Ahlfeld, Johann Friedrich - Rüste dich, deinen Heiland zu empfangen.

Ahlfeld, Johann Friedrich - Rüste dich, deinen Heiland zu empfangen.

(IV. Sonntag des Advents.)

Die Gnade unseres Herrn und Heilandes Jesu Christi, die Liebe Gottes des Vaters, und die Gemeinschaft des heiligen Geistes sei mit euch Allen. Amen.

Text: Ev. Joh. 1, 19-28.
Und dies ist das Zeugnis Johannis, da die Juden sandten von Jerusalem Priester und Leviten, dass sie ihn fragten: Wer bist du? Und er bekannte und leugnete nicht; und er bekannte: Ich bin nicht Christus. Und sie fragten ihn: Was denn? Bist du Elias? Er sprach: Ich bin es nicht. Bist du ein Prophet? Und er antwortete: Nein. Da sprachen sie zu ihm: Was bist du denn? dass wir Antwort geben denen, die uns gesandt haben. Was sagst du von dir selbst? Er sprach: Ich bin eine Stimme eines Predigers in der Wüste: Richtet den Weg des Herrn; wie der Prophet Jesaias gesagt hat. Und die gesandt waren, die waren von den Pharisäern, und fragten ihn, und sprachen zu ihm: Warum taufst du denn, so du nicht Christus bist, noch Elias, noch ein Prophet? Johannes antwortete ihnen, und sprach: Ich taufe mit Wasser; aber er ist mitten unter euch getreten, den ihr nicht kennt. Der ist es, der nach mir kommen wird, welcher vor mir gewesen ist, des ich nicht wert bin, dass ich seine Schuhriemen auflöse. Dies geschah zu Bethabara jenseits des Jordans, da Johannes taufte.

Einst kam unser Herr und Heiland nach Betanien in Lazari Haus. Mit Lazarus wohnten darinnen seine zwei Schwestern, Martha und Maria. Wie verschieden traten aber bei dieser gnädigen Heimsuchung die zwei Schwestern auf! Martha machte sich viel zu schaffen, ihm zu dienen; Maria setzte sich zu Jesu Füßen und hörte seine Rede. Da fing Martha vor Jesu an zu klagen: „Herr, fragst du Nichts darnach, dass mich meine Schwester lässt allein dienen? Sage ihr doch, dass sie es auch angreife!“ Jesus antwortete und sprach zu ihr: „Martha, Martha, du machst dir viel Sorge und Mühe. Eins ist not, Maria hat das gute Teil erwählet, das soll nicht von ihr genommen werden.“ -

Geliebte Brüder und Schwestern, der Herr will in euer Haus kommen, er will auch keine Hütte verschmähen, er will sie in Gnaden heimsuchen. Er will kommen an seinem Geburtstag. Wenn wir nun heute, da die letzte Rüstwoche zu seiner Ankunft angeht, die Gemeinde scheiden könnten, welcher möchten denn mehr sein, der Marien oder der Marthen? derer, die sich zu des Herrn oder zu des Engels Füßen setzen und seine Rede hören, oder derer, die sich viel zu schaffen machen? Wenn wir jedes Herz in zwei Teile scheiden könnten, welche Kammer würde dann größer sein, die der Maria oder der Martha? Und die Meisten unter uns würden antworten müssen: „Die der Martha.“ Ihr Väter und Mütter, ihr habt auf das liebe Fest viel an eure Kinder gedacht, und habt darüber oft das Kind vergessen, von dem Jesaias (9,6.) schreibet: „Ein Kind ist uns geboren, ein Sohn ist uns gegeben, welches Herrschaft ist auf seiner Schulter; und er heißt Wunderbar, Rat, Kraft, Held, Ewig-Vater, Friedefürst.“ -

Ihr, Kinder fanget an zu fragen: „Was werden mir meine lieben Eltern zum Feste schenken?“ Habt ihr auch fleißig gedacht an den Vater, von dem es heißt: „Welcher seines eingebornen Sohnes nicht hat verschonet, wie sollte er uns mit ihm nicht alles schenken?“ -

Du Bräutigam hast an deine Braut gedacht, du Braut an deinen Bräutigam. Ihr habt doch aber den Seelenbräutigam nicht vergessen, den der Vater an diesem Feste in die Welt sendet, damit er ihn vermähle mit unserm Geschlecht, mit der ganzen Menschheit, also auch mit dir: - Christbäume habt ihr gekauft. Was soll aber ein Christbaum ohne den Christ? Was soll ein Christbaum ohne den, von dem Jesaias schreibet: „Und es wird eine Rute ausgehen aus dem Stamme Isai, und ein Reis aus seiner Wurzel wird Frucht bringen; auf welchem wird ruhen der Geist des Herrn, der Geist der Weisheit und des Verstandes, der Geist des Rates und der Stärke, der Geist der Erkenntnis und der Furcht des Herrn.“ Du willst deinen Christbaum bekleiden mit allerlei Früchten für deine Kinder. Schaue aber zugleich in dich! Hast du den Christbaum in dir bekleidet mit den goldenen Früchten der Gerechtigkeit? Du willst ihn zieren mit Lichtern, dass die Kinder ein Bild haben von der Nacht, da die Klarheit des Herrn die Hirten auf dem Felde umleuchtete. Du versäumst doch aber auch nicht, die Leuchte des Glaubens anzuzünden, damit es dir nicht gehe wie den fünf törichten Jungfrauen, die kein Öl auf den Lampen hatten, und die ausgeschlossen wurden, als der Bräutigam kam? -

Nun kannst du schon die Arbeit der Maria und Martha unterscheiden. Aber wir können nicht einmal sagen, dass alle äußere Rüstung auf das Fest der Arbeit der Martha gleich ist. Denn was diese tat, tat sie, um ihrem Herrn zu dienen. Wie viel aber wird gearbeitet zum heiligen Christ, und an den Christ wird gar nicht gedacht! Wie viel wird gekauft zu Weihnachten, und die Nacht der Gnade und Wahrheit, die Nacht der himmlischen Klarheit wird ganz und gar vergessen! Es wird ein toter Dienst für den unbekannten Gott. Höret, liebe Christen, wer ein Christfest versäumet, versäumet gar viel. Damit wir es nicht versäumen oder unwürdig feiern, wollen wir bei dem alten Johannes in die Schule gehen. Der weiset uns an, wie wir uns auf dasselbe rüsten sollen. Wir rufen uns heute zu:

Rüste dich, deinen Heiland zu empfangen.
Demüt'ge dich vor Jesu Christ,
Tritt ihm entgegen, wie du bist.
Erhebe hoch den Gottessohn,
Such in ihm deinen Gnadenthron.

Unser erster Rüstruf ist also: Demüt'ge dich vor Jesu Christ.

Wie der Morgenstern noch scheint mit der aufgehenden Sonne, so wandelt auch Johannes, der Morgenstern, noch eine Weile mit Christo, der Sonne der Gerechtigkeit. Sie stehen zu gleichen Zeiten am Himmel der Gnade. Johannis Ringen und Streben ist aber kein anderes, denn dem Herrn den Weg in die Herzen der Leute zu bahnen. Wie dies geschehen soll, zeigt er ihnen in dem heutigen Evangelio an sich selber. Priester und Leviten kommen zu ihm und fragen ihn, wer er ist. Da wirft er zuerst von sich alle Herrlichkeit, die die Frager etwa hinter ihm suchen. Und er bekannte und leugnete nicht; und er bekannte: „Ich bin nicht Christus.“ Er will nicht in falscher Ehre prangen. Er will dem die Ehre nicht nehmen, dem sie gebührt. Und ob auch Priester und Leviten ihren Stammgenossen gern bekleidet hätten mit dem Ehrenkleid des Gesalbten Gottes, er wirft den Königspurpur von sich. Ja noch mehr; sie fragen ihn: „Bist du Elias oder ein Prophet?“ Er antwortet: „Ich bin es nicht.“ Er wirft auch den Prophetenmantel von sich. Hier möchten wir fragen: „Tut er denn nicht zu viel?“ Und die Antwort lautet: „In der Demut lässt sich schwer zu viel tun.“ Wenn Christus sagt, Johannes sei Elias, so soll dies nur heißen: er wirkt im Geist und in der Kraft des Elias. Wenn Johannes sagt: „Ich bin kein Prophet,“ so soll dies bedeuten: „Die aus der Ferne von vielen Jahrhunderten her auf Christum hinwiesen, die verdienen diesen Namen wohl; ich aber, der ich ihn vor mir sehe, der ich mit dem Finger auf ihn hinweisen kann, ich bin desselben nicht wert.“ Sagt Christus dennoch, dass er ein Prophet sei, ja dass er auch mehr sei, denn ein Prophet, so ist es lieblicher, dass der Herr und Meister ihm die Ehre beilegt, denn dass er selber seine Hand danach ausstreckt. Mit allen diesen Antworten weist er das Volk von sich ab. dass es nicht in ihm seinen Trost und sein Heil suchen soll. Christ, willst du dich rüsten auf das Fest, so bekenne du zu allererst von dir selber: „Ich bin nicht Christus!“ Du wirst antworten: „Was soll ich dies bekennen, es ist mir nie in den Sinn gekommen, dass ich Christus sein will!“ Wohl ist es dir nie in den Sinn gekommen, dass du der Christus aus dem Stamme Davids sein willst. Aber dein eigner Christus, dein eigner Heiland hast du sein wollen. Du hast dich selbst erlösen wollen von deinen Sünden. Sage, ob du nicht in dir solchen Handel getrieben hast! Du hast allerdings deine Sünde erkannt, und du hast sie auf die eine Waagschale gelegt. Auf die andere legtest du deine guten Werke. Du selber aber warst Scheider und Richter zwischen beiden, und legtest auf deine Werke noch deinen Wunsch und deine eigne Schätzung derselben. Es war in dir schon gewogen, ehe du den Vergleich anstelltest. Das Zünglein musste auf deine Seite schlagen und du sprachst: „Was ich Gutes getan habe, hebet und wäget meine Schuld reichlich auf. Damit habe ich mich los gekauft von meinen Sünden.“ O du Tor, weißt du nicht, dass es hier ein anderer Handel ist, denn in irdischen Dingen? Wer im irdischen Vermögen tausend Pfund schuldig ist, aber auch noch einen Besitz hat von tausend Pfund Wert, der kann sagen: „Ich kann meine Schulden tilgen.“ Aber vor dem Herrn soll dein ganzes Herz rein und lauter sein: vor dem Herrn sollen alle Tage gefärbt sein mit der Sonnenfarbe des Glaubens und mit der Lebensfarbe der Liebe. Wo willst du es denn nun wegnehmen, um die finstern Stellen in Herz und Wandel auszufüllen? Etwa von deinen guten Tagen? von den Stunden des Glaubens und des Gehorsams? Was du in deinen heiligsten Tagen vor dem Herrn gewesen bist, reicht ja immer noch nicht hin, um diese Tage vor ihm zu rechtfertigen, und du willst mit ihm noch die Blöße der andern Tage decken? Und noch dazu ist auch dieses nur Gnade und Gabe des Herrn. Also herunter von diesem stolzen Thron! Ich kann nicht mein eigner Heiland sein. -

Johannes will aber auch kein Elias, kein Prophet sein. Das willst du auch nicht sein in dem alten Sinn des Worts. Aber dennoch lässt du dich dünken, du könntest das Eliasamt, das Prophetenamt an dir selber üben. Elias, wie die übrigen Propheten, durchzog das Land Israel und Juda, stieß die Altäre des Götzendienstes um und reinigte das Land, so weit es sich nicht verstocket hatte in seinen Sünden. Und du meinst: „In meinem Herzen, in meinem kleinen Lande und Gebiete kann ich das auch tun.“ Es ist nicht wahr, dass du dein Land selbst reinigen kannst. O wenn wir es könnten, dann täten wir es doch wohl allzumal in den letzten Tagen vor unserm Tode. Wie Vielen unter euch ist die Sünde, ist eine gewisse Sünde gewesen wie ein Dorn, wie ein Stachel, wie ein Brandfleck in der Seele.

Heute habt ihr sie bekannt, beweint, heute habt ihr sie verflucht, und morgen - habt ihr sie wieder begangen. Du erkennst daraus, dass du dich nicht selber reinigen kannst. Eine äußere Ehrbarkeit kannst du mit deinem Willen allenfalls erzwingen; aber ein neues Herz will gegeben sein, und der es gibt, ist der neue Mensch, der Gottes- und Menschensohn, Jesus Christus. Er spricht: „Ich, ich tilge deine Sünde und kein Anderer nicht.“ Nun schaue hinein in deine Weihnachtsrüstung. Ist denn die schon darunter, dass du dich los gemacht hast von dem Hochmut der eigenen Erlösung und von dem Trug der eigenen Reinigung? Es ist noch genug zu tun übrig, und zwar nicht in Etlichen von uns, sondern in uns Allen. Unser zweiter Rüstruf war

II. Tritt ihm entgegen wie du bist.

Wohnt in dem Herzen Heuchelschein, So geht der Heiland nicht hinein. Johannes sagt denen, die ihn fragen, wer er sei, offen heraus: „Ich bin eine Stimme eines Predigers in der Wüsten: Richtet den Weg des Herrn, wie der Prophet Jesaias gesagt hat.“ Dazu hatte ihn sein Gott berufen. Nicht mehr und nicht weniger wollte er sein. Er blieb in dem Beruf, darinnen er berufen war. Das bekannte er auch frei und öffentlich. In der Wüste hielt er seine Predigt, draußen im Sand, unter den toten Steinen, wo nur hie und da ein gut Kräutlein stand, wo nur hie und da die Bienen Honig in den Felsenspalt getragen hatten. Dort ruft er: „Tut Buße, denn das Himmelreich ist nahe herbeigekommen!“ Er meint unter der Wüste noch etwas Anderes. Er meint das zur Wüste gewordene Volk. Die alten Glaubensbäche waren in dem Volk vertrocknet, die Blumen der stillen Gottes- und Bruderliebe waren verdorrt. Das Volk war eine große geistliche Wüste geworden. Nur hie und da fand er einen lebendigen Quell: nur hie und da hatte eine Rose von Jericho noch die Lebenskraft in sich, dass sie wieder lebendig ward, als der Regen und Tau. oder auch das Wetter des Wortes Gottes auf sie herniederfiel. In dieser großen Volkswüste rief er: „Richtet dem Herrn den Weg, bereitet dem Herrn den Weg, machet seine Steige richtig!“ -

Mein Christ, was ist dein Herz? Auch eine große Wüste, Sand und Steine sind genug darinnen. Sand die Güter, die Weisheit und das Gelüst dieser Welt, die der Strom der Zeit von deiner Uferstätte wegschwemmt und anderwärts wieder anschlämmt. Steine die verhärteten Stellen in uns, wo uns die Sünde zur andern Natur geworden ist, wo wir sie nicht lassen können, wo wir meinen, wir können nicht mehr leben ohne sie. Und wie lange musst du suchen in diesem deinem Herzen, ehe du eine Stelle findest, wo das Lebenswasser aus dem lebendigen Felsen quillt! Wie viele Tage in dem wüsten Getümmel deines Lebens musst du durchgehen, ehe du einen Tag findest, der überschattet ist von den siebzig Palmen Elims, der erquickt ist von den siebzig Wasserbrunnen, die unter ihnen springen! Wie viel Sorgendisteln stehen da, ehe einmal eine Pflanzung von Glaubensblumen kommt! Wie viel Pflanzungen zu deinem Vorteil und zu deiner Lust stehen darinnen, ehe einmal ein Beet kommt, das wahrhaftig mit der Ehre Gottes bepflanzt ist! Hohe Berge des Vertrauens auf sich selber und tiefe Schluchten des Kleinglaubens und der Verzweiflung wechseln mit einander. Wo aber ist einmal ein eben Land des stillen Glaubens an Gott? Ach es ist so selten, wie eine fruchtbare Stätte in der Wüste. So stelle dem Herrn dein Herz vor. Male es ihm nicht in Goldfarben. Es sind doch nur Farben der Abendröte, die bald der Nacht weichen müssen. Die Schafskleider zieht er den Pharisäern aus. Die schöne Tünche von den Totengräbern spült die Zeit ab. Schlangen und Ottern müssen alle Jahre ihre Haut abwerfen. Glaube ja nicht, dass du den Herrn lockest damit, dass du dich ihm selbst vorrühmest. Irdische Käufer lockt man an mit dem Vorrühmen dessen, was sie kaufen wollen. Den aber, der deine Seele vom Verderben errettet, der dich loskaufet von der Hölle, lockest du damit an, dass du ihm dein Elend und deine Armut vorklagest. So erkenne es denn, der neue Mensch in dir, der Anfang der Gnade und Erneuerung in dir, ist auch noch nichts weiter, denn eine Stimme eines Predigers in der Wüsten, die da ruft: „Bereitet dem Herrn den Weg, und machet seine Steige richtig!“ Und wem ruft sie es zu? Uns allzumal selber. Wir wollen nicht Andern predigen und selbst verwerflich erfunden werden. O dass es sich doch ein Jeder unter uns recht ehrlich sagte, wie wüst es in seinem Herzen sei; dass doch ein Jeder in Kraft des neuen Anfanges hineinschrie in diese Wüste, dass es wiederhallte wie ein Echo von den Bergen des Hochmuts, dass es in zehnfachem Wiederhalle hinklänge durch die Täler des Unglaubens: „Bereitet dem Herrn den Weg und machet seine Steige richtig!“ Ja, machet sie richtig damit, dass ihr alle Höhen des Stolzes und eignen Wesens niederreißt; machet sie richtig dadurch, dass ihr die Schluchten des Kleinglaubens ausfüllt mit der unverdienten Gnade Gottes. So wird dem Herrn eine ebene Straße in euer Herz gebaut.

III.

Soll er aber kommen, so reicht dies noch nicht aus. Als Johannes jene zwiefache Antwort gegeben hatte, fragten die Abgesandten weiter. „Warum taufst du denn, so du nicht Christus bist, noch Elias, noch ein Prophet?“ Nun redet er fast gar nicht mehr von sich, sondern die ganze Blüte seines Wortes schmückt den, dem er den Weg bereitete. Wie ein Psalm im höheren Chor hebet sich hier seine Rede: „Ich taufe mit Wasser; aber er ist mitten unter euch getreten, den ihr nicht kennt. Der ist's, der nach mir kommen wird, welcher vor mir gewesen ist, des ich nicht wert bin, dass ich seine Schuhriemen auflöse.“ Sich selbst hat er arm und klein gemacht, seinen Herrn macht er groß; sich selbst hat er die Ehre ausgezogen, seinem Herrn legt er sie an. Mein Christ, das ist auch deine Arbeit. Wenn die morschen Stützen brechen, dann sucht man sich neue. Wenn du siehst, dass das alte Haus der eigenen Herrlichkeit keinen Grund hat, dass es wankt unter deinen Füßen, dass die Winde des Gesetzes und des Gerichtes von allen vier Seiten hindurchwehen, dann suchst du dir ein neues. Wenn das alte Kleid der eigenen Gerechtigkeit zerreißt wie Mottenfraß, dann suchst du dir ein neues. Wenn du erkennst, und du musst es erkennen, wie du so gar Nichts bist vor Gott um deinetwillen, dann musst du ausschauen nach dem, um deswillen du Gnade vor ihm findest. Wenn dir der Herr Gnade gegeben hat, dich selbst daranzugeben, dann tritt deine andre Arbeit ein: Erhebe hoch den Gottessohn. „Der ist es, welcher vor mir gewesen ist,“ spricht Johannes. Der Ältere in der Pilgerschaft war Johannes. Er war 6 Monate früher geboren als Jesus. Aber im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort. -

Auch du sollst ihn rühmen, denn er ist von Ewigkeit vor dir gewesen, von Ewigkeit her hat er an dein Heil gedacht, hat er an den Tag gedacht, da er auf Erden würde arm, damit er deiner sich erbarm. „Ich bin nicht wert, dass ich ihm die Schuhriemen auflöse,“ spricht Johannes. Der Kleinste im Himmelreich ist größer denn Johannes. Und Christus ist der Fürst und König im Himmelreich. Und nun vergleiche du dich mit ihm. Er des wahrhaftigen Gottes Sohn, und du ein armes Menschenkind. Er ist es, dem Himmel und Erde und das Meer und alle Kreaturen dienen; du weißt nicht einmal, ob morgen deine Hand oder dein Fuß noch deinem Willen Folge leisten will. Er ist so lauter, dass auch Feindesauge an ihm keinen Flecken finden kann, und du weißt dich vor Sünde und Flecken nicht zu retten. -

Doch wie lange sollen wir vergleichen, wenn wir seine Majestät und Heiligkeit an unserer Schwachheit und Sünde ins Licht stellen wollten. - Johannes spricht: „Ich taufe mit Wasser, aber der nach mir kommt, wird euch mit Feuer und dem heiligen Geist taufen.“ So viel die Sonne herrlicher ist denn der Mond, so viel ist das Evangelium herrlicher denn das Gesetz, so viel ist Christus größer denn Moses und Johannes, so viel ist Bethlehem und Golgatha lieblicher denn der Sinai. Der Mond scheint in der Nacht, aber auch sein Licht hat er von der Sonne, die mit dem Tage aufgehen soll. Helle kann er machen, aber es friert uns bei seinem Scheine; warm und lebendig macht die Sonne. Die Sünde kann uns Moses zeigen in klaren Zügen; aber vergeben kann er sie nicht, Buße kann Moses predigen, und einen Täufer zur Buße kann er senden: aber einen neuen Menschen kann er nicht machen, Christus allein tauft mit Feuer und dem heiligen Geist, mit dem Feuer des Lebens, das von innen herausbrennet, das da brennt und doch nicht verbrennt; mit dem Geist, der aus Gott geboren, uns zu Kindern Gottes macht; aber uns auch hält in der heiligen Ordnung, dieweil er kein Geist des natürlichen Menschen und kein Irr- und Taumelgeist ist, -

Wenn einst Israel zu seinen Festen hinauszog gen Jerusalem, dann sang das Volk auf dem Wege die Ehrenlieder Gottes. Und je näher sie herankamen an die heilige Stadt und an den Tempel, um so köstlichere Lieder im höheren Chor wurden angestimmt. Was ist die Adventszeit? Es ist ein Hinaufsteigen nach der Geburtsstätte deines Herrn. Stimme an seine Ehrenlieder, dein Gesangbuch ist voll davon. Da stehen sie: „Auf, auf ihr Reichsgenossen!“ rc. „Wie soll ich dich empfangen?“ rc. „Nun jauchzet all ihr Frommen,“ und wie sie weiter heißen. Je näher der Tag kommt, um so heller soll dein Singen und Klingen und Preisen sein zum Ruhm des Königs der Ehren. Wenn dann aber die Nacht einbricht, die kein Mond des Gesetzes und kein Nordlicht des Verstandes mit seinen blassen Strahlen erleuchtet, in der vielmehr die Gnade Gottes die Winterfelder helle macht, in der das Lamm die Leuchte ist: dann soll jedes christliche Haus ein Lobehaus sein, und Eltern- und Kinderstimmen sollen sich vereinen zu dem Engelsgesange, der nimmer verklingen wird in der Kirche: „Ehre sei Gott in der Höhe, und Friede auf Erden, und den Menschen ein Wohlgefallen.“ -

Nun ihr Väter und Mütter in dieser Gemeinde, auch ihr Armen und Witwen, ihr wollt Weihnacht feiern mit euern Kindern. Ihr wollt ihnen vorher eure Schätze auftun wie die Weisen des Morgenlandes sie dem Christkind auftaten. Sind es auch arme Schätze: die Liebe, mit der ihr sie gebt, vergoldet sie, und der Glaube macht sie echt. Kommt nun die Stunde, ihr Väter und Mütter, so versäumet und vergesst es nicht, schlagt erst in eurer Bibel auf: Lukas am zweiten, und leset dem ganzen Hause vor das Evangelium, wie ein Gebot vom Kaiser Augustus ausging. Dazu singt, oder, so ihr dies nicht könnt, leset mit den Euern eins von den allen Lutherliedern: „Vom Himmel hoch da komm ich her,“ oder „Gelobet seist du Jesu Christ,“. Das sei die Familienrüstung für den Empfang des Herrn. Nicht wahr, ihr wollt doch euren Kindern nicht eine Schlange für einen Fisch, einen Stein für Brot geben? Ihr wollt ihnen keine Schale ohne Kern geben? Wer seinen Kindern Christgeschenke gibt, ohne den Christ ihrem Herzen nahe zu bringen, der gibt ihnen eine Schale ohne Kern, einen Schatten ohne das Wesen. Das sollt ihr nicht, das wollt ihr nicht. Ihr wollt den Christ haben, und sie sollen ihn auch haben. Darum soll auch bei euch allen die rechte Rüstung vorangehen:

Demüt'ge dich vor Jesu Christ,
Tritt ihm entgegen, wie du bist.
Erhebe hoch den Gottessohn,
Such in ihm deinen Gnadenthron.

Ja, nach dieser Rüstung, wenn Maria und Martha recht schwesterlich ihre Hände in einander gelegt haben, wenn Martha nicht mehr schilt auf Maria, sondern ihr Werk dem der Schwester untergeordnet hat, dann lässt sich ein gesegnetes Weihnachtsfest feiern. Dann verstehen wir gründlich unsere Epistel: „Freuet euch in dem Herrn allewege, und abermals sage ich: Freuet euch. Eure Lindigkeit lasset kund werden allen Menschen. Der Herr ist nahe. Sorget Nichts, sondern in allen Dingen lasset eure Bitte im Gebet und Flehen mit Danksagung vor Gott kund werden. Und der Friede Gottes, welcher höher ist denn alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christo Jesu.“ Dann könnt ihr Christum willkommen heißen, und könnt hinweisen auf das Kind in der Krippe und rühmen mit Johannes: „Siehe, das ist Gottes Lamm, welches der Welt Sünde trägt,“ und still, aber fest und gewiss, hinzufügen, - und die meine auch. Amen.

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