Augustinus, Aurelius - Soliloquien - XIV. Vom Merken und Achten Gottes auf der Menschen Werk und Gedanken.

Augustinus, Aurelius - Soliloquien - XIV. Vom Merken und Achten Gottes auf der Menschen Werk und Gedanken.

HErr, mein GOtt, Du meiner Seele Leben, Du hast mir gewiss diese und viele andere Wohltaten erwiesen, von welchen ich wohl Lust hätte immerdar zu reden, immer daran zu gedenken, Dir immerdar dafür Dank zu sagen, auf dass ich allezeit loben und lieben möchte von ganzem Herzen und von ganzer Seele und von ganzem Gemüt und aus allen meinen Kräften, zugleich aus dem allerinnersten Herzensgrund mit allen meinen Gliedern, Dich, HErr, meinen Gott, der Du eine selige Süßigkeit bist allen denen, die sich in Dir erfreuen. Deine Augen aber haben meine Unvollkommenheit gesehen; Deine Augen, sage ich, die viel heller sind als die Sonne, durchschauen alle Wege der Menschenkinder und des Abgrunds Tiefe und beschauen immerdar an allen Orten beide die Bösen und Frommen.

Denn indem Du in allen Dingen waltest, erfüllst Du ein jedes insonderheit: Du bist für und für allenthalben gegenwärtig und trägst Sorge für alles Erschaffene, weil Du der Dinge, die Du gemacht hast, keines hasst. Also betrachtest Du auch meine Gänge und Fußsteige und wachst Tag und Nacht, mich zu bewahren, hast fleißig Acht auf alle meine Wege, hast ein stetig Augenmerk auf mich, gleich als hättest Du aller Deiner Kreaturen Himmels und der Erden vergessen, sähst allein auf mich und fragtest nach andern Dingen gar nichts. Gleichwohl wird das unveränderliche Licht Deines Aufsehens an mir nicht größer, wenn Du schon ein Ding nur allein ansiehst; auch nicht kleiner, wenn Du unzählbar viele und mancherlei Dinge siehst. Denn wie Du ein Ding ganz und gar vollkommen betrachtest, also beschaut Dein ganzes Antlitz alle Dinge ganz und besonders mit einander; und wie Du alle Dinge betrachtest, also betrachtest Du auch eins allein; und wie Du eins betrachtest, so auch ein jedes besonders und Du bleibest ganz ohne Teilung, ohne Änderung, ohne Verringerung. Darum betrachtest Du mich ganz und allezeit, als ob Du sonst nichts zu betrachten hättest und bleibst ganz in aller Zeit ohne Zeit!

Also wachst Du über mir, als hättest Du aller Dinge vergessen und wolltest allein meiner wahrnehmen: Du erzeigst Dich fürwahr allezeit gegenwärtig, bietest Dich allezeit bereitwillig zum Dienste an, wann Du nur mich bereitwillig findest. Wohin ich auch gehen mag, Du verlässt mich nicht, es sei denn, HErr, dass ich Dich zuvor verlasse. Wo ich auch sein mag, weichst Du doch nicht ab, denn Du bist allenthalben, und wo ich hingehe, lässt Du Dich von mir finden als den, durch welchen ich bestehen mag, damit ich nicht ohne Dich verderbe, der ich ohne Dich nicht sein kann. Ich bekenne es, was ich tue und was ich will, tue ich vor Deinen Augen; und was es immer sei, das ich tue, Du siehst es besser als ich, der ich es tue. Denn was ich für und für wirke, da stehst Du für und für gegenwärtig dabei und schaust stets an alle Gedanken, alle Empfindungen, alle Lüste und alle meine Handlungen. O HErr, vor Dir ist alle meine Begierde, und mein Seufzen ist Dir nicht verborgen.

HErr, Du siehst, wo der Geist herkommt, wo er sei und wohin er gehe; denn Du bist ein Herzenskündiger und weißt wohl, ob die Wurzel süß oder bitter sei, aus der von außen schöne Blätter entsprießen. Als ein Richter des Inwendigen weißt Du es selbst besser und erforschst auch noch ferner das Mark der Wurzeln. Du merkst und zählst, beschaust und bezeichnest nicht nur den Willen, sondern auch das innerste Mark seiner Wurzeln durch die allerzierlichste Wahrheit Deines Lichts, auf dass Du einem Jeglichen vergeltest nicht allein nach den Werken oder dem Willen, sondern auch nach dem innerlichen verborgenen Mark der Wurzel, daraus der Wille des menschlichen Tuns entspringt. Wonach ich trachte, wann ich etwas tue, was ich gedenke und worin ich mich ergötze, das Alles siehst Du. Deine Ohren hören es; Deine Augen sehen es und beschauens, Du zeichnest, merkst, fasst und schreibst es in Dein Buch, es sei gut oder böse, auf dass Du danach das Gute belohnst und das Böse strafst, wenn Du nämlich die Bücher auftun und das Urteil geben wirst nach dem, was in Deinen Büchern wird erfunden werden.

Das ist vielleicht das, was Du uns schon gesagt hast: „Ich will sehen, was ihnen zuletzt widerfahren wird,“ und was von Dir, HErr, gesagt wird: „Er sieht die Enden der Erde.“ Denn Du achtest gewiss mehr auf das Ende unsres Willens, als auf die Verrichtung der Tat. Wenn ich nun Solches fleißig erwäge, o HErr, Du starker und eifriger GOtt, so werde ich in gleicher Weise wirre vor Schrecken und vor Scham; denn es ist uns überaus hart geboten, gerecht und aufrichtig zu leben, die wir doch Alles tun vor des Richters Augen, der Alles sieht!

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