gesamten Universum sowohl Ursache als Wirkung. Der hebräischen Auffassung gemäß, war Er der Erste und der Letzte, der Anfang und das Ende.
Aber sehen wir von dem Apostel selbst ab, und durchdenken wir selbstständig seine Anschauungen, so müssen wir sagen, dass das Reich Gottes auf Erden größer und gewaltiger ist, als irgend etwas Anderes und dass es wesentlich in den Lebenskräften des menschlichen Geschlechtes sein Bestehen hat. Nicht sowohl in dem, was getan wird, nicht sowohl in den Städten, die gebaut werden, nicht sowohl in den Gesellschaften, die gebildet und den Gesetzen, die eingeführt, noch in den Schätzen, die angehäuft werden, besteht das Reich Gottes. Das Reich Gottes liegt vielmehr in jenen Lebenskräften, welche diese Dinge hervorbringen und die ihrerseits selbst hervorgebracht, gefördert, entwickelt und in Einklang gebracht worden. sind. Das Reich Gottes beschränkt sich nicht auf eine gewisse Art von Menschen; es reicht soweit wie die Welt. Die Juden meinten, dass Gott ihr besonderes Nationaleigentum sei, und es erforderte eine besondere Offenbarung, um sie zu belehren, dass die Heiden eben sowohl ein Anrecht auf Gott hätten, als sie.
Die Christen sind geneigt zu denken, dass Gott der Gott der Christen sei; aber er ist eben sowohl der Gott der Heiden. Und das Reich Gottes kann nie seine Grenzen erreichen, als bis das ganze Geschlecht, bis alle Nationen und alle Zungen und alle Völker der Erde dazu gehören. Es besteht nicht in irgend einer äußeren Form des Lebens, nicht in rein geistigen Auffassungen, sondern in der Totalität aller Lebenskräfte der Menschheit. Die physischen Elemente ihres Lebens schließt das Reich Gottes als Mittel zum Zweck in sich. Zum Reich Gottes gehört das bürgerliche Leben, gehören alle geselligen, sittlichen, geistigen Elemente. Das Reich Gottes, oder die wahre Kirche ist dazu bestimmt, die ganze Menschheit in sich zu schließen. Alle jetzt bestehenden Kirchen sind nur Vorbereitungen zu der großen Kirche, welche sein wird. Wenn wir uns oft mühen, eine gemeinsame Form zu finden, auf welche alle kirchlichen Dinge gebracht werden sollen, so vergessen wir, dass die Kirche in dem gegenwärtigen Stadium der Entwicklung des Menschengeschlechtes nur als der Weg zum Ziel anzusehen ist. Sie ist nicht das Ziel selbst, sie führt uns nur zu dem, was wir bedürfen; sie ist der Weg, auf dem wir wandeln und den wir zurücklegen müssen und dieser darf freilich nicht unterschätzt werden.
Wir dürfen es freilich nicht von vorneherein tadeln, wenn die eine oder andere Kirche den Anspruch erhebt, besser oder verhältnismäßig weiser als manche andere zu sein; aber schließlich sind alle gegenwärtigen Formen von kirchlicher Organisationen nur vorübergehender Art. Die wahre Gestalt des Reiches Gottes auf Erden kann nicht die sein, welche die eine oder die andere Sekte angenommen hat. Sekten sind gleich Schulhäusern; die vollständige Erziehung aber führt den Menschen aus der Schule heraus und in das Leben hinein. Alle Organisationen, mögen sie nun bürgerlicher, sozialer, sittlicher oder geistiger Art, sein, sind nur von relativem Werte. Die wahre Kirche muss die ganze und vollständige, geheiligte, gereinigte, entwickelte und veredelte Lebenskraft aller Völker des Erdballs in sich schließen. So muss die allgemeine Kirche gestaltet sein, sofern sie sich in dieser Welt befindet. Das Reich Gottes ist jeder Zeit die vollständige, geheiligte Menschenkraft auf Erden. Wer da arbeitet im Geist Christi und für das, was rein, gerecht und wahr ist, für alles „was lieblich lautet,“ je nach der Erkenntnis, die er hat, und je nach der Sphäre, in welche er nach Gottes Vorsehung gestellt ist, gehört zu jenem Reich, getauft oder ungetauft, mit dem Namen oder ohne den Namen einer Sekte, ja mit oder ohne den Namen Christi. Es ist der Geist Christi, welcher uns zu den Seinigen macht, nicht der Name, nicht die äußere Ähnlichkeit und die bloßen Buchstaben, welche den Namen bilden. Nur das, was den Geist Christi zeigt, macht uns ihm zugehörig. Von jedem, welcher nach bester Erkenntnis in dem Kreis, in welchem er zu wirken berufen ist, für das arbeitet, wofür Gott selbst beständig arbeitet, von dem kann man mit Recht sagen: „er ist ein Mitarbeiter Gottes“.
Das Reich Gottes ist das Werk von Jahrtausenden. Seiner Natur nach kann es nicht plötzlich da sein. In Übereinstimmung mit dem allgemeinen Gesetz alles Seins entwickelt es sich allmählig. Bei jedem großen Erfolg sehen wir nicht allein die Hand, welche die letzte Feile an das Werk legte, sondern hinter dem Erfolg die Hand, welche den Weg dazu bahnte. Wir erleben in unseren Tagen viel, was in geistigen Dingen erreicht worden ist, aber die Arbeit von Jahrhunderten war nötig, um zu diesen Zielen zu gelangen.
Wir nehmen es zuweilen als unser Verdienst in Anspruch, klarere Ansichten von den Dingen gewonnen zu haben, aber in Wahrheit verdanken wir unsere Erkenntnis der Arbeit, der Anstrengung, dem Denken von Gelehrten, die im Dienst der Wissenschaft ergraut sind, und welche Hunderte von Jahren hindurch sich abmühten, um das Glas herzustellen, durch welches wir nun im Stande sind, den Sternenhimmel und seine Konstellationen zu erkennen. Wir tun und sagen ohne Zweifel in unserer Zeit so manches, was gut, weise, Gott wohlgefällig und für die ganze Menschheit segensreich ist. Aber wir selbst sind nicht die Urheber der Dinge, die sich unter unseren Händen vollzogen haben. Wir sind Mitarbeiter Gottes, und Gott ist der Meister, welcher Jahrhunderte hindurch die Anstrengungen aller Menschen und die Wirkung aller Ursachen zusammenfügt. Er macht das Gewebe, wir spinnen nur den Faden. Michelangelo, der nach einer bestimmten Richtung hin unzweifelhaft der größte Künstler, den die Welt gesehen hat, gewesen ist, malte mit wunderbarer Kraft in der Sixtinischen Kapelle; aber die Kapelle musste erst gebaut sein, ehe er in ihr malen konnte, und er war gewissermaßen jedem Arbeiter, der einen Eimer Wasser dazu herbeigetragen, jedem Maurer, der eine Stelle dabei geführt hatte, jedem Zimmermann, der ein Brett behobelt und eine Säge dabei gebraucht hatte, verpflichtet.
Die Menschheit hatte so manches Jahrhundert hindurch im Dunkeln zu tasten, ehe es ihr gelang, eine Hütte aufzurichten. Und dann nach vielen Generationen lernte man ein Haus bauen. Dann lernte man Tempel und Paläste herstellen, und endlich jene großartigen Kathedralen, die wir bewundern.
Erst spät in der Geschichte der Welt wurde Michelangelo geboren. Vor ihm hatte es Maler gegeben und auch vor diesen hatte es nicht an ihnen gefehlt. Er war das Produkt von ganzen Generationen strebender Künstler. Was er tat, tat er faktisch selbst und doch war er nur die Spitze, in der die Anstrengungen der vergangenen Zeiten ihren Ausdruck fanden. Seine Kunst war das Resultat von Jahrhunderten. Und so groß er auch war, so hatte er doch nur seinen Platz in einer langen Reihe von Solchen, die vor ihm die Kunst unter göttlicher Leitung ausgebildet hatten.
Und so hat sich dieses Reich Gottes, welches aus den gesamten gottgeweihten Geisteskräften des menschlichen Geschlechtes besteht, und welches ein wachsendes und sich entwickelndes Reich ist, von Anfang an ausgebreitet, manchmal nach der einen Richtung, manchmal nach der anderen; heute in diesem Volk, morgen in einem anderen und dann wieder in einem anderen. Aber die Summe aller dieser Arbeit ist schließlich zusammengefasst von dem großen Arbeiter, dem wahren Künstler, dem Oberaufseher - von Gott selbst. Und die Menschen, ganze Geschlechter, Menschen von allen Arten, hervorragende Geister jeder Klasse sind nichts als Arbeiter im Einzelnen. Gott entwirft den Plan und die Menschen. wissen nicht, welches dieser Plan ist. Gott ist es, der dazu unablässig und nach jeder Richtung hin anregt; aber er lässt die Menschen nicht wissen, wohin sie sich bewegen, so wenig als ein Kind weiß, wo sich die Erde jede Nacht inmitten der Sterne bewegt und am Tag ihren Umlauf hält. Er ist der großer Planmacher, Baumeister und Künstler, und er gibt die endliche und vollständige Form den Dingen, an denen wir nur im Einzeln und fragmentarisch schaffen. Der stolzeste, der höchste, der weiseste Mensch, der, über welchen kein anderer steht, der geweihte Bischof, der greise, durch das Denken tiefgefurchte Gelehrte, ist schließlich doch nur der Handlanger Gottes. Gott ist der große Arbeitgeber, Denker, Planentwerfer und Oberaufseher.
Während alle geistige Arbeit der menschlichen Natur gemäß für eine besondere Zeit und zu einem bestimmten Zweck getan wird, nimmt der große Arbeitgeber unsere Arbeit für bei weitem größere Zwecke, als wir begreifen oder beabsichtigen, in Anspruch. Unsere Arbeit ist in einem Sinn viel geringer, als unser Stolz es glaubt. Im anderen Sinn ist sie aber viel größer, als unser Stolz es sich vorstellt. Alles rechtschaffene Leben und alles gute Arbeiten ist viel wichtiger, als wir uns einbilden und vorstellen können. Alles das, was denkt, fühlt, will und handelt in der Richtung, wie Gott denkt, fühlt, will und handelt und das jenen großen Gesetzen folgt, welche den göttlichen Willen und den göttlichen Ratschluss ausdrücken alles das hat eine Bedeutung, die wir nicht verstehen können, obwohl wir es noch dereinst verstehen werden.
Die Menschen arbeiten auf tausendfach verschiedene Art, so wie sie nach der ihnen verliehenen Natur notwendiger Weise arbeiten müssen. Sie wenden alle ihre Lebenskraft auf Dinge, die in der Tat nur vergänglich erscheinen, aber aus welchen etwas Anderes, Bleibendes gewonnen wird. Ein großer Karren kann kaum das Stroh und die Spreu von dem Weizen fassen, den ein kleiner Knabe auf seinen Rücken tragen kann. Und so wie ein verhältnismäßig kleines Maß Weizen aus einer großen Menge Stroh und Spreu gewonnen wird, so auch ist es in der Ernte der Welt notwendig, dass die Menschen zehntausend Dinge tun, die vergehen wie Stroh und Spreu. Aber Etwas wird daraus gewonnen und gerettet - obwohl wir nicht immer sagen können, wo, wann und wieviel.
Diese Arbeit nun erfordert in ihrer vollen Ausdehnung die ganze Kette der Menschheit. Von diesem Werke Gottes in der Welt haben wir nur einen ganz unvollkommenen Begriff. Wir meinen unsere Aufgabe in dieser Welt ist, so viele Seelen als möglich für die Kirche zu gewinnen. Das ist allerdings unsere Aufgabe, und gewöhnlich halten es die Mitglieder einer besonderen Kirche oder Sekte für ihre Pflicht, diese Kirche so viel als möglich zu fördern. Das schadet auch nichts, aber wenn wir glauben, dass Gottes Werk in einer von diesen Kirchen aufgeht, oder dass in einer von diesen Kirchen das große Werk Gottes in dieser Welt zum vollen Ausdruck gelangt, - wie unendlich schwach und mangelhaft ist dann unsere Vorstellung und wie weit bleiben wir selbst hinter dem Buchstaben und sicherlich hinter dem Geist des Christentums zurück! Wir wissen nicht, was wir selbst in jenem Leben sein werden, noch viel weniger ist es uns klar, was dieses Werk in künftigen Tagen schon in dieser Welt sein wird. Nach ihrem eigenen Pulsschlag misst Gott die Zeit. Alle Völker sind in Bewegung. Einige denken, einige fühlen, einige handeln und jeder einzelne in irgend einer besonderen Art. Und Gott wendet Alles dieses schweigend zur Hervorbringung unendlich höherer Ziele an, als je die einzelnen Arbeiter ahnten. Diese Ziele aber werden offenbar werden zu seiner Zeit.
Wenn dies so ist, wenn in der Tat ein göttlicher Geist vorhanden ist in der Geschichte, in der Zeit, bei den Menschen und in allen ihren Werken, und wenn dieser göttliche Geist das ganze menschliche Leben umfasst - alles was zu unserer tierischen Natur, zu unseren sozialen Verhältnissen, unserem bürgerlichen Zustand, unseren geschäftlichen Beziehungen und unseren sittlichen und geistigen Interessen gehört; wenn alle diese Dinge nur als eben so viele und mannigfaltige Elemente anzusehen sind, die Gott bei mir, bei Dir, bei unserem Geschlechte, bei unserer Nation, bei allen Geschlechtern und allen Nationen jedes Zeitalters benutzt und sie formt und vorbereitet zu einer anderen schließlichen Gestaltung, sich wirklich so verhält, wie herrlich erscheint der apostolische Ausspruch dann jedem einzelnen von uns: „Wir sind Mitarbeiter Gottes!“
Wir sind nicht vereinzelt. Wir arbeiten nicht in der beschränkten Weise, wie es uns hier erscheint. Wir arbeiten mit an einem Bau, welcher Gott zum Baumeister, zum Oberaufseher und Vollender hat.
Wie geht es nun in unserem Text weiter? Ihr dachtet vielleicht, ich hätte meinen Text vergessen, aber jetzt bin ich erst dazu gekommen.
„Wer ist denn Paulus und wer ist Apollo? Diener sind sie.“ Wenn der Apostel von Dienern sprach, so meinte er Knechte, Sklaven, das heißt Menschen, welche durchaus nur unter dem Befehle eines Anderen handeln. So waren Paulus und Apollo Gottes Diener, durch welche Ihr seid gläubig geworden, und dasselbige wie der Herr einem jeglichen gegeben hat. Es ist als ob Paulus sagte: Ich pflanzte und das war mein Anteil an der Arbeit und Apollo begoss - das war sein Anteil, Gott aber gab das Gedeihen. Es war noch etwas anderes außer mir und meinem Streben, noch etwas anderes außer der Weisheit und Treue des Apollo. Wir taten unsere Arbeit und hatten unsere Mühen in einem großen Arbeitsfelde, wo ein anderer Geist die Leitung hatte, welcher im Stande war, von unserer Arbeit einen Gebrauch zu machen, den wir nie davon hätten machen können.
„So ist nun weder der da pflanzt, noch der da begießt etwas -“
Aber ist das nicht zu viel gesagt? Meint Ihr wirklich, dass etwas gewachsen wäre, wenn man nicht gepflanzt hätte? Meint Ihr, dass wir Weizen hätten, wenn keiner ihn säen wollte? Und können Pflanzen wohl wachsen ohne Wasser?
„So ist nun weder der da pflanzt, noch der da begießt etwas, sondern Gott, der das Gedeihen gibt.“
Nun wenn ein Mensch pflanzt und gräbt und hat Gott dabei hinter sich, so haben sowohl der Pflanzer als der Pfleger ihren Wert; aber an und für sich haben sie nicht mehr Wert als der Boden und der Same ohne die Sonne am Himmel, die den Sommer macht und das Wachsen hervorbringt.
„Denn wir sind Mitarbeiter Gottes.“
Unsere Arbeit ist unzertrennbar mit der Seinigen verbunden. Alles was wir recht vollbringen und was Wert hat, ist sowohl vorgesehen als ins Leben gerufen von dem alldurchdringenden und allgegenwärtigen Geiste Gottes im Weltall.
„Wir sind Mitarbeiter Gottes.“
Du schwaches Menschenkind, wie stark bist Du, wenn Du mit Gott arbeitest. Du starker Mensch, wie töricht bist Du, wenn Du meinst, allein arbeiten zu können, während Gott es ist, der in Dir arbeitet, so dass nicht Du, sondern Er das Werk tut. Du kluger Mensch, wie wenig hast Du zu bedeuten. Kann sich die Glasscheibe, des Lichtes rühmen, welches durch sie hindurchscheint? Die Sonne ist es, die das Licht bringt. Du Künstlerseele, es ist Gottes Geist, welcher in Deinem Geiste wirkt und Du bist ein Arbeiter nicht allein mit ihm, sondern in ihm und durch ihn und von ihm, auf dass Du, was Du tust, würdig tun mögest.
Das ist eine Lehre, welche viel Licht und Trost in viele dunkle Gemüter bringt; sie sollte die stolzen Seelen derjenigen, die sich selbst erhöhen und sich das anmaßen, was ihnen nicht zukommt, beugen. Diese fortwährende Aristokratie unter den Menschen, diese fortdauernde Überhebung von Menschen über ihre Nächsten, wie wird sie durch diese Überzeugung gedämpft und niedergehalten! Was Du auch Gutes bedenken und tun mögest, es ist Gott, der es Dir eingab und es durch Dich wirkte. Und wie wird das Niedrige, Geringe dadurch in unserer Meinung gehoben! Gott wirkt durch die geringsten und niedrigsten Dinge oft mehr, als wir uns denken können.
Soviel sei für die Begründung gesagt, doch nun lasst uns zur Anwendung kommen.
Erstens. Mit Rücksicht auf diese Betrachtungen bemerke ich, dass das Werk, welches Menschen hier in dieser Welt tun, viel größer und auch viel kleiner ist, als sie sich selbst einbilden. So wie das Werk aus der Hand des Menschen kommt, ist es im Allgemeinen nur schwach und unscheinbar, aber nachdem es von der Hand Gottes umgebildet und neugestaltet ist, wird es groß und herrlich.
Wenn das Weizenkorn aus der Hand des Landmannes. auf die Erde fällt, so taugt es zu dem, was das Keimen und Wachsen aus ihm zu machen bestimmt ist, und doch wie gering und unbedeutend ist der aus dem Korn entsprossene Halm im Vergleich zu dem, was des Müllers Hand aus ihm macht! Und das Mehl, welches aus des Müllers Hand hervorgeht, ist wiederum nur gering gegen das Brot, was aus dem Ofen des Bäckers kommt. Und das Brot aus des Bäckers Ofen ist nur gering im Vergleich zu dem Menschen, der es gegessen hat und bei dem das Brot zu Gehirn und Muskeln, kurz zu einem Teile seiner selbst geworden ist, so dass von dem Weizenkorn gar nicht mehr die Rede sein kann.
Unser Werk, das wir vollbringen, ist, wenn es aus unseren Händen hervorgeht, weit zurück hinter dem, was es einst werden wird. Wir mögen es häufig in unserer Unwissenheit überschätzen und ihm einen besonderen Wert beilegen und doch erhält es das, was ihm Wert verleiht, erst später. Wir sind die Arbeiter, wir liefern das rohe Material. Dies wird durch Gottes Hand in der großen Mühle seiner allgemeinen Gesetze bereitet und erst durch das, was es vermittelst göttlicher Kraft zu wirken bestimmt ist, erst dadurch erhält es einen Wert. Aber was das sein wird, kann Niemand sagen. Paulus pflanzt, Apollo begießt und alle Dinge fließen zusammen und ergießen sich in den großen Strom der Ereignisse und Erfolge. Gott gibt ihnen Gestalt, baut sie aus und benutzt sie.
Zweitens. Gott beherrscht die Konflikte des Lebens und bringt sie endlich in Harmonie. Wenn man nach den endlosen Spaltungen und Streitigkeiten in dieser Welt urteilen wollte, so würde es scheinen, als ob kein Gott waltete, und die Menschen sind versucht worden, an dem Dasein Gottes zu zweifeln. Die am tiefsten angelegten, innerlich begabtesten Menschen aller Zeiten haben am meisten gezweifelt. Nicht als ob sie sich dem Zweifel gefangen gegeben hätten, aber, weil sie den klarsten Begriff von einer wahrhaft sittlichen Ordnung der Dinge hatten, fühlten sie auch am schärfsten den Mangel eines solchen sittlichen Regiments in der menschlichen Gesellschaft. Diejenigen, welche das schärfste, entschiedenste Gefühl für eine göttliche Harmonie in menschlichen Angelegenheiten haben, fühlen auch am meisten das Vorhandensein der Dissonanz in denselben.
Dies ist nicht einem Geschlecht besonders eigen gewesen. Die Menschen sind jederzeit durch Spaltungen, Streitigkeiten und Zank in den philosophischen Schulen beunruhigt worden. Sie stritten sich in Babylon, sie zankten sich in Griechenland und Rom. Im mittelalterlichen sowohl als im modernen Europa war nie Übereinstimmung in philosophischen Schulen, ebenso wenig wie die Welt je eins gewesen ist hinsichtlich der Politik, oder der Verwaltung der bürgerlichen Gesetze oder in den Bestrebungen des Handels oder in irgend welcher Art. häuslicher und allgemeiner Verhältnisse. Es hat stets Streit, Kampf und Widerstand gegeben.
Und so wie es in der Philosophie, und in der Politik und in den gewerblichen Bestrebungen gewesen ist, so ist es auch mit dem religiösen Glauben gewesen. Mit anderen Worten: die Streitigkeiten und Uneinigkeiten, die die Menschen auf religiösem Gebiete durchgemacht haben, kommen denen gleich, die auf jedem anderen Gebiete stattgefunden haben.
Dies scheint eine raue Art und Weise das Reich der zukünftigen Herrlichkeit zur Gestaltung zu bringen. scheint, als ob es viel leichter und besser gewesen wäre, wenn der Herr die Erde gegründet und fruchtbare Erde darauf gelegt und Bäume aller Art hineingepflanzt hätte. Aber er tat es nicht also. Er setzte gewaltige Massen Eis in Bewegung und zermalmte Felsen. Das war ein Teil des Schöpfungswerkes. Er ließ Kraut wachsen und wieder verdorren, damit es zur Nahrung diene für eine höhere Art von Gewächsen. Aus den Trümmern früherer Organisationen werden höhere und immer höhere Pflanzenorganisationen hervorgebracht. Und auch sie vergingen und dienten für noch edlere Schöpfungen. Und so ging die Welt durch zermalmte Felsen, durch wachsende und verdorrende Gräser, durch neues Wachsen in aufeinanderfolgenden Generationen, von Stufe zu Stufe aufwärts. In langen Zeiten, denen die Einbildungskraft nicht zu folgen vermag, wurde diese Erdkugel nach und nach fähig, eine bewohnbare Stätte für das Menschengeschlecht zu werden. Gott bereitete sie zu diesem Zwecke durch langsame Zersetzungen. Und in Übereinstimmung damit hat sich die Entwicklung des Menschengeschlechts vollzogen.
Wenn nun in dieser fortschreitenden Entfaltung irgend etwas Neues auftritt, wie spotten dann die Menschen und sprechen: „Was für Staub wird da aufgeregt! Was für neuer Lärm! Was für unnütze Unruhe! Wer sind die Leute, die sich da so bemerklich machen?“
Ich möchte wohl wissen, ob Johannes der Täufer in seidenen Kleidern und Samtpantoffeln einherging. Aß er nicht Heuschrecken und wilden Honig? Ich möchte wohl wissen, ob er nicht rau und zottig daher kam und ob nicht alle Neuerungen sich mit dem Dreschflegel Bahn brechen müssen! Ich möchte wohl wissen, ob die Welt früher etwa immer nur auf glatten Pfaden gewandelt ist? Ich möchte wohl wissen, ob nicht von Anfang an Reibereien, Streit und Zank gewesen sind. Kennen wir es etwa von früher her anders? Hat Gott nicht jeden großen Wechsel durch Tränen hervorgebracht? Tränen und Blut sind der Kitt gewesen, durch welchen Gott diese Welt erbaut hat. Haben wir nicht durch die Fehler, die Andere begangen haben, Weisheit gelernt? Es ist kaum je etwas, das durch Menschen getan wurde und des Tuns wert war, auf einmal entstanden. Hier ist der Garten gewesen, und hier die Tür zum Garten, und die Menschen, welche hinein wollten, haben an einer Seite angefangen, und mit ihrem Kopfe an jedem einzelnen Pfahl der Umzäunung gestoßen, bis sie die Tür fanden und dann auch sind sie nur durch Zufall hineingestolpert. Nach unendlichen Anstrengungen gelang es ihnen endlich, die goldene Ader zu treffen und dann nannten sie es „eine Entdeckung.“ Die ganze Welt hat sich in Mühe und Arbeit bis jetzt gequält. Es gibt keine Art von Konflikt, keine Art von Zusammenstoß, keine Art von Leiden, die sie nicht durchgemacht hätte.
Alles was einen dauernden Wert hat, ist eben durch die Kämpfe der Menschheit auf dieser Erde von dem ersten Tage der Erschaffung an errungen worden. Christi Leiden steht in keiner Weise abgesondert in dem Verlaufe der Zeiten. Es ist die erhabenste Offenbarung des allgemeinen Grundgesetzes, nach welchem Gott den gesamten Aufbau seines Reiches wirkt. Durch sein Leiden wird uns geholfen, durch das Leiden des menschlichen Geschlechtes wird uns auch geholfen. Es ist nicht meine Absicht, das menschliche Leiden mit dem Leiden Gottes in Christo Jesu gleich zu stellen. Ich halte das Leiden Christi für unvergleichlich viel größer und unaussprechlich viel erhabener, aber ich glaube, dass eine Analogie zwischen dem Leiden Gottes und dem Leiden der Menschen besteht, und dass das Leiden Jesu Christi hier in unserer irdischen Atmosphäre die mächtige Wahrheit für uns verständlich zum Ausdruck brachte, nämlich, dass alle Entwicklung durch Leiden sich vollzieht.
Wenn daher die Menschen sich trennen und in Konflikte geraten, so müssen wir nicht denken, dass Gott uns verlassen, und die Welt aufgegeben habe. Törichte Menschenkinder! Nun freilich, Gott hat von jeher auch Toren benutzt. Er hat kurzsichtige und sündige Menschen von Anfang an benutzt, ja sogar er hat nie etwas Anderes als Toren in dieser seiner Welt gehabt. Wenn heute die letzte Posaune erklänge, um nur heilige und weise Menschen zu seiner Fahne zu rufen, so würde auch nicht einer ihr folgen können. Keine Armee könnte gebildet werden, die nicht aus sündigen, blinden, unvollkommenen, zornigen und streitenden Menschen zusammengesetzt wäre. Mich dünkt, Gott hat seine ewige Langmut nötig, um nur auch mit dem Besten unter uns Menschen fertig zu werden. Nicht, dass ich etwas sagen wollte gegen die guten Menschen und in irgend einer Kirche! Aber wie ist die Geschichte der römisch-katholischen Kirche? Wie ist die Geschichte der Episkopalkirche in England und Amerika gewesen? Ja freilich, da ist kein Missgriff vorgekommen, da war alles bolzengerade, alles harmonisch, vollkommen; es war die Kirche! Wie ist die Geschichte der Methodistenkirche gewesen, oder der Presbyterianer, oder der Congregationalisten (welches bekanntlich die einzig vollkommene Kirche in dieser Welt ist)!
Was streiten sich nicht die Menschen wegen der Kirchen, Und wo ist eine Kirche, die viel mehr als ein Balken ist, um die Menschen vor der Überschwemmung zu retten? Einige sind besser, andere schlechter, aber alle sind unvollkommen und jämmerlich. Gott ist der vollkommene Arbeiter. Und woher kommt es, dass wir alle so scharf und unduldsam sind, uns gegenseitig so zu sagen bei der Kehle fassen, uns würgen und sprechen: „Folge mir, folge mir.“ Wer ist Paulus und wer ist Apollo, dass sie den Menschen befehlen dürften, ihnen zu folgen? Nur Gott allein hat Recht und wir sind nichts als seine Handlanger.
Liebe Brüder, Gott hat Euch nicht gesunden Menschenverstand gegeben, um ihn bei der Religion zu verlieren. Auch diese Dinge muss man einfach und verständig betrachten. Die Kirchen sind gut, so weit sie etwas tun und nützen, aber nichts mehr. Ihr könntet das Bild und die Inschrift von Julius Cäsar auf eine Kupfermünze setzen und sie würde darum nicht Gold sein, auch wenn es hieße, sie wäre von Gold. Eine Kirche ist gerade soviel wert, als sie mit Christus leidet, duldet und siegt, nicht mehr noch weniger. Jede Kirche ist in dem Grade schätzenswert, als sie Gutes erreicht und vollbringt. Und es gibt wiederum nicht eine glaubensvolle Kirche, die nicht ihre Helden und Märtyrer aufzuweisen hätte. Ja es gibt nicht eine Kirche, die nicht ihr Scherflein zu dem Bau des unsichtbaren Königreiches beigetragen hätte. Aber kein Mensch, welcher Kirche er auch angehören mag, ist so unfehlbar, um anmaßend sein zu dürfen. Jede Kirche, die genügend Mitglieder hat, um zu existieren, hat ein Recht zur Existenz, und sie hat das Recht so viel Arbeit zu tun, wie Gottes Vorsehung ihr zu tun gestattet; aber sie hat kein Recht, Steine auf ihre Nachbarn zu werfen. Sie hat kein Recht zu beanspruchen, dass sie allein den Gedanken Gottes und die Wahrheit und die Weltordnung und die Entwicklung des menschlichen Geschlechtes richtig erkannt und aufgefasst habe. Auch die Männer der Kirche sind nur Gottes Arbeiter und dürfen sich nicht einbilden mehr zu sein.
Drittens. Die Menschen sollten sich ermutigt und gehoben fühlen durch den Gedanken, dass Gott mit ihnen ist und sie unterstützt.
„Gott ist es, der in Euch wirkt.“
Dieses Wort sollte ein Trost sein für Alle, die mit schwachen Kräften gewissenhaft versuchen, schwere Aufgaben zu lösen. Treue in kleinen Dingen wird sicherlich ihren Lohn empfangen. Denn Gott ist es der in uns wirkt, das Wollen und das Vollbringen.
Ein armer Steinmetz kommt an unsere Küste; die Zeiten waren zu Haus so schlecht, dass er kaum sein tägliches Brot erwerben konnte, und nachdem er ein ganzes Jahr lang auf das äußerste gespart hatte, gelingt es ihm endlich, die billigste Überfahrt nach unserem Lande zu bezahlen. Er kommt an, heimatlos und ohne Freunde und landet in New York und wandert durch die Stadt, um sich Arbeit zu suchen. Er schämt sich zu betteln und doch ist er so hungrig. Alle Arbeit ist vergebens, aber endlich, weil er doch ein geschickter Steinmetz ist, nimmt sich Jemand aus Barmherzigkeit seiner an, und sagt: „Wohl, hier ist etwas Arbeit, die für Deinen Unterhalt genügen wird.“ Und er weist ihm einen Steinblock an, den er bearbeiten soll. Was soll es werden? Nun ein Teilchen von den vielen, die zusammen ein Ornament bilden sollen. Dies hier ist eine Blattverzierung und aus jenem soll sich vielleicht eine Blume entwickeln. Er macht sich an die Arbeit und gibt sich die größte Mühe. Er behaut den Stein und bildet mit Geschicklichkeit und Geschmack die Blattformen. Und der Meister spricht darauf: Es ist, gut gemacht, nimmt die Arbeit fort und gibt ihm einen anderen Steinblock und heißt ihn, auch diesen bearbeiten. Und so arbeitet er weiter von früh bis spät und er weiß nur, dass er sein Brot durch sein Arbeiten erwirbt. Aber er fährt auch fort, mit Geschick und Geschmack zu arbeiten. Er hat keinen Begriff, zu was diese Zweiglein und diese Blumen aus Stein dienen sollen, bis er endlich eines Tages die Straße entlang geht und aufblickt zu der Front der Akademie der Künste, und die Steinblöcke erkennt, die er bearbeitet hat. Er wusste nicht, zu welchem Zweck er arbeitete, aber der Baumeister wusste es. Und als er nun dasteht und sein Werk an dem Gebäude, das der Stolz der ganzen Straße ist, anschaut, da treten ihm die Tränen in die Augen und er spricht zu sich: „Mich freut es, dass ich es gut gemacht habe.“ Und jeden Tag, wenn er dort vorbeigeht, frohlockt er und denkt: „Ich habe meine Arbeit gut gemacht.“ Er machte weder Plan noch Zeichnung für den Bau, noch wusste er, für was er arbeitete; aber er gab sich Mühe, als er diese Verzierungen arbeitete und als er sah, dass sie einen Teil des herrlichen Gebäudes bildeten, jauchzte seine Seele.
Liebe Brüder, wenn Euch auch die Arbeit, die Ihr zu tun habt, nur gering erscheint, so tut sie freudig und nach besten Kräften, macht es so gut, wie Ihr nur immer könnt, und Gott wird Euch mit der Zeit auch zeigen, wie er Eure Arbeit benutzt hat. Und wenn Ihr sie einst an jenem großen Bau, den er baut, sehen werdet, so werdet auch Ihr Freude empfinden über jeden Augenblick, in welchem Ihr mit Fleiß und Treue daran gearbeitet habt. Lasst es nicht an Treue bei dem, was Ihr zu tun habt, fehlen, weil Ihr meint, die Arbeit sei gar zu geringe.
Viertens. Lasst uns arbeiten, ein jeder nach seinem Vermögen und nach der Gelegenheit, die ihm geboten wird; denn Gott ist es, der da belohnt. Er gibt dem Demütigen Gnade. Und Gnade ist Herrlichkeit, sollte ich meinen.
Kommt mit mir nach Mansfield und ich will Euch etwas zeigen, was nicht hübsch anzusehen ist, nämlich zehntausend Würmer, die Maulbeerblätter fressen und dabei einen Lärm machen, als ob der Regen in Strömen auf ein Dach fällt. Gibt es etwas widerwärtigeres? Wenn sie genug gefressen haben, dann werdet Ihr sehen, wie sie mit wunderlichen Verrenkungen anfangen, sich nach und nach einzuspinnen. Sie machen sich ein Haus, um darin zu schlafen. Sie wissen nicht zu welchem Zweck. Ihr Instinkt lehrt sie dies nicht. Er lehrt sie nur aus ihren eigenen Leibern ihr Grab zu machen. Sie spinnen die leimige Materie in einen feinen Faden aus und winden ihn um sich herum, und endlich verfallen sie in einen Schlaf und schließen ihren Sarg und dann liegen sie still. Dann kommt ein Mann und nimmt diese Kokons und nach einigen Vorbereitungen wickelt er die Seide ab. Dann wird sie gesponnen, und dann gewebt und dann gefärbt und dann ein Gewand daraus gefertigt und eine königliche Gestalt trägt die prächtige Seide zur Bewunderung aller Leute. Das entsteht daraus. Aber der Wurm machte nur den Faden und die Spindel drehte ihn und der Weber machte den Stoff und andere Hände machten daraus ein Gewand für ein menschliches Wesen und der Mensch trug es.
Wenn nun Gott das Gewand anlegt, dessen Faden Du in diesem Leben gesponnen hast, wenn er die verschiedenen Teile des Gewandes, an welchem Du mitgeholfen hast, zusammenfügt, dann wirst auch Du Dich freuen über das, was Du getan hast, wenn Du es treu getan hast.
Aber wie, wenn Du nun an einen niedrigen Platz gestellt bist, wo kein Mensch Dich sieht und hört? Wenn Dein Name nie in die Zeitung kommt? Nun, um so besser. Wozu braucht der Mensch am Pranger zu stehen? Ist es nicht besser ohne Lob zu arbeiten als mit Lob? Arbeite gut; arbeite aus allen Deinen Kräften und arbeite da wo Du stehst, bis Gott Dich auf einen höheren Ort beruft. Arbeite in Deiner Niedrigkeit so gut, dass er Dich dort nicht lassen kann. Die Menschen gehen immer nach höheren Stellen und Ämtern aus, aber um sie zu gewinnen, muss man so gut arbeiten, dass der Vorteil es gebietet, sie höher zu verwenden. Dann wirst Du steigen durch natürliche Kraft.
Es wird erzählt (ich weiß nicht, ob es wahr ist), dass während Phidias an der Statue der Diana, die für die Akropolis bestimmt war, arbeitete, und gerade bei dem Hinterkopf beschäftigt war, er mit der größten Sorgfalt die einzelnen Strähnen des Haares ausmeißelte, so weit es überhaupt bei dem Marmor möglich ist. Da wurde ihm gesagt: Diese Statue soll hundert Fuß hoch stehen, mit dem Rücken gegen eine Marmorwand, wer wird daher die Arbeit, die Du Dir dabei machst, sehen können? Aber er antwortete: „Die Götter werden sie sehen“ und arbeitete weiter.
Darum scheue Dich nicht, gut, ja so gut als Du kannst zu arbeiten, auch wenn es nicht gesehen wird, denn Gott wird Deine Arbeit sehen.
Fünftens. Alles wirklich gute Werk und dessen Vollendung durch Gott gewährt wahren Trost allen denen, die Andere viel tun sehen und doch selbst nur wenig zu tun im Stande sind. Ich bin zu Personen gerufen worden, die Monate, ja zuweilen Jahre lang an das Krankenbett gefesselt waren und von denen man ihrer Naturanlage nach hätte voraussetzen müssen, dass sie zu entschiedener Tätigkeit bestimmt seien, und nun hatten sie nichts zu tun, als still zu liegen, weiß wie die Betttücher, die sie umhüllten. Sie fragten sich, warum Gott Anderen Gelegenheit zum Handeln gebe und ihnen nicht? Mein Freund, auch im Stilleliegen kann man oft eben so gut etwas tun, als wenn man Herr seiner Glieder ist. Auch Du bist einer von Gottes Arbeitern und hast einen Teil an der großen Arbeit, die von allen Deinen Brüdern getan wird.
Wie gerne sehe ich, wenn bei dem Glockenschlage Zwölf (es ist wunderbar, wie aufmerksam das Ohr für das Schlagen der Mittagsglocke ist), die Arbeiter ihre Arbeit liegen lassen, und wenn es Sommerszeit ist, sich unter irgend einem Baume oder hinter einem Felsen versammeln. Dann kannst Du auch das kleine Mädchen um die Ecke trippeln sehen, mit einem Korb am Arm. Was ist darin? Des Arbeiters Mittagsessen! Ich stehe manchmal und sehe zu, wie sie ihren Korb aufmachen und einmal wurde ich eingeladen mitzuessen, und ich nahm es als eine Höflichkeit auf. Das weiße Brot, die Portion Fleisch und alle die anderen kleinen Zutaten, die ein schmackhaftes Mittagsessen bilden, und von der Mutter dem Vater geschickt waren, das sah einladend genug aus.
Nun, wenn die Kirche fertig ist, an welcher der Vater baute, kann dann das kleine Mädchen nicht mit Recht sagen: „Ich habe mit geholfen diese Kirche zu bauen?“ Du? Zeige mir doch, was Du getan hast? „Ich habe meinem Vater das Mittagsbrot gebracht, wenn er bei der Arbeit war.“ Ja, auch sie war eine Arbeiterin.
Jeder, der einen Anderen unterstützt, jeder, der etwas besseres als Silber und Gold gibt, der ein höheres Verständnis Anderen verleiht, der Anderen Hoffnung und Ermutigung zu Teil werden lässt, alle diese helfen den großen Tempel Gottes mitbauen. Du bist vielleicht nicht fähig öffentlich zu reden, oder Gedichte zu machen, oder Vorträge zu halten. Es ist möglich, dass Du von aller Tätigkeit ausgeschlossen bleiben musst. Dann bleibt Dir nichts übrig, als still und geduldig zu bleiben und zu Gott zu beten. Das ist dann Deine Arbeit und Gott wird sie segnen und sicherlich ist es kein geringer Anteil an der allgemeinen Arbeit.
Wenn der Trompeter seine Trompete erklingen lässt, die weit und breit von jedem Soldaten gehört wird, meinst Du nicht, dass dieser Trompetenstoß mehr ist, als der Stoß des einzelnen Soldaten, der in die Schlacht geht? Derjenige der andere Leute anfeuert, derjenige, der Andere belehrt, dass die menschliche Seele körperliche Schwachheit besiegen kann, derjenige, der Anderen hilft, die Last dieses Lebens leichter und freudiger zu tragen, und sich auf die ewige Seligkeit vorzubereiten, ist ein Prophet und ein Mitarbeiter Gottes.
Wenn Dir Gott also einen bescheidenen Platz in diese Welt angewiesen hat; wenn Du niedriger als viele Deiner Nebenmenschen, die scheinbar nicht mehr wert sind als Du, gestellt bist, so beklage Dich nicht. Stehe willig da, wo Gott Dich hingestellt hat. Lege vor Gott Zeugnis ab, wo Du auch seist, dann wirst Du ein Arbeiter Gottes sein und in jenem Leben wird es zu Tage kommen, was Du getan hast und es wird kein geringer Teil des großen Werkes sein, das sich unter Gottes Oberaufsicht vollzieht.
Sechstens. Eine edle und berechtigte Befriedigung kann und sollte jedes bescheidene Werk begleiten, in so fern man sich bewusst ist, dass es zum Wohl der menschlichen Gesellschaft beiträgt. Die meisten Dinge, die in der Welt getan werden müssen, sind nicht der Art, dass wir sie gern tun. Mehr als die Hälfte der Berufszweige sind nicht gerade angenehm für diejenigen, die sie erwählt haben. Es ist nicht verwunderlich, dass der Maler seine Kunst liebt. Das Malen ist unbestreitbar sehr angenehm. So vor der Staffelei zu sitzen, und seine Ideen in Zeichnung und Farben zur Gestaltung zu bringen, bringt den Lohn der Arbeit Schritt für Schritt von selbst mit. Aber die Arbeit des Erdarbeiters, der sich wie ein Maulwurf durchwühlt und in allerlei unbequemen Lagen halb erstickt und erfroren in feuchten dunklen Orten verharren muss, wo das was er tut von seinem gesehen wird, - das ist nicht angenehm. Auch der Steinträger hat seine Arbeit nicht besonders gerne, ebenso wenig der, welcher den Kalk löscht. Die Burschen, welche die Türen auf und zu zumachen haben, finden ihre Arbeit nicht besonders ergötzlich. Und so müssen die meisten Menschen das tun, was ihnen nicht besonders zusagt. Daher sollte ein hoher sittlicher Gedanke ihnen bei Erfüllung ihrer Pflichten helfen. Sie sollten bedenken, dass Gott sie an ihren Platz gestellt hat, und dass jeder, der an seinem Platz etwas tut, für die Sache Gottes arbeitet.
Als die Israeliten Gold gebrauchten für ihren Tempel, da sammelten sie bei den Einzelnen. Die Reichen gaben und die Armen gaben auch. Jeder brachte etwas von Gold oder Silber. Manche schickten die Schmucksachen, die sie besaßen. Unter diesen war vielleicht auch ein jüdisches Mädchen, das nichts besaß, als einen Ring, welchen sie von ihrer Mutter, die schon heim zu dem Gotte Israels gegangen war, erhalten hatte. Andere trugen Gold herbei aus ihrem Überfluss und sie konnte nicht zu Hause bleiben und zusehen, wie ihre Schwestern und Freundinnen etwas beitrugen zum Bau ihres Heiligtums, und sie sollte nichts geben. So zog sie den Ring von ihrem schlanken Finger, und tat ihn zu den anderen Gaben. Er war nur wenig wert und erschien gering denen, die ihn sahen; er war so klein, dass er kaum einen Klang gab, als er in den Schatzkasten fiel, und doch wie viel war er ihr wert? Und wenn Er bei der Tat der Witwe, die ihr Scherflein in den Gotteskasten warf, die ewigen Segensworte sprach: „Sie hat mehr getan, als alle,“ wenn Er das Opfer jenes armen Judenmädchens ansah, meint Ihr nicht, dass sein Auge auf diesem mehr als auf den größeren Gaben derer, die da reich waren, geruht hat?
Es kommt nicht darauf an, was Du tust; es kommt nicht darauf an, in was für einer niederen Sphäre Du zu wirken berufen bist, tue nur das, was Du zu tun hast nach besten Kräften, denn Du arbeitest für Gott.
Ich danke dem Herrn für das, was der Apostel zu den Sklaven gesagt hat. Wenn es eine Klasse von Menschen gäbe, die nicht die geringste Veranlassung zur Treue gegen Andere hätten, so würden es diejenigen sein, die sich nicht selbst angehören. Der Apostel sagt ihnen aber, dass sie nicht träge sein sollen, sondern fleißig und gehorsam und ihrem leiblichen Herrn in aller Treue dienen. Es wäre bequem hier stehen zu bleiben, aber was sagt der Apostel weiter?
„Als dem Herrn und nicht den Menschen.“
Das soll heißen, wenn auch kein einziger Bewegrund zur Treue für Dich vorhanden ist in dem Verhältnis, in welchem Du zu Deinem leiblichen Herrn stehst, so diene als, ein Knecht Christi und sei treu um Christi willen.
In allen Verhältnissen des Lebens sind wir Mitarbeiter Gottes und wir arbeiten für dieselben großen Endziele für die Gott selbst arbeitet und die er durch zahllose Generationen verfolgt hat. Und da wir nun mit ihm arbeiten, so lasst uns. auch das geringste, was wir dazu beitragen, aus freudigem, edlem, opferwilligem Herzen tun, so lang es uns vergönnt ist mitzuarbeiten.
Aber ich muss zum Schluss kommen; der Gegenstand ist größer, als meine Zeit. Was Du in diesem großen Werke Gottes zu tun hast, eile Dich, es rasch zu tun. Die Zeit ist kurz. Du musst wirken, so lange die Gelegenheit dazu da ist. In Deinem Hause, in den Straßen, wo die Leute zusammenkommen, in Deinen geselligen Verbindungen, in der Kirche, bei den Pflichten der Barmherzigkeit, wo Du auch seist, was für Gaben des Geistes und der Tätigkeit Du zu verteilen haben mögest: gib reichlich und freudig. Den fröhlichen Geber hat Gott lieb. Denke daran, dass Du nicht Menschen sondern Gott gibst und denke auch daran, dass Du nicht für Menschen, sondern für Gott arbeitest. Erinnere Dich, dass Gott Deine Gaben in Empfang nimmt und sie umgestaltet; dass er Dein Werk nimmt und es den Werken hinzufügt, die er durch alle seine Geschöpfe vollenden lässt. Und wenn Du in jenem Leben zurückschaust auf das, was Du hier getan hast, so niedrig und gering es Dir auch zur Zeit erschienen sein mag, so wirst Du staunen über die Schönheit und Herrlichkeit, die auch in Deinem Werke liegt.
Du arbeitest für einen guten und großmütigen Herrn. Darum aber arbeite gut und arbeite lange und suche keinen Ruhm, bis Du ihn einst im Lichte seines Angesichtes empfangen wirst. Denn alle Dinge sind Dein, im Leben so wie im Tode. Alle Menschen sind Dein; die himmlischen Heerscharen sind Dein. Du bist Christi und Christus ist Gottes. Die Herrlichkeit des ewigen Lebens wird Dein sein und Du wirst Teil haben an dem Reichtum des unendlichen Reiches Gottes.