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Galater, Kapitel 6

Galater, Kapitel 6

6:1 Liebe Brüder, so ein Mensch etwa von einem Fehler übereilt würde, so helfet ihm wieder zurecht mit sanftmütigem Geist ihr, die ihr geistlich seid; und sieh auf dich selbst, daß du nicht auch versucht werdest.
Wenn eine Christenschar aufgeregt wird wie die in Galatien, so geht es ohne schwere Fehltritte nicht ab. Da gab es manches böse Wort und manchen unbedachten Schritt, der schwere Folgen haben konnte, mancherlei Verwundungen des inwendigen Menschen. Vielleicht kam der Brief des Paulus für manche zu spät, so dass sie sich schon beschnitten hatten, um es hernach bitter zu bereuen. Es müssen aber nicht erst besonders schwierige Zeiten kommen, um uns zu zeigen, dass Menschen stürzen, auch solche, deren Sturz uns überrascht, weil wir meinten, sie seien gegen die Verblendung, die uns sündigen macht, geschützt. Dann sollen wir erleben, wozu es Geist Gottes bei uns gibt, „geistliche Männer“, das heißt solche, die in der Leitung des Geistes stehen und durch ihr Verhalten der Gemeinde sichtbar machen, was der Geist will und gibt. Ihnen ist ihre besondere Begnadigung nicht dazu gegeben, dass sie nur sich selber vor dem Sturz bewahren; vielmehr richten die, die im Geist zu handeln vermögen, Gefallene wieder auf. Wenn sie dazu fähig sind, erweisen sie sich als die Träger des Geistes. Nicht wer klagt und schilt, sondern wer hilft und den Fehlenden zurück zu Christus führt, hat den Sinn des Geistes verstanden und die Kraft des Geistes offenbart.
Es liegt auf uns, barmherziger Heiland, viel gemeinsame Schuld. Wir lassen die anderen stürzen und stehen ohnmächtig neben ihrem Fall. Schenke uns die, die helfen können. Reiche uns dar die Waffen des Lichts. Amen. (Adolf Schlatter)

6:2 Einer trage des andern Last, so werdet ihr das Gesetz Christi erfüllen.
Also doch Last? Ja, es wird von vornherein zugestanden, daß ein Bruder dem andern durch seine Eigenart, auch durch seine Unart, etwas zu tragen gibt. Das ist sogar zuweilen ein bißchen viel. Es wird sogar sehr schwer, wenn man durch Familienbande oder Berufspflichten oft und lange zusammengehen muß. Insoweit können wir mit dieser Anerkennung unserer oft schwierigen Aufgabe ganz einverstanden sein. Aber jetzt heißt es nicht: Ihr Armen habt es doch arg schwer! Ihr dürft mal ordentlich darüber klagen und schwelgen in Mitleid mit euch selbst. Nein, es heißt: Angefaßt! Tragen! - Nicht sich scheiden lassen, nicht weglaufen, nicht jeden Umgang mit solchen Leuten meiden, sondern diese Last auf die eigenen Schultern nehmen. Dem andern wird wundersam zumute, wenn man ihn nicht fühlen läßt: Ich kenne deine Charakterfehler, darum gehe ich dir aus dem Wege! - sondern: Ich will dir helfen, sie tragen, überwinden, ja einen Teil deiner Last zu meiner eigenen machen, weil ich um Christi willen dich lieb habe und dich lieb behalten muß. - Wo das nicht gesagt, aber getan wird, da wird zweierlei erreicht: der andere wird dir solche Liebe nie vergessen, und du wirst ihm dadurch am besten helfen, von der Last loszukommen. Außerdem erfüllst du damit Jesu Gebot der Liebe.
Ach, du holder Freund, vereine deine dir geweihte Schar, daß sie es so herzlich meine, wie's dein letzter Wille war. Amen. (Samuel Keller)


Siehst du an den Gläubigen so viele Fehler, dass du den Umgang mit Leuten dieser Welt dem Verkehr mit den Bekennern der Gnade vorziehst? Nimm es mir nicht übel, wenn ich sage: Der Teufel öffnet uns gar gern die Augen und das Verständnis für die Mängel unserer Brüder, damit Gott uns nicht die Augen öffnen könne für das, was sie vom Himmel herab in und an sich haben. O, liebe die Anfänger, sie sind eben doch keine Weltkinder mehr. Und bist du wirklich gereifter als sie, so kannst du ihnen ja nützlich sein. Liebe auch die Schwachen, liebe sie mit der Tat, indem du dich zu ihnen hältst. An den Schwachheiten der Kinder stoße und ärgere dich nicht. Sie sammeln sich miteinander um Gottes Wort, da sind sie beim Meister in der Schule, der hat Einfluss auf sie. Selig, wer gerne lernt! Wenn sie nicht kommen, so lernen sie nichts; dann aber kann sie der Herr nicht gebrauchen. Kommet herbei, lernet von mir, spricht Er. O, wie begierig sind Kindlein nach der vernünftigen lautern Milch! Tadelst du sie darüber? Sie tun das, was den Herrn freut! Kurz ist die Erdenzeit, viel ist zu lernen und zu gewinnen. Nur wer jede Gelegenheit treu benutzt, wird vielen zum Segen gesetzt sein. Einspänner verlieren viel, sie sind so gut, so fromm, so gerecht; wenn sie aber mit Heiligen sollen Schritt halten, stellt es sich heraus, dass sie kein Gemeinschaftsleben gewohnt und für den Himmel ungeschickt sind. Du aber trage des andern Last. (Markus Hauser)

6:3 So aber jemand sich läßt dünken, er sei etwas, so er doch nichts ist, der betrügt sich selbst.

6:4 Ein jeglicher aber prüfe sein eigen Werk; und alsdann wird er an sich selber Ruhm haben und nicht an einem andern.
Jeder prüfe nicht nur einmal im Leben oder einmal im Jahr, sein selbst Werk, sondern alle Tage, ob er nämlich, wollen wir für jetzt nur sagen, beim HErrn stehe, oder ob er sich ohne seinen HErrn gerire (=”betrage” - Anm.d.Bearbeiters 2007). In dem liegt das meiste. Sobald wir uns an Seiner Seite fühlen, mit allem, was wir sind und tun, so geht's vorwärts, auch mit Hilfen, die wir erwarten. Fühlen wir uns getrennt, wenn auch nur in einzelnen Dingen, getrennt von Ihm, so macht solche Trennung in dem Grad, als sie vorhanden ist, Aufenthalt. Nur, was wir in dem HErrn sind und tun, gerät; alles andere wird zuletzt Schaum, und oft schneller, als wir daran denken. Insofern muß eigentlich unser selbst Werk das Werk des HErrn in uns seyn. Die Prüfung also, ob's so sei, sollte alle Tage geschehen, eigentlich in jedem Moment, indem man bei allem, was man anfängt, nur immer aufmerkt und sich fragt: Ist's mit Gott oder ohne Gott? Habe ich Seine Regeln und Gesetze im Auge, oder gehe ich eben so dem Triebe nach, gleichgültig, ob's mit dem HErrn, oder ohne Ihn gehe?
Merken wir uns von dem Spruch für jetzt nur so viel. Tun wir's, wie wir's da hören, so lernen wir richtig wandeln, freudig pilgern, in der Hoffnung wachsen, werden auch viel Gnaden und Freundlichkeiten Gottes erfahren, weil Er, bei dem wir sind, immer auch Sich fühlbar kund giebt. So mögen denn die lieben Abreisenden sich noch etwas daraus entnehmen; und wir, die wir bleiben, wollen's uns auch merken. Es bleibt gewiß, wer mit dem HErrn geht, wird und muß mit Ihm zu Seiner Herrlichkeit endlich gelangen; und dahin versammeln sich alle von nah und fern, von Ost und West, von Nord und Süd. Welche Freude aber wirds für uns seyn bei dieser großen Versammlung! (Christoph Blumhardt)


Paulus hatte vorher von dem rechten Verhalten gegen einen Menschen geredet, der unartig handelt, oder von einem Fehler übereilt wird und gesagt, diejenigen, die geistlich seien, sollen ihm mit sanftmüthigem Geiste wieder zurecht helfen. Weil es aber in diesem Falle oft geschieht, daß derjenige, der des Andern Uebereilung weiß, sich etwas darauf einbildet, daß er sich nicht so übereilt habe, und seinen Ruhm in dem Vorzug sucht, den er vor dem Andern habe, so sagt Paulus: ein Jeglicher prüfe sein selbst Werk, oder sein eigenes Thun, alsdann wird er, wenn sein Thun rechtschaffen ist, an sich selbst, oder wegen seines eigenen Zustandes Ruhm haben, und nicht nöthig haben, seinen Ruhm auf die Vergleichung mit einem Andern zu bauen. Freilich ist nöthig, daß ein Jeglicher sein eigenes Thun untersuche; denn ein Jeglicher wird am Tage des Gerichts seine eigene Last tragen, V. 5., oder sein eigenes Thun verantworten müssen. Der Richter wird einem Jeglichen geben, wie sein Werk bei der Entdeckung desselben sein wird, Offenb. 22,12. Wie soll ich aber mein eigenes Thun prüfen? So daß ich es nicht mit der Sitte meines Vaterlandes, mit dem Thun Anderer, die vielleicht auch verwerflich sind, oder mit den menschlichen Schilderungen der christlichen Rechtschaffenheit, sondern mit dem Worte Gottes vergleiche, und darnach beurtheile. Will ich den Brief Pauli an die Galater dazu benutzen, so kann ich die Worte Paulus Gal. 5,19-23. als eine Prüfstein gebrauchen: offenbar sind die Werke des Fleisches, als da sind Ehebruch, Hurerei, Unreinigkeit, Unzucht, Abgötterei, Zauberei, Feindschaft, Hader, Neid, Zorn, Zank, Zwietracht, Rotten, Haß, Mord, Saufen, Fressen und dergleichen, von welchen ich euch habe zuvor gesagt, und sage euch noch zuvor, daß, die solches thun, werden das Reich Gottes nicht ererben. – Die Frucht aber des Geistes ist Liebe, Freude, Friede, Geduld, Freundlichkeit, Gütigkeit, Glaube, Sanftmuth, Keuschheit. Wider solche (Leute) ist das Gesetz nicht. Sie sind in Christo Jesu, und stehen in der Gnade. Ferner: wenn ich mit des Gesetzes Werken umgehe, und durch mein eigenes Thun mich dem großen Gott beliebt und des ewigen Lebens würdig machen will, so bin und bleibe ich unter dem Fluch, denn Paulus sagt Gal. 3,10.: die mit des Gesetzes Werken umgehen, sind unter dem Fluch; wenn ich aber durch den Glauben an Christum Gerechtigkeit, Geist, Leben, Segen und Freiheit erlangt habe, und als ein Solcher wandle, so bin ich ein Kind Gottes, stehe in der Gnade des Neuen Testaments, und habe das himmlische Erbe zu gewarten. Auf eben diese Weise kann mir das ganze Wort Gottes und das Vorbild Christi, wie auch das Beispiel Seiner echten Jünger ein Prüfstein sein: nur ist nöthig, daß bei dieser Prüfung Gott, der ein Licht ist, mich und einen Jeden erleuchte, damit wir uns selbst unparteiisch und nach der Wahrheit richten können, und entweder unsers Gnadenstandes immer mehr vergewissert, oder von unserer Heuchelei und Gottlosigkeit zu rechter Zeit, da noch zu helfen ist, überführt werden, aber auch im ersten Fall unsere Mängel in der Heiligung einsehen, und nach der Empfahung eines größern Maßes der Gnade begierig werden. (Magnus Friedrich Roos)


Selten überfällt uns eine Krankheit, selten widerfährt uns ein Unglück oder erleiden wir einen Verlust, wo wir uns nicht eine Menge Möglichkeiten vorstellen, wie bei anders genommenen Maßregeln oder verändertem Betragen dem Uebel hätte vorgebeugt, der Verlust hätte vermieden werden können. Dies ist oft Täuschung. Es kann sehr unrecht sein, sich Vorwürfe zu machen, daß man nicht nach Einsichten gehandelt, die man erst nach dem Erfolge und durch denselben erlangt hat. Aber man sieht doch daraus, daß es dem menschlichen Geiste natürlich ist, bei Empfindungen der Unlust an seine Schuld zu denken, seine Gesinnungen zu prüfen, das Vernünftige und Pflichtmäßige seiner Handlungen zu untersuchen und in der Mißbilligung seines Verhaltens Unruhe und Reue zu empfinden. Darin liegt auch das Bekenntniß, daß wir verantwortlich sind für unsere Handlungen, und daß unsere Einsicht und Gesinnung einen bedeutenden Einfluß auf unser Schicksal hat.
Welch ein Trost, wenn uns das Gewissen bei unseren Handlungen weder über Zweck noch Mittel Vorwürfe macht! Darum will ich allezeit vorsichtig wandeln und gewissenhaft Alles prüfen nach dem Gebote Gottes und das Bewährte und Beste wählen und behalten. Das Ungemach drückt doppelt, wenn wir es selbst verschuldet haben und wenn wir uns sagen müssen: „es ist deiner Bosheit Schuld, daß du so gestäupet wirst, und deines Ungehorsams, daß du so gestraft wirst. Also mußt du inne werden und erfahren, was für Jammer und Herzeleid bringet, den Herrn deinen Gott verlassen.“ Jerem. 2, 19. Ich will mich bei all meinem Thun und Lassen mit Gott berathen, denn der Herr giebt Weisheit und aus seinem Munde kommt Erkenntniß und Verstand. Er behütet die, so recht thun, und bewahret den Weg seiner Heiligen. Dann werde ich auch verstehen Recht und Gerechtigkeit, Frömmigkeit und den Weg des Heils. Spr. 2, 6 u. f. So laß mich auch heute, o Herr, weise und vorsichtig wandeln. Amen! (Spieker, Christian Wilhelm)


Die Quelle, aus welcher sich so viel Irrsal und Jammer über unser Leben ergießt, besteht in einer Unredlichkeit, durch welche wir uns selbst belügen und betrügen, in einer Mißhelligkeit, durch welche wir mit uns selbst zerfallen, in einer Heuchelei, durch welche wir uns selbst täuschen. Daß wir uns gerne schmeicheln; daß wir uns mehr Fähigkeiten, Vorzüge und Würdigkeit beilegen, als wir besitzen; daß wir uns über den verderbten Zustand unseres Herzens recht geflissentlich verblenden; daß wir unwillig werden, wenn man uns zur Erkenntniß unserer Schwächen und Fehler bringen will: das ist es, was immer und allewege Wahrheit und Frieden, Redlichkeit und Eintracht, Glück und Freude stört.
Dieser eitle Dünkel, dies Verkennen unserer Kräfte, dieser vorbedachte Selbstbetrug treibt uns zu Unternehmungen, denen wir nicht gewachsen sind, erfüllt uns mit Hoffnungen, die getäuscht werden müssen, setzt uns Demüthigungen aus, die uns empfindlich kränken. Wir werden immer elender und unglücklicher, je länger wir diese Unredlichkeit gegen uns selbst fortsetzen. Wir wissen oft recht wohl, was gut und löblich ist, und vollbringen doch das Gegentheil; wir müssen über unsere Gesinnungen erröthen und lassen uns doch durch dieselben immer wieder zu thörichten Handlungen bestimmen. So steht unsere Vernunft in einem immerwährenden Kampf mit unseren Neigungen; so reißen uns unsere ungezähmten Lüfte oft wider unsern Willen zu Ausschweifungen aller Art fort; so verwickeln wir uns in einen Kampf, der den wildesten Aufruhr in unserm Innern zur Folge hat; so kommen wir aus Scham. Verdruß und Kränkung nicht heraus. Damit ich in diesen jammervollen Zustand nicht versinke, will ich aufrichtig sein gegen mich selbst, will ich auf die Mahnungen meines Gewissens achten, will meine Hülfsbedürftigkeit und Ohnmacht eingestehen und meine Zuflucht zur Gnade Gottes in Christo nehmen. Zufrieden, ruhig und glücklich kann ich nicht eher werden, als bis ich unter dem Einflusse des Evangeliums redlich gegen mich selbst und in dem Einen, das noth thut, einig mit mir selbst geworden bin. Herr, hilf mir dazu um deines Namens willen. Amen! (Christian Wilhelm Spieker)

6:5 Denn ein jeglicher wird seine Last tragen.

6:6 Der aber unterrichtet wird mit dem Wort, der teile mit allerlei Gutes dem, der ihn unterrichtet.

6:7 Irrt euch nicht! Gott läßt sich nicht spotten. Denn was der Mensch sät, das wird er ernten.1)
Deine Zukunft hast du noch in der Hand. Wie lange noch? Niemand kann dir's sagen. Aber wie wichtig sind doch diese Erdentage! Eine nie endende Ewigkeit hängt damit zusammen. Wenn dein Leib der Erde übergeben wird, dann hast du deine Arbeit getan. Dann hast du entweder den Grund gelegt zu einer schauerlichen Schreckensernte für dein eigenes Ich, oder aber es ist nun der gute Grund gelegt für eine wunderbare Zukunft, für das Göttlichwerden deiner Person nach Geist, Seele und Leib. Das sollte zu großem Fleiße in der Heiligung antreiben. Viele arbeiten unermüdlich, um ein nettes Vermögen zu erwerben. Wem aber wird es zufallen? Sicher ist nur so viel, dass sie selbst nach harter Arbeit ins Jenseits wandern müssen. Nicht einmal die eigene Haut kann da der Mensch ins Totenreich mit sich nehmen. Sorge doch für dich selbst! Willst du eine frohe, sorgenfreie Zukunft haben, so pflege das Saatkorn, das du jetzt mit dir herumträgst, mit Sorgfalt. Kreuzige dein Fleisch samt den Lüsten und Begierden. Deines Leibes Glieder lass vor Sünden bewahren. Hände, Füße, Zunge, Magen, Geschlecht nimm wohl in acht. Willst du ein weiser Mensch sein, tritt mit Jesus, dem Herrn des Lebens, dem auferstandenen Gottmenschen, in Verbindung. Pflege täglich Gemeinschaft mit Ihm, Aus Seiner Lebensfülle ziehe Lebenskräfte an. Wer Sein Fleisch isset und Sein Blut trinket, der hat das ewige Leben, des Leib wird herrlich auferstehen. Wandle als einer, der seine Seligkeit schafft mit Furcht und Zittern. Was säest du täglich? Liebe und Friede oder Hass und Streit? Wie die Saat, so wird auch die Ernte sein. (Markus Hauser)


Ohne Aussaat keine Erndte! so gewiß das im Zeitlichen gilt, so gewiß gilt es auch von dem, was unserer Seelen Seligkeit anlanget; ohne Aussaat hier auf Erden keine Erndte für uns dort in der Ewigkeit. Und wie es nicht minder im Irdischen gilt: „Wie die Aussaat, so die Erndte,“ so gilt auch das eben so gewiß von dem Ewigen: „Was der Mensch säet, das wird er erndten.“ Auf ein doppeltes Saat- und auf ein doppeltes Erndtefeld weist uns der Apostel hin. Unter dem Säen versteht er nichts Anderes, als unser Denken und Reden, unser Werk und Thun, unser Dichten und Schaffen hier auf Erden in dieser unsrer Gnadenzeit. Auf das Fleisch also säet der, der mit seinem Sinnen und Denken, mit seinem Sorgen und Trachten auf das Fleisch, das ist auf das Zeitliche und Irdische gerichtet ist, der auf dem Felde sinnlichen Lebens und Treibens seine Lust sucht, der an die Güter und Freuden dieser Welt seine Zeit und seine Kraft verwendet. Auf den Geist aber säet der, dem es, bei aller Treue in dem zeitlichen Berufe und Stande, darein der Herr ihn gewiesen, doch immerdar in seinem Leben das Eine, was allein Noch thut, wahrhaft am Herzen liegt, daß er möge seiner Seelen Seligkeit schaffen, Gott dem Herrn zum Wohlgefallen leben und das Reich Gottes bauen im eigenen Herzen und in Wen, die um und mit ihm leben. Das sind die Seelen, die im Getriebe und Gedränge der weltlichen Amts- und Nahrungssorgen noch einen Sinn haben für das Geistliche, die über den Marthageschäften das Mariatheil nicht vergessen. - Das Fleisch selber trägt das Verderben in sich und ist dem Fluch der Vergänglichkeit unterworfen; wer dem Fleische dient, erndtet hier schon unendlichen Jammer„ des Herzens und geheime Vorwürfe des Gewissens, und dort, am Tage der Rechenschaft, die ewige Pein der Verdammten. Der aber auf den Geist gesäet, dem reifet durch Gottes Gnade eine Freudenerndte ohne Aufhören dort, wo erst das rechte Leben im Geiste beginnt. Ach hilf mir, du treuer Gott und Heiland, in meiner großen Schwachheit, mache mich treu in meinem himmlischen Berufe, daß ich reichlich Frucht bringe, die da bleibet und Werke thue, die mir nachfolgen in das ewige, selige Leben. Ach mache Herz und Sinnen, O Gott! von Allem frei. Und gieb, daß mein Beginnen Aufwärts gerichtet sei. Die Welt kann doch nichts geben, Das wahre Ruhe brächt', Wer dich zur Ruh und Leben Erwählet, der trifft's recht. (Christian Wilhelm Spieker)

6:8 Wer auf sein Fleisch sät, der wird von dem Fleisch das Verderben ernten; wer aber auf den Geist sät, der wird von dem Geist das ewige Leben ernten.
Säen sieht aus wie ein Verlieren, denn wir legen gutes Korn in den Boden, um es niemals wiederzusehen. Säen auf den Geist scheint etwas sehr Phantastisches, Träumerisches, denn wir verleugnen uns selber und erhalten anscheinend nichts dafür. Doch, wenn wir auf den Geist säen, indem wir uns beeifern, für Gott zu leben, suchen dem Willen Gottes zu gehorchen und uns bemühen, Seine Ehre zu fördern, so werden wir nicht vergeblich säen. Das Leben, ja, das ewige Leben soll unser Lohn sein. Wir erfreuen uns dessen schon hier in der Erkenntnis Gottes, der Gemeinschaft mit Gott und dem Genuß Gottes. Dieses Leben fließt weiter wie ein stets tiefer, stets breiter werdender Fluß, bis es uns in den Ozean endloser Seligkeit trägt, wo das Leben Gottes auf ewig unser ist.
Laßt uns am heutigen Tage nicht auf unser Fleisch säen, denn die Ernte wird Verwesung sein, das Ende alles Fleisches, sondern mit heiliger Selbstüberwindung laßt uns für die höchsten, reinsten und heiligsten Zwecke leben und suchen, unsren hochheiligen Herrn zu ehren, indem wir seinem gnadenvollen Geist gehorchen. Was für eine Ernte wird es sein, wenn wir das ewige Leben ernten! Was für Garben endloser Seligkeit werden wir einheimsen! Was für ein Fest wird die Ernte sein! Herr, laß uns teilhaben an dieser Feier, um Deines Sohnes willen. (Charles Haddon Spurgeon)


Zwei Saatfelder bieten sich mir zur Benutzung dar, weil sowohl das Fleisch, mit dem mich die Natur versah, als auch der geist, den mir Christus darreicht, mein Begehren bewegt. Ich säe in das eine oder das andere, wenn ich mich mit dem, was sie verlangen, einige und es zum Werk ausgestalte. Paulus hat zunächst daran gedacht, dass seine Galater ihre Lehrer darben ließen, weil ihnen am göttlichen Wort wenig, viel dagegen an der Erhaltung und Vermehrung ihres Besitzes lag. Der natürliche Trieb treibt uns zur Vermehrung unseres Besitzes und zu seinem eigensüchtigen Genuss und stellt es uns als hart dar, dass wir ihn zum Dienst Gottes gebrauchen sollen. Gehorchen wir diesem Trieb, so säen wir auf unser Fleisch. Der Geist heißt uns Gott und sein Wort höher schätzen als jedes andere Gut. Machen wir seinen Rat zu unserem Willen, so säen wir auf den Geist. Hier und dort reift die Ernte mit Sicherheit und unser Handeln kommt wieder zu uns zurück. Haben wir unser natürliches Begehren als den Acker betrachtet, der uns die Ernte verschaffen soll, so werden wir bekommen, was dort allein wachsen kann. Was die Natur uns gibt, hat kein ewiges Leben in sich und kann es uns nicht verschaffen, auch wenn wir es eifrig pflegen und kunstreich schmücken. Je mehr wir unser natürliches Wesen nähren und stärken, um so sicherer zieht es uns in seinen Tod hinein. Ewiges Leben ist Gottes Gabe und darum gibt es der Geist dem, der seine Saat ihm anvertraut.
Wer seines Volkes gedenkt, dessen Bitten wird von Dir, Herr, stark und heiß. Uns überwältigt der Trieb des Fleisches; ihm übergeben wir unsere Saat durch stetige Arbeit und rastlosen Fleiß. Mache Deine Schar willig, unter der Not unseres Volkes zu leiden, und mache sie tüchtig zum Dienst des Geistes in starkem Erbarmen zu tapferer Hilfe. Mehre unter uns die, die ihr Fleisch gekreuzigt haben und im Geist wandeln. Amen. (Adolf Schlatter)

6:9 Lasset uns aber Gutes tun und nicht müde werden; denn zu seiner Zeit werden wir auch ernten ohne Aufhören.2)
Paulus hatte in dem Brief an die Galater sehr ernstlich und ausführlich behauptet, daß der Sünder allein durch den Glauben die Gerechtigkeit, den Geist, das Leben, den Segen, und den freien Zustand der Kindschaft Gottes erlange. Viele Leute nun sind so gearbeitet, daß sie die Lehre vom Glauben nur obenhin hören, da sie ihnen dann leicht und seicht zu sein deucht. Wenn man aber nur dasjenige erwägt, was man nach dem Zeugniß Pauli durch den Glauben erlangt, so kann man alsbald erkennen, daß der Glaube etwas sehr Wichtiges und Edles, ja daß er nicht Jedermanns Ding sei. Ueberdieß war Paulus gewohnt, ohne sich zu widersprechen, wenn er vom Glauben gehandelt hatte, alsbald Ermahnungen zu einem heiligen Wandel hinzuzuthun, welche vergeblich gewesen wären, wenn er nicht gewußt hätte, daß der Sünder durch den Glauben verändert und tüchtig gemacht werde, diesen Ermahnungen zu folgen. Nach dieser Weise schrieb er an die Galater: lasset uns Gutes thun, und nicht müde werden, denn zu seiner Zeit werden wir auch ernten ohne Aufhören. Ein Glaubiger soll also durch die Geisteskraft, die er empfangen hat, Gutes thun, und wenn ihm sein Dienst lang zu währen scheint, und dem Guten, das er thun will, viele Hindernisse entgegen stehen, nicht müde oder verdrossen werden, und auch die Geisteskraft zum Gutesthun nicht verlieren. Das Aufschauen auf Jesum und die Hoffnung der ewigen Ernste gibt von Zeit zu Zeit neuen Muth, und die Geisteskraft, die er von dem HErrn empfängt, ist an sich selbst etwas Unvergängliches und derjenigen Abnahme der Kräfte, welche sonst das Alter mit sich bringt, nicht unterworfen. Man lasse also immer seine Lenden umgürtet und sein Licht brennend sein. Man sei fleißig im Dienst des HErrn, es sei nun, daß man in dieser Welt Ehre oder Schande, Vortheile oder Verlust davon habe. Dieses Alles ist gering, wandelbar und vergänglich: Eines aber ist gewiß, wichtig und ewig, nämlich dieses, daß derjenige, der hier bis an sein Ende Gutes gethan hat, ohne Aufhören ernten werde. Gutes thun ist die Saat: was ist aber die Ernte? Die Empfahung des ewigen Lebens nach seiner Vollkommenheit, V. 8. Ps. 126,5. wird angedeutet, daß ein Knecht Gottes nicht ohne Thränen säe, aber dagegen mit Freuden ernten werde. 2 Kor. 9,6. wird der Ernte so gedacht, daß sie den Gnadenlohn bedeutet, dessen Maß nach dem Maß des Guten, das man gethan hat, eingerichtet sein wird. Das Säen währt eine kurze Zeit: aber die Ernte hört nimmer auf. Ach wenn die öffentliche fröhliche Ernste am jüngsten Tag angehen wird, so wird Jedermann Gutes ernten wollen; aber Paulus ruft den sterblichen Menschen V. 7. zu: irret euch nicht, Gott lässet Seiner nicht spotten. Was der Mensch säet, das wird er ernten. Wer auf sein Fleisch säet, wer Alles nur zur Vergnügung seiner natürlichen Lüste thut, wird von dem Fleisch das Verderben ernten: wer aber auf den Geist säet, und seine geistlichen Kräfte durch Gutesthun anwendet, und vermehrt, wird von dem Geist das ewige Leben ernten. Der HErr vergebe uns unser böses Thun, und mache uns tüchtig zu allem guten Werk, und schaffe in uns, was vor Ihm gefällig ist. (Magnus Friedrich Roos)


Nicht müde werden! Das ist eine der wichtigsten Ermahnungen an lebendige Christen, und wo sie wirklich befolgt wird, zeigt sich ein Geheimnis, für das die Welt keine Erklärung hat. Es liegt schon an unserm Verflochtensein in die Bande leiblicher Beziehungen, daß wir müde werden; die Zeit bringt ein natürliches Müdewerden wie eine Erkältung von außen an uns heran, und Mißerfolg, Undank und Enttäuschung tun ein übriges. Da muß man hinter das Geheimnisvolle kommen. Bei vielen körperlichen Geschicklichkeiten und anstrengenden Arbeiten pflegen solche, die Meister darin geworden sind, einen ,,Trick“, einen Vorteil herausgefunden zu haben, wodurch ihnen die Arbeit leicht wird, bei der andere Uneingeweihte bald ermüden. Bei unserem Gutestun ist das Geheimnis: es muß uns Freude machen; wir müssen es aus Liebe zu Jesus tun, so daß wir über jede neue Gelegenheit, die wir ausnützen dürfen, uns heimlich freuen, wie einer, der eine große Beute kriegt. Man muß uns mit einer Sache, darin wir nach Jesu Willen andern Menschen etwas Gutes und Liebes antun können, eine freudige Überraschung, ein Geschenk machen. Sehen wir die Mühe so an, dann werden wir nicht müde, Gutes zu tun.
Herr Jesus, ziehe uns in die Ähnlichkeit mit deinem Liebestun hinein, daß wir uns freuen, wo wir etwas dienen, tragen, leisten dürfen. Segne alle ähnliche Liebesarbeit deiner Kinder, daß du dadurch geehrt werdest. Amen. (Samuel Keller)


Das Gutes-tun schließt alles in sich, wodurch wir unserm Nächsten nach Seele und Leib wohlzutun und zu dienen suchen. Diese Gesinnung pflanzt der Geist Gottes durch das Ausgießen der Liebe Christi ins Herz, in unsere von Natur so kalten und selbstsüchtigen Herzen; denn nur der Glaube ist der rechte, der durch die Liebe tätig ist. Es ist die Natur eines wiedergebornen Menschen, diese Liebe zu üben, und wo er aus diesem Element herauskommt, da fühlt er sich unglücklich und unbefriedigt. Aber dies „Gutes-tun“, dies „Liebe-üben“, geht hienieden durch Kampf, und deswegen fügt der Apostel die Worte hinzu: „Lasset uns aber Gutes tun und nicht müde werden.“ Was kann denn in der Liebesarbeit müde mache3n? Nun, zunächst der Kampf mit unserer trägen, selbstsüchtigen Natur. Wie sucht sie doch fortwährend einen lähmenden Einfluß auf unsere Liebesarbeit auszuüben, und wie manchmal lassen wir uns durch die Vorwände, die sie uns in den Weg wirft, abhalten! Das eine Mal flüstert sie uns zu, es sei nicht die rechte Zeit, um dies oder das zu tun, das andere Mal sucht sie uns das Erfolglose unserer Arbeit glaubhaft zu machen, und mit ihr vereint macht Satan seine Anstrengungen, um uns von dem Gutes-tun abzuhalten. - Und dann finden wir in der Welt gerade für die wichtigsten Wohltaten Undank und oft Feindschaft und Haß. So dankbar mancher für äußere Wohltaten ist, so gleichgültig und unwillig weist er die Wohltaten zurück, die allein seiner Seele Frieden und Leben bringen können. Da wird das Ermüden eine bestimmte Versuchung, und wenn die Kinder Gottes nicht immer zu der Liebesquelle, die in dem gekreuzigten und auferstandenen Heiland für sie eröffnet ist, ihre Zuflucht nehmen könnten, da würden sie bald im Gutes-tun ermatten. Abe3r, gottlob, in seinem Kreuz und in der Frucht desselben liegt das Mittel für den Glauben, nicht müde zu werden und auch durch Schmach und Feindschaft sich nicht irre machen zu lassen. Ja, deswegen aufsehen auf Jesum, den Anfänger und Vollender des Glaubens, der jetzt als treuer Hoherpriester zur Rechten Gottes sitzt und seine schwachen Kinder stärkt und aufrichtet. (Heinrich Neviandt)

6:10 Als wir denn nun Zeit haben, so lasset uns Gutes tun an jedermann, allermeist aber an des Glaubens Genossen.
Obgleich Paulus in dem Brief an die Galater und in allen seinen Predigten und Schriften deutlich und nachdrücklich gelehrt hat, daß der Sünder nicht anders, als durch den Glauben an Christum, Gnade bei Gott erlangen könne, so hat er doch mit einem nicht geringeren Ernst auch auf einen heiligen Wandel und auf das Gutesthun gedrungen. Er hat aber nicht so darauf gedrungen, daß es das Ansehen gehabt hätte, als ob er dadurch seine Lehre vom Glauben und von der Gnade umstoße, ja er hat dasjenige, was er vom Gutesthun lehrte, nicht einmal als eine von dem übrigen Evangelio abgesonderte Lehre vorgetragen, sondern er hat das Gutesthun aus dem Glauben und aus der Gnade hergeleitet, und deßwegen meistens am Ende seiner Briefe, worin er die Glaubenslehren vortrug, von jenem Thun gehandelt. Nach seiner Lehre empfängt nämlich ein Christ, dem seine Sündenschuld und tiefe Verderbniß aufgedeckt worden, durch den Glauben an Christum nicht nur die Vergebung seiner Sünden, sondern auch Licht, Leben, Segen, die Kindschaft Gottes und das Siegel derselben, den Heiligen Geist. Ein glaubiger Christ ist in Christo Jesu, und Christus Jesus wohnt und lebt in ihm: wie kann es also anders sein, als daß ein Glaubiger auch Seine Gebote halte und Gutes thue? Diejenigen, die ohne den Glauben an Jesum mit des Gesetzes Werken umgehen, folglich aus eigenen Kräften fromm sein wollen, beschreibt Paulus als zänkische und bissige Leute, Röm. 2,8. Gal. 5,15., als Leute, welche die Schmach Christi fliehen, und überhaupt fleischlich gesinnt seien: da er hingegen die Glaubigen immer als geistliche und geistlich gesinnte Leute, die sich im Gutesthun üben, schildert. Doch war auch Paulus nicht von denjenigen, welche sagen: bei dem Glauben an Christum Jesum gibt sich Alles selber; die Glaubigen bedürfen also keine Gebote, Warnungen und Ermahnungen. Er wußte wohl, daß auch in ihnen das Fleisch noch wider den Geist gelüste, und daß neben der Aufmunterung zum Glauben ihnen zuweilen ein Zuspruch, welcher die Form einer Ermahnung, eines Gebots oder einer Warnung und Drohung hat, nöthig und nützlich sei. Er schrieb deßwegen auch den Galatern, von denen er hoffen durfte, daß sie durch das erste Kapitel seines Briefs wieder auf den Glaubensweg zurückgeführt worden seien, scharfe Warnungen, die Gal. 5,20.21. und K. 6,7.8. stehen, und nach denselben die Ermahnung: als wir nun Zeit haben, so lasset uns Gutes thun. Man hat nicht immer Zeit dazu, darum soll man sie dazu anwenden, alldieweil sie da ist. Auch so lange die Zeit des irdischen Lebens währt, entwischt demjenigen, der sich lange besinnt und träg ist, zuweilen eine Zeit oder Gelegenheit, Jemand Gutes zu thun, und er fühlt hernach deßwegen eine scharfe Bestrafung in sich selber. Uebrigens geht die ganze Zeit, Gutes zu thun, und dadurch auf den Geist zu säen, mit dem Tod, der von keinem Lebendigen weit entfernt ist, zu Ende. Die kurze Lebenszeit, die man auf Erden zubringt, ist die Saatzeit: denn wenn die Seele von dem Leib weggenommen ist, so fängt bei ihr schon die Ernte an. (Magnus Friedrich Roos)

6:11 Sehet, mit wie vielen Worten habe ich euch geschrieben mit eigener Hand!

6:12 Die sich wollen angenehm machen nach dem Fleisch, die zwingen euch zur Beschneidung, nur damit sie nicht mit dem Kreuz Christi verfolgt werden.

6:13 Denn auch sie selbst, die sich beschneiden lassen, halten das Gesetz nicht; sondern sie wollen, daß ihr euch beschneiden lasset, auf daß sie sich von eurem Fleisch rühmen mögen.

6:14 Es sei aber ferne von mir, mich zu rühmen, denn allein von dem Kreuz unsers HERRN Jesu Christi, durch welchen mir die Welt gekreuzigt ist und ich der Welt.Ist es seltsam, dass sich Paulus des Kreuzes Jesu rühmt? Dort ist seine Übertretung weggetan. Dort ist ihm die Gerechtigkeit zuteil geworden, dort ist ihm die Gnade erschienen, dort ist Gottes Friede zu ihm gekommen. Wie soll er nun nicht Jesus für sein Kreuz danken, wie etwas anderes loben als seinen Tod? Gerade das, was den Menschen erschreckt und ihn zur Buße nötigt, ist sein Ruhm, weil sich gerade dort Gottes Gnade und Gerechtigkeit offenbaren. Neben diesem Ruhm hatte in der Seele des Paulus kein anderes Rühmen Raum. Weil das Kreuz Christi die Schuld der Menschheit offenbart und richtet, sagt Paulus jedem Menschen, sei er wie er sei, du bist dem Tod übergeben. Darum hat die Welt für Paulus keinen Glanz und keine Größe mehr. Denn ihre Sündhaftigkeit und Verwerflichkeit ist durch den Tod Jesu aufgedeckt und Gottes Gericht ist über sie ergangen. Nun kann Paulus den Menschen nicht mehr bewundern und ebenso wenig fürchten. Mag er sagen und tun, was er will, Paulus sagt ihm, du bist gekreuzigt, gerichtet und tot. Allein durch unsere Verurteilung empfangen wir Gottes Gnade und unsere Übergabe in den Tod öffnet uns den Eingang in das Leben. Die Welt ist mir gekreuzigt, das heißt, ich sehe in jedem Menschen den, den die Gnade sucht, die für ihn das Kreuz trug, in jedem den, der Anteil an der Vergebung hat, die der Welt ihre Sünden nicht anrechnet, in jedem den, den Gott mit sich versöhnt hat und zu sich beruft. Darum sträubt sich Paulus nicht dagegen, dass auch er für die Welt ein Gekreuzigter ist, wie sie es für ihn ist. Weil er die Welt vor den Gekreuzigten stellt, antwortet sie ihm mit Geringschätzung und Hass. Er erwartet nichts anderes und begehrt von Menschen für sich keine Verehrung, wie auch er ihm keine Bewunderung darbringt. Weil auch ihm wie allen das Kreuz Jesu seinen Platz vor Gott anweist, ist er wie alle non jedem Verdienst entkleidet, von jedem Begehren, groß zu sein, erlöst, einer der Gottes Vergebung bedarf und sie empfangen hat, und deshalb ist er der Bote der göttlichen Gnade für die Welt und imstande, jedem zu sagen: sei versöhnt mit Gott.
Was Du, Herr Christus, getan hast, als Du Dein Kreuz trugest, ist höher und tiefer als meine Gedanken, mächtiger und gnädiger als meine Erfahrung. Ich sehe bittend empor zu Deiner Höhe: Zeige mir die Herrlichkeit Deines Kreuzes, dass es mir zum Ruhm wird, weil es mich in Gottes Frieden bringt und mein Leben fruchtbar macht im Dienst Deiner Gnade. Amen. (Adolf Schlatter)


Mir ist beim Lesen der Briefe des Paulus oft der heimliche Gedanke aufgestiegen, ob er nach seiner natürlichen Anlage nicht nach Ruhm begierig gewesen sein muß. Einesteils weiß er jetzt so gut über Demut zu reden, andererseits rühmt er sich doch an verschiedenen Stellen; allerdings ist sein Ruhm jetzt das Gegenteil von dem, was der Schüler Gamaliels einst geträumt hatte. Durch die Gnade der Demütigungen ist er zur Gnade der Demut gekommen. Darum rühmt er von sich nichts als das Durchkreuzen seiner Pläne, Hoffnungen und Aussichten. Solche Niederlagen führen zur Höhe. Das Kreuz Christi war doch vor der Welt seine schmählichste Niederlage und seine tiefste Erniedrigung. Wenn wir unser Herz und Leben vom Kreuz zerschmettern lassen wie Paulus, dann machen wir, von der Welt her angesehen, auch den Eindruck, den damals Christi Kreuz auf die Fremden machte: Niederlage, Gericht, Demütigung! Dennoch rühmen wir uns dieser Erfahrung. Denn seit das alte Wesen unter dem Zeichen des Gerichts steht, lebt das neue Wesen im Zeichen des Sieges und des Segens. Die Triumphe der Welt verrauchen; der Triumph des Kreuzes klingt fort durch alle Ewigkeit!
Herr Jesus, laß mich mit dir gekreuzigt sein, daß die Selbstverliebtheit und der Ehrgeiz nicht mehr unter dem Kreuz hervorkriechen können. Dann aber reiche mir dar die Kräfte deines Sieges, daß ich mich deiner und deines Kreuzes freuen und rühmen kann. Amen. (Samuel Keller)


Unter dem Kreuze Christi ziehen wir Christi Kraft an, da können wir gesinnt werden, wie Er gesinnt war. Der vorher Hochmütige wird hier demütig. Solange wir unter dem Kreuze unseren Platz behalten, solange wissen wir uns geborgen in Gott, frei von Schuld und sind selig im Herrn. Unter dem Kreuze Christi ist die Hölle für uns verschlossen, und über uns steht der Himmel offen. Aus Jesu Heilsfülle wird unser Herz getränkt; Seine Liebe durchströmt da unseren Geist; wir werden freudig im Glauben, innig in der Liebe, kühn in der Hoffnung, wir werden milde und barmherzig, still und sanftmütig. Der Gekreuzigte macht uns Ihm ähnlich, drückt Sein Bild in uns ab, macht uns zu wahren Gliedern an Ihm, dem vollkommenen Haupte. Da. wo Jesus für uns starb, sterben wir uns selber, der Welt und der Sünde ab; da, wo Jesus für uns starb, lernen wir für andere leben, lernen, was der Dienst Christi sei, wir lernen Ihm dienen, der uns zuerst gedient hat. O komm zum Kreuze Christi; da wird dir Erleuchtung und Erlösung zuteil. Der Heilige Geist durchforscht dein Herz, lass dir alles aufdecken, bekenne alles reumütig, nimm die Vergebung und die Erlösung durch das Blut Christi an. Gib dich Ihm, wie du bist; Er schenkt sich dir, und durch Ihn wirst du ein neues Geschöpf, ein Gottesmensch, ein Kind und Erbe Gottes. Der stellvertretende Tod ist dem erleuchteten Denker eine Quelle der wunderbarsten und erhabensten Geheimnisse. Sollten nicht unter diesem Kreuze auch deine Augen aufgehen? (Markus Hauser)

6:15 Denn in Christo Jesu gilt weder Beschneidung noch unbeschnitten sein etwas, sondern eine neue Kreatur.

6:16 Und wie viele nach dieser Regel einhergehen, über die sei Friede und Barmherzigkeit und über das Israel Gottes.

6:17 Hinfort mache mir niemand weiter Mühe; denn ich trage die Malzeichen des HERRN Jesu an meinem Leibe.

6:18 Die Gnade unsers HERRN Jesu Christi sei mit eurem Geist, liebe Brüder! Amen.
Heiliger und barmherziger Gott, Vater unsers Herrn Jesu Christi, ich bitte Dich durch diesen Deinen Sohn im heiligen Geiste demüthig, daß Du die Abthötung des alten Menschen, die mir täglich nöthig ist, kräftig in mir wirken wollest, damit ich nach dem inwendigen Menschen in Dir könne gestärkt werden. Es wohnt in meinem Fleische die Sünde: gieb mir Stärke des Geistes, daß ich ihr nicht die Herrschaft in mir gestatte. Meine unerkannten Sünden stellest Du in’s Licht vor Deinem Angesicht: o stelle sie, ich bitte Dich, ins Licht vor meinem Herzen, daß ich sie sehe und betraure und in Demuth die Vergebung derselben suche. Ich bin noch nicht gänzlich frei von der Inwohnung der Sünde: o laß mich, ich bitte Dich, aus Gnade frei sein von der Schuld und dem Fluch der Sünde. Das Fleisch in mir gelüstet wider den Geist, und den Geist wider das Fleisch; der Geist ist zwar willig, aber das Fleisch ist schwach: verleihe daher meinem Geiste den Reichthum Deiner Kraft und Stärke, daß er die bösen Begierden des widerstrebenden Fleisches überwinden könne. O wie schwer und hart ist es, gegen sich selbst zu kämpfen! Wie schwer ist es, einen Hausfeind zu bezwingen! Wenn Du mich in diesem Zweikampf nicht mit himmlischer Kraft anthust, so wird zu fürchten sein, daß ich gezwungen werde, wegen der verborgenen Nachstellung dieses Feindes zu unterliegen. Drücke, brenne, schneide, tödte den alten Menschen, daß ich seinem schmeichlerischen Betrug und Verführung entfliehen könne! Gieb, daß ich täglich in mir sterbe, daß ich nicht durch die Schmeicheleien des Fleisches vom wahren Leben, das in Christo ist, abgezogen werde! Entzünde in meinem Herzen das Feuer des Geistes, daß ich Dir meinen Isaak, die bösen Begierden und den Eigenwillen, zum Opfer bringe! Fleisch und Blut können das Reich Gottes nicht ererben. Mögen sie daher in mir sterben, daß ich nicht vom Himmelreich ausgeschlossen werde! Welche nach dem Fleisch leben, die werden sterben; welche durch den Geist des Fleisches Geschäfte tödten, die werden leben. Welche Christo angehören, die kreuzigen ihr Fleisch sammt den Lüsten und Begierden. Durchstich und kreuzige daher mein Fleisch, o Christe, der Du auf dem Altar des Kreuzes für mich durchstochen und gekreuzigt bist. Amen. (Johann Friedrich Wilhelm Arndt)

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