Arndt, Friedrich - Der Sündenfall - Zwölfte Predigt. Das Urevangelium.

Arndt, Friedrich - Der Sündenfall - Zwölfte Predigt. Das Urevangelium.

Heil, Heil, dass uns ein Held erschien,
Ein Heiland allen Sündern!
Den Schlangenkopf zertrat Er kühn,
Der Sünde Sieg zu hindern.
Im Glauben nehmt den Retter an;
Er führt euch Seine Siegesbahn.
Auf! kämpft an Seiner Seite! Amen.

Text: 1 Mose III., V. 15.
Und ich will Feindschaft setzen zwischen dir und dem Weib, und zwischen deinem Samen und ihrem Samen: derselbe soll dir den Kopf zertreten, und du wirst ihn in die Fersen stechen.

Die verlesenen Textesworte greifen in andere Saiten ein, Geliebte, als die vor acht Tagen betrachteten. Damals waren es Drohworte, heute lauter Verheißungen; damals Fluch, heute Segen; damals das Abendrot des Paradieses, heute das Morgenrot eines neuen Tages; damals bange, düstere Verzweiflung, heute heitere Hoffnungsstrahlen voll Licht und Leben. Die Schlange und den, zu dessen Werkzeug bei der Verführung der Menschen sie sich hergegeben, hatte Gott verflucht; auch die Menschen, die sich von ihr hatten anführen lassen, müssen wenn auch nicht verflucht, doch gestraft werden. Aber ehe Gott sie straft und als Richter erscheint, gibt Er ihnen eine Verheißung und offenbart sich als Vater. Ja, ehe er ihnen die Strafe auch nur ankündigt, kündigt Er schon die rettende Gnade an; ehe Er sie aus dem verlorenen irdischen Paradies vertreibt, öffnet Er ihnen das himmlische Paradies. Die Worte, mit welchen dies geschieht, heißen in der Kirche seit alten Zeiten das Urevangelium oder die erste frohe Botschaft von Christo, dem Sünderheiland. Luther sagt in seiner Randglosse: „Dies ist das erste Evangelium und Verheißung von Christo, geschehen auf Erden, dass Er sollte Sünde, Tod und Hölle überwinden und uns von der Schlange Gewalt selig machen; daran Adam glaubt mit allen seinen Nachkommen, davon Er zum Christen und selig worden ist von seinem Fall“. Und in der Tat, indem Gott der Schlange flucht, segnet Er die Menschen; was des Teufels Verderben ist, das ist der Menschen Heil. Es ist dies demnach das erste Evangelium, und Gott selbst ist der erste Evangelist; die erste Weissagung, und Gott selbst ist der erste Prophet, der sie ausspricht. Es ist nur ein kurzer Text, aber die ganze Bibel ist seine Auslegung, das ganze Leben, Leiden, Sterben, Auferstehung und Himmelfahrt Jesu Christi seine Erklärung, die ganze Weltgeschichte bis ans Ende der Tage sein gewaltiger Wiederhall. Drei Verheißungen sind es zu gleicher Zeit, welche in dieser ersten aller Gottesverheißungen enthalten sind:

  1. Die erste handelt von der Menschen Kampf,
  2. die zweite von Christi und der Seinigen Sieg,
  3. die dritte von dem Mittel dieses Sieges.

I. Des Menschen Kampf

„Ich will Feindschaft setzen zwischen dir und dem Weib“, spricht Gott weiter zur Schlange, „und zwischen deinem Samen und ihrem Samen.“ Same heißt soviel als Nachkomme, Weibesame also Nachkomme des Weibes, Schlangensame Nachkomme der Schlange oder der Teufels. - Wer gehört nun zum Weibessamen? Offenbar zunächst alle Menschen, die vom Weib geboren sind; und in der Tat können wir es nicht leugnen, dass mehr oder weniger dunkel oder klar es die Menschen erkennen, dass das Gute eigentlich das ihrer Natur Gemäße und sie allein Beglückende ist und dass, wenn in ihnen Allen ein angeborener Hang zur Sünde wohnt und Satan diesen benutzt, um aus demselben die Sünde selbst entstehen zu lassen, dieser natürliche Trieb auf alle Weise bekämpft werden muss. Dann aber gehören im engeren Sinne zum Weibessamen die frommen, gottesfürchtigen Menschen, die tiefen Abscheu an der Sünde haben und Gott allein anhangen und dienen wollen, die aus der Wahrheit oder von Gott sind und in Buße und Glauben sich mit dem Herrn vereinigen und Seine Kinder werden. Und wer gehört zum Schlangensamen? Nur eine Antwort ist möglich: Alle in dem Dienst und der Abhängigkeit Satans stehenden bösen Geister und Menschen; diejenigen, von denen Jesus sagt: „Ihr seid von dem Vater, dem Teufel, und nach eures Vaters Lust wollt ihr tun. Ihr Schlangen und Otterngezüchte, wer hat euch gewiesen, dass ihr dem zukünftigen Zorn entrinnen werdet?“ (Joh. 8,44. Luk. 3,7.) und Johannes: „Wer Sünde tut, der ist vom Teufel, denn der Teufel sündigt vom Anfang“ (1 Joh. 3,8.); kurz, die gleiche Gesinnung und gleiches Bestreben mit dem Satan haben und demselben Reich der Finsternis angehören. Dieser letztere Same ist wohl der Zahl und dem Umfang nach der größte auf Erden. Zwischen beiden Samen, sagt Gott der Herr, zwischen jenen Kindern des Lichts und diesen Kindern der Finsternis, zwischen jenem Himmelssinn und diesem Höllensinn soll Feindschaft eintreten, ein Kampf auf Leben und Tod gegeneinander; wer Gottes Freund ist, solle Satans Feind sein, und wer Satans Freund ist, als Gottes Feind sich erfinden lassen. Ich, sagt Gott, will Feindschaft Feken zwischen dem Einen und dem Andern; und allerdings, Er konnte allein die Gemeinschaft, welche Adam und Eva soeben mit ihrem Seelenfeind geschlossen hatten und die ihnen schon soviel Unheil gebracht und aus der immer neue Verführungen, immer neues Böse hervorgehen musste, zerreißen und in unaufhörlichen Kampf verwandeln. Jene Gemeinschaft mit dem Teufel hatte Geit nicht hindern wollen, weil er ihnen die Willensfreiheit, damit auch die Macht gegeben hatte, sie zu missbrauchen; aber sie einem ewigen Bund mit dem Teufel überlassen, das war ihm, dem Heiligen und Barmherzigen, der Seine Geschöpfe auch heilig und ewig selig zu sehen wünschte, unmöglich, und da sie außer Stande waren, sich von dem einmal eingegangenen Bündnis mit dem Fürsten der Finsternis wieder loszusagen, so griff Er ein und pflanzte in das Herz der Menschen von nun an einen ewigen Gegensatz zwischen dem Weib und der Schlange, und zwischen ihrem und seinem Samen, damit das Menschengeschlecht wissen solle, was es von der Schlange zu erwarten und wie es sich gegen sie zu benehmen habe.

Klingt das aber, Geliebte, nicht auffallend aus dem Munde des Gottes, der ein Gott des Friedens ist und sonst immer Frieden fordert und fördert, zwischen Menschen und Menschen, zwischen Menschen und ihrem Gewissen, zwischen Menschen und sich selbst? O nein, Friede kann nur stattfinden zwischen Gleichgesinnten und Freunden; zwischen Widerstrebenden und Feinden wird aus Frieden allemal Krieg. Da nun der Satan der Feind Gottes und der Menschen ist, so kann Gott keinen Frieden mit ihm haben, und will auch nicht, dass die Menschen, Seine Untertanen, Frieden mit dem Empörer ohne Gleichen haben. Hier heißt es: Friede mit Satan ist Krieg wider Gott! „Ich will Feindschaft setzen“, spricht der Herr, d. h. Ich will mit einem ewigen und unwandelbaren Gesetz feststellen, dass dieser Hass nimmermehr aufhören solle, sondern wer unter den Menschen mit mir im Frieden leben wolle, mit meinem Feind, dem Satan, in Feindschaft leben müsse.

Und ist es nicht eingetreten auf Erden, seitdem Gott dies Wort über des Menschen und Satans Zukunft und ihr Verhältnis zueinander ausgesprochen hat? Ist der Satan nicht seitdem der beständige erbitterte Feind der Menschen geworden, der hier im Paradies sich ihnen als Schlange nahte, in der Offenbarung Johannis als großer roter Drache erscheint, von Petrus gezeichnet wird als ein brüllender Löwe, der da umhergeht und sucht, welchen er verschlinge, von dessen feurigen Pfeilen und Faustschlägen Paulus redet, von dem Luther singt: „Groß' Macht und viel List sein' grausam' Rüstung ist, auf Erden ist nicht seines Gleichen“? Hat er nicht gleich den erstgeborenen Menschen zum Brüdermörder gemacht? Hat er nicht die Gotteskinder durch die Menschenkinder verführen lassen, dass sie ihre eigenen Wege wie diese gingen und sich vom Geist des Herrn nicht wollten strafen lassen, bis die Sündflut hereinbrach und sie Alle verschlang? Hat er nicht Hiob verklagt vor Gott und ihm die schweren Heimsuchungen bereitet, unter deren Last er den Tag verfluchte, an dem er geboren war? Hat er nicht David stolz gemacht und eroberungssüchtig, dass er das Volk zählen ließ? War er nicht der falsche Geist, der durch die Propheten Ahabs redete und den König zum Fall brachte im Krieg wider die Syrer? Hat er es nicht sogar gewagt, sich an den Sohn Gottes zu machen und ihn bald zur Sinnlichkeit, bald zum Ehrgeiz, bald zur Habsucht, bald zur Ungeduld und Verzagtheit zu versuchen? Und wie hat er den Petrus gesichtet wie den Weizen, wie ist er in den Judas gefahren, dass er seinen Herrn verraten musste, wie hat er den hohen Rat mit tödlichem Hass gegen den Heiligen Gottes erfüllt, die falschen Zeugen zu ihren Anklagen gegen Jesum getrieben, das Todesurteil des Herrn in den Mund der Hohenpriester, das Kreuzige, Kreuzige, in den Mund des betörten Volkes, die Misshandlungen in die Hände der Kriegsknechte und die Menschenfurcht in das Herz des Landpflegers hineingelegt! Wie hat er die ersten Christen durch die Heiden und Juden verfolgt und Martern über Martern ersonnen, um sie zur Verleugnung und zum Abfall zu bewegen! Und noch immer herrscht er in der Luft und hat sein Werk in den Kindern des Unglaubens und der Welt, die im Argen liegt; ja, es gibt gewisse Zeiten, wo seine Macht größer ist, als in andern, wo er einen großen Zorn hat, und kräftige Irrtümer erweckt, die nicht selten auch die Auserwählten verführen, wo sein Same riesenhaft anwächst, die Ungerechtigkeit überhand nimmt auf Erden, die Liebe in den Herzen erkaltet, die Tiefen des Satans in allerlei Lügen, Zeichen und Wundern sich offenbaren und es manchmal scheint, als ob die ganze Hölle losgelassen wäre. Und noch immer greift er in den Augenblicken der Sicherheit, des geistlichen Hochmuts, der Schwäche, der Selbstzufriedenheit die Kinder Gottes an, und streut sein Unkraut zwischen den Weizen in ihrem Herzen, dass das Fleisch in ihnen gelüstet wider den Geist. Aber auch andererseits zeigt sich der Weibessame, das gläubige Volk Gottes, die Gemeinde des Herrn, voll Feindschaft gegen die Schlange und ihren Samen, sie liegt unaufhörlich gegen sie zu Felde, enthüllt ihre Schleichwege, warnt vor ihren geheimen Umtrieben und Netzen und legt die apostolische Waffenrüstung immer von Neuem an, den Gurt der Wahrheit, den Panzer der Gerechtigkeit, den Schild des Glaubens, den Helm des Heils und das Schwert des Geistes, um die feurigen Pfeile des Bösewichts auszulöschen und seinen Widerstand unschädlich zu machen. Ihre tägliche Losung ist unversöhnliche Feindschaft gegen alles Böse in und außer ihnen. Ihr tägliches Siegesgeschrei lautet: „Auf, auf, o Seel', auf, auf, zum Streit, auf, auf, zum Überwinden! In dieser Welt, in dieser Zeit ist keine Ruh' zu finden! Wer nicht will streiten, trägt die Kron' des ewigen Lebens nicht davon“. Ihr tägliches Seufzen und Beten: „Jesu, hilf siegen, du Fürste des Lebens, sieh', wie die Finsternis dringet herein, wie sie ihr höllisches Heer nicht vergebens mächtig aufführet, mir schädlich zu sein. Satanas sinnet auf allerlei Ränke, wie er mich sichte, verstöre und kränke“. Ihre tägliche, gegenseitige Ermunterung: „Kämpfe bis aufs Blut und Leben, dring' hinein in Gottes Reich, will der Satan widerstreben, werbe weder matt noch weich“.

Nun prüft euch, Geliebte, auf welcher Seite steht ihr? In zwei Heerlager spaltet sich die Welt, und zu einem von beiden gehört Jeder unter uns. Gehört ihr zu den Kindern des Weibes oder zu den Kindern der Schlange? Folgt ihr der Fahne des himmlischen oder der des höllischen Feldherrn? Für wessen Sache glüht, streitet, werkt ihr vom Morgen bis zum Abend? Mit wem wollt ihr es halten im Leben oder im Tod? Wehe euch, wenn ihr auf der Seite der Schlange steht, oder wenn ihr euch einbildet, ihr könnt es mit beiden Parteien halten! Wer Gottes nur halb ist, der ist des Teufels ganz. Aber wohl euch, wenn ihr es haltet mit dem Weibessamen und Kinder des Lichtes seid!

II. Christi und der Seinigen Sieg

Zwar ist dann euer Kampf heiß und euer Widerpart gar mächtig; aber indem der Herr sagt: „Ich will Feindschaft setzen zwischen dir und dem Weib, und zwischen deinem Samen und ihrem Samen“, gibt Er und damit schon die trostreiche Zusage, dass der Ausgang dieses Kampfes von Anfang an in guten Händen, in den Händen des allmächtigen Gottes liegt und darum gar nicht zweifelhaft sein kann. Insbesondere aber verkünden die folgenden Worte: „Derselbe, nämlich der Weibessame, der gläubige Teil der Menschheit, soll dir den Kopf zertreten“ auf die bestimmteste Weise den Sieg der Gläubigen über das Reich der Finsternis. Von den meisten Wunden an den andern Teilen ihres Leibes stirbt die Schlange nicht; wird ihr aber der Kopf zerschmettert, zerschlagen, zertreten, dann ist sie bis zum Tod verwundet, und ob ihr zähes Leben auch noch lange zuckt und im Todeskampf gewaltig um sich schlägt, es ist um sie geschehen und sie muss sterben. Das Zertreten ihres Kopfes bedeutet demnach nicht nur ihr schmach- und schmerzvolles, sondern auch ihr gewisses Ende. Wenn aber auf diese Weise der Herr den Sieg des Licht: reiche über das Satansreich als feststehend verkündet, so liegt in Seiner Verheißung neben dieser allgemeinen, herzerhebenden Wahrheit doch noch eine geheimere, besondere verborgen, und bezieht sich das Wörtlein derselbe nicht bloß auf die fromme und gläubige Menschheit überhaupt, sondern vorzugsweise, wie auch später wieder in der Verheißung Gottes an Abraham, auf einen Menschen und Nachkommen des Weibes, der wie kein anderer es mit dem Fürsten der Finsternis aufgenommen hat, der vor Allem der Schlangentreter heißt, der Stärkere über den Starken, der ihn überwunden und ihm den Harnisch abgenommen und den Raub ausgeteilt hat. Wir vernehmen daher in unserem Text, wie es die Kirche Jesu Christi zu allen Zeiten erkannt und mit freudigen Glauben zu ihrem Trost und Heil erfasst hat, die erste messianische Verheißung von Jesu Christo, unserem Herrn und Heiland. Freilich ist sie noch dunkel; wie könnte sie auch anders als dunkel sein? Dennoch wird sie sofort von Eva verstanden; denn als ihr erster Sohn geboren wird, ruft sie voll seliger Mutterfreude aus: „Ich habe den Mann, Jehovah“, d. h. ich besitze den allmächtigen Gott selbst und halte ihn in meinen Armen. Auch könnte es auffallen, dass Gott diese Verheißung dem Menschen nicht in Seinen Worten an sie, sondern in Seinen Worten an die Schlange erteilt; aber die Menschen hatten noch nicht ihre Sünde erkannt und Buße getan, darum konnte er ihnen unmittelbar diese Verheißung nicht geben; gleichwohl wollte Er sie vor Verzweiflung bewahren, und ihnen Vertrauen zu Seiner Gnade einflößen; darum übergeht Er sie nicht mit Stillschweigen, sondern fügt sie als hoffnungsreichen Anhang für Adam und Eva den Worten der Schlange hinzu, ehe er sich an die Menschen wendet mit Seiner Strafe. Es ist auch gefragt worden: Warum ist nur von Weibes- und nicht von Mannessamen die Rede? Geschieht es, weil Gott hiermit schon andeuten will, dass Christus von einem Weib, wunderbar, übernatürlich, durch Überschattung des Heiligen Geistes, solle geboren werden? Oder geschieht es, weil Eva jetzt eine besondere Tröstung bedurfte, nachdem sie nicht Stich gehalten und ihren Mann mit hineingezogen hatte ins Verderben? Oder geschieht es zur größeren Schmach und Beschimpfung Satan, dass Gott ihm nur das schwächere Weib gegenüber stellt? Seine triftigen Gründe hat Gott gewiss dabei gehabt; wer will sie aber ohne Seine Offenbarung durchschauen und bestimmt sagen: Diese sind es und keine andere? Es ist endlich darüber gestritten worden, ob Gott den Ratschluss unserer Erlösung schon vor, oder erst nach dem Sündenfall gefasst habe; - was sollen wir darüber sagen? Wir können nur eins sicher behaupten, dass Er diesen bei sich gefassten Ratschluss zum ersten Mal gegen die Menschen nach dem Sündenfall ausgesprochen hat. Und somit ist hier ein Adventston angeschlagen worden, der durch die Jahrhunderte immer mächtiger und lauter erklingt; eine Morgenröte aufgegangen, die einen neuen besseren Tag anmeldet; ein Senfkorn ausgestreut, das schon den ganzen Baum göttlicher Weissagungen in sich schließt; das erste A ausgesprochen, auf welches alle anderen Buchstaben des Alphabets der messianischen Offenbarungen bis zur letzten in der Offenbarung Johannis der Reihe nach folgen.

Wir sehen im Geist schon denjenigen, der hier als Weibessohn und Schlangentreter angemeldet wird, sich vor uns je länger je mehr entfalten, bei Jakob als den Helden, dem das Reich gebührt und dem alle Völker anhangen, bei Jesaias als den Meister zu helfen, der Gerechtigkeit lehrt und die Kelter des göttlichen Zornes allein tritt, und ist Niemand unter den Völkern bei Ihm, der da heißt: Wunderbar, Rat, Kraft, Held, Ewigvater, Friedefürst; als den, dessen Ausgang von Anfang und von Ewigkeit her gewesen ist, der dem Übertreten der Menschen ein Ende macht, ihre Missetat versöhnt, die ewige Gerechtigkeit bringt, die Gesichte und Weissagungen des alten Bundes erfüllt, und als Arzt zu den Kranken, als Bürge zu den Schuldigen, als Heiland zu den Sündern kommt.

Wir sehen Ihn in der Fülle der Zeiten von einem Weib geboren und unter das Gesetz getan werden, damit Er die, so unter dem Gesetz waren, erlöste und wir die Kindschaft empfingen. Wir sehen Ihn durch Seine Menschwerdung auf dem Kampfplatz erscheinen, um Sein Kopfzertretungswerk der Schlange zu beginnen; wir sehen Ihn dieses Werk fortsetzen durch Seine Lehre, in welcher Er dem Menschen zeigt, wie sie aus der Obrigkeit der Finsternis errettet und in das Reich Jesu Christi können versetzt werden, und durch Seine Wunder, durch welche Er die Besessenen heilt und die Teufel von ihnen auftreibt; wir sehen Ihn dies Werk vollenden durch Sein Leiden und Sterben, wodurch Er die Macht nahm dem, der des Todes Gewalt hatte, das ist, dem Teufel, und erlöste die, so durch Furcht des Todes im ganzen Leben Knechte sein mussten, und wie einen zweiten Simson Seinen Feinden mehr Schaden zufügen im Tod, als im Leben; wir sehen Ihn endlich dies Werk verklären durch Seine Auferstehung, in welcher Er den Tod verschlungen hat in den Sieg, wie durch Seine Himmelfahrt, in welcher Er die Fürstentümer und Gewaltigen hat ausgezogen und sie hat Schau getragen öffentlich und einen Triumph aus ihnen gemacht durch sich selbst. Wir sehen Ihn, wie Er nicht nur auf diese Weise dem Satan den Kopf zertreten hat für Seine Gläubigen, sondern wie Er ihn noch fort und fort zertritt in Seinen Gläubigen, in ihnen immer mehr den alten Menschen tötet und den neuen lebendig macht, sie gegen die listigen Anläufe des Teufels mächtig schützt und schirmt, die angemaßte Macht und Gewalt desselben über die Menschen ihm wieder nimmt und ihn, wie Paulus Römer 16,20. schreibt, unter ihre Füße tritt. Wir sehen Ihn endlich am jüngsten Gericht dies Werk der Schlangentretung vollends zum Abschluss bringen, indem Er den Satan und seinen Samen in das ewige Feuer verweist, das bereitet ist dem Teufel und seinen Engeln, und ihn mit seinem ganzen Anhang in den Feuer- und Schwefelsee wirft, aus welchem der Rauch der Qual aufsteigt von Ewigkeit zu Ewigkeit.

Welch ein Sieg des Guten über das Böse und des Weibessamens über den Schlangensamen, der sich vor uns ausbreitet! Welch ein Glanz, der noch vom Paradies her über die dunkle Geschichte der Menschheit aufgeht! Welch ein liebliches Weihnachtsfest, das bei diesen Worten unsere Stammeltern schon im Paradies zu feiern beginnen! Nun ist die Gnadentür wieder geöffnet, welche der Satan bereits Adam und seinen Kindern verschlossen hatte, der Lebensbaum duftet uns wieder entgegen, und es kommt Alles, Alles wieder, was wir durch Adams und Evas Schuld verloren hatten. Ohne diesen Trost und diese Aussicht hätten Beide, als sie nun, aus dem Paradies ausgestoßen, in Elend, Arbeit, Nacht und Tod hineinpilgern mussten, bei dem nagenden Schuldbewusstsein in ihrem Herzen und Gewissen verzagen und verzweifeln müssen; dieses Dämmerlicht einer schöneren Zukunft aber erhellte seitdem ihre dunklen Tage und war der Ankergrund unter ihren Füßen im Sturm und Wetter und ihr sicherer Bergungsort unter den schweren Erfahrungen, die sie noch zu machen hatten. Es ist auch unser alleiniger Trost im Leben und im Sterben; und wir könnten dieses Jammertal nimmermehr ertragen, wenn dieses süße Evangelium, dieser helle Stern in unseren Nächten, dieser offene Heilsbrunnen wider alle Sünde und Ungerechtigkeit auf dem fluchbeladenen Distelfeld dieser Welt nicht aufgegangen wäre. Aber nun sind alle unsere Tränen getrocknet, unsere Seufzer gestillt, unsere Wunden geheilt, unsere Fragen beantwortet, unsere Rätsel gelöst, und alle Himmel voll Herrlichkeit und Seligkeit unser Eigentum geworden. Und wollen wir auch nicht einstimmen in das paradoxe Wort eines großen Kirchenlehrers: „O sel'ger Fall, der solch ein Heil zu Wege gebracht!“ - das wenigstens müssen wir jubelnd einräumen: welch eine Liebe und Barmherzigkeit unsere Gottes, der das Todeswort, das die Stammeltern verdient hatten, nicht aussprach, sondern es in ein Lebenswort verwandelte, und von Anfang an gleich nach dem Fall es offenkundig zeigte, dass er nicht den Tod der Sünder wolle, sondern dass sie sich bekehren und leben! Welch eine Langmut und Geduld Gottes, der die Gefäße des Zorns getragen hat, auf dass Er kund täte an ihnen den Reichtum Seiner Herrlichkeit in Zeit und Ewigkeit! Wer hätte das für möglich gehalten, dass Gott solche glühende Kohlen auf ihr Haupt sammeln, so Böses mit Gutem vergelten, und überschwänglich mehr tun würde über all ihr Bitten und Verstehen? Wie trüb und dunkel es auch mitunter aussieht auf Erben, es strahlt jetzt ein Versöhnungskreuz in den Wolken, es leuchtet jetzt eine Lebenssonne an unserem Himmel, die niemals untergeht. Mag die Erde immerhin noch ein Kampfplatz sein mit dem Teufel und seinem Samen, so lange es Gott zulässt nach Seiner unerforschlichen Weltregierung, mögen Tausende fort und fort sich seiner Knechtschaft freiwillig oder nachgiebig unterwerfen: Christi Sieg ist bereits unser Sieg, der errungene Sieg Unterpfand des zukünftigen, noch zu erringenden, und der Triumphgesang verstummt nicht mehr in den Hütten der Gerechten: „Gott sei Dank, der uns den Sieg gegeben hat durch unseren Herrn Jesum Christum; in dem Allen überwinden wir weit um des willen, der uns geliebt hat“. Was sind alle kurzen Leiden und Kämpfe dieser Zeit gegen jene dereinstige Siegesherrlichkeit, und wie muss uns im Blick auf den Endtriumph der Sache des Herrn der Mut und die Freudigkeit wachsen, auszuharren und den guten Kampf fortzukämpfen bis an unser Ende!

III. Das Mittel des Sieges.

Freilich ohne Mühe ist dieser Sieg nicht erfochten worden und wird er auch nicht ausgekämpft werden. Unser Text schließt: „Und du wirst ihn in die Fersen stechen“. Indem die Schlange stirbt, sticht sie, und dieser Schmerz im Siegesaugenblick ist dem Sieger allerdings sehr empfindlich; aber Gottlob, am ungefährlichsten Ort, denn an der Ferse gibt es wenig Blut und die Haut ist dick, besonders bei barfußgehenden Völkern, wie die Morgenländer sind, so dass ein guter Teil des Gifts gar nicht in die Wunde dringt; auch lassen sich hier ohne Gefahr die festesten Verbände anlegen, deren Gebrauch man unterlassen müsste, wenn die Verlegung z. B. das Gesicht getroffen hätte. O, wie hat die alte Schlange unseren Herrn Jesum Christum in die Ferse gestochen! Wir sehen Ihn in Gethsemane und auf Golgatha; kein Glied Seines Leibes bleibt unverwundet, Sein Haupt wird mit stachlichten Dornen, Seine Hände und Füße mit spitzen Nägeln, Seine Seite mit einem Speerstich, Sein Rücken mit Geißeln und Ruten zerstochen und zerschlagen, Seine Seele mit Höllenangst und Todesqual gefoltert, und der Anblick eines verräterischen Judas, eines verleugnenden Petrus, eines undankbaren Volkes, eines charakterlosen Richters, einer blutdürstigen Geistlichkeit, eines höhnenden Missetäters, einer tief verderbten, ohne Ihn rettungslos verlorenen Menschheit sind Fersenstiche, darüber Ihm das Herz bricht, dabei ihm die Seele betrübt wird bis in den Tod, und Er die große Gottverlassenheit am Kreuz fühlt. Aber Gottlob, es sind heilbare, keine tödlichen Verwundungen; am dritten Tag ist der Fersenstich wieder geheilt, und der zu Boden geworfene und aus dem Land der Lebendigen verstoßene Heiland wieder auferstanden und über Tod und Teufel in Seinem verklärten Leib siegreich erhöht und mit Preis und Ehre gekrönt. Auch unser Sieg in Seiner Gemeinschaft geht ohne solche Fersenstiche nicht ab, und sie lähmen uns manchmal, so lange wir leben; es wird Niemand gekrönt, er kämpfe denn recht; ex kann Niemand Christo nachfolgen in die Herrlichkeit, der sich nicht selbst verleugnet und Sein Kreuz Ihm nachträgt. Aber Gottlob, auch unsere Fersenstiche sind nicht tödlich, sondern heilbar; wie Er war, so sind auch wir in dieser Welt; auf Kampf folgt Sieg, auf Verwundung Genesung und Wiederherstellung, auf Tod ewiges Leben. Gottlob, wir können singen: „Nur auf Christi Blut gewaget mit Gebet und Wachsamkeit, dieses machet unverzaget und recht tapfere Kriegesleut': Christi Blut gibt uns Mut, tilgt des Satans Zornesglut“. Es wird nie an Schlangen fehlen, die uns in den Weg treten, und jede Schlange ist eine Erinnerung an unseren Fall, aber zugleich auch eine Weissagung auf unsere Erlösung, und wir können ihr getrost und siegesmutig entgegenrufen: Zische nur, züngle, stich, alte Schlange, soviel du willst - es hilft dir doch nichts, dein Untergang ist schon entschieden; der Fuß ist schon aufgehoben, der dir den Kopf zertritt. Nun wollen wir uns gern von ihr stechen lassen, da wir wissen, dass ihr der Kopf um so gewisser zertreten wird. Was fragt der Krieger nach seinem vergossenen Blut, nach seinen zerrissenen Knochen, wenn nur die Schlacht gewonnen und das Vaterland frei geworden ist? Was fragt der Landmann nach dem Schweiß seines Angesicht, wenn er nur eine reiche Ernte erhält? Wer den Sieg schon mit in den Kampf bringt, der trägt gewiss den Sieg davon! Wir bringen ihn aber mit unter Christi Kreuzesfahne. Mit diesem Zeichen müssen wir siegen und jeden Satan unter die Füße treten. Darum, es koste was es wolle, nur in Seine Gemeinschaft hinein! nur Eins mit Ihm! nur immer fester an Ihn angeschlossen! nur recht dicht an Seine Seite und an Sein Herz! nur alle Tage von Neuem gefleht: Heile mich, O Heil der Seelen, wo ich krank und traurig bin; nimm die Schmerzen, die mich quälen, und den ganzen Schaden hin, den mir Adams Fall gebracht und ich selber mir gemacht; wird, o Arzt, Dein Blut mich netzen, wird sich all mein Jammer setzen! Amen.

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